Provisionsverbot kontraproduktiv Das sagen Fondsvertriebs-Chefs über Mifid II Zu viele Regulierungsvorschriften könnten Verwirrung bei Anlegern stiften und ein zu striktes Provisionsverbot könnte in Deutschland zu britischen Zuständen führen, wo komplette Kundengruppen von Finanzberatung abgeschnitten sind. Das war der Tenor der Kommentare von Fondsvertriebs-Chefs zu Mifid II. Einige Vertriebsexperten konnten der Regulierung allerdings auch positive Seiten abgewinnen. In einer großen Interview-Serie befragte DAS INVESTMENT die Vertriebs-Chefs der führenden Fondsgesellschaften zu den wichtigsten Entwicklungen der Branche. Nun fassen wir die Antworten der Vertriebsleiter von M&G, Schroders, Fidelity & Co. zu Mifid II zusammen. Claude Hellers, Leiter des Privat- und Geschäftskundenvertriebs bei Fidelity International Welche Regelungen im Rahmen von Mifid ll finden Sie gut und sinnvoll, was ist nicht so gut gelungen? Grundsätzlich ist Regulierung dann gut, wenn sie verbraucherfreundlich ist und Transparenz schafft. Zu viel Regulierung und eine daraus (ungewollt) resultierende Einschränkung des Angebots an Anlagelösungen für Privatanleger kann jedoch kaum das Ziel von Regulierung sein. Die Umsetzung der sogenannten Retail Distribution Review RDR in Großbritannien ist ein mahnendes Beispiel. Denn hier hat das Verbot der Provisionsberatung dazu geführt, dass weite Teile der Bevölkerung – nämlich jene, die über keine hohen Anlagesummen verfügen – von der Finanzberatung praktisch ausgeschlossen wurden. Welche konkreten Folgen von Mifid ll sehen Sie für den Vertrieb - wo besteht Handlungsbedarf? Ab Anfang 2018 entsteht ein Handlungsdruck für Finanzberater, wenn Fonds in eine andere SRRI-Klasse wechseln: Um weiter ein Honorar oder die Annahme von Provisionen zu rechtfertigen, müssen Berater ihre Kunden voraussichtlich darüber informieren, wenn sich die SRRI-Klasse eines Fonds im Kundenportfolio ändert. Andernfalls riskieren sie, für Verluste zu haften. Risikokontrollierte Vermögensverwaltungen sind hier eine Lösung. Die Kernidee dieser Lösungen ist es, für den gesamten Anlagezeitraum das Vermögen innerhalb definierter Schwankungsbreiten gemäß der gesetzlichen Vorgaben, also dem SRRI, zu managen. Im Beratungsgespräch lässt sich die so klassifizierte Schwankungsbreite einer Geldanlage transparent dem jeweiligen Risikoappetit des Kunden gegenüberstellen. Ein gleichbleibender SRRI-Wert steht somit für eine Geldanlage, die dauerhaft über den gesamten Anlagezeitraum zum individuellen Risikoprofil eines Kunden passt. Peter Stowasser, Deutschland-Vertriebschef von Franklin Templeton Welche Regelungen im Rahmen von Mifid ll halten für Sie gut und sinnvoll, wo sehen Sie Nachbesserungsbedarf? Generell werden wir selbstverständlich allen Mifid II-Erfordernissen nachkommen. Problematisch sind für mich die Verständlichkeit für den Endkunden und das wirkliche Verhindern „schwarzer Schafe“ – beides ist mit den Regulatorien meines Erachtens nicht sichergestellt. Daneben sind wir Vollmitglied im BVI und durch diesen Verband versuchen wir gemeinsame Vorstellungen der Mitglieder den Entscheidungsträgern der Politik nahezubringen. Holger Schröm, Executive Director, Leiter des Teams zur Betreuung freier Finanzdienstleister bei J.P. Morgan Asset Management in Frankfurt Welche Regelungen im Rahmen von Mifid ll finden Sie gut und sinnvoll? Regulierung ist als eine Anforderung an professionelle Anbieter zu verstehen. Wesentlich ist es, die Implikationen neuer Regularien sowohl aus Sicht unserer Industrie wie aber auch der Berater zu verstehen. Beispielsweise ist es für uns als Industrie von großer Relevanz, die Definition des Zielmarkts in der Mifid II zu verstehen und möglichst über die Produktgruppen eines Beraters hinweg eine einheitliche Lösung zu finden. Für uns als Fondsindustrie ist es sicherlich eine Chance, in den Abstimmungen deutlich zu machen, dass