titelthema änderungskündigung AiB 9 | 2016 Sie können bleiben – für weniger Geld arbeitsvertrag Angespannte wirtschaftliche Situation, schlechter Vertragsabschluss aus Sicht des Arbeitgebers: Dies kann Folgen für Beschäftigte haben. Wir gehen der Frage nach, unter welchen Bedingungen der Arbeitgeber Arbeitsverträge ändern kann. VO N R EG I N A ST E I NER 10 änderungskündigung AiB 9 | 2016 W er kennt nicht folgende Situation aus eigener Anschauung oder hat zumindest schon davon gehört? Vor vielen Jahren wurde ein Arbeitsvertrag geschlossen. Hier wurde zum Beispiel vereinbart, dass das Entgelt nach einem bestimmten Tarifvertrag bezahlt wird und die wöchentliche Arbeitszeit 35 Stunden bei einer Vollzeitbeschäftigung beträgt. Nun bedauert der Arbeitgeber den Vertragsabschluss – nicht etwa, weil er mit dem Mitarbeiter nicht zufrieden ist, er hätte die Arbeitsleistung nur gerne billiger eingekauft. Von Tarifverträgen will er nichts mehr wissen und Arbeitszeiten von 42 Stunden wecken bei ihm Begehrlichkeiten. Möglicherweise zwingt ihn auch tatsächlich die wirtschaftliche Situation, Sparmaßnahme zu ergreifen, um den Betrieb gewinnbringend fortzuführen. Änderung des Arbeitsvertrags Grundsätzlich gilt, dass der Arbeitgeber an den einmal abgeschlossenen Arbeitsvertrag gebunden ist. Mag sein, dass der Arbeitsmarkt es ihm heute ermöglicht, die gleiche Arbeitsleistung günstiger zu erhalten, dennoch ist er an die Konditionen der bereits abgeschlossenen Verträge gebunden. Soweit der Arbeitsvertrag nichts Abschließendes regelt, kann der Arbeitgeber einseitig Inhalt, Ort und Zeitpunkt der Arbeitsleistung (§ 106 Gewerbeordnung) bestimmen. Stößt er jedoch an die Grenzen des Direktionsrechts, hat er die Wahl, den Arbeitnehmer von der Notwendigkeit der Vertragsänderung zu überzeugen oder zur Änderungskündigung zu greifen. titelthema darum geht es 1. Verträge sind zu halten. Das gilt auch für Arbeitsverträge. Vertragsänderungen sind nur im gegenseitigen Einvernehmen möglich. 2. Möchte der Arbeitgeber eine Vertragsänderung gegen den Willen des Beschäftigten durchsetzen, kann er zur Änderungskündigung greifen. 3. Die Änderungskündigung ist aber nur in engen Grenzen zulässig und Beschäftigte haben die Möglichkeit, diese gerichtlich prüfen zu lassen. Teilkündigung nicht zulässig Eine Teilkündigung einzelner Vertragsklauseln ist nicht zulässig, denn das würde den Kündigungsschutz der Beschäftigten unterlaufen. Verträge können jederzeit im gegenseitigen Einvernehmen geändert werden, aber keine Vertragsseite muss sich auf ein entsprechendes Angebot einlassen. Vertragsänderungen sind stets freiwillig. Lässt sich der Beschäftigte darauf ein und unterzeichnet er die neuen Bedingungen, gibt es grundsätzlich kein Zurück. Die Motive, die zur Unterschrift bewogen haben, spielen keine Rolle. Die Angst um den Arbeitsplatz oder der Druck der Verhandlungssituation, dem nicht standgehalten wurde, be- 11 titelthema änderungskündigung zwei teile einer änderungskündigung Das bisherige Arbeitsverhältnis wird gekündigt und gleichzeitig erhält der Beschäftigte ein Angebot, unter welchen Bedingungen das Arbeitsverhältnis fortgesetzt werden soll. übersicht Aktuelle Rechtsprechung zur Änderungskündigung Die Grundsätze zur Änderungskündigung Eine ordentliche Beendigungskündigung ist nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausgeschlossen, wenn die Möglichkeit besteht, den Arbeitnehmer auf einem anderen freien Arbeitsplatz auch zu geänderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen. Eine solche Weiterbeschäftigungsmöglichkeit hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer anzubieten. Das Angebot kann lediglich in Extremfällen (beispielsweise ofensichtlich völlig unterwertige Beschäftigung) unterbleiben. Der Arbeitgeber kann Angebot und Kündigung miteinander verbinden, indem er ohne vorherige Verhandlungen mit dem Arbeitnehmer sofort eine Änderungskündigung ausspricht. Macht der Arbeitgeber vor Ausspruch einer Kündigung dem Arbeitnehmer das Angebot, den Vertrag der noch bestehenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeit anzupassen und lehnt der Arbeitnehmer dieses Angebot ab, ist der Arbeitgeber regelmäßig nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verplichtet, trotzdem eine Änderungskündigung auszusprechen. Eine Beendigungskündigung ist nur dann zulässig, wenn der Arbeitnehmer unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, er werde die geänderten Arbeitsbedingungen im Fall des Ausspruchs einer Änderungskündigung nicht, auch nicht unter dem Vorbehalt ihrer sozialen Rechtfertigung, annehmen. Spricht der Arbeitgeber ohne vorheriges oder gleichzeitiges Angebot der geänderten Arbeitsbedingungen sofort eine Beendigungskündigung aus, ist diese Kündigung regelmäßig sozialwidrig. Es unterliegt Bedenken, in derartigen Fällen iktiv zu prüfen, ob der Arbeitnehmer die geänderten Arbeitsbedingungen bei einem entsprechenden Angebot vor oder mit Ausspruch der Kündigung zumindest unter Vorbehalt angenommen hätte.1 Zur Bestimmtheit des Änderungsangebots Das Änderungsangebot ist nicht hinreichend bestimmt, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu den in einem näher bezeich- 1 BAG 21.4.2005 – 2 AZR 132/04, ArbuR 2005, 469 – 470. 12 AiB 9 | 2016 neten Tarifvertrag geregelten Bedingungen erfolgen soll, der jedoch im Zeitpunkt des Zugangs der Änderungskündigung noch nicht unter Wahrung des Schriftformerfordernisses des § 1 Abs. 2 Tarifvertragsgesetzes zustande gekommen ist. 2 Sozialauswahl auch bei Änderungskündigung Bei einer Änderungskündigung ist die Sozialauswahl nicht allein daran auszurichten, welcher von mehreren vergleichbaren Arbeitnehmern durch den Verlust des Arbeitsplatzes am wenigsten hart getrofen würde. Es ist zu prüfen (unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer die Änderungskündigung unter Vorbehalt angenommen hat oder nicht), ob der Arbeitgeber, diese Änderung einem vergleichbaren Arbeitnehmer hätte anbieten können, dem sie eher zumutbar gewesen wäre, statt die Arbeitsbedingungen des gekündigten Arbeitnehmers zu ändern. Auch hierfür sind allein die Kriterien Betriebszugehörigkeit, Unterhaltsplichten, Lebensalter und Schwerbehinderung maßgebend. 