faulheit & arbeit Sonnabend/Sonntag, 2./3. Juli 2016, Nr. 152 n Drucksachen n Schwarzer Kanal n Reportage n ABC-Waffen Kartelle teilen sich den Weltmarkt auf. Vor 100 Jahren stellte Lenin seine Imperialismusstudie fertig. Klassiker Unverzüglich. Der Zeit-Chefredakteur sieht nach dem britischen Referendum seinen Untergang kommen. Von Arnold Schölzel Kostbarkeiten in Pastell. Eine Ausstellung mit Zeichnungen von Erich Wegener in der jW-Ladengalerie. Von Michael Mäde Betrachten Sie beispielsweise meine linke Hand auf dem Tisch. Affen im Kulturbetrieb: Affe 1. Von Izy Kusche FLICKR.COM/BUNDESWEHR/JANE SCHMIDT »Wer nur die USA sieht, entschuldigt den deutschen Imperialismus« Gespräch Mit Tobias Pflüger. Über die Militarisierung der Bundesrepublik, Proteste gegen die Armee und den seit Jahren schwelenden Streit in der Friedensbewegung AP PHOTO/VOLKER WICIOK D ie Bundesrepublik rüstet auf. 130 Milliarden Euro sollen der Armee bis zum Jahr 2030 für investive Ausgaben zur Verfügung gestellt werden. Das sind bis zu 60 Milliarden Euro an zusätzlichen Mitteln, die die Bundeswehr insgesamt in den kommenden Jahren erhält. Weiß man bereits, wofür das Geld ausgegeben werden soll? Heruntergerechnet wären das etwa neun Milliarden Euro pro Jahr, die die Bundeswehr für diese sogenannten investiven Ausgaben erhält. Das ist das Geld für die Beschaffung von Waffen und Ausrüstung. Es gibt eine nicht dementierte Meldung des Verteidigungsministeriums, derzufolge Panzer reaktiviert, also wieder in Betrieb genommen werden sollen. Zudem will man neue anschaffen. Auch in Kampfdrohnen will man investieren. Da hat man sich für die israelische Variante namens Heron TP entschieden. Sie ist Tobias Pflüger … ist stellvertretender Vorsitzender der Partei Die Linke. 1996 war er einer der Initiatoren für die Gründung der Informationsstelle Militarisierung (IMI) auf die Überwachung von Gebieten ausgerichtet, kann aber auch bewaffnet werden. Dann soll noch Geld für die Cyberkriegführung ausgegeben werden. Sie haben erwähnt, dass Panzer gekauft werden sollen. Wo will man die einsetzen? Die Bundeswehr hat grob gesagt zwei Schwerpunkte im Visier: Russland und Flüchtlinge. So ist die Bundeswehr Teil des bis Oktober andauernden »Anakonda«Manövers nahe der russischen Grenze. Dieses hat ein eindeutiges Kriegsszenario gegen Russland. Allerdings ist das einigen in der Bundesregierung zu plump. So hat sich Außenminister Frank-Walter Steinmeier gegen das »Säbelrasseln« geäußert. Doch die Bundeswehr schafft sich permanente Militärstützpunkte. In Dschibuti gibt es bereits einen, in Termes in Usbekistan gab es einen. Nun will man einen in den baltischen Staaten eröffnen. In den osteuropäischen Ländern muss die Bundeswehr bislang rotieren, darf ihre Trup- pen laut der NATO-Russland-Grundakte dort nicht dauerhaft stationieren – auch wenn sie das de facto bereits tut. Zudem wird gerade in zwei Manövern geübt, die schweren Gerätschaften zu transportieren. In Zukunft sollen kleinere Panzer mit dem Airbus A400M transportiert werden. Bislang tut der es aber aufgrund einer Reihe von Konstruktionsmängeln nicht. Doch er stellt ein zentrales Projekt der Bundeswehr dar. Deuten sich da nicht weitere Auslandseinsätze an? Ja. Im Moment befinden sich ungefähr 3.000 Soldaten in solchen Einsätzen. Doch eine um ein Vielfaches höhere Zahl nimmt derzeit an Manövern teil. Ich sage immer: Eigentlich sind auch das Auslandseinsätze. Desto wichtiger sind kraftvolle Aktionen gegen das deutsche Militär. Zuletzt gab es die am 11. Juni, am Kindern »Spaß« am Krieg vermitteln. Tag der Bundeswehr am 11. juni, hier in Munster Armee im Krieg Ein Gespräch mit Tobias Pflüger über die Militarisierung der deutschen Politik, Proteste gegen Bundeswehrpropaganda und den schwelenden Streit in der Friedensbewegung. Außerdem: Nach dem »Brexit« prophezeit der Zeit-Chefredakteur den Untergang des Westens. Schwarzer Kanal n Fortsetzung auf Seite zwei ACHT SEITEN EXTRA Siehe Seite 16 GEGRÜNDET 1947 · SA./SO., 2./3. JULI 2016 · NR. 152 · 1,90 EURO (DE), 2,10 EURO (AT), 2,50 CHF (CH) · PVST A11002 · ENTGELT BEZAHLT WWW.JUNGEWELT.DE Erste Hilfe Zweite Geige Dritter Mann Vierte Dimension 2 3 11 12 »Wir haben etwa 5.000 Menschen aus China wird auch in Lateinamerika zum Seenot gerettet.