unsere Produkte als Treuhandvermögen bereits hochreguliert sind und bereits heute größtmögliche Transparenz für Anleger bieten. Welche konkreten Folgen von Mifid ll ergeben sich für den Vertrieb? An welchen Stellen besteht Handlungsbedarf und wie werden Sie sich darauf einstellen? Da Teile der neuen Regulierung speziell für uns als Asset Manager relevant sind, jedoch andere Teile stärker den Vertrieb betreffen, ist es uns wichtig, etwaige Herausforderungen der Umsetzung aus Sicht der Beraterinnen und Berater zu verstehen. Wir müssen nachvollziehen, wie die Anforderungen in der kompeteten Wertpapierberatung aussehen und welche Schnittstellen unsererseits zu berücksichtigen sind. Werner Kolitsch, Head of Germany and Austria bei M&G Investments Welche konkreten Folgen von Mifid ll ergeben sich für den Vertrieb? Wo sehen Sie Chancen und Risiken? Ich sehe den Anspruch von Mifid II prinzipiell positiv, allerdings bin ich auch der Meinung, dass die Branche bereits stark reguliert ist. Die geplanten Regelungen führen nicht unbedingt zu dem gewünschten Ziel von mehr Transparenz und Verbraucherschutz. Die Fondsbranche ist heute schon eine der gläsernsten Branchen überhaupt. Der Kompromiss um das Provisionsverbot, welches abhängigen Beratern weiterhin erlaubt, Provisionen zu beziehen, soll ja zu einer Qualitätssteigerung für den Kunden führen. Die neue Richtlinie kann jedoch dem ursprünglichen Ziel, den Vertrieb von Finanzprodukten offener zu gestalten, auch entgegenwirken. Die Anforderungen an die Zusammenarbeit von Banken und Asset Managern werden viel komplexer. So müssen Berater sämtliche erhaltenen Provisionen offenlegen sowie auch die tatsächlich anfallenden Kosten ex ante und einmal jährlich. Der Aufwand, die relevanten Daten einzuholen und aufzubereiten, ist immens. Meiner Meinung nach stellt auch die geforderte Zielmarktdefinition eine Erschwernis dar. Hier wird es insbesondere schwierig, die teils unterschiedlichen Zielmarktdefinitionen ausländischer Fondsanbieter mit den eigenen unter einen Hut zu bringen. Damit fällt der Aufwand, Drittfonds zu vertreiben, mit Mifid II wesentlich höher aus als bisher. Die Attraktivität, Fremdfonds anzubieten, sinkt und damit wahrscheinlich auch ein breites Angebot von fremden Anbietern, was sich für den Kunden nachteilig auswirken wird. Thomas Hammer, Main First, Head of Retail Business Development Welche Regelungen im Rahmen von Mifid ll finden Sie gut und sinnvoll? Positiv – vor allem für Kunden – ist das höhere Maß an Transparenz, welches zur Aufschlüsselung der Kosten und Gebühren implementiert wird. Anleger werden somit durch die klarere Einstufung besser geschützt. Durch diese neuen Standards gewinnt auch die Produktqualität an Bedeutung. Welche Regelungen im Rahmen von Mifid ll halten Sie für schlecht und überflüssig? Die Erfahrung zeigt, dass im Endeffekt nur eine Neugestaltung der Vergütung von Frontload und Kickback auf die dauerhafte Gebühr erfolgt. Für den Kunden wird es sehr wahrscheinlich nicht günstiger. Der einzige Vorteil besteht darin, dass das Fondsvehikel beziehungsweise das Produkt nicht mehr über die Vergütung, sondern über die Qualität verkauft wird. Damit verlieren weiche Kosten an Bedeutung. Wo sehen Sie Chancen und Risiken und wie werden Sie sich darauf einstellen? Wir sehen erstens einen Trend zu sogenannten Clean-Share-Klassen, aufgrund des Kick-Back Verbots. Zweitens richtet sich der Fokus auf Vertriebe mit Strategie-Depots und Service-Fees, da diese zukunftsfähig im Kontext eines Kick-Verbots aufgestellt sind. Und drittens gibt es einen Trend zu Vermögensverwaltungsmandaten und entsprechenden Verträgen bei Banken und Vermögensverwaltern, um die Aufwände bei der Dokumentation zu reduzieren. Teil des Mifid-ll-Regulierungskomplexes ist die sogenannte Product Governance: Fondsanbieter müssen prüfen und veröffentlichen, ob und welche Produkte für welche Zielgruppen