SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE SWR2 Glauben NUR NOCH KURZ DIE WELT RETTEN PRIVATE ENTWICKLUNGSHILFE ALS SINNSUCHE VON MARION BARZEN SENDUNG 11.09.2016 / 12.05 UHR Redaktion Religion, Migration und Gesellschaft Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR SWR2 Glauben können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/glauben.xml Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. 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Vier solcher Entwicklungshelfer aus der Nähe von Trier sind nach Kenia gereist. Ins Dorf Mwembe Tsungu, nahe der Hafenstadt Mombasa. Sie tun das für den Hamburger Verein „Your kids“. Ihr Plan ist es, für die Schulkinder im Dorf einen neuen Klassenraum zu bauen. Einer der vier, Rainer Adam, war schon mehrfach in Mwembe Tsungu. Der 50-jährige Zimmermann mit eigener Firma, unverheiratet – kinderlos, ist vor 2 Jahren Mitglied bei Your Kids geworden. Die Idee, mich für Entwicklungshilfe zu engagieren, ist begründet ist der Tatsache, dass ich über die notwendige Zeit verfüge, und ich dachte, ich könnte mit dieser Zeit ja auch was Sinnvolles anfangen. Ich bin dann durch Zufall auf dieses Projekt Your Kids gestossen und das war genau das, was ich mir vorgestellt hatte, und ich bin auch sehr zufrieden. Ja, weil der Aufenthalt hier hat viele angenehme Seiten, die durchaus Urlaubscharakter haben, und auch die Arbeit im Dorf macht mir Spaß. Der Umgang mit den Menschen im Dorf ist schön und das ist einfach nur ein gutes Gefühl. Drei seiner Freunde, die beiden Allgemeinmediziner Arno Bauschert und Nicole Eltges, und den Dachdecker Christoph Lay, hat er mit diesem guten Gefühl angesteckt. Atmo: Jambo/Dorfatmosphäre Gerade sind die vier im Dorf angekommen. 2 Atmo: Aufschließen/Hineingehen/Gespräch Der Schulleiter [Name?] hat sie durch die Klassenräume geführt, ihnen die Schulbänke gezeigt, in die groß die Namen der Spender eingraviert sind. Muss nur noch kurz die Welt retten. Und dann beginnt die Entwicklungshilfe in Afrika mit einer Enttäuschung. Nicole Eltges findet die Bank mit ihrem Namen darauf – falsch geschrieben. That’s me. That’s wrong: Dr. Nicole Entgegen ha ha Da stehen die vier – nach 20 Stunden Flug, einer Nacht ohne Schlaf, und mit Koffern voller T-Shirts, Kugelschreibern, Heften und medizinischen Kleininstrumenten. In einem Klassenraum im Dorf Mwembe Tsungu. Afrikanische Musik Das Dorf liegt mitten im südostkenianischen Regenwald mit üppigen Mangobäumen, himmelhohen Kokospalmen, kleinen Lichtungen. Darin verstreut stehen Lehmhütten. Nahe der Schule ist eine Art Dorfplatz erkennbar mit einer einfachen Kirche und einem winzigen Kiosk - aber überall liegt auch Müll herum. Auch die Klassenräume wirken auf den ersten Blick ungepflegt, der Boden ist staubbedeckt, Papier und Plastik liegen herum, die Bänke schmutzig und achtlos ineinandergeschoben. Bänke - mit Spenden-Geld gezimmert. Das hat Christoph Lay, Dachdeckermeister mit eigener Firma, gerade nicht erwartet. Also, wenn ich z.B. jetzt meine Firma vorstellen wollte und der Bürgermeister hätte sich angemeldet, dann hätte ich mal durch gekehrt oder hätte oberflächlich für Ordnung gesorgt. Man sagte uns, hier sind Ferien, deshalb sehen die Klassen so aus. Ich hab‘ dann gesagt, dann hätte man an dem letzten Klassentag sagen könne, so jetzt machen wir eine Stunde Reinezeit. Deshalb lasst uns doch erst mal die Gebäude, auch wenn jetzt neue Gebäude geplant