Florian Ziegler & Andreas Hartinger Welche Bedeutung spielt die Lernmotivation beim Experimentieren im Sachunterricht der Grundschule? 1. Was war das Ziel des Forschungsprojektes? Das Experimentieren gilt häufig als „Goldstandard“, wenn es darum geht, Unterricht zu naturwissenschaftlichen Themen durchzuführen. Das gilt auch für den Sachunterricht der Grundschule. Die Erwartung ist, dass Kinder dann sehr motiviert und auch sehr erfolgreich lernen. Allerdings entsprechen diese optimistischen Erwartungen nicht der empirischen Befundlage – was unter anderem daran liegt, dass die Umsetzung des Experimentierens im Unterrichtsalltag nicht immer lernförderlich geschieht. So wird regelmäßig darauf hingewiesen, dass beim Experimentieren im Sachunterricht die Gefahr von „hands on – minds off“ besteht, dass die Kinder also recht aktionistisch Effekte erzielen wollen, ohne auf die den Experimenten zugrunde liegenden Erkenntnisse oder Gesetzmäßigkeiten zu achten. Inzwischen gibt es einige Untersuchungen, die zeigen, dass man diesem Problem durch gezielte didaktische Maßnahmen (wie beispielsweise durch strukturierende Gruppengespräche oder durch inhaltlich gut aufeinander abgestimmte Experimente) begegnen kann. Dieser Unterricht ist dann auch sehr erfolgreich. Doch auch bei diesem Unterricht zeigt sich, dass es weiterhin Kinder gibt, die nur wenig vom Lernen mit Experimenten profitieren. Zentrales Ziel des Projekts „Analyse und Förderung der Lernmotivation und des Kompetenzerwerbs beim Experimentieren im naturwissenschaftlichen Sachunterricht der Grundschule“ (Förderkennzeichen 01JG0907) war es nun, festzustellen, ob bestimmte (ungünstige) motivationale Ausprägungen dafür verantwortlich sind. Dazu war es erforderlich, die Motivation von Schülerinnen und Schülern nicht als ein einheitliches Konstrukt zu verstehen, sondern sie in unterschiedliche Aspekte zu unterteilen und diese zu untersuchen. Dies geschah auf der Grundlage einer der wichtigsten psychologischen Motivationstheorien, in der – etwas vereinfacht – zwischen Erwartungs- und Wertkomponenten unterschieden wird. Die Erwartungskomponenten beinhalten vor allem die Zuversicht einer Person, eine bestimmte Aufgabe lösen zu können – die Wertkomponenten die Bedeutung, die die Person dieser Aufgabe zumisst. Nur durch das positive Zusammenspiel dieser beiden Komponenten (wenn also ein Schüler oder eine Schülerin davon ausgeht, eine für ihn/sie bedeutsame Aufgabe auch bewältigen zu können) entsteht im Unterricht eine positive Lernmotivation, die als Grundlage für Lernerfolg gilt – insbesondere bei eher „schülerorientierten“ Unterrichtsmethoden, wie beispielsweise beim Experimentieren im Sachunterricht der Grundschule. Florian Ziegler & Andreas Hartinger 2. Wie wurde das Projekt durchgeführt? Die Untersuchung wurde mit insgesamt 243 Kindern aus zwölf Klassen der 3. Jahrgangsstufe durchgeführt. In allen Klassen hielten dafür eigens in einer Fortbildung geschulte Lehrerinnen und Lehrer Unterricht zum Thema Strom und Magnetismus. Den Klassen wurde zu diesem Zweck Unterrichtsmaterial zur Verfügung gestellt, das von den Lehrerinnen und Lehrern an die jeweils spezifische Situation in den Klassen angepasst wurde. So kann davon ausgegangen werden, dass der Unterricht im Großen und Ganzen vergleichbar war – dies wurde auch durch Unterrichtsbeobachtungen bestätigt. Vor und nach dem Unterricht füllten die Schülerinnen und Schüler einen Fragebogen aus. Dabei wurden zunächst das Wissen zum Unterrichtsinhalt Strom und Magnetismus und anschließend die verschiedenen Komponenten der Lernmotivation mit Blick auf das Experimentieren erhoben. Daneben wurden auch Hintergrundvariablen, wie die Erstsprache, Intelligenz und die Anzahl der Bücher im Haushalt (als Indikator für kulturelles Kapital) erfasst. 