geeignet sind. Eine Definition der Zielgruppen steht noch aus. Was würden Sie dem Gesetzgeber an dieser Stelle raten: Was wäre eine sinnvolle Zielgruppen-Definition? Sicherzustellen, dass Anleger gut informiert sind und Produkte angeboten bekommen, die für Sie passend sind, ist auch für uns wichtig. Daher finden wir eine Definition der Zielgruppen sinnvoll und hilfreich. Diese Einstufung unserer Produkte nehmen wir also gerne vor. Allerdings wird im Endeffekt dennoch der Berater – ob im freien Bereich oder in der Bank – selbst entscheiden müssen, welches Produkt für welchen Kunden passend ist. Diese Aufgabe kann und sollte eine Fondsgesellschaft nicht leisten. Dan Sauer, Geschäftsführer bei Nordea Fonds Service Teil des Mifid-ll-Regulierungskomplexes ist die sogenannte Product Governance: Fondsanbieter müssen prüfen und veröffentlichen, ob und welche Produkte für welche Zielgruppen geeignet sind. Eine Definition der Zielgruppen steht noch aus. Was würden Sie dem Gesetzgeber raten: Was wäre eine sinnvolle Zielgruppen-Definition? Am sinnvollsten im Sinne der Regulierung der Produktgestaltung wäre sicherlich eine Aufteilung der Zielgruppen nach deren Erfahrung, Risikoneigung und Aktivität bzw. Involvement. Somit könnten die Produkte dann auch auf einer Range zwischen ‚Selbstfahrer‘ und ‚aktivem Trader‘ gestaltet werden und den Neigungen dieser Anleger gerecht werden. Joachim Nareike, Leiter Publikumsfondsvertrieb bei Schroders Welche Regelungen im Rahmen von Mifid ll finden Sie gut und sinnvoll? Product Governance – insbesondere Vermeidung von Produkten, die nicht zum Anlegerkreis passen Verbesserte Wohlverhaltensregeln, beispielsweise zum Schutz von Kundenanlagen oder für mehr Transparenz bei der Vermeidung von Interessenkonflikten (insbesondere beim Platzierungs- und Emissionsgeschäft) Mehr Transparenz bei Zuwendungen, so dass Kunden zukünftig erkennen können, ob sie abhängig oder unabhängig beraten werden. Welche Regelungen im Rahmen von Mifid ll halten Sie für schlecht und überflüssig? Durch die Verschärfung der Befugnisse und Sanktionsmöglichkeiten der zuständigen Aufsichtsbehörden werden erweiterte administrative Prozesse benötigt, die zusätzliche Kosten erzeugen und den Arbeitsaufwand erhöhen. Die Richtlinienform birgt im Gegensatz zur Verordnung die Gefahr, dass in verschiedenen europäischen Ländern unterschiedliche beziehungsweise abweichende lokale Umsetzungen zur Anwendung kommen. Bitte nennen Sie drei konkrete Folgen von Mifid ll für den Vertrieb? An welchen Stellen besteht Handlungsbedarf? Durch die erweiterte Product Governance kommen höhere Anforderungen an die Abstimmung zwischen Asset Manager und Vermittler auf uns zu. Vor allem die Zielmarktdefinition muss zwischen den Beteiligten abgestimmt werden, was erhöhten Aufwand für alle bedeutet. Vermittler haben erweiterte Aufzeichnungspflichten aus den neuen Wohlverhaltensregeln, die in Prozessen und IT-Systemen abgebildet werden müssen. Vertriebe müssen zukünftig Kosten noch transparenter ausweisen, was zu erhöhtem Anpassungsbedarf bei unseren Vertriebspartnern führt. Teil des Mifid-ll-Regulierungskomplexes ist die sogenannte Product Governance: Fondsanbieter müssen prüfen und veröffentlichen, ob und welche Produkte für welche Zielgruppen geeignet sind. Eine Definition der Zielgruppen steht noch aus. Was würden Sie dem Gesetzgeber raten: Was wäre eine sinnvolle Zielgruppen-Definition? Hier findet bereits auf europäischer Ebene eine Abstimmung unter Schirmherrschaft des europäischen Fondsverbands Efama statt. Ziel muss es sein, eine einheitliche Definition beziehungsweise einen einheitlichen Kriterienkatalog für alle europäischen Länder zu entwickeln, in denen Mifid II Anwendung findet. Die Gefahr besteht, dass die Definition beziehungsweise die Kriterien in jedem Land geringfügig abweichen, was nicht zur Vergleichbarkeit der Produkte auf europäischer Ebene