Nicole Gohlke, Christian Schaft Völkisch, reaktionär und elitär Das Hochschul- und Wissenschaftsprogramm der AfD Auf ihrem Parteitag verabschiedete die Alternative für Deutschland (AfD) Anfang Mai 2016 ihr Grundsatzprogramm. Damit hat sich die Partei nun erstmals auf eine verbindliche bundesweit einheitliche Programmatik verständigt. Nicole Gohlke und Christian Schaft haben sich die hochschul- und wissenschaftspolitischen Teile des Programms genauer angesehen. Die Partei Alternative für Deutschland (AfD) geriet in den letzten Monaten vor allem durch ihre mal verblümt, mal offen vorgetragenen rassistischen Forderungen zur Migrations- und Flüchtlingspolitik in die öffentliche Debatte. Es ist wohl gelebte Realsatire, dass ihre prominenten Vertreter*innen die übrigen Parteien regelmäßig als »Altparteien« abkanzeln. Denn wirft man einen Blick auf die inhaltlichen Positionen der AfD offenbaren sich schnell deren Ansätze als vorgestrig. Sie propagieren eine heilsversprechende neoliberale Wirtschaftspolitik der 80er Jahre, eine Frauenund Familienpolitik der 60er Jahre und eine Gesellschafts- und Nationalstaatspolitik, die an die Anfänge des letzten Jahrhunderts erinnert. Auch ihre Vorstellungen im Bereich der Hochschul- und Wissenschaftspolitik zeugen von einem mangelnden Verständnis der aktuellen Herausforderungen im Bildungs- und Hochschulsystem und erinnern an die Restaurierung der alten Ordinarienuniversität. Sowohl das AfD-Grundsatzprogramm als auch ihre Initiativen in den verschiedenen Landtagsfraktionen sind in diesem Bereich im Wesentlichen von drei ideologischen Prämissen geprägt: 1.) einem autoritären, elitären Bildungsverständnis, nach dem Hochschulbildung lediglich einem kleinen Kreis von vermeintlichen »Leistungsträgern« zugänglich sein soll, 2.) einer Elitenbildung, die ethnisch bestimmt wird, sich vor allem aus »Bio-Deutschen« rekrutieren soll und deshalb europäische Verflechtungen eindämmen will; 3.) einem ideologischen Feldzug gegen kritische Geistes- und Sozialwissenschaften, allen voran das Gender-Mainstreaming. Im Folgenden sollen ihre Positionen kurz dargelegt und schließlich der Frage nachgegangen werden, wie gefährlich die AfD, ihre Ideologie und ihre braunen Netzwerke für die Hochschullandschaft sind. Autoritärer Elite- und Leistungsbegriff Seit Jahren ist die Hochschullandschaft in der Bundesrepublik unterfinanziert. Mit der immer stärkeren Fokussierung der Hochschulfinanzierung auf die Einwerbung von Drittmitteln und auf einen am Markt orientierten Wettbewerb hat sich die Situation an den Hochschulen nicht verbessert, sondern verschlechtert. Das gilt für die Lehre, für die Lernbedingungen von Studierenden und Beschäftigungsbedingungen für Wissenschaftler*innen und das wissenschaftsunterstützende Personal, genauso wie für das wissenschaftliche Arbeiten an sich. Selbst in der AfD hat sich offenbar die Erkenntnis durchgesetzt, dass die »Freiheit von Forschung und Lehre […] nur durch eine verlässliche staatliche Grundfinanzierung gewährleistet«1 ist. Doch soll die von der AfD geforderte »verlässliche« Ausstattung der Hochschulen nicht etwa dazu dienen, den 2,5 Millionen Studierenden gute Studienbedingungen zu garantieren oder die Hochschulen endlich sozial zu öffnen. Stattdessen forciert die Partei das Ziel einer nationalen Elitenbildung für den globalen Wettbewerb. Das bedeutet in der Konsequenz eine weitere Verschärfung des selektierenden Konkurrenzkampfes, der sich jetzt schon durch das komplette Bildungssystem zieht. Und der beginnt auch in der Vorstellung der AfD bereits in der Schule: »Eine Politik, die eine nach unten nivellierende Einheitsschule anstrebt und dabei einen Qualitätsverlust in Kauf nimmt, bedroht die Zukunftsfähigkeit junger Menschen und die Konkurrenzfähigkeit unserer 1 Grundsatzprogramm der Alternative für Deutschland: 52 (8.1.1). Wirtschaft. […] Wir befürworten uneingeschränkt das Leistungsprinzip.