3. Was ist das Ergebnis der Forschung? Die Studie erbrachte einige neue Erkenntnisse mit Blick auf die Lernmotivation von Schülerinnen und Schülern beim Experimentieren im Sachunterricht: a) Wie erwartet zeigt die überwiegende Mehrzahl der Schülerinnen und Schüler günstige motivationale Ausprägungen. Die Mittelwerte sind durchgängig über dem theoretischen Mittelwert Dies gilt sowohl für die Erwartungs- als auch für die Wertkomponente der Motivation. Die meisten Kinder empfinden das Experimentieren als bedeutsam und trauen es sich auch zu, hier erfolgreich zu sein. b) Es gibt allerdings eine nicht unerhebliche Anzahl von Schülerinnen und Schülern, die sehr ungünstige motivationale Ausprägungen zeigen. So finden sich in der Untersuchung über 20 Prozent der Kinder, die sich selbst als leistungsängstlich einschätzen – und immerhin noch rund fünf Prozent der Kinder bestätigen Aussagen, die auf erlernte Hilflosigkeit deuten (wie beispielsweise „Egal wie sehr ich mich anstrenge, ich kann mich beim Experimentieren kaum verbessern.“) c) Es konnte klar gezeigt werden, dass die Motivation der Kinder einen Einfluss auf den Lerngewinn hat. d) Allerdings ist hier zwischen den beiden Komponenten der Motivation zu unterscheiden. Wichtig ist hier ausschließlich die Erwartungskomponente, wie beispielsweise die erlernte Hilflosigkeit. Nur die Unterschiede in der Erwartungskomponente führten zu Unterschieden im Lerngewinn. Florian Ziegler & Andreas Hartinger 4. Welcher konkrete Nutzen ergibt sich daraus für die Bildungspraxis? Insbesondere aufgrund des letztgenannten Ergebnisses ist es erforderlich, die Erwartungskomponente der Motivation gezielt im Blick zu halten und bei ungünstigen Ausprägungen möglichst gegenzusteuern. Möglichkeiten dazu ergeben sich beispielsweise durch Rückmeldungen, die die Erfolgszuversicht der Kinder stärken, durch das Sichtbarmachen von Erfolgen und Lerngewinn oder durch eine gute Strukturierung und Vorbereitung von Experimenten, die sicher stellt, dass die Schülerinnen und Schüler auch tatsächlich Erfolge erzielen können. 5. Was ist aus wissenschaftlicher Sicht der größte Erfolg des Projekts? Ein großer Erfolg des Projekts ist, dass durch die Befunde eine – sowohl aus wissenschaftlicher als auch unterrichtspraktischer Sicht – bislang offene Frage zum naturwissenschaftlichen Lernen im Sachunterricht der Grundschule beantwortet werden kann. Von besonderer Bedeutung sind die Ergebnisse auch deshalb, da sie sehr konkret genutzt werden können, um den Unterricht zu verbessern. Diese Möglichkeiten werden aktuell auch umgesetzt und in ersten kleineren Arbeiten auch evaluiert. Zudem ist es ein Erfolg, dass für dieses Projekt Verfahren entwickelt werden konnten, mit denen die verschiedenen Facetten der Lernmotivation zum ersten Mal auf das frühe naturwissenschaftliche Lernen bezogen wurden. Diese Verfahren können nun für weiterführende Studien im Sachunterricht der Grundschule verwendet werden.
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