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Michael Schlecht, MdB, wirtschaftspolitischer Sprecher Fraktion DIE LINKE – 19.9.2016
Trauerspiel Leiharbeit
Moderne Sklaverei: so bezeichnen Betroffene die Leiharbeit. Selbst die Koalition aus Union
und SPD sah sich gezwungen, im Koalitionsvertrag Änderungsbedarf aufzunehmen. Was
folgte, war ein Trauerspiel. Am Ende der Legislatur kommt das Gesetz jetzt ins Parlament. Nur
Verbesserungen für die Betroffenen sucht man darin vergeblich. Eher findet man Verschlechterungen.
Für Unternehmer sind Beschäftigte in Leiharbeit oder über einen Werkvertrag die billige
Alternative zur Stammbelegschaft. So können
nicht nur Lohnkosten gespart und Mitbestimmung ausgehebelt werden, sondern auch die
Stammbelegschaften diszipliniert werden.
Ihnen wird suggeriert, dass auch ihr Arbeitsplatz umgewandelt werden könnte, zum Beispiel bei allzu forschen Forderungen beim
Lohn.
Deshalb werden immer mehr Beschäftigte in
Leiharbeit eingesetzt; ihre Zahl liegt jetzt bei
über 900.000. Wie viele Werkvertragnehmer
es gibt ist schlicht unbekannt. Unternehmer
haben auch kein Interesse darüber zu berichten.
Künftig sollen Leiharbeitnehmer grundsätzlich
den gleichen Lohn wie Stammbeschäftigte erhalten. Was die Bundesregierung als Erfolg
hinausposaunt, hat nur einen Haken: Neun
Monate lang darf der Leiharbeiter weiterhin
schlechter als sein regulär entlohnter Kollege
bezahlt werden.
Die meisten Leiharbeitnehmer werden von
der Regelung nichts haben – mehr als die
Hälfte aller Leiharbeitsverhältnisse endet nach
maximal drei Monaten, zwei Drittel nach
sechs Monaten.
Gibt es Tarifverträge, die Zuschläge für Leiharbeiter auf den Einstiegslohn vorsehen, kann
ein Betrieb den Leiharbeiter bis zu 15 Monate
schlechter bezahlen. Equal-pay geht anders!
Bloß ein Zehntel aller Leiharbeiter sind derzeit
länger als 15 Monate beim gleichen Entleiher
im Einsatz.
Aber selbst wenn ein Leiharbeiter neun Monate lang in einem Betrieb ist, so kann dieser
ihn nach Ablauf der neun Monate einfach
durch einen neuen Leiharbeiter ersetzen und
die Frist beginnt von neuem.
Viele Leiharbeiter werden also noch lange auf
ihr Geld warten müssen.
Laut Gesetzentwurf wird die Höchstüberlassung auf 18 Monate begrenzt – dann muss der
Betrieb den Leiharbeiter einstellen oder ihn
an den Entleiher zurückgeben. 18 Monate,
das sind anderthalb Jahre! Aber damit nicht
genug: Die Höchstüberlassungsdauer bezieht
sich nur auf den Arbeitnehmer – nicht auf den
Job. Das bedeutet: Nach 18 Monaten kann der
Leihbetrieb einfach den alten durch einen
neuen Leiharbeiter ersetzen. Das ist Lohndumping auf Dauer und zementiert die Spaltung der Belegschaften.
Darüber hinaus gibt es auch hier Ausnahmen:
Tarifgebundene Unternehmen können sich
mit Gewerkschaften auf längere Zeiträume einigen. Nicht-tarifgebundene Unternehmen
können eine Betriebsvereinbarung schließen.
Das Gesetz ist keine „Tarifpolitik vom Feinsten“, so Arbeitsministerin Nahles, sondern
taugt nichts. DIE LINKE fordert: Gleicher Lohn
für gleiche Arbeit vom ersten Tag an! Dazu
muss Leiharbeitnehmern ein Zuschlag von
zehn Prozent gezahlt werden, um sie für die
Flexibilität zu entschädigen. Perspektivisch
muss Leiharbeit ganz verboten werden.
Bei Werkverträgen sollen die Betriebsräte in
Zukunft ein Informationsrecht erhalten. Dies
ist viel zu wenig. Um wirklich zu verhindern,
dass Beschäftigung der Stammbelegschaft in
Schlecht bezahlte und ungeschützte Werkverträge ersetzt ist ein Vetorecht des Betriebsrates notwendig.