beiträgt. Klaus Riester, Geschäftsführer bei Union Investment und Leiter des Vertriebs Welche Regelungen im Rahmen von Mifid ll finden Sie gut und sinnvoll, wo sehen Sie Nachbesserungsbedarf? Mehr Verbraucherschutz unterstützen wir generell. Allerdings fragen wir uns, ob die vielen unterschiedlichen Regulierungsvorhaben mit zum Teil ähnlichen, aber nicht deckungsgleichen Anforderungen nicht zu mehr Verwirrung als zu mehr Aufklärung führen. Wir würden uns hier mehr Abstimmung in Brüssel wünschen. Auch wäre es wünschenswert, wenn neue Regulierungsmaßnahmen erst einmal ihre Wirkung entfalten könnten, anstatt immer neue Anforderungen zu stellen und die Marktteilnehmer dadurch zu verunsichern. Wie werden Sie sich auf die neuen Anforderungen einstellen? Wir sehen uns hier generell auf einem guten Weg. Durch den engen Austausch in der genossenschaftlichen FinanzGruppe wird sichergestellt, dass die neuen Anforderungen bestmöglich und vertriebsunterstützend implementiert werden können. Teil des Mifid-ll-Regulierungskomplexes ist die sogenannte Product Governance: Fondsanbieter müssen prüfen und veröffentlichen, ob und welche Produkte für welche Zielgruppen geeignet sind. Eine Definition der Zielgruppen steht noch aus. Was würden Sie dem Gesetzgeber raten: Was wäre eine sinnvolle Zielgruppen-Definition? Die Zielgruppen sollten nicht zu granular definiert werden, da dies die Anlageberatung nur verkompliziert. Darüber hinaus sollte zwischen Produkten unterschieden werden, die einfach zu verstehen und somit für jedermann geeignet sind, und auf der anderen Seite denen, die kompliziert und damit nicht für jeden geeignet erscheinen. Martin Dilg und Gunnar Knierim (v. li.), Vertriebsdirektoren von AB Welche positiven und welche negativen Auswirkungen könnte Mifid II haben? Und welche konkreten Folgen sehen Sie für den Fondsvertrieb? Martin Dilg: Die Offenlegung von Kosten und Gebühren unter Mifid II bietet Investoren verbesserte Informationen und Vergleichbarkeit. Das Verbot, Zahlungen und Anreize aus dem Vertrieb über unabhängige Finanzberater einzubehalten, wird Auswirkungen auf die Industrie haben. Dies könnte aber auch in technologiegetriebenen Veränderungen resultieren und zu neuen Vertriebs- und Beratungsmodellen führen. Es sollte jedoch auch für verbesserte Transparenz bei Investoren sorgen, egal ob die Beratung von unabhängigen oder angegliederten Beratern stammte. Teil des Mifid-ll-Regulierungskomplexes ist die sogenannte Product Governance: Fondsanbieter müssen prüfen und veröffentlichen, ob und welche Produkte für welche Zielgruppen geeignet sind. Eine Definition der Zielgruppen steht noch aus. Was würden Sie dem Gesetzgeber raten: Was wäre eine sinnvolle Zielgruppen-Definition? Gunnar Knierim: Wir verfolgen sehr genau die Entwicklung der Regulierung und den Einfluss auf unser Geschäft in Europa. Unser Fondsvertrieb erfolgt vornehmlich über Maklerpools, Fondsberater und Privatbanken. Somit werden unsere Produkte also auf verschiedenste Weise und mit unterschiedlichsten Zielen eingesetzt. Wir arbeiten kontinuierlich mit unseren Partnern zusammen, um sicherzustellen, dass die Produkte den beabsichtigten Zweck zu jeder Zeit erfüllen. Uns geht es darum, Lösungen zu entwickeln und anzubieten, die es Beratern und Vermögensverwaltern ermöglichen, den steigenden Bedürfnissen ihrer Kunden gerecht zu werden. Es wäre unvorteilhaft, wenn die Zielgruppeneignung nicht anerkennt, dass ein Produkt in Kombination mit anderen Lösungen den Bedürfnissen einer Gruppe gerecht wird. Dies gilt auch dann, wenn das Produkt für sich allein genommen für diese Zielgruppe nicht hundertprozentig geeignet erscheint. Dieser Artikel erschien am 15.09.2016 unter folgendem Link: http://www.dasinvestment.com/provisionsverbot-kontraproduktiv-das-sagen-fondsvertriebs-chefs-ueber-mifid-ii/ Powered by TCPDF (www.tcpdf.org)
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