«2 Lehrer*innen werden aufgefordert »Leistungsbereitschaft« und »Disziplin« zu fördern und »dazu geeignete Maßnahmen«3 einzuleiten. Der schulpolitische Sprecher der sächsischen AfD-Landtagsfraktion bezeichnet die im Gymnasium Alsdorf (NRW) eingeführte Gleitzeit als »Kuschelpädagogik«, die »Eigenschaften wie Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit oder Pflichtbewusstsein außen vor lässt«. Für ihn wird durch einen flexiblen Unterrichtseinstieg »auch die Bereitschaft, sich für etwas mehr anzustrengen oder sich gar zu quälen, zur Mangelware«4. Analog zu ihren autoritären schulpolitischen Positionen, bei denen sie der Mehrgliedrigkeit und der unbedingten Beibehaltung der »Förder- und Sonderschulen« sowie einem elitären Begabungsbegriff das Wort redet, befürwortet die AfD die hierarchische Ausdifferenzierung der Hochschullandschaft – die Frage der Durchlässigkeit wird konsequent ausgespart. So beschloss die AfD NRW 2015: »Deutschland unterscheidet zwischen Berufsausbildung in einem dualen System, praxisorientierten Fachhochschulen und forschungsintensiven (technischen) Universitäten mit exklusivem Promotionsrecht. Das muss so bleiben.«5 Die Studienanforderungen sollen nach dem Willen der AfD deutlich erhöht und der Hochschulzugang erschwert werden. Unter dem Leitmotto »Qualität vor Quantität« sollen »leistungs- und eignungsbezogene Auswahlverfahren für verschiedene Hochschultypen«, gerade bei den von der AfD fokussierten MINT-Fächern, eingeführt werden: »Die AfD begrüßt die zentrale Rolle der MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) für die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit unseres Landes. Es soll Aufnahmeprüfungen insbesondere für technische, naturwissenschaftliche und medizinische Studienfächer geben.«6 Staatliche Vorgaben, die etwa die Studierendenzahlen, erreichte Abschlüsse und Frauenanteile honorieren könnten, lehnt die AfD als »staatlichen Dirigismus« ab.7 Statt Lernumgebungen zu schaffen, die junge Menschen qualifizieren, setzt sie auf schärferen Druck und härtere Sanktionen gegen jene, die in diesem Hamsterrad unter die Räder kommen.8 Zu den Perspektiven des wissenschaftlichen Mittelbaus schweigt sich das Grundsatzprogramm nebst der Warnung vor »ausufernden bürokratischen Regelungen«9 völlig aus. Doch zumindest im Landtagswahlprogramm der AfD Sachsen-Anhalt wird deutlich, dass sich die Partei hierarchisierende und konkurrenzgeleitete Strukturen auch im Wissenschaftsbetrieb vorstellt. Zwar fordert sie eine stärkere Entfristung des wissenschaftlichen Personals, doch zementiert sie in ihrer unnachahmlich elitären Haltung die universitären Statusgruppen und vor allem die starke Stellung der Professor*innenschaft. Juniorprofessuren gedenkt sie abzuschaffen und in Assistenzstellen umzuwandeln.10 Die Evaluierung von Studiengängen sollen der Professor*innenschaft und nicht der »Akkreditierungsbürokratie«11 vorbehalten sein. Vor diesem Hintergrund wirken die vermeintlichen Bestrebungen der Thüringer AfD-Landtagsfraktion sich für eine bessere Entlohnung von 2 Grundsatzprogramm der Alternative für Deutschland: 53 (8.2). Grundsatzprogramm der Alternative für Deutschland: 54 (8.2.3). 4 Pressemitteilung AfD Sachsen, 11.4.2016, online: http://www.afdsachsen.de/presse/pressemitteilungen/afd-sachsenkritisiert-gleitzeitpaedagogik-bestrafung-von-leistungsbereitschaft.html. 5 Programmsammlung/Programmkonvolut der NRW-AfD 2015: 5; online: http://cdn.afd.tools/sites/2/2016/01/08190513/Programmkonvolut_1507021.pdf; Zugriff am: 11.7.2016. 