Einschätzung der Ernte 2016

Einschätzung der Ernte 2016 (Stand: 23.08.16)
International
Heterogener hätte die Ernte 2016 auf der nördlichen Halbkugel kaum ausfallen können.
Russland das während des kalten Krieges während Jahrzehnten auf umfangreiche Importe
(bis 10 Mio T/Jahr) angewiesen war, hat grosse Mühe die Rekordernte 2016 überhaupt
logistisch bewältigen zu können und dürfte die EU dieses Jahr als grössten Weizenexporteur
erstmals überflügeln. Trotz der jüngsten heftigen Regenfälle und Überschwemmungen in
einigen Bundesstaaten, rechnet man in den USA mit einer guten Ernte. Die Erntemenge des
für den Ackerbau klimatisch prädestinierten Frankreich ist mit einem Rückgang von rund
30%, jedoch regelrecht eingebrochen und wird als die schlechteste seit Anfang der 60iger
Jahre des letzten Jahrhunderts qualifiziert. (Es wird derzeit sogar darüber spekuliert, ob
Frankreich Einfuhren aus Rumänien tätigen muss.) Im Norden Deutschlands war es zu
trocken und im Süden war es im Verlaufe der entscheidenden Monate – analog der Situation
in der Schweiz respektive der nördlichen Hälfte von Frankreich – während der für den Ertrag
und die Qualität entscheidenden Monate April/Mai/Juni/Juli, viel zu nass (Dauerregen).
Schweiz
Noch Ende Juni liessen sich nicht wenige Exponenten der Branche von den Feldern, die sich
– zumindest visuell – in einem beneidenswerten Zustand präsentierten, blenden, was auch
die Diskussion anlässlich der Festlegung der Ernterichtpreise (30.06.16) anregte. Dass mit
einer guten Ernte gerechnet wurde, kommt auch in den Entscheiden des Schweizerischen
Getreideproduzenten-Verbandes (SGPV) – nach den üblichen Konsultationen der
interessierten Kreise – zum Ausdruck, den Markt im Verlaufe des letzten Getreidejahres
(2015/2016) zu entlasten. Insgesamt wurden im Verlaufe der letzten Kampagne rund
53‘000 t Brotgetreide – die grundsätzlich für die menschliche Ernährung vorgesehen waren –
in verschiedenen Tranchen aus Gründen der Marktregulierung in den Futterkanal geleitet.
(Deklassierung)
Doch die Launen der Natur haben sich in keiner Weise an die Prognosen / Annahmen der
Wertschöpfungskette gehalten. Das Wetter hat sich zwar glücklicherweise nach dem ersten
Drittel des Monats Juli stark gebessert, weshalb – auch wenn mit einer leichten Verspätung –
um den 20. Juli mit der Ernte begonnen werden konnte. Das ziemliche schmale zur
Verfügung stehende Zeitfenster für den Drusch, das immer wieder mit kurzen Regenfällen
unterbrochen wurde ohne jedoch den Weizen auswachsen zu lassen (Keimungsvorgang),
erlaubte den Weizen bis in den ersten Tagen des Monats August bei einer durchschnittlichen
Kornfeuchtigkeit und ansprechenden (unproblematischen) Fallzahlen (Indikation für
Viskosität)
weitgehend unter Dach zu bringen. Doch der im Frühling/Frühsommer
angerichtete Schaden war durch die ausserordentlichen Witterungsverhältnisse bereits
(irreversibel) angerichtet.
Kaum jemand kann sich erinnern, je mit so tiefen Hektolitergewichten konfrontiert gewesen
zu sein. Das ausgesprochen feuchte Wetter vom Frühling bis anfangs Juli hat den
Krankheitsdruck (Bildung von Mykotoxine) – ganz ausgeprägt bei den Anbauformen
IP-Suisse und Bio – gefördert. (Bei einer entsprechenden Belastung durch diese
Schimmelpilzgifte kann der Weizen nicht einmal im Futterkanal Verwendung finden.) Die
Kombination – tiefe Hektolitergewichte / Mykotoxinbelastung / tiefere Hektarerträge –
reduziert die für die Mühlenwirtschaft in der Schweiz zu Verfügung stehende Erntemenge um
schätzungsweise 30%, was voraussichtlich zusätzliche Ergänzungsimporte über das
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bestehende vor Jahren mit der WTO ausgehandelte Mindest-Importkontinent von 70‘000 t
notwendig machen dürfte, um die Versorgung bis zur nächsten Kampagne sicher zu stellen.