sind, lasst uns die alten in Ordnung bringen, auch dass die Bänke pfleglich behandelt werden und dass dann jeder darauf achtet. Unter den rund 1.500 Einwohnern von Mwembe Tsungu hat sich verbreitet, dass die Deutschen da sind. Vor der Schule sammeln sich die Lehrer, das Schulkomitee, Neugierige aus dem Dorf und die Kinder. Die sind auf viel höheren Besuch als auf einen Bürgermeister eingestellt. Jetzt präsentieren sie 3 stolz, was sie sonst nur beim Hissen der kenianischen Flagge zeigen – exklusiv für die Deutschen: Atmo: Kinder singen…. Neue Atmo Hotel Porzellan/Gläserklirren zu hören Am Abend im Hotel: erste Lagebesprechung mit 3 anderen, früher angereisten Mitgliedern des Hilfsvereins Your Kids. Beim Treffen am Abend ist Hannah ……., Kenianerin, mit dabei. Hannah, 32, Friseurin und alleinerziehende Mutter einer Tochter, ist für die privaten Entwicklungshelfer die Verbindung zum Land, zum Dorf, zu den Leuten hier – meist auch als Übersetzerin – viele im Dorf sprechen nur Kisuaheli. Vor zwei Jahren hat Hannah die Deutschen kennengelernt. Ich habe sie getroffen, als ich noch am Strand arbeitete. Ich hatte ein Geschäft am Strand, da hab ich sie kennengelernt. Sie haben mir erzählt, dass sie hier ein Hilfsprojekt machen, hier in Kenia und das war das Projekt im Dorf Mwembe Tsungu. Dort war ich zum ersten Mal mit den Deutschen. Ich war total überrascht. Ich dachte, oh Gott, wir leben in einer komplett anderen Welt. Ich war so überrascht und gleichzeitig traurig. Weil wir in demselben Land leben, aber es ist schwer zu glauben, dass die Leute dort in so schlechten Verhältnissen leben. Hannah wird in den nächsten Tagen immer dabei sein, wird die Gruppe privater Entwicklungshelfer aus Trier durch das Gassengewirr der Händlerbasare in der nahe gelegenen Stadt Mtwapa führen, einen Termin mit einem Gutachterbüro für Brunnenbau organisieren und zusammen mit Rainer Adam beim Baustoffhändler das Material für den Schulbau kaufen. Geld wird dafür gebraucht, kenianisches Geld. Den besten Kurs, das weiß Rainer Adam noch von seinem Besuch im letzten Jahr, bieten nicht die Banken, sondern die örtlichen Wechselstuben. Die erste Station am nächsten Morgen: Atmo Verhandlung über den Wechselkurs, Geldscheine rattern durch Zählmaschine Atmo Straßenlärm/Baustoffhandel Der Deal mit dem Baustoff-Händler läuft weniger glatt. Die Preise sind höher als erwartet. Aber der neue Klassenraum muss gebaut werden und zwar innerhalb der nächsten 8 Tage, so lange sind die deutschen Helfer hier. 4 Zimmermann Adam weiß nach 10 Minuten zähem Feilschen, dass er zustimmen sollte: Ich glaube wir sind am Ende der Fahnenstange. Also er hat mir erklärt, wieso auf Grund der Weltwirtschaftslage gerade in Kenia der Zement teurer wird. Der Preis wäre am steigen. Weil ich natürlich einen günstigeren Preis haben wollte, war die Begründung, dass insbesondere heute ein guter Tag wäre, zu kaufen. An und für sich bekommen wir hier alles, was wir brauchen, vom Nagel über die Farbe, Zement, Ballaststoffe, Kies, Schotter, alles, was wir brauchen. Wir wollen mindestens heute schon so viel kaufen, dass die Arbeiten heute, spätestens morgen beginnen können. Atmo: Autofahrt, Musik Dispensary, Auskippen, Kramen in Mitgebrachtem Währenddessen sind Nicole Eltges und Arno Bauschert, die beiden Hausärzte, in eigener Mission unterwegs. Bauschert ist zum zweiten Mal hier. In der Nähe des Dorfes hatte er im letzten Jahr eine Gesundheitsstation