6 Grundsatzprogramm der Alternative für Deutschland: 53 (8.1.4). 7 »Planwirtschaftliche Zielvorgaben zu Studentenzahlen, Studienerfolg und Frauenanteil lehnen wir ab. Auch für Studienabschlüsse darf es keine Quoten geben.« Grundsatzprogramm der Alternative für Deutschland: 53 (8.1.3). 8 »Die Autonomie der Hochschulen ist zu stärken. Sie müssen das Recht haben, zum Diplom-Studiengang zurückzukehren, Studenten auszuwählen und Sanktionen gegen Bummelstudenten zu ergreifen.« Programmsammlung/Programmkonvolut der NRW-AfD: 5. 9 Grundsatzprogramm der Alternative für Deutschland: 52 (8.1.). 10 »Wir fordern daher, die Habilitation zu erhalten und die Juniorprofessur abzuschaffen. Anstelle der Juniorprofessur sind in ausreichendem Umfang Assistentenstellen als Qualifikationsstellen zu schaffen.« AfD Wahlprogramm SachsenAnhalt 2016: 18. 11 Programmsammlung/Programmkonvolut der NRW-AfD: 5. 3 Lehrbeauftragten einsetzen zu wollen, scheinheilig und sind nicht mehr als Symbolpolitik, wenn sie die Hierarchie im Wissenschaftssystem gleichzeitig nicht in Frage stellt.12 Auch eine stärkere Förderung von Frauen im Wissenschaftssystem gedenkt die AfD zu unterbinden. Obwohl Frauen 50 % der Studienanfänger*innen, aktuell aber nur 22 % der Professor*innenschaft stellen, setzt sich die Partei bundesweit für die Abschaffung von Frauenquoten ein. Wiebke Muhsal, die bildungspolitische Sprecherin der AfD-Landtagsfraktion in Thüringen hält diese für »Genderquatsch«13. Deutschnationale Hochschulen statt Internationalisierung Während man die Züge dieses selektierenden Elitedenkens durchaus auch in manchen hochschulpolitischen Forderungen von Union und FDP wiederfindet, paart die AfD ihren Diskurs zusätzlich mit einer jegliche internationale Strukturen und Zusammenhänge ablehnenden Deutschtümelei. In ihrer ultranationalistischen Denktradition gibt es für die AfD keine deutsche Bevölkerung, sondern die organische ›Volksgemeinschaft‹. So stellt ihre studentische Campus Alternative in den Mittelpunkt ihres politischen Agierens die Frage, »wie wir als ›Bildungselite‹ unserer besonderen Verantwortung nicht nur für unser Studium, sondern für unsere Universität und damit für Volk und Vaterland, gerecht werden können.«14 Orientiert am »deutschen Volk« kritisiert die AfD die Bologna-Reform aus einer nationalchauvinistischen Haltung. Die AfD Sachsen– Anhalt stellt fest, dass der Bologna-Prozess »der deutschen Universität schweren Schaden zugefügt hat« und fordert »deutsche Studiengänge«15 wieder einzuführen. Die AFD NRW erhebt zur Leitlinie »Freiheit der Forschung statt AgendaSetting in Brüssel«16. Das komplette Grundsatzprogramm der AfD trieft vor nationalistischer Ideologie, die konsequent die deutsche Nation übersteigert und dabei andere Länder abwertet. Im Bereich der Hochschul- und Wissenschaftspolitik sind vor allem internationale wissenschaftliche Kooperation, die englische Sprache in Lehre und Forschung als auch ausländische Studierende und Wissenschaftler*innen in Deutschland der AfD ein Dorn im Auge. Stattdessen solle sich Deutschland auf die »einzigartige Bildungstradition« besinnen, dürfe keinen »Bildungsmoden […] hinterherlaufen«17, und deshalb solle auch »in der Regel Deutsch«18 die Unterrichts- und Wissenschaftssprache sein. Fraglich bleibt an der Stelle, wie eine AfD die deutschen Hochschulen im internationalen Wettbewerb vorne sehen will, wenn sie dies mit einer Fokussierung auf Deutsch als Wissenschaftssprache schaffen will. Auch die finanzielle Unterstützung