Die sich abzeichnende mengenmässige Unterversorgung ist jedoch nur ein Aspekt. Vielmehr
zeichnet sich eine signifikant tiefe Ausbeute – eine direkte Folge der weit
unterdurchschnittlichen Hl.-Gewichte respektive dem höheren Aschegehalt (verhältnismässig
höherer Schalenanteil gegenüber Normaljahren) – für die Mühlen ab, was die ohnehin schon
bescheidenen Margen noch weiter schrumpfen lassen. Die erfreulichen, gegenüber den
letzten Jahren ganz klar höheren Protein/Feuchtglutengehalte – eine unmittelbare Folge der
mangelnden Ausbildung des vornehmlich aus Stärke bestehenden Mehlkörpers
(ungenügende Sonneneinstrahlung) – kompensiert nicht annähernd den ökonomischen
Verlust der sich mit der tieferen Mehlausbeute (mindestens 2 bis 3% nach heutiger
Schätzung) respektive den weit umfangreicher anfallenden Reinigungsabfällen (z.B.
Schrumpfkörner /Schmachtkörner) einstellt.
Ob die Proteinqualität mit der Proteinmenge (Gluten) mithalten kann, wird sich erst nach
einer entsprechenden Ablagerung des Weizens und umfangreichen Backversuchen zeigen.
Aufgrund der zwiespältigen Erfahrungen der letzten Ernten – die letzte qualitativ wirklich gute
geht auf das Jahr 2012 zurück – sollten wir uns entlang der ganzen Wertschöpfungskette
ernsthaft die Frage stellen, ob es nicht allenfalls sinnvoll wäre, in Ergänzung der Pflichtlager
privatwirtschaftlich gehaltene/finanzierte strategische Lager (Pufferlager) zu schaffen, um
inskünftig auf Deklassierungen – aber auch zusätzliche Ergänzungsimporte – weitgehend
verzichten zu können.
Fazit
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Die inländische Brotgetreideernte 2016 ist für die Landwirte katastrophal ausgefallen.
Die Mühlenwirtschaft (1. Verarbeitungsstufe) muss sich mit einem ausgesprochen
heterogenen, schwierig zu handhabendem, qualitativ sehr gegensätzlichen
Ernteergebnis auseinander setzen, das sich zudem in wirtschaftlicher / ökonomischer
Hinsicht weit unterdurchschnittlich (Minderausbeute zwischen 2 bis 3%) präsentiert.
Die qualitativen Veränderungen gegenüber den Vorjahren, dürften sich für die
2. Verarbeitungsstufe mit gewissen Rezeptanpassungen bei der Teigherstellung in
einem engen und vertretbaren Rahmen halten.
Ob diese ausgesprochen schwierige, herausfordernde und heterogene Ernte eine
Auswirkung auf die Preise der Mehle haben wird, kann zu diesem frühen Zeitpunkt
vernünftigerweise noch nicht abgeschätzt werden. Um eine verlässliche Aussage über
diesen Sachverhalt abzugeben, muss im Verlaufe der nächsten Wochen über die
nachstehenden Hauptpunkte zuerst Klarheit geschaffen werden:
 Ausbeute?
 Zusammensetzung des Mahlgutes (Verhältnis Top / Klasse 1 und 2)?
 Proteinquantität korrespondierend mit Proteinqualität? (Gluten)
 Abschätzung Versorgungslage (Erntemenge + Überhänge) Zusatzkontingent?
 Preisniveau Mühlennachprodukte?
23.08.2016/M.M.
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