SWR2 Wissen

SWR2 MANUSKRIPT
ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE
SWR2 Wissen
Die Heimat der Fischstäbchen –
Dutch Harbor auf den Aleuten
Von Ingrid Norbu
Sendung: Freitag, 26. August 2016, 8.30 Uhr SWR2 Wissen
(Wiederholung vom 15. September 2015)
Redaktion: Gábor Paál
Regie: Andrea Leclerque
Produktion: SWR 2015
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MANUSKRIPT
Atmo: Vor einer Fischfabrik in Dutch Harbor
Sprecherin:
Nieselregen und ein böiger Wind: Ein Tief aus dem Nordwesten bringt das übliche
graue Beringsee-Wetter nach Dutch Harbor – der Hafenstadt auf der Aleuteninsel
Unalaska. Nebel liegt über gestapelten Containern am Hafen. Auto- und
Maschinenwracks rosten in Mulden am Straßenrand. Jetzt im Sommer wächst Gras
auf den Autowracks. Aber eigentlich erhöht all dies noch den abseitigen Charme
eines Ortes, an dem ohnehin nur eines zählt: Fisch. Und seit 30 Jahren ist es vor
allem ein bestimmter Fisch, der in Massen aus der Beringsee geholt wird: Der
Pollack – der bei uns irreführenderweise Alaska Seelachs heißt. Für Frank Kelty,
Analyst für die natürlichen Ressourcen, ist der Pollack ein Geschäft mit großen
Zahlen.
O-Ton: Frank Kelty
Pollock is very important to US, Alaska and specially DH, Unalaska. It’s our largest
fishery in the nation and also one of the most valuable. The tonnage for this y, the
quota for Pollack in the Bering Sea, not counting the Golf of Alaska, is 1.26 mill
metric tons. That's about 3 bill pounds. So it’s very large fishery. And it’s very import
to this comm. We have 3 large plants that process approximately 30 % of the total
allocation in the Bering Sea. The value of these fishes is well over a billion $. It’s very
important to us for employment. The fishery lasts around 9 months a y. It’s very
important to our economy, for our jobs and the revenue its generates for the
community. We always say: The Pollack fishery feeds the world.
Übersetzer:
Pollack ist sehr wichtig für die USA, Alaska und besonders Dutch Harbor auf
Unalaska. Es ist unser wichtigstes Fischereiprodukt. Die Quote für dieses Jahr liegt
bei 1,26 Millionen Tonnen, den Golf von Alaska nicht mitgerechnet. Hier stehen drei
große Fischfabriken. Sie verarbeiten etwa 30 Prozent der Menge, die in der
Beringsee gefangen werden. Der Wert allein des hier verarbeiteten Fisches beträgt
mehr als eine Milliarde Dollar. Wir fischen hier knapp neun Monate im Jahr und das
ist wichtig für die Wirtschaft, die Jobs und die Steuern für die Gemeinde. Wir sagen
stets: Der Pollack ernährt die Welt.
Ansage:
Die Heimat der Fischstäbchen – Dutch Harbor auf den Aleuten.
Von Ingrid Norbu.
Atmo: Wetterbericht im Fernsehen … Good morning Unalaska. I hope you have
a great Wednesday morning ...
Sprecherin:
Der Wetterbericht bei Radio Unalaska verspricht keine Besserung. Dutch Harbor liegt
auf einer der 200 heute meist unbewohnten Aleuteninseln. Diese Kette von Vulkanen
erstreckt sich von der Spitze der Alaska-Halbinsel rund 1800 Kilometer Richtung
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Westen bis nach Russland. Hier im Nordpazifik trifft eine milde Meeresströmung aus
dem Westen auf die kalte Beringsee, die Regen, Stürme und viel Nebel bringt.
Atmo: Wetterbericht
Übersetzer:
Draußen ist es etwas nebelig. Die Temperaturen liegen bei 7 Grad Celsius, der Wind
kommt von Norden mit 30 Kilometern in der Stunde. Es kann auch ein bisschen
wilder werden. Die Sicht beträgt 13 Kilometer. Vereinzelte Wolken bei 30 bis 120
Metern und die Wolkendecke bei 300. Aber egal, machen Sie was draus. Carpe
Diem.
Sprecherin:
Die Gemeinde Unalaska ähnelt mit der Ansammlung kleiner Holzhäuser entlang
zweier ungeteerter Straßen immer noch einem Dorf. Über eine Brücke gelangt man
in die Hafenbereiche in mehreren Buchten. Zwei Supermärkte, zwei Kneipen und ein
riesiges Hotel verstecken sich zwischen den Anlegern, den Fabrikhallen und der
Ansammlung leerer Container.
Atmo: Vor der Fischfabrik
Sprecherin:
Frank Kelty ist ein großer und schwergewichtiger Mann von 65 Jahren. Seit 44
Jahren lebt er auf der Unalaska und es ist anzunehmen, dass ihn hier jeder kennt.
Dennoch musste er den Manager der Fischfabrik um Erlaubnis fragen, ob wir
überhaupt zum Interview dort stehen dürfen. Fotos sind streng verboten. Frank Kelty
erzählt, dass der Pollack in Schwärmen unterwegs ist, sogenannten Schulen. Die
einzelnen Jahrgänge mischen sich angeblich nicht, das heißt junge Fische
schwimmen nicht mit älteren zusammen, was den Beifang verringert.
O-Ton: Frank Kelty
It's done by trawling, we call it mid water trawling. Pollack most of the time is in the
mid water column and sometimes they go lower. Most we call it a mid water fishery.