und das damit verbundene Anreizsystem zur Stärkung der Internationalisierung an den Hochschulen betrachtet die AfD eher als einen fehlerhaften Einsatz von Steuermitteln denn als einen Gewinn für Diversität an den Hochschulen. So meinte die bildungspolitische Sprecherin der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag: »Dass auch ausländische Studenten an unseren Unis studieren, ist zwar grundsätzlich sehr zu begrüßen. Man kann sich aber schon fragen, wieso die Unis eine Prämie dafür bekommen sollen, dass sie vermehrt ausländische Studenten haben, obwohl die Kosten für die Unis vom deutschen Steuerzahler getragen werden.« 19 »Freie« Wissenschaft ohne Zivilklauseln, Gender-Wissenschaften und kritische Theorie Das Verhältnis zur Wissenschaft ist für die AfD ein vorbelastetes. Die »Lügenwissenschaft« ist bei ihr längst die Schwester der »Lügenpresse« geworden. Nachdem die von der Universität Leipzig vorgestellte Rechtsextremismus-Studie Die enthemmte Mitte ein großes rechtes, antidemokratisches 12 Vgl. Drucksache 6/217 Thüringer Landtag. Landtagsplenum Thüringen, 43. Plenarsitzung, 25.02.2016, vorläufiges Protokoll: 187. 14 Campus Alternative: Wir über uns, online: http://campusalternative.de/wir-ueber-uns/ - Zugriff am 25.04.16. 15 AfD Wahlprogramm Sachsen-Anhalt 2016: 17. 16 Programmsammlung/Programmkonvolut der NRW-AfD. 17 AfD-Wahlprogramm Thüringen 2014: 9; online: http://afd-thueringen.de/wpcontent/uploads/sites/2/2014/07/AfD_Thueringen_Wahlprogramm.pdf; Zugriff am 25.04.16. 18 AfD-Wahlprogramm Thüringen 2014: 13. 19 Landtagsplenum Thüringen, 43. Sitzung, vorläufiges Protokoll: 187. 13 Potential mit wachsender Gewaltbereitschaft diagnostizierte, schrieb Beatrix von Storch auf Twitter: »Ein schönes Beispiel für ideologisch beeinflusste Pseudoforschung zur Verblödung der Massen.« Die AfD Rheinland Pfalz ergänzte, dass die Studie eine »staatlich finanzierte Nazikeule«20 sei. Die ehemalige Professorenpartei ist zu einer Partei geworden, für die die Welt vor allem in den Kategorien »Wahrheit« oder »Lüge« gefasst werden kann und was wahr ist, entscheidet dabei die AfD am Ende selbst. Der menschengemachte Klimawandel wird streng geleugnet. In Wahrheit leben wir »heute in einer Warmzeit mit Temperaturen ähnlich der mittelalterlichen und römischen Warmzeit«21. Doch allen voran wird von der AfD gegen die kritische Philosophie, Sozial- und insbesondere die Geschlechterforschung polemisiert. Diese stehen für die AfD für einen »linksgrünen Zeitgeist« der »Alt68er«. So fordert die AfD die Abschaffung jeglicher Geschlechterforschung an den Hochschulen: »Die Gender-Forschung erfüllt nicht den Anspruch, der an seriöse Forschung gestellt werden muss. Ihre Methoden genügen nicht den Kriterien der Wissenschaft, da ihre Zielsetzung primär politisch motiviert ist. Bund und Länder dürfen daher keine Sondermittel für die GenderForschung mehr bereitstellen.«22 Dem gegenüber stört sie sich aber keineswegs an einer staatlich oder privat geförderten Militärforschung an den Hochschulen und: »Wir lehnen das neue Hochschulgesetz NRW mit ›Zivilklausel‹ sowie leistungshemmendem Genderismus ab.