entdeckt. Gut geführt, aber fast ohne Ausstattung. Jetzt sitzen auf einer Wiese neben dem schmalen Flachbau des Zentrums Ärzte, Schwestern, Gesundheitsmitarbeiter auf weißen Plastikstühlen im Kreis um einen Palmteppich. Eltges und Bauschert kippen zwei große Reisetaschen darauf aus: Bauschert erklärt: This is a specular, you can sterilize it? Wir haben also im Prinzip die Sachen dabei, von denen ich denke oder dachte, ne Grundausstattung einer Praxis sollte diese Sachen haben. Z.B. Blutzuckermessgeräte, Urinteststreifen, sterile Instrumente, Verbände in allen Formen und Varianten, Untersuchungshilfen, viele gynäkologische Instrumente, weil hier Geburten durchgeführt werden und auch gynäkologische Untersuchungen, bzw. Einsetzen von Spiralen und und und, und da es hier an allem mangelt, haben wir so eine gewisse Grundausstattung mitgebracht. Zudem Antibiotika, Schmerzmittel , Sachen für den akuten Bedarf. Und einen Laptop, denn auch ein Computer fehlt in der Gesundheitsstation. Die Instrumente haben sie in Krankenhäuser zuhause gesammelt, den Laptop neu gekauft. Kurzer Austausch mit den Kollegen auf den weissen Plastikstühlen, die Köchin der Gesundheitsstation serviert Gemüsereis und dann geht es weiter ins Dorf. Atmo – Kleinbusfahrt, Jambo-Rufe, Kinder - Dorfatmo 5 Da werden jetzt die mitgebrachten Kleidungsstücke verteilt. Das sind vier große Koller voller T-Shirts, Hosen, Röcke. Neue und gebrauchte Kleider, die sie von Freunden und Bekannten, und auch vom örtlichen Sportverein bekommen haben. Atmo: Kinder rufen/balgen sich/Jambo Fotoshooting für die Unterstützer zuhause, als Werbung für den eigenen Verein: zu sehen sind glänzende Kindergesichter mit strahlend weißen Zähnen, lauter schwarze Menschen, und wenige Weiße, die verteilen. Im Hintergrund hängt das Banner des Hilfsvereins. Das machen alle so, egal ob Hungerhilfe oder Rotes Kreuz mit tausenden Mitgliedern oder Your Kids mit gerade mal 14. Shea (Nachname) steht bei der Aktion mit dabei: schwarz, schlank, freundliches, klares Gesicht, beobachtet. Shea lebt in Mwembe Tsungu und ist der wichtigste Mann für die privaten Entwicklungshelfer. Im Dorf ist er angesehen, ein Bauer mit solider Viehzucht: Ich habe Kühe, Ziegen, ich habe Hühner, Gänse und außerdem bin ich der Vorsitzende des Schulkomitees. Mein Job ist es, zu schauen, dass alles läuft. Hilfsprojekte, staatliche oder von Spendern, organisiere ich. Ich halte den Kontakt zu der Your-Kids-Gruppe. Und dann sind in unserem Dorf einige Familien, die von deutschen Spendern unterstützt werden, und ich kommuniziere zwischen diesen beiden Parteien. An Menschen wie Shea und Hannah zeigt sich einer der Unterschiede zwischen großen Hilfsorganisationen und einem Verein wie Your Kids. Die katholische Organisation Caritas International, z.B., mit Sitz in Freiburg, ist so ein großer Payer in der internationalen Entwicklungshilfe. Bis zu 100 Millionen Euro im Jahr fließen aus dem Breisgau in Entwicklungshilfeprojekte - werden dort aber nicht von Menschen wie Shea oder Hannah verwaltet: Wir haben schon ein Netz von Mitarbeitern vor Ort, ganz überwiegend Einheimische, die dann als Berater tätig werden, aber nur unterstützend. Grundsätzlich arbeiten wir von Organisation zu Organisation. Das müssen wir ja auch, um diesen Umfang, den wir ja auch haben, gewährleisten zu können. Sagt Volker Gerdesmeier, Referatsleiter Afrika bei Caritas International. Der Umfang bei Caritas International ist enorm: 700 Projekte in 80 Ländern. 