3 Änderungskündigung und Gehaltsabsenkung Die Gleichbehandlung mit anderen Arbeitnehmern stellt kein dringendes betriebliches Erfordernis dar, das die Verschlechterung einer arbeitsvertraglichen Vergütungsregelung im Wege der Änderungskündigung bedingen kann. Zur Verschlechterung arbeitsvertraglicher Vergütungsregelungen mittels ordentlicher Änderungskündigung aus betrieblichen Gründen hat das BAG entschieden, dass die Änderung sozial gerechtfertigt sein kann, wenn die Unrentabilität des Betriebes einer Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen entgegensteht. Dies ist der Fall, wenn durch die Senkung der Personalkosten die Stilllegung des Betriebs oder die Reduzierung der Belegschaft verhindert werden kann und die Kosten durch andere Maßnahmen nicht zu senken sind. 4 2 BAG 17.2.2016 – 2 AZR 613/14, brwo. 3 BAG 29.1.2015 – 2 AZR 164/14, ArbuR 2015, 153 – 154 (red. Leitsatz). 4 BAG 20.1.2000 – 2 ABR 40/99, AiB 2000, 578 – 579 (red. Leitsatz 1 – 2 und Gründe). änderungskündigung AiB 9 | 2016 Änderungskündigung und Krankheit Eine Änderung der Arbeitsbedingungen nach § 2 KSchG kann auch durch eine krankheitsbedingte Leistungsminderung bedingt sein. Eine ordentliche Änderungskündigung kann sozial gerechtfertigt sein, wenn die bisherigen und nach der Prognose zu erwartenden Auswirkungen der eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen führen. Liegen diese im wirtschaftlichen Bereich, kommt es darauf an, ob die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers die berechtigten Erwartungen des Arbeitgebers von der Gleichwertigkeit der beiderseitigen Leistungen in einem Maße unterschreitet, dass ihm das Festhalten am bisherigen Arbeitsvertrag unzumutbar wird; eine lediglich geringfügige – qualitative oder quantitative – Minderleistung reicht dafür nicht aus. 5 Änderungskündigung von Betriebsräten Der Arbeitgeber muss dem Mandatsträger eine möglichst gleichwertige Stellung anbieten. Die angebotene Beschäftigung muss nach der Rechtsprechung des BAG entweder im Rahmen des Direktionsrechts liegen oder einvernehmlich vorgenommen werden. Ist die Ausübung des Direktionsrechts zur Übernahme auf einen anderen Arbeitsplatz nicht ausreichend und ist es auch nicht zu einer einvernehmlichen Regelung gekommen, muss der Arbeitgeber mögliche Weiterbeschäftigung in einer anderen Betriebsabteilung im Rahmen einer Änderungskündigung anbieten. Der gleichwertige Arbeitsplatz in einer anderen Abteilung muss – anders als im Fall des § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG – nicht frei sein. Ist ein gleichwertiger Arbeitsplatz in einer anderen Abteilung vorhanden und mit einem nicht durch § 15 KSchG geschützten Arbeitnehmer besetzt, muss der Arbeitgeber versuchen, den Arbeitsplatz durch Umverteilung der Arbeit, durch Ausübung seines Direktionsrechts oder auch durch den Ausspruch einer Kündigung für den Mandatsträger freizumachen.6 5 BAG 22.10.2015 – 2 AZR 550/14, ArbuR 2016, 212 (red. Leitsatz). 6 BAG 12.3.2009 – 2 AZR 47/08, AiB 2010, 273 – 275. titelthema rechtigen nicht zur Anfechtung des Vertrags. Dies ist nur unter ganz engen Voraussetzungen möglich. Die Rechtsprechung verlangt, dass Arbeitnehmer einer Drucksituation oder Überrumpelung widerstehen und die Unterschrift verweigern.7 Erst wenn die Drucksituation die Grenze zur Nötigung überschritten hat, besteht eine Chance, den abgeschlossenen Änderungsvertrag wieder ungeschehen zu machen.8 Dabei muss bedacht werden, dass der Beschäftigte die Nötigung beweisen muss. Dies kann er in aller Regel nicht, weil entsprechende Zeugen fehlen. Werden Beschäftigte zum Gespräch ins Personalbüro gebeten, sollten sie erst mal nichts unterschreiben und auch keine Zusagen machen. Oft ist es hilfreich, ein Betriebsratsmitglied zum Gespräch hinzuzuziehen. Eine Vertragsänderung ist niemals so eilig, dass sie sofort geschehen muss. Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, dass der Beschäftigte den Vertragstext mitnehmen kann und ausreichend Zeit zur Prüfung und zum Nachdenken erhält. Keine Angst vor Änderungskündigung Besteht die Unsicherheit, ob die neuen Vertragsbedingungen gerechtfertigt sind, sollte von einer freiwilligen Vertragsänderung immer Abstand genommen werden. Der Arbeitgeber ist nicht berechtigt, deswegen das Arbeitsverhältnis zu beenden.9 Er muss stets das mildere Mittel wählen, um sein Ziel zu erreichen. Das ist in diesem Fall die Änderungskündigung. Sie besteht aus zwei Teilen: Das bisherige Arbeitsverhältnis wird gekündigt und gleichzeitig erhält der Beschäftigte ein Angebot, unter welchen Bedingungen das Arbeitsverhältnis fortgesetzt werden soll. Dabei müssen die neuen Vertragsbedingungen so angeboten werden, dass der Arbeitnehmer, wenn er denn möchte, sie mit einem schlichten »einverstanden« annehmen kann.10 Dem Beschäftigten muss klar sein, welche Vertragsbedingungen künftig gelten sollen. Kündigungsgrund muss vorliegen Der Arbeitgeber kann eine wirksame Änderungskündigung nur aussprechen, wenn er einen Kündigungsgrund dafür hat. Diese Gründe inden sich im Kündigungsschutzgesetsetz (KSchG).11 Eine Änderungskündigung ist danach nur möglich, wenn verhaltens-, per7 8 9 10 11 LAG Rheinland-Pfalz 28.1.2016 – 5 Sa 398/15, juris. BAG 27.11.2003 – 2 AZR 135/03, AiB Newsletter 2004, 32 (Leitsatz 1). BAG 21.4.2005 – 2 AZR 132/04, ArbuR 2005, 463 – 464 (Leitsatz 1). BAG 17.2.2016 – 2 AZR 613/14. Dieses Gesetz findet nur Anwendung in Betrieben mit in der Regel mehr als 10 Arbeitnehmern und wenn der Arbeitsvertrag bereits länger als 6 Monate besteht, siehe dazu § 23 KSchG. aib-seminartipps Zum Schwerpunkt der AiB 09/2016 empiehlt Ihnen die AiB-Redaktion diese Seminare im Jahr 2016 / 2017: 2016: ver.di b+b Mensch geht vor! Betriebsverfassung: Personelle Angelegenheiten (BR 2) 17.10. – 21.10. Sundern 14.11. – 18.11. Brannenburg 21.11. – 25.11. Berlin (in Englisch) 5.12. – 9.12. Kirkel verdi-bub.de/br2 }} } 2016: IG Metall Personelle Maßnahmen und Betriebsratshandeln (Grundlagenseminar für Betriebsräte) In den IG Metall-Bildungszentren 25.9. – 30.9. Beverungen 9.10. – 14.10. Lohr 9.10. – 14.10. Beverungen 13.11. – 18.11. Lohr www.igmetall.de/bildung }} } 2016 / 2017: DGB Bildungswerk Bund Einstellungen, Versetzungen und Kündigungen Was kann der Betriebsrat tun? 19.10. – 21.10.2016 Hamburg 16.1. – 20.1.2017 Hamburg 26.6. – 30.6.2017 Berlin www.betriebsratsqualii }} } zierung.de/seminar/217511565 2016: IG BCE BWS GmbH Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses – Arbeitsrecht 2 6.11. – 11.11. Haltern am See 13.11. – 18.11. Kagel-Möllenhorst 4.12. – 9.12. Bad Münder www.igbce-bws.de/ }} } Seminarthemen/Arbeitsrecht 13 titelthema änderungskündigung AiB 9 | 2016 Oft werden Umstrukturierungsmaßnahmen genutzt, um Beschäftigte zu weniger Geld weiterzubeschäftigen. 