« 23 Die akademische Rechte Die mitunter anti-wissenschaftlichen Beißreflexe der AfD dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich trotz des Austritts der »Lucke-Fraktion« diverse Unterstützer*innen an den Hochschulen tummeln. Nachdem vor allem die neoliberalen Wirtschaftsprofessor*innen die Partei verlassen haben, sind viele der verbleibenden Profs und Hochschullehrer*innen dem akademischen Umfeld der »Neuen Rechten« zuzuordnen. An der Universität Greifswald unterrichtet der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Ralph Weber. Weber ist Direktkandidat für die Landtagswahl der AfD Mecklenburg-Vorpommern und sorgte an der Hochschule regelmäßig für Aufsehen: Nachdem er die bei Rechtsextremist*innen beliebte Modemarke Thor Steinar regelmäßig an der Hochschule trug, nahm die Hochschule 2010 ein Verbot dieser Marke in ihre Hausordnung auf.24 Im selben Jahr wurde bekannt, dass er sich mit den damaligen Spitzen von NPD und DVU, Udo Voigt und Matthias Faust, traf, um die Gründung einer neuen rechten Partei zu diskutieren. Zum Frauenkampftag trug er eine Krawatte mit der Abbildung einer nackten Frau und den Kniefall von Willy Brandt und die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie bezeichnete er als »Verrat an unser historischen Heimat«25. In diesem Jahr geriet er in die Schlagzeilen weil er den Neonazi Maik Bunzel promovierte. Bunzels Band »Hassgesang« spielte u. a. Lieder mit Texten wie: »Adolf Hitler, im Kampf für unser Land. Adolf Hitler, sein Werk verteufelt und verkannt. Adolf Hitler, du machtest es uns vor. Adolf Hitler, Sieg Heil tönt es zu dir empor«, oder »Es ist bekannt in aller Welt, dass der Jude nicht viel von Arbeit hält. Lieber nimmt er die Entschädigungsmoneten, zum Bau von Atomraketen«.26 Als »philosophischer« Kopf der AfD gilt der Höcke-Freund und Karlsruher Sloterdijk-Schüler Marc Jongen, Mitglied im Landesvorstand der AfD Baden-Württemberg. Er veröffentlichte u. a. das 20 Stellungnahme der AfD Rheinland Pfalz; online: http://www.alternative-rlp.de/nazikeule-ohne-wert-mitte-studie-afd; Zugriff am 11.7.2016. 21 Grundsatzprogramm der Alternative für Deutschland: 79 (12.1.). 22 Grundsatzprogramm der Alternative für Deutschland: 52 (8.1.2). 23 Programmsammlung/Programmkonvolut der NRW-AfD: 5. 24 Christoph Titz: »Bizarre Kleiderordnung: Wie die Uni Greifswald Neonazis loswerden will«; spiegel online: http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/bizarre-kleiderordnung-wie-die-uni-greifswald-neonazis-loswerden-will-a716862.html; Zugriff am 11.7.2016. 25 Marco Wagner: »Rechts- Professor Weber und die extreme Rechte«; online:http://webmoritz.de/2010/07/02/rechtsprofessor-weber-und-die-extreme-rechte/; Zugriff am 11.7.2016. 26 Joachim Zenthöfer: »Doktortitel für Nazi. Wenn der Professor das rechte Auge zudrückt«, in: Frankfurter Allgemeine; online: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/forschung-und-lehre/fragwuerdige-sympathien-doktortitelfuer-nazi-14160693.html; Zugriff am 11.7.2016. Manifest der Partei. Das Märchen vom Gespenst der AfD, welches Helmut Kellershohn (Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung) als Pamphlet der jungkonservativen Neuen Rechten analysierte.27 In einem Interview mit der Zeit antwortete Jongen zur Niederlage Hofers bei den Wahlen zum österreichischen Bundespräsidenten: »Als großer Dramatiker liebt der Weltgeist vielleicht auch nur die retardierenden Momente. Noch einmal hat das morsche System seine Ressourcen zusammengekratzt, bevor es umso eindrucksvoller einstürzen wird.«28 In Anlehnung an Platon fordert Jongen regelmäßig, dass der Zorn, die »Thymos Spannung«, unter den Deutschen wieder wachsen müsse. Das Magazin Der Spiegel berichtete in seiner Ausgabe 22/2016 von einem Treffen Jongens mit Götz Kubitschek, dem einflussreichen Vordenker der antidemokratischen »Neuen Rechten« und Redner u. a. bei PEGIDA, und der Kubitschek-Gefährtin und rechten Autorin Ellen Kositza. Marc Jongen erinnert sich gerne an den »fruchtbaren Gedankenaustausch« mit dem »rechten Dissidenten« Kubitschek. Die AfD entwickelt sich nicht erst seit der Affäre um die antisemitischen Ausfälle Wolfgang Gedeons in der