6 Schwerpunkt: Akuthilfe bei Kriegen und Naturkatastrophen. Also Essen, ein Dach überm Kopf, medizinische Versorgung in erster Linie. Ohne eine ganze Organisation als Partner auf der anderen Seite gehe das nicht, sagt Gerdesmeier. Das seien oft die örtliche Caritas, aber auch andere, auch nichtchristliche Organisationen des jeweiligen Landes. Und – anders als Privathelfer – steht Caritas International wie alle Großen fast immer in engem Kontakt mit der Regierung des Empfängerlandes. Das mache auch Sinn: Egal wo wir sind, wenn wir eigene Bürostrukturen aufbauen, wie z.B. in Haiti sendet uns einige Leute für ein paar Jahre zur Unterstützung. Da haben wir ein eigenes Büro aufgebaut und eine staatliche Registrierung beantragt. Ansonsten, das hängt von Land zu Land ab. Es gibt Staaten, die sich jedes Projekt zur Bewilligung vorlegen lassen und in anderen Staaten ist ne größere Freiheit. Aber z.B. wenn wir Brunnen bauen, versuchen wir ja für die Jahre vorzusorgen, wo wir nicht mehr weiter fördern, versuchen uns mit staatlichen Diensten zusammen zu bringen, damit auch die Projekte weiterlaufen. Also ganz konkret. Z.B. in Äthiopien versucht man, dass die Behörden ihre Pumpenmechaniker in unsere Projekte schicken, damit die Pumpen gewartet werden und die Brunnen möglichst lange laufen können. Das kann Projekte stabilisieren, für längere Zeit sichern, eine Garantie fürs Gelingen ist die Zusammenarbeit mit Staaten aber nicht, sagt Kulturwissenschaftlerin Meike Fechter. Fechter hat gerade ein Forschungsprojekt in Kambodscha zum Vergleich von großen Hilfsorganisationen und Privathelfern abgeschlossen. Private Helfer seien häufig skeptisch gegenüber offiziellen Stellen, aber nicht nur ihnen gegenüber: Also oft erkennen sie, dass der Kontakt zu Staaten oder großen Hilfsorganisationen den Fortschritt ihres Projektes eigentlich eher verlangsamen würde. Deswegen ist es für diese Privathelfer eigentlich am besten, dass man persönliche Kontakte benutzt. Einige sagen, dass sie ganz bewusst unter dem Radar, wie das heißt, bleiben, damit der Staat nicht eingreifen kann. Der Vorteil davon, dass man staatlich nicht kontrolliert ist, ist die Flexibilität, ne große Wirkungsmacht. Also man muss nicht warten, bis ein Modell abgesegnet wird von einer höheren Instanz. Man kann es einfach ausprobieren, und wenn es nicht funktioniert, dann ändert man es halt. Ein anderer Aspekt ist für die Kulturwissenschaftlerin aber fast bedeutungsvoller – die Augenhöhe. Bei den kleinen, privaten Organisationen stehe nicht der ausländische Geldgeber über dem einheimischen 7 Mitarbeiter, es stünden sich eher Gleichberechtigte gegenüber. Das sei demokratischer: Die großen NGOs wollen immer Partnerschaft, schreiben sich das auf die Fahnen. Aber oft ist das auch nur ein Lippenbekenntnis. Und der Unterschied zu den Privathelfern ist, dass Partnerschaft nicht nur eine Option ist, was man freiwillig macht, weil es sich gut anhört, und weil es irgendwie gutherzig ist, sondern Partnerschaft hat so eine ganz praktische Notwendigkeit in dem die privaten ausländischen Entwicklungshelfer ihre lokalen Counterparts brauchen, um das Dickicht von Bürokratie und Sitten oder lokalem Wissen einfach gut managen zu können. Sowieso hat die Forscherin in sogenannten Entwicklungsländern ein gewachsenes Selbstbewusstsein festgestellt. Einzelne Menschen dort suchen ganz gezielt nach ausländischer Hilfe, aber