14 sonen- und betriebsbedingte Gründe vorliegen (§ 1 Abs. 2 KSchG). Eine verhaltensbedingte Änderungskündigung wird in der Praxis sehr selten vorkommen. Darunter versteht man Kündigungsgründe, die sich aus dem (schlechten) Verhalten des Arbeitnehmers ergeben. Denkbar wäre der Fall, dass zwei Arbeitskollegen nicht miteinander klarkommen und es immer wieder Streit gibt. Durch die Änderungskündigung und das Angebot eines anderen Arbeitsplatzes kommt es dazu, dass sie künftig nicht mehr zusammenarbeiten müssen. Damit können die Streitigkeiten in der Zukunft vermieden werden. Zuvor wird der Arbeitgeber aber regelmäßig erst einmal eine Abmahnung aussprechen müssen. Die personenbedingte Änderungskündigung hat dagegen schon mehr Praxisrelevanz. Darunter versteht man alle Gründe, die aus der Persönlichkeit des Arbeitnehmers heraus resultieren und grundsätzlich nicht durch den Willen gesteuert werden können. Der bekannteste Fall ist die Krankheit. Eine Änderungskündigung ist beispielsweise dann notwendig, wenn der Beschäftigte aus gesundheitlichen Gründen seine bisherige Arbeit nicht mehr verrichten kann und er auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz umgesetzt werden muss.12 Auch der Kraftfahrer, der seinen Führerschein wegen einer Privatfahrt verloren hat und des- halb kein Auto mehr steuern darf, kann im Wege der Änderungskündigung auf einen anderen Arbeitsplatz versetzt werden. Der Hauptanwendungsbereich der Änderungskündigung liegt aber bei betriebsbedingten Gründen. Es muss ein dringender betriebsbedingter Grund vorliegen, der die Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Bedingungen unmöglich macht. Das kann der Fall sein, wenn wegen betrieblicher Umstrukturierungsmaßnahmen bestimmte Arbeiten fremdvergeben werden, dafür aber andere neue Arbeitsplätze entstehen. Eine Änderungskündigung ist auch dann notwendig, wenn der Betrieb oder Betriebsabteilungen ihren Standort verlagern. Dies gilt nicht, wenn im Arbeitsvertrag eine Versetzungsklausel enthalten ist, die die räumliche Versetzung im Wege des Direktionsrechts gestattet. Gehaltsabsenkungen als Sparmaßnahme sind in der Regel kein dringender betrieblicher Kündigungsgrund.13 12 BAG 22.10.2015 – 2 AZR 550/14, ArbuR 2016, 212 (red. Leitsatz). 13 BAG 20.10.2000 – 2 ABR 40/99, AiB 2000, 578 – 579 (red. Leitsatz 1 – 2 und Gründe). Was tun bei Änderungskündigung? Nach Erhalt der Änderungskündigung hat der Beschäftigte nun drei Möglichkeiten zu reagieren: · Nimmt der Beschäftigte das Angebot an, das Arbeitsverhältnis zu geänderten Bedin- änderungskündigung AiB 9 | 2016 gungen fortzuführen, besteht das Arbeitsverhältnis zu diesen Bedingungen fort. Streitig ist, innerhalb welcher Frist das Angebot angenommen werden muss. Nach Ablauf der Kündigungsfrist kann es nicht mehr angenommen werden. Dem Arbeitnehmer muss auch eine lange Bedenkzeit eingeräumt werden. Der Arbeitgeber kann dafür eine Frist setzen, diese darf aber keinesfalls kürzer als drei Wochen sein.14 · Lehnt der Beschäftigte das Angebot ab oder schweigt er, endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Kündigungsfrist. Er kann nun innerhalb von drei Wochen nach Zugang des Kündigungsschreibens Klage vor dem Arbeitsgericht einlegen und überprüfen lassen, ob die Beendigungskündigung gerechtfertigt ist. · Der Beschäftigte kann auch innerhalb von drei Wochen die Kündigung unter Vorbehalt annehmen und innerhalb dieser Frist Kündigungsschutzklage erheben (§ 2 KSchG). Das Arbeitsverhältnis wird dann nach Ablauf der Kündigungsfrist unter den geänderten Bedingungen