« Ein Gespräch Rivalen Deutschlands. Argenti mit Ingo Werth, »Sea Watch 2« niens Präsident will Berlin helfen Der kubanische Liedermacher Gerardo Kant, Fichte, Hegel, Feuerbach: 1841 Alfonso startet die »Viva Cuba«erschien das »Wesen des Chri Tour mit Trio auf UZ-Pressefest stentums«. Von Martin Hundt Rechte setzen sich durch Von der Leyen besucht Türkei Incirlik. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ist am Freitag zu einem Besuch auf dem türkischen Luftwaffenstützpunkt Incirlik eingetroffen, wo auch 240 deutsche Soldaten stationiert sind. Grund der Reise war ein in der vergangenen Woche ausgesprochenes Verbot seitens der türkischen Regierung, die Besuche deutscher Parlamentarier auf der Basis untersagt hatte. Die Bundeswehr beteiligt sich von Incirlik aus mit Aufklärungs- und Tankflugzeugen am Krieg in Syrien – nach Regierungsangaben ausschließlich im Kampf gegen die Terrormiliz »Islamischer Staat«, allerdings ohne Rücksprache mit der syrischen Regierung. Die Zusammenarbeit mit »den internationalen Partnern, aber auch den türkischen Gastgebern« innerhalb der Kriegsallianz lobte von der Leyen dagegen als »sehr eng und vertrauensvoll«. (dpa/jW) LEONHARD FOEGER/REUTERS Österreich: Bundespräsidentenstichwahl muss wiederholt werden. Verfassungsgericht gibt Anfechtung durch Chef der rechten FPÖ statt. Von Simon Loidl, Wien Robert Steigerwald ist gestorben A m Freitag hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) in Wien die Stichwahl um das österreichische Bundespräsidentenamt vom 22. Mai dieses Jahres für ungültig erklärt. VfGH-Präsident Gerhart Holzinger sagte, dass zwar keine Manipulationen festgestellt wurden, bei der Handhabung der Briefwahlstimmen jedoch gegen geltende Bestimmungen verstoßen worden sei. Die Anfechtung durch den Chef der rechten Freiheitlichen Partei (FPÖ), Heinz-Christian Strache, betraf mutmaßliche Unregelmäßigkeiten bei der Briefwahl. Bei der Abstimmung im Mai nahmen mit 766.076 Briefwählern so viele Österreicher wie noch nie zuvor diese Möglichkeit der Stimmabgabe wahr. Unmittelbar nach Bekanntwerden des Wahlergebnisses tauchten erste Gerüchte über Unregelmäßigkeiten auf, woraufhin hochrangige Vertreter der »Freiheitlichen« das Briefwahlsystem insgesamt in Frage stellten. FPÖ-Wähler nutzen diese Art der Stimmabgabe weit seltener als Anhänger anderer Parteien. Das Verfassungsgericht gab der Anfechtung nun zwar nicht in allen Punkten statt, jedoch sei es in 14 von 20 untersuchten Bezirken zu Verstößen gekommen. Demnach waren nicht befugte Personen bei der Auszählung der Stimmen anwesend, zudem seien Briefwahlunterlagen zu früh geöffnet worden. In den Bezirken, wo es nachweislich zu derartigen Verstößen kam, wurden laut der Behörde 77.926 Stimmen abgegeben. Die Differenz zwischen dem Sieger der Stichwahl, dem ehemaligen Grünen-Chef Alexander Van der Bellen, und dem FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer betrug nur 30.863 Stimmen. Sollte es bei der rechtswidrigen Öffnung von Stimmkuverts zu Manipulationen gekommen sein, hätten diese somit wahlentscheidend sein können. Das Urteil wurde nach einer mehrtägigen Verhandlung gefällt, bei der Dutzende Zeugen befragt worden waren. Diese waren in Wahlbehörden an der Auszählung der Stimmen beteiligt und berichteten über einen teils recht lockeren Umgang mit den strengen Vorschriften für die Handhabung der Briefwahlkarten. Von möglichen Manipulationen sprach keiner der Zeugen. Die Anfechtung könnte nun ein Nachspiel für Wahlbeisitzer haben, die nach der Stichwahl in ihren Bezirken per Unterschrift den korrekten Ablauf bestätigt hatten. Darunter sind auch viele FPÖ-Mitglieder, die später selbst Unregelmäßigkeiten bezeugten. Ihnen drohen nun Anzeigen wegen falscher Beurkundung. Der Sieger der nun annullierten Stichwahl, Alexander Van der Bellen, sagte bei einer Pressekonferenz kurz nach der Erklärung des Gerichts, er respektiere die Entscheidung und werde sich erneut der Wahl stellen, »um