baden-württembergischen Landtagsfraktion der AfD und den Angriffen von Gauland und von Storch auf Nationalspieler mit Migrationshintergrund zu einem Sammelbecken für Faschist*innen, Rassist*innen und Antisemit*innen. Sie gibt es in der Partei schon lange und sie wagen sich zunehmend aus der Deckung. Und auch an den deutschen Hochschulen verfügen sie über ein wachsendes Netzwerk von rechten Akademiker*innen. Allen voran finden sich nun diverse Mitglieder der rechts-konservativen Burschenschaften in führenden AfD-Positionen wieder. Die thüringische AfD-Landtagsfraktion sorgte im November 2015 für einen Eklat, nachdem sie den Bundessprecher der Deutschen Burschenschaft, Torben Braga, als ihren Praktikanten in den Innen-, Wirtschafts- und Bildungsausschuss entsandte. Die Deutsche Burschenschaft ist nach der Festlegung auf den »Arierparagraphen« und reindeutsche Abstammungsprinzipien zum zentralen studentischen Angelpunkt der neofaschistischen Rechten geworden. Braga ist Mitglied der Burschenschaft Germania Marburg, deren führende Mitglieder Verbindungen zur Neonazi-Szene aufweisen. Joachim Paul, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AfD im Landtag Rheinland Pfalz, ist Mitglied der Verbindung »Die Alte Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn«. Diese Burschenschaft träumt von einem neuen großdeutschen Reich und beklagt auf ihrer Homepage unter dem Leitmotto »Gott, Ehre, Freiheit, Vaterland« den »Verlust unserer ostdeutschen Heimat«29. In der AfD-Bundesgeschäftsstelle in der Abteilung »Strategie, Planung und Kampagnen« arbeitet Philipp Runge aus der Berliner Burschenschaft Gothia, deren Sprecher er zeitweise war. Runge war ebenfalls Pressesprecher der rechtskonservativen Wochenzeitung Junge Freiheit. Die Gothia gehörte seit jeher zum völkischen Flügel der Deutschen Burschenschaft und ist eng mit verschiedenen Gruppen der Neuen Rechten vernetzt.30 Zum stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der AfD Dresden hat es Gordon Engler gebracht, Mitglied der Aachen-Dresdner Burschenschaft Cheruscia und ebenfalls ehemaliger Sprecher der Deutschen Burschenschaft.31 Im Wahlkreisbüro des AfD-Landtagsabgeordneten HansThomas Tillschneider arbeitet Chris Wiedemann, aus der neonazistischen »Halle-Leobener Burschenschaft Germania«. Wiedemann, Lehramtsstudent an der MLU Halle, gehört ebenso wie Tillschneider dem Vorstand der »Patriotischen Plattform« der AfD an.32 Diese Verbindungen sind leider nichts Außergewöhnliches: In Österreich ist jeder dritte Abgeordnete der rechtspopulistischen FPÖ Mitglied einer Burschenschaft. Mit Norbert Hofer könnte ein rechter Burschenschaftler sogar 27 Helmut Kellershohn 2014: »AfD-Sondierungen«; online: http://www.diss-duisburg.de/2014/04/helmut-kellershohnafd-sondierungen-i/; Zugriff am 11.7.2016. 28 Marc Jongen 2016: »Man macht sich zum Knecht«, Interview mit Marc Jongen; Zeit online; online: http://www.zeit.de/2016/23/marc-jongen-afd-karlsruhe-philosophie-asylpolitik; Zugriff am 11.7.2016. 29 Alte Burschenschaft der Raczeks zu Bonn; online: http://www.raczeks.de/; Zugriff am 11.7.2016. 30 Vgl. Maximilian Kalkhof 2014: »Rechtspopulismus: Burschenschafter setzen auf die AFD«; spiegel –online; online: http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/burschenschaften-und-afd-allianz-der-rechtspopulisten-a-962356.html; Zugriff am 11.7.2016. 