fortgesetzt, bis das Arbeitsgericht über die soziale Rechtfertigung der geänderten Arbeitsbedingungen entschieden hat. Ist die Klage erfolgreich, wird das Arbeitsverhältnis zu den ursprünglichen Bedingungen fortgesetzt, ansonsten verbleibt es bei den geänderten Bedingungen. Betriebsrat und Änderungskündigung Betriebsratsmitglieder genießen einen besonderen Kündigungsschutz. Sie sind deshalb grundsätzlich nur außerordentlich kündbar. Eine Ausnahme gilt, wenn sie wegen der Schließung des Betriebs oder einer Betriebsabteilung gekündigt werden. Dann ist eine ordentliche Kündigung möglich (§ 15 KSchG), im letzteren Fall aber nur, wenn keine andere Beschäftigungsmöglichkeit besteht. Diese Vorschriften decken nicht alle Fälle ab, die in der betrieblichen Realität vorkommen. Hier hilft die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Der Arbeitgeber kann nun eine außerordentliche Änderungskündigung mit sozialer Auslaufrist aussprechen. Diese Kündigung benötigt zunächst die Zustimmung des Betriebsrats nach § 103 BetrVG. Erteilt der Betriebsrat die Zustimmung zur außerordentlichen Änderungskündigung nicht, kann der Arbeitgeber versuchen, 14 BAG 6.2.2003 – 2 AZR 674/01, AiB Newsletter 2003, 26 (Leitsatz 1). titelthema diese im Wege eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens ersetzen zu lassen. Solange dieser Prozess nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Änderungskündigung nicht ausgesprochen werden. beispiel Der Arbeitgeber möchte seine Führungsstruktur verschlanken und setzt künftig keine Gruppenleiter mehr ein. Die Führungsaufgaben sollen die Regionalleiter mit übernehmen. Die Betriebsratsvorsitzende ist Gruppenleiterin. Nach dem strengen Wortlaut des Gesetzes wäre eine Kündigung nicht möglich. Es liegt weder eine Betriebsschließung noch eine Betriebsteilschließung vor. Der Arbeitgeber müsste nun das Betriebsratsmitglied als Gruppenleiterin weiterbeschäftigen, obwohl es keine Aufgaben mehr hat. Es ist nachvollziehbar, dass das BAG zu dem Schluss kommt, dass es einem Arbeitgeber nicht zuzumuten ist, ein Betriebsratsmitglied weiterzuzahlen, obwohl keine Beschäftigung gemäß dem geltenden Arbeitsvertrag mehr zur Verfügung steht. Problematisch ist aber, dass Arbeitgeber in der Praxis diese Öfnung des Kündigungsschutzes dafür ausnutzen, Betriebsratsmitglieder »sauerzufahren«. Umstrukturierungsmaßnahmen werden genutzt – manchmal auch initiiert –, um Betriebsratsmitgliedern Arbeitsplätze im Wege der Änderungskündigung anzubieten, die beispielsweise drei bis fünf Entgeltgruppen niedriger bezahlt werden. Einer Diplompädagogin in leitender Stellung wird ein Platz als Erzieherin angeboten, einem Facharbeiter ein Platz als Maschinenbediener, weil seine Aufgaben fremdvergeben wurden. Hier heißt es, Nerven behalten und nicht klein beigeben. In seiner ständigen Rechtsprechung betont das BAG, dass der Mandatsträger Anspruch auf einen möglichst gleichwertigen Arbeitsplatz hat.15 Notfalls muss ein solcher Arbeitsplatz sogar freigekündigt werden. v Regina Steiner, Anwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht, Frankfurt. www.steiner-mittlaender.de 15 BAG 2.3.2006 – 2 AZR 83/05, ArbuR 2006, 331 (Leitsatz), BAG 21.6.2012 – 2 AZR 343/11, ArbuR 2013, 50 (red. Leitsatz). 15
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