nicht beim Staat oder bei den großen Hilfsorganisationen. Viele sind sich klar darüber, dass ein Ausländer ihnen zu Ressourcen verhelfen kann. Nicht nur Geld, sondern auch Netzwerke, Freiwilligenarbeit. Das bedeutet z.B., dass Leute als Touristenführer gearbeitet haben, und so Partnerschaften entstanden sind, weil sie Ausländern davon erzählt haben, was sie vorhaben, was ihr Dorf braucht und so gemeinsame Projekte entstanden sind, die auch lange gedauert haben. Nach Angaben des deutschen Bundesministeriums für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeiten gibt es mehrere tausend private Hilfsorganisationen. Viele sind in Ländern aktiv, die Urlaubsländer sind. Auch der Verein Your Kids, für den die vier Rheinland-Pfälzer reisen, kam so zustande. Bei einem Urlaub der Your-Kids-Gründerin, der Hamburgerin Yvonne Kollenda, in Kenia. Nur vier Jahre später stehen in dem Dorf, in das sie ein Touristenführer brachte, 8 neu gebaute Klassenräume. Die meisten errichtet mit Spenden von Your kids. Atmo Autofahren durch Pfützen Am vorletzten Tag der Reise besuchen die Vier noch einmal ihr Dorf. In der Nacht zuvor hat es geregnet. Die Straßengräben sind zu Seen geworden. In dem schlammigen, braunen Wasser waten Kinder, segeln Enten, stehen Ziegen. Atmo: Bus drückt sich aufheulend durch tiefe Pfützen 8 Von der Asphaltstraße geht es hinein in den Wald. Mühsam kämpft sich der Kleinbus der Helfer durch knietiefe Schlammlöcher, schaukelt über den aufgeweichten Buschweg. Atmo Bauen/Mauern Im Dorf Mwembe Tsungu sind die Bauarbeiter fleißig, rühren Mörtel, setzen Stein auf Stein. Vom neuen, 9. Klassenraum stehen schon einige Außenwände. Ein paar Wochen, dann wird der erste Unterricht hier stattfinden. Ein Großteil der Spenden, gut 4.000 Euro, die die Helfer von der Mosel dabei hatten, ist aufgebraucht, der Rest kommt auf das extra eingerichtete kenianische Konto. Hannah wird es verwalten. Atmo Jetzt ducken sich die vier Helfer in einer fensterlosen Lehmhütte, weil zwei aus der Gruppe spontan eine Zusatzhilfe entschieden haben. Sie wollen nach dem Vorbild einer anderen Deutschen eine Familie im Dorf mit einem monatlichen Betrag besonders unterstützen. Das wäre bei dem festgelegten Projekt einer großen Organisation nicht möglich. Nicole Eltges freut sich: Die Idee finde ich besonders schön, gerade weil man hier vor Ort ist und die Möglichkeit hat diese Familie kennenzulernen. Und im nächsten Jahr sehen zu können, wie ein Fortschritt auch passiert. Also die Familie besteht aus einer Frau, 42 Jahre, mit 4 Kindern zwischen 3 und 13 Jahren, der Mann ist an HIV verstorben, die Mutter ist HIV-positiv und auf Grund der mangelnden medizinischen Versorgung steht die Zukunft auch da in den Sternen. Die Mutter bewegt sich langsam, wirkt eingetrübt. Die Kinder stehen scheu hinter ihr. Shea, der Verbindungsmann der deutschen Helfer, hat die Familie, eine der ärmsten im Ort, ausgesucht. Er erhält auch den Auftrag 5 lebende Hühner – für jedes Familienmitglied eines – zu liefern. Und dann kommt die letzte Aktion, der Kauf eines Kühlschrankes für die Gesundheitsstation. Den hatten sich die Ärzte dort ganz dringend gewünscht. Atmo Kauf Doch es ist gar nicht so einfach, das richtige Modell zu finden. 