31 Ebd. 32 Patriotische Plattform, Vorstand; online: http://patriotische-plattform.de/vorstand/; Zugriff am 11.7.2016. Bundespräsident werden. Und auch die Hochschulgruppen der AfD, die sogenannte Campus Alternative, pflegen enge Kontakte zu Burschenschaften und haben auch offensichtlich keine Probleme mit Mitgliedern der rechtsextremen Identitären Bewegung: Zwei Mitglieder der Hochschulgruppe Düsseldorf sind auch Mitglieder in der extrem rechten Burschenschaft Rhenania Salingia, ein Gründungsmitglied kam aus der Identitären Bewegung. Ein Problem wird seitens der Hochschulgruppe darin nicht gesehen.33 Auf dem Weg zur faschistischen Bedrohung – nicht nur an den Hochschulen Die AfD ist nicht einfach eine »rechtspopulistische« Partei, sondern sie hat das Potential, zu einer realen faschistischen Bedrohung zu werden. Der Faschismusexperte Roger Griffin beschreibt den ideologischen Kern des Faschismus »als den utopischen Antrieb, das Problem der Dekadenz zu lösen durch die radikale Erneuerung der Nation, verstanden als ideologisches Ganzes«34. Faschist*innen beschwören eine organische Volksgemeinschaft, die nach einer Phase des Niedergangs neu geboren werde und dafür von »fremden« Kräften gereinigt gehöre. Zu diesen »fremden« Kräften zählen die Rechten auch die kritische Theorie an den Hochschulen. Die Dresdner Schule des NPD-Abgeordneten und Neonazis Jürgen Gansel formulierte bereits 2005 als Gegenmodell zur Frankfurter Schule: »Ein Hauptanliegen der Frankfurter Schule war, die Deutschen durch eine irrwitzige Vergangenheitsbewältigung zu neurotisieren und ihres geschichtlichen Erbes zu entfremden. Sie sollten zu identitätskastrierten Gegenwartskrüppeln ohne (positive) Vergangenheit und damit auch ihrer Zukunft gemacht werden. Durch den Dauereinsatz der Auschwitz-Keule – gipfelnd in dem Anspruch Adornos, nach Auschwitz sei es barbarisch, ein Gedicht zu schreiben – wurden die Deutschen in eine Schuldknechtschaft gezwungen, die es in- und ausländischen Kreisen bis heute ermöglicht, die Deutschen moralisch zu demütigen, wirtschaftlich auszunehmen und politisch zu bevormunden.«35 Bei dem AfD-Akademiker Marc Jongen finden sich diese NPD-Positionen wieder: »In der AfD wird gerne vom 68er-verseuchten Deutschland gesprochen, das wir verändern wollen. Mit dem Stichwort 68 ist eine Mentalität der scharfen Kritik an der Kriegsgeneration angesprochen – eine durchaus nicht in allem unberechtigte Kritik, die aber dazu geführt hat, dass man das Kind mit dem Bade ausschüttet. Man ist nicht mehr bereit, wie es für eine Kulturnation selbstverständlich sein sollte, das Eigene zu schützen und zu verteidigen, vielmehr stellt man in einem übertriebenen, letztlich neurotischen Humanitarismus das Fremde über das Eigene. Zu erkennen ist das an vermeintlichen Nebensächlichkeiten wie der typisch deutschen Tendenz, bei Anwesenheit auch nur eines Englischsprachigen im Raum sofort zum Englischen überzugehen. An sich ja eine höfliche Geste, die uns aber bald in die Situation bringen könnte, dass wir am Ende die eigene Sprache gar nicht mehr sprechen – wie schon heute in manchen Studiengängen an deutschen Universitäten.«36 Das Erwachen des »neurotisierten« deutschen Volkes, das u. a. durch kritische Wissenschaften seiner vermeintlichen Natürlichkeit beraubt wurde, ist auch dem Thüringer AfD-Chef Björn Höcke ein Anliegen: »Ich bin überzeugt, dass wir als Volk durch ein tiefes Tal gehen werden. […] Wenn wir selber wir selbst werden, wenn wir die neurotische Phase überwinden, in der wir seit siebzig Jahren durch die Weltgeschichte dämmern.«37 Die alte NS-Formel »Deutschland erwache« spitzt er regelmäßig explizit zu: »Und vom deutschen 33 Westdeutsche Zeitung: »AfD-Hochschulgruppe nach rechts offen?«; online: http://www.wz.de/lokales/duesseldorf/afd-hochschulgruppe-nach-rechts-offen-1.2217210; Zugriff am 18.7.2016. 