diese zu gewinnen«. Auf eine entsprechende Journalistenfrage sagte Van der Bellen, er glaube nicht, dass die Entscheidung des VfGH seinem Mitbewerber Hofer nützen werde. FPÖ-Chef Strache gab sich in einer ersten Stellungnahme betont staatsmännisch. Es gebe »keinen Grund zum Jubeln«, sagte Strache bei einer Pressekonferenz. Er sei mit der Anfechtung lediglich seiner »staatsbürgerlichen Verpflichtung« nachgekommen. Der Beschluss des VfGH sei zu respektieren und fördere das Vertrauen in den Rechtsstaat, so Strache. In den Tagen nach der Stichwahl deuteten der FPÖ-Chef wie auch der »freiheitliche« Bundespräsidentschaftskandidat wiederholt öffentlich an, dass der Sieg Hofers durch die Unregelmäßigkeiten verhindert worden sei. Strache betonte auch am Freitag ausdrücklich, dass der VfGH nicht festgestellt habe, dass es keine Manipulationen gegeben habe. Raketenangriff in Richtung VR China Taiwaner Administration: Abschuss nicht im »normalen« Protokollrahmen D ie taiwanesische Marine hat eine Schiffsabwehrrakete in Richtung Festlandchina abgefeuert. Wie sie am Freitag mitteilte, traf das Projektil einen taiwanesischen Fischkutter und tötete einen Menschen. Der Vorfall in der Taiwanstraße, einer maximal 180 Kilometer breiten Meerenge zwischen der Volksrepublik und der Insel, zog zunächst keine expliziten Reaktionen der VR China nach sich. Die Rakete vom Typ »Hsiung Feng III« mit einer Reichweite von 300 Ki- lometern wurde den Angaben zufolge während einer Übung von einem in dem südlichen Marinestützpunkt von Zuoying liegenden Kriegsschiff in Richtung Festlandchina abgefeuert. Erste Untersuchungen hätten ergeben, dass der Vorfall nicht im Rahmen des »normalen« Protokolls stattfand. Vielmehr werde menschliches Versagen vermutet, sagte ein Marinevertreter. Wie die Marine mitteilte, durchschlug die Rakete am Morgen (Ortszeit) den taiwanischen Trawler »Hsiang Li-sheng«, ohne zu explodie- ren. Der Kutter sei nicht gesunken. Der Kapitän des Bootes wurde getötet, drei Menschen, darunter ein vietnamesisches und ein philippinisches Besatzungsmitglied, wurden verletzt. Aus Taipeh hieß es, die Regierung der VR China sei über den Vorfall informiert worden. Seit der Trennung der Verwaltungen von Festland und Insel nach Ende des chinesischen Bürgerkriegs 1949 sind die Beziehungen zwischen der Volksrepublik und der Taiwaner Administration, die sich selbst »Republik China« nennt, angespannt. Ein Wiederannäherungsprozess, der zu Beginn der neunziger Jahre eingeleitet wurde, wird durch separatistische Bestrebungen in Taiwan immer wieder torpediert. Dennoch akzeptieren beide Seiten das sogenannte Ein-China-Prinzip. Die neue Präsidentin Taiwans, Tsai Ing-wen, hatte sich nun im Gegensatz zu ihrem Amtsvorgänger demonstrativ nicht zur Integrität des ganzen Landes bekannt. Die »Republik China« wird von nur 22 Staaten anerkannt. (AFP/jW) Siehe Kommentar Seite 8 CHRISTIAN-DITSCH.DE Oh Gott, das Ganze nochmal: Österreichs Fast-schon-Präsident Van der Bellen (l.) wird sich einen erneuten Wahlkampf mit dem FPÖ-Kandidaten Hofer liefern müssen Essen. Der kommunistische Philosoph Robert Steigerwald (Foto) ist tot. Wie die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) mitteilte, starb er am Donnerstag im Alter von 91 Jahren in Eschborn. Steigerwald war 1945 nach kurzer Kriegsgefangenschaft in die SPD eingetreten, wechselte aber nur drei Jahre später zur Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). 1953 ließ ihn die AdenauerRegierung wegen »Staatsgefährdung« verhaften, er saß insgesamt fünf Jahre im Gefängnis. Als die 1956 verbotene KPD zwölf Jahre später als DKP wiedergegründet wurde, zählte er zu ihren ersten Mitgliedern. »Robert Steigerwald wurde zum Wissenschaftler, weil er gegen Faschismus und Krieg kämpfte«, kommentierte am Freitag der DKP-Vorsitzende Patrik Köbele. »Er kämpfte in der Kommunistischen Partei für den Sozialismus, weil er unsere Gesellschaft und die herrschende Ideologie studiert hatte.« (jW) wird herausgegeben von 1.850 Genossinnen und Genossen (Stand 22.6.2016) n www.jungewelt.de/lpg
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