9 Das hier ist ja eine richtige Gefrierkombination/also dafür, dass sie jetzt gar keinen haben, kann man vielleicht tatsächlich so was nehmen/ich denke Kapazität spielt schon eine Rolle/wenn wir für ein bisschen mehr Geld einen deutlich größeren bekämen… Und es ist auch nicht einfach, aus der Entwicklungshelferrolle auf normalen Einkaufsmodus umzuschalten. Make us a good prize. It’s for a good project. It’s for the dispensary in Mwembe Tsungo. We give it to them. Make us a good prize. Das ist ein Supermarkt, sagt der Verkäufer irritiert und zeigt auf das Preisschild an den Kühlschränken. Rainer Adam klärt die Situation: Another question is could you deliver the fridge to the dispensary? Als der Kühlschrank einen Tag später an der Gesundheitsstation abgeladen wird, sitzen Rainer Adam, Arno Bauschert, Christoph Lay und Nicole Eltges in der Wartehalle des Moi International Airport Mombasa. Eine gute Woche waren sie unterwegs zwischen Hotel und Dorf, haben organisiert und verhandelt, den Bau eines Klassenraumes gestartet, eine Familie ins Hilfsprogramm aufgenommen und das Spendengeld zu 100 Prozent weitergegeben. Bei Caritas International - einer sparsamen großen Hilfsorganisation - gehen nach Abzug aller Kosten noch gut 80 Prozent in die Projekte. Also 100 Prozent Hilfe – Aber war es auch eine gute Hilfe? Große Organisationen lassen ihre Projekte von Prüfern bewerten – Stichwort: Evaluation. Die Kulturwissenschaftlerin Meike Fechter hält das aber nicht unbedingt für ein Gütesiegel: Die Projekte, die von großen Organisationen geleitet werden, die geben halt oft nur Rechenschaft nach oben ab, also an die Geldgeber, aber nicht nach unten an die Dörfer und die Gemeinden, mit denen sie arbeiten. Und man kann sagen, bei den Privathelfern ist es so, wenn die Gemeinden, mit denen sie arbeiten, die Hilfe nicht gut finden, dann nehmen sie sie nicht in Anspruch, dann kommen die nicht. Ja das ist keine Evaluation im strickten Sinne, aber schon eine Art Kundenantwort. 10 In der Wartehalle des Flughafens Mombasa zieht Nicole Eltges Bilanz von ihrer Reise ins Dorf Mwembe Tsungu in Kenia, die mit einer Enttäuschung begonnen hatte: Dieses Entsetzen, diese Enttäuschung ist weg – ganz weg. Ich bin froh, ich bin sehr froh, dass ich hier sein konnte und bin guter Dinge, dass mit dem wenigen, dass wir tun können, die Menschen eine Chance erhalten, die in diesem Dorf leben. Hat ihr Leben dadurch einen neuen Sinn bekommen? Keinen neuen Sinn, vielleicht einen anderen Sinn, wobei meine ganz primäre Intention war keine Sinnsuche, sondern Neugierde, wie viel man mit dem was man an Wissen hat in so ein Land bringen kann und wie viel man in solchen Ländern noch an Hilfe leisten kann. Kulturwissenschaftlerin Fechter hat es Kundenantwort genannt. Die Reaktion der Empfänger auf Entwicklungshilfe, die zeigt, ob die Hilfe gelungen ist oder vergebens war. Musik: Muss nur noch kurz die Welt retten, noch 148 mails checken: Per Mail kommt die Kundenantwort aus Kenia wenige Wochen später – ploppt in Arno Bauscherts Account auf: Ein Arzt der Gesundheitsstation teilt mit, dass eine Patientin mittels medizinischer Geräte von der Mosel gerettet wurde. We thank God for giving us such a good friend with big heart like you for helping less fortunate people. May the almighty Father give you a long live. Pass my greetings to everyone and let them know that we love them. Karibu Kenya again and again. Und noch eine Mail kommt - ein Foto, geschickt von Shea (Nachname), Verbindungsmann in Kenia, darauf eine Frau mit ihren 4 Mädchen, alle lächelnd und jede mit einem Huhn im Arm. 11
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