34 Roger Griffin 2004: »Der umstrittene Begriff des Faschismus« Interview mit Roger Griffin, in: Diss- Journal 13 (2004); online: http://www.diss-duisburg.de/2004/12/der-umstrittene-begriff-des-faschismus/; Zugriff am 11.7.2016 35 Jürgen Gansel 2005: Wesen und Wollen der »Dresdner Schule«. Erklärung des Landtagsabgeordneten Jürgen Gansel zu Wesen und Wollen der »Dresdner Schule«. Frankfurt war gestern, Dresden ist heute – Denk- und Politikschule einer selbstbewussten Nation; online: http://www.npdbayern.de/index.php/menue/24/thema/69/id/252/anzeigemonat/09/anzeigejahr/2008/infotext/Wesen_und_Wollen_der_ Dresdner_Schule/akat/1/such_0/dresdner/such_1/schule/Aktuelles.html; Zugriff am 11.7.2016. 36 Marc Jongen 2016, siehe Fußnote 28. 37 Björn Höcke 2014: Ansprache während des Weihnachtsfestes der Jungen Alternative Baden- Württemberg am 22.12.2014 in Stuttgart; online: https://www.youtube.com/watch?v=YhYCrQR-xBI; ab 1:10:38, Zugriff am 11.7.2016. Volk fordere ich, dass es endlich aus seinem Dämmerzustand erwacht. Wir Deutschen müssen wieder lernen, wir selbst zu sein. Und wir müssen lernen zwischen Toleranz und Selbstaufgabe zu unterscheiden.«38 Schlussbemerkung Auf der organisatorischen Ebene zielt die Hochschulpolitik der AfD auf den Wiederaufbau der klassischen Ordinarienuniversität. Der Zugang zur Hochschule soll wieder stärker einer eng begrenzten »biodeutschen« Elite vorbehalten sein, die sich die klassischen preußischen Tugenden zu eigen macht und diszipliniert studiert. Gleichzeitig wird die deutsche Bildungstradition gnadenlos überhöht, um statt eines internationalen Austauschs eine deutsche wissenschaftliche Vormachtstellung aufzubauen. Das ist elitär und reaktionär, aber sicherlich von den Positionen her noch Teil eines demokratischen Meinungsspektrums und folgt dem Leitbild der neoliberalen Hochschule, wie es seit Ende der 1990er Jahre seine Umsetzung findet. Doch in ihrem Kampf gegen die kritischen Wissenschaften wird offensichtlich, dass große Teile und wichtige Führungspersonen in der AfD ihre politische Basis in einem faschistischen und neovölkischen Denken haben, welches die Gesellschaft von »dekadenten« Entwicklungen befreien will, um eine »organische« neue Nation aufzubauen.39 Zum »naturfremden« Denken gehört für die AfD vor allem das Gender-Mainstreaming, zu dem Björn Höcke formuliert: »Über Gender Mainstreaming könnte ich ganz viel sagen. Für mich ist das einfach nur eine… Geisteskrankheit.«40 Unter »ideologiefreier« Wissenschaft versteht die AfD vor allem eine völkische Wissenschaft, die sich einem neuen deutschen Großmachtstreben unterzuordnen hat, ganz nach dem Motto: ideologiefrei ist nur, was in unsere Ideologie passt. Nicht zuletzt deshalb gehört die AfD politisch bekämpft – in den Parlamenten, auf der Straße und eben auch an den Hochschulen. Nicole Gohlke, Mitglied des Deutschen Bundestages, Sprecherin für Hochschul- und Wissenschaftspolitik der Fraktion DIE LINKE. Christian Schaft, Mitglied des Thüringer Landtages, Sprecher für Hochschul- und Wissenschaftspolitik der Fraktion DIE LINKE. Dieser Text erschien zuerst im Forum Wissenschaft – Nr. 3/ September 2016 des BdWi (Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler) 38 Björn Höcke 2015: Rede zur Demonstration in Erfurt am 16.09.2015; online: http://afd-thueringen.de/reden. Nachdrücklich zu empfehlen ist an dieser Stelle die Broschüre von Andreas Kemper 2016: »…Die neurotische Phase überwinden, in der wir uns seit siebzig Jahren befinden.« Zur Differenz von Konservatismus und Faschismus am Beispiel der »historischen Mission« Björn Höckes (AfD); Rosa Luxemburg Stiftung Thüringen. 40 Björn Höcke 2014, siehe Fußnote 37, ab 39:34. 39
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