The total biomass its about 3 bill metric tons and we only harvest around 14 - 15 % of
the total bio mass. We have a very steady fishery. We have no big peaks and valleys,
major declines. It’s very stable fishery and it has been that way for many y since the
1970s.
Übersetzer:
Die Schleppnetze holen den Pollack aus dem mittleren Wasserbereich, manchmal
aus der Tiefsee. Die gesamte Biomasse beträgt drei Milliarden Tonnen, wir fangen
aber nur 14 bis 15 Prozent davon. Dadurch ist es eine stabile Fischerei ohne große
Höhen und Tiefen, und das nun schon seit den 1970er-Jahren.
Atmo: vor der Fischfabrik
Sprecherin:
In großen gelben Boxen wird der Fisch mit Gabelstaplern von den Booten am Kai in
die Fischfabrik gefahren. Der Pollack ist olivgrün bis braun und trägt am Kopf die
charakteristischen Bartfäden der Dorsche, zu deren Familie er gehört. Mit dem Lachs
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ist er nicht verwandt – obwohl er im deutschsprachigen Raum als Alaska-Seelachs
bezeichnet wird. Aufgespürt werden die Fische durch ein Sonar an Bord der Trawler.
Mit Schleppnetzen werden sie dann zu hunderttausenden aus dem Wasser geholt.
Am einen Ende sind diese Netze hundert Meter weit geöffnet. Nach etwa einem
Kilometer Länge schrumpft der Durchmesser des Netzes auf wenige Zentimeter. Für
den Pollack gibt es darin kein Entkommen. Zerquetscht durch die schiere Masse,
erstickt durch den fehlenden Druckausgleich zwischen der Meerestiefe und der
Oberfläche, zerplatzt seine innere Schwimmblase beim Auftauchen. Das Fleisch des
Pollack ist nicht sehr fest und deshalb muss er innerhalb kurzer Zeit verarbeitet und
tief gefroren werden, um überhaupt genießbar zu sein.
O-Ton: Frank Kelty
They have to have be back with the oldest fish in 3 days and it is kept in refrigerated
sea water when they are out fishing. We have the shore side vessel that delivers
here and you have also another fleet that catches and processes at sea, it’s called
the offshore or sea processing sector. They have about 50% of the quota and they
process at sea.
Übersetzer:
Der Fisch muss innerhalb von drei Tagen an Land gebracht werden. Solange wird er
in gekühltem Seewasser aufbewahrt. Manche Boote bringen den Pollack an Land, es
gibt aber auch Fabrikschiffe, die ihn gleich an Bord verarbeiten. Das macht etwa die
Hälfte der erlaubten Fangmenge aus.
Atmo: vor der Fischfabrik
Sprecherin:
Die Fabrikhallen an Land dürfen während der Verarbeitung nicht betreten werden.
Doch aus den Hallen lärmt und dampft es und es stinkt nach Fisch. Container
warten, passgenau in Öffnungen der Hallen gefahren, auf das fertige Produkt.
Lastwagen bringen sie zu den Schiffen, die in der Bucht warten. Und ab geht es in
die große weite Welt.
Es gibt viele Gründe dafür, warum der Pollack, der sogenannte Alaska-Seelachs zum
beliebtesten Fisch nicht nur der Deutschen wurde. Mit seiner schieren Biomasse
übertrifft er nicht nur alle anderen Fische in der Beringsee, er ist auch äußerst
vielseitig bei der Verarbeitung.
O-Ton: Frank Kelty
The 1. plant here in Unalaska the shore plants made a product called Surimi which is
basically you take the flesh off the fish and the bone, wash it and add some additives
to it and freeze it into a block and then it would go either to Japan or US and made
into imitation crab or imitation scallop or scrimps or whatever product form. And then
you have the industry to do Pollack filets. You see the Mc Donald the fish sandwich,
things like that. They did the filet as product. They do a block product. The filet as
block product a lot of that goes into EU for reprocessing into the product form they
want.
Übersetzer:
Eine der größten Fischfabriken hier in Dutch Harbor stellt Surimi her, ein Fischbrei,
für den das Fleisch von den Gräten gelöst, mit einigen Zutaten vermischt und zu
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einem Block gefroren wird. Dieses Produkt geht nach Japan oder die übrigen USA.
Dort werden daraus dann Krabben- und Krebsimitate hergestellt. Daneben gibt es
die Industrie, die Pollack-Filets für Fisch-Sandwichs für die Fastfood Ketten zu
Blöcken presst und einfriert. Davon geht auch einiges nach Europa, die dann das
Produkt in die Form bringen, die sie bevorzugen.
Sprecherin:
Zum Beispiel Fischstäbchen, ein genormtes Produkt von exakt 30 Gramm.
Zehneinhalb Gramm davon sind Panade. Aus einer Tonne gepresstem,
tiefgefrorenen Block Pollackfleisch werden genau 46.872 Fischstäbchen
herausgesägt. Aber auch aus den Resten des Fisches lässt sich noch etwas
machen.
O-Ton: Frank Kelty
We save the Pollack roe, we save some of the stomachs, the bone meal made into
bone meal along with fish meal. It is used for feeding scrimp farms and other types of
products like that. We utilize almost all of the fish.
Übersetzer:
Wir sammeln den Rogen, Teile des Magens und die Gräten werden zu Fischmehl
verarbeitet, das dann in Krabbenfarmen verfüttert wird. Es gibt auch noch andere
