Spurensuche PICTURE ALLIANCE/LEEMAGE Besonders Ärzte hingen der Naziideologie von der Verbesserungsfähigkeit des »deutschen Volks« durch »Rassenhygiene« an und setzten sie in die Tat um. Bis 1945 wurde »unwertes Leben« systematisch vernichtet. Von Ulrike Henning SEITEN 12/13 GEGRÜNDET 1947 · DONNERSTAG, 8. SEPTEMBER 2016 · NR. 210 · 1,50 EURO (DE), 1,70 EURO (AT), 2,20 CHF (CH) · PVST A11002 · ENTGELT BEZAHLT WWW.JUNGEWELT.DE Giftverbindung Warnstreik Parteirebellen Geschäftsbericht 3 5 6 9 Pharmastiftung lässt an Mainzer Uni forschen – aber nicht selbstlos. Von Ralf Wurzbacher Berlin: Beschäftigte der Servicegesellschaft Charité Facility Management kämpfen um Tarifvertrag ANC-Anhänger protestieren vor eigenem Hauptquartier gegen ihren Präsidenten. Von Christian Selz Ukraine: Seit Kriegsbeginn wächst der Reichtum des Präsidenten. Von Reinhard Lauterbach Tür zu für CETA Syrische Opposition legt Friedensplan vor London. Die syrische Opposition hat anlässlich von Friedensgesprächen in London ihre Pläne für eine Übergangsphase zur Demokratie ohne Präsident Baschar Al-Assad präsentiert. Das Hohe Verhandlungskomitee (HNC) schlug am Mittwoch eine sechsmonatige Phase der Verhandlungen zwischen Vertretern von Regierung und Opposition vor. Anschließend solle es 18 Monate lang eine Einheitsregierung geben, gebildet aus Mitgliedern der Regierung, Oppositionellen und Vertretern der Zivilgesellschaft, aber ohne Assad, hieß es. In London stand am Mittwoch ein Treffen von Außenminister Boris Johnson mit den syrischen Oppositionsvertretern an. Sein US-Kollege John Kerry sollte per Video zugeschaltet werden. Erwartet wurden auch die Minister unter anderem aus der Türkei, Jordanien, Frankreich und Italien sowie Vertreter aus Deutschland und der EU. (AFP/jW) Ver.di-Chef Frank Bsirske fordert, Handelsabkommen mit Kanada abzulehnen. Wirtschaftsbosse für SPD-Reformpapier. Von Simon Zeise FABRIZIO BENSCH / REUTERS N Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) will die Handelsverträge endlich unterzeichnen stimmung der SPD zum Abkommen. Für ihn seien Änderungen jedoch »Voraussetzung«, betonte Bsirske. Auf die Frage, ob Deutschland das Abkommen auf EU-Ebene ablehnen solle, sagte er: »Wenn sich nichts ändert, ja.« Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) begrüßte den Beschluss des SPD-Vorstandes hingegen. CETA sei eines der modernsten »Freihandelsabkommen«, das die EU je verhandelt habe, sagte die BDI-Leiterin für Außenwirtschaftspolitik, Stormy-Annika Mildner, am Mittwoch in Berlin. Die Möglichkeit von Nachverhandlungen beurteilte sie skeptisch. Dies dürfte so kurz vor der geplanten Unterzeichnung des Abkommens beim EU-KanadaGipfel im Oktober schwierig werden. Die Bundesregierung rief sie auf, für den Vertrag zu werben. Eine große Beteiligung an den Demonstrationen am 17. September wird auch deshalb wichtig sein, um den DGB auf Kurs zu halten. Der Vorsitzende der IG BCE, Michael Vassiliadis, hatte bereits seine Zustimmung zu CETA damit begründet, dass Deutschland Exportweltmeister sei. DGB-Chef Reiner Hoffmann hatte am Dienstag gegenüber der Frankfurter Rundschau erklärt: »Das SPD-Papier enthält wesentliche Forderungen der Gewerkschaften, die einen ersten Schritt hin zu dem von uns geforderten fairen Handel bedeuten. Insofern begrüßen wir den Beschluss der SPD, diese Forderungen anzuerkennen.« Dies heiße allerdings nicht, dass die Gewerkschaften CETA in der jetzigen Form zustimmen. Im Bündnis »TTIP und CETA stoppen« gebe es »durchaus Nuancen«. Hoffmann hatte als Gast an der SPD-Gremiensitzung im Willy-Brandt-Haus teilgenommen, auf der das Papier verabschiedet wurde. Noch in dieser Woche wolle Hoffmann nach Kanada fliegen, um sich mit seinem Kollegen Hassan Yussuff vom Canadian Labour Congress über CETA auszutauschen, berichtete der Tagesspiegel am Mittwoch unter Berufung auf Gewerkschaftskreise. Dem Vernehmen nach finde die Reise in Abstimmung mit Sigmar Gabriel statt. ttip-demo.de Siehe auch Seite 2 Eltern haften für ihre erwachsenen Kinder Urteil: Hartz-IV-Bezieher und sein Vater in einem Haushalt sind eine »Bedarfsgemeinschaft« L eben erwachsene Hartz-IVBezieher bis zum Alter von 25 Jahren in einem Haushalt mit ihren Eltern, werden sie als sogenannte Bedarfsgemeinschaft vom Jobcenter definiert. Die Kinder müssen sich das Einkommen ihrer Eltern mindernd auf die Höhe ihrer staatlichen Leistungen anrechnen lassen. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht in einem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss. Damit wurde die Klage eines HartzIV-Beziehers zurückgewiesen, der mit seinem verrenteten Vater gemeinsam in einem Haushalt lebt. Der 21jährige be- Weltweit 28 Millionen Kinder auf der Flucht kam weniger Hartz IV, weil das Amt die Erwerbsunfähigkeitsrente seines Vaters zum Teil mitberücksichtigte – obwohl dieser ihm gegenüber gar nicht unterhaltspflichtig ist. Obwohl vor Gericht vor allem Gesetze gelten sollen, ging es aus Sicht der Karlsruher Richter aber nicht um rechtliche Ansprüche, sondern um »die faktischen wirtschaftlichen Verhältnisse«. Damit bestätigten sie eine Änderung des Zweiten Sozialgesetzbuchs, das unter anderem regelt, wer zu einer »Bedarfsgemeinschaft« gehört. Kinder zählten ursprünglich nur bis zum 18. Geburtstag dazu. 2006 wurde diese Grenze aber auf 25 Jahre angehoben. Die Bundesregierung gab an, damit keine falschen Anreize für den Auszug zu setzen. Karlsruhe bestätigte damit, dass Menschen, die zusammenleben, sich auch gegenseitig unterstützen müssen, um den gemeinsamen Lebensunterhalt zu sichern. Die Minderung der Regelleistungen auf dann 80 Prozent begründet das Sozialgesetzbuch mit Einsparungen der Betroffenen etwa bei Kosten für Unterkunft und Heizung. In dem Fall habe der Vater, der im Monat rund 615 Euro Rente bekam, über »hinreichende Mittel« verfügt, »um zur Existenzsicherung seines Sohnes beizutragen«. Zudem könne der Gesetzgeber davon ausgehen, dass Eltern, die mit ihren erwachsenen Kindern zusammenleben, »regelmäßig den überwiegenden Teil der Kosten tragen und auf Abrechnungen verzichten«. Dafür wurde allerdings kein Beleg angeführt. Verwehren Eltern ihren Kindern diese finanzielle Unterstützung, müsse es aber ohne Nachteile bei den Hartz-IV-Leistungen möglich sein auszuziehen. (AFP/dpa/jW) MARKO DJURICA / REUTERS ur noch wenige Tage bis zur Entscheidung. Der 17. September läutet die Proteste gegen das geplante Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada (CETA) sowie den USA (TTIP) ein. Hunderttausende werden in elf Großstädten in Deutschland und Österreich erwartet. Zwei Tage später beraten etwa 200 Funktionäre der SPD auf einem kleinen Parteitag in Wolfsburg über ihre Haltung zu den Wirtschaftsverträgen. Am 22. und 23. September wollen die EU-Handelsminister in Bratislava CETA endgültig beschließen. Nach dem Willen von EU-Kommission und Bundesregierung soll CETA bereits im Oktober vorläufig in Kraft treten. Der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske bekräftigte am Mittwoch in Brüssel die Ablehnung der Gewerkschaften. Der DGB habe »eine klare Beschlusslage, die einstimmig zustande gekommen ist und nach wie vor Gültigkeit hat«, sagte Bsirske gegenüber dpa. »Wir sind für Nachverhandlungen, halten das Abkommen in der jetzt vorliegenden Textfassung für nicht zustimmungsfähig.« Auf Werben von Parteichef und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hatte die SPD-Spitze zu Wochenbeginn eine Kompromisslinie formuliert: Der Weg zur parlamentarischen Beratung des Vertrags soll freigemacht, Klarstellungen und Verbesserungen sollen dann im parlamentarischen Verfahren erreicht werden. Dieser Vorschlag wird dem SPD-Parteikonvent am 19. September vorgelegt. Bsirske ließ erkennen, dass ihm das nicht ausreicht. »Das am meisten vorkommende Wort ist prüfen«, sagte er zu dem Vorschlag. Dabei heiße es, die Klärung offener Punkte sei »Grundlage« für die Zu- Frankfurt am Main. Einem Bericht des UN-Kinderhilfswerks UNICEF zufolge sind weltweit rund 28 Millionen Kinder auf der Flucht vor Krieg und Gewalt. Wie die Organisation am Mittwoch in Frankfurt am Main mitteilte, sind Kinder besonders oft von gewalttätigen Konflikten betroffen: »Unter 18jährige stellen nur rund ein Drittel der Weltbevölkerung, aber die Hälfte der Flüchtlinge.« Rund 45 Prozent aller Flüchtlingskinder kamen 2015 laut UNICEF aus Syrien und Afghanistan. Immer mehr verlassen dem Bericht zufolge ihre Heimat allein, ohne den Schutz der Eltern. Rund 20 Millionen Kinder haben aus unterschiedlichen Gründen ihr Heimatland verlassen, beispielsweise um extremer Armut zu entkommen. (Reuters/jW) wird herausgegeben von 1.867 Genossinnen und Genossen (Stand 12.8.2016) n www.jungewelt.de/lpg
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