Kriegsszenario THOMAS FREY/DPA Die Konzeption der »zivilen Verteidigung« à la Unionsparteien weist der Bevölkerung lediglich die Funktion von Bundeswehr-Hiwis zu. Hilfeleistung fürs Militär und für zivile Behörden wird oberste Aufgabe von Zivilisten. Von Ulla Jelpke SEITE 3 GEGRÜNDET 1947 · FREITAG, 26. AUGUST 2016 · NR. 199 · 1,50 EURO (DE), 1,70 EURO (AT), 2,20 CHF (CH) · PVST A11002 · ENTGELT BEZAHLT WWW.JUNGEWELT.DE NATO-Besatzer Festungsbau Morddrohungen Landflucht 2 4 8 9 Syrien: Türkei und USA schaffen Schutzzonen für Dschihadisten. Siehe auch Seiten 7 und 8 Deutschland errichtet neue Außenposten zur Flüchtlingsabwehr in Afrika. Von Niema Movassat In Kiew wurde die kritische Journalistin Fettere Gewinne: Die Fiat-Holding Exor Miroslawa Berdnik vom Geheimmacht sich in die Niederlande dienst festgenommen. Interview davon. Von Gerrit Hoekman Friedensschluss in Kuba UNO beklagt zivile Opfer im Jemen-Krieg Genf. Im Krieg im Jemen sind nach Angaben der Vereinten Nationen seit März 2015 mindestens 3.799 Zivilisten getötet und 6.711 verletzt worden. Alle beteiligten bewaffneten Parteien hätten sich schwerer Verbrechen an der Bevölkerung schuldig gemacht, sagte der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Seid Al-Hussein, am Donnerstag in Genf. Einem UN-Lagebericht zufolge leiden 7,6 Millionen Einwohner des Landes an Unterernährung, drei Millionen seien vertrieben worden. Der Bericht wirft den Konfliktparteien willkürliche Angriffe auf Zivilisten vor. Dazu gehörten Bombardierungen von Wohngebieten, Märkten, Krankenhäusern und Schulen. Zivilisten seien mit Streubomben und Landminen sowie von Heckenschützen getötet worden. AlHussein rief zur Einsetzung einer unabhängigen Ermittlungskommission auf. (dpa/jW) Kolumbien: Regierung und Guerilla einigen sich auf Beendigung des Krieges. FARC sollen legale Partei werden. Volksabstimmung am 2. Oktober. Von André Scheer I Public Viewing für den Frieden: Tausende verfolgten am Mittwoch in Bogotá die Übertragung aus Havanna »In den nächsten Tagen«, so Iván Márquez, werde in Kolumbien eine nationale Konferenz der Aufständischen stattfinden, bei der die FARC-Basis dem in Havanna erreichten Vertrag zustimmen soll. In kolumbianischen Medien kursiert, dass sich etwa zehn Prozent der Kämpfer dem Abkommen widersetzten. »Das wären rund 1.000 Leute – ich glaube nicht, dass es so viele sind«, sagte dazu im Gespräch mit junge Welt in Bogotá der Chefredakteur der kommunistischen Wochenzeitung Voz, Carlos Lozano. Bislang hat sich lediglich ein Teil der »Ersten Front« der FARC öffentlich gegen den Friedensvertrag ausgesprochen. Das Abkommen sieht vor, dass sich die Guerilla nach Abgabe ihrer Waffen als politische Partei konstituieren darf. Dazu muss sie alle gesetzlichen Vorgaben erfüllen, etwa ein Programm und ein Statut verabschieden. Lediglich die Vorschrift, dass sie bei den Parlamentswahlen drei Prozent der Stimmen erhalten haben muss, um als Partei registriert zu werden, wurde ausgesetzt. Um ihre parlamentarische Vertretung zu garantieren, stehen der Guerilla in den nächsten beiden Wahlperioden ab 2018 und 2022 jeweils fünf Mandate im Senat und im Abgeordnetenhaus zu. Am 2. Oktober sollen die Bürger Kolumbiens in einem Referendum über das Kriegsende entscheiden. Um Zustimmung werben neben der Regierung Linksparteien, Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen. Das Lager der Gegner wird von Expräsident Álvaro Uribe angeführt, der seinem Nachfolger und früheren Verteidigungsminister Santos vorwirft, das Land an die Guerilla zu verkaufen. In den Umfragen liegen beide Seiten bislang nahezu gleichauf. Zuletzt sah die Tageszeitung El Tiempo die Unterstützer des Abkommens mit gut 32 Prozent vorne, die Gegner kamen auf knapp 30 Prozent, während sich etwa 27 Prozent enthalten wollen. Siehe Kommentar Seite 8 Incirlik: Bleiben oder gehen? SPD und Grüne fordern Abzug der Bundeswehr, von der Leyen ist dagegen W egen anhaltender Querelen um das Besuchsverbot für Abgeordnete des Bundestages auf dem türkischen Luftwaffenstützpunkt Incirlik bereitet die Bundeswehr einen möglichen Abzug vor. Vor allem Abgeordnete der SPD und der Grünen fordern das Aus für Incirlik. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) will allerdings auf dem Stützpunkt bleiben. »Die Bundeswehr würde gerne den gemeinsamen Kampf gegen den IS von der NATO-Basis Incirlik aus fortführen«, sagte sie den Zeitungen des »Redaktionsnetzwerks Deutschland« (Freitagausgaben). Die Bundeswehr sei allerdings auf einen Abzug vorbereitet, sollte dieser nötig sein, sagte die Ministerin auf Nachfrage. »Kluge militärische Planung sieht immer auch Ausweichmöglichkeiten vor.« Die Türkei hat seit der vom Bundestag im Juni beschlossenen Armenien-Resolution Besuche von Bundestagsabgeordneten bei deutschen Soldaten in Incirlik abgelehnt. Auch eine Reise der Ministerin in die Tür- kei und ein Gespräch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan persönlich brachten keine Lösung. Wegen des Streits prüft die Bundeswehr nach Informationen des Spiegels, ob die derzeit von Incirlik startenden Bundeswehr-Maschinen nach Jordanien oder nach Zypern verlegt werden können. Das Mandat für den Einsatz läuft im Dezember aus. Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold sagte dem Spiegel, er halte eine Verlängerung wegen des türkischen Besuchsverbots für »ausgeschlossen«. Unterstützt wurde er vom Wehrbeauftragten Hans-Peter Bartels (SPD): Bei anhaltenden politischen Spannungen sei eine Umstationierung erforderlich, sagte er der Neuen Osnabrücker Zeitung. Der CDU-Verteidigungspolitiker Karl Lamers sagte dem RBB-Inforadio, »ein sehr kleiner Kreis aus dem Verteidigungsausschuss« plane in der Zeit vom 4. bis 6. Oktober eine Reise in die Türkei und wolle die Einsatzkräfte in Incirlik besuchen. (AFP/jW) JULIAN STRATENSCHULTE/DPA - BILDFUNK Handel sabotiert E-Schrott-Rücknahme BJOERN KIETZMANN n Kolumbien steht das Ende des jahrzehntelangen Krieges zwischen der Regierung und der FARC-Guerilla unmittelbar bevor. Am Mittwoch abend (Ortszeit) verkündeten die Unterhändler beider Seiten in Havanna, dass sie ihre seit 2012 in der kubanischen Hauptstadt geführten Verhandlungen erfolgreich abgeschlossen haben, der Friedensvertrag sei unterschriftsreif. Beide Seiten sehen sich als Sieger: Der Abgesandte des kolumbianischen Präsidenten Juan Manuel Santos, Humberto de la Calle, erklärte, »die beste Weise, den Krieg zu gewinnen« sei es gewesen, »uns hinzusetzen und über den Frieden zu sprechen«. Iván Márquez, der Leiter der FARCDelegation, sprach davon, dass man »die schönste aller Schlachten« abgeschlossen habe: »Wir werden Frieden haben, wenn die Abkommen eingehalten werden.« Der Friedensvertrag umfasst die in den vergangenen vier Jahren erreichten Einzelabkommen über eine Agrarreform, Maßnahmen zur Beseitigung der Drogenkriminalität, zur Entschädigung der Opfer sowie zur Wiedereingliederung der Guerilla in das zivile Leben. Besonders heikel war die Frage, wie die Beendigung des Krieges und die Umwandlung der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens zu einer legalen Partei im Detail vor sich gehen sollen. Die FARC sind gewarnt, denn in den 1980er Jahren gab es schon einmal den Versuch, die Organisation zu legalisieren. Paramilitärs und Drogenbanden entfesselten jedoch einen Vernichtungskrieg gegen die dazu gegründete Partei Unión Patriótica (UP), dem bis zu 5.000 Mitglieder zum Opfer fielen. Die FARC sahen sich daraufhin gezwungen, zum bewaffneten Kampf zurückzukehren. Berlin. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) beklagt flächendeckende Probleme bei der Durchsetzung der Rücknahmepflicht für alte Elektrogeräte. Bei der Mehrheit von 45 getesteten Handelsunternehmen habe es Unregelmäßigkeiten gegeben, erklärte die Organisation am Donnerstag. Seit einem Monat ist der Handel dazu verpflichtet, Altgeräte auch ohne Kassenzettel zurückzunehmen und zu entsorgen. Die Regelungen betreffen Händler, die auf einer Fläche von mindestens 400 Quadratmetern Elektrogeräte anbieten. Betroffen sind auch Onlinehändler mit entsprechend großen Versand- oder Lagerflächen. Kein einziger getesteter Händler habe die gesetzliche Rücknahmeverpflichtung umwelt- und verbraucherfreundlich umgesetzt, resümierte die DUH. »Der Handel sabotiert die Sammlung von Elektroschrott«, kritisierte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch. (AFP/jW) wird herausgegeben von 1.867 Genossinnen und Genossen (Stand 12.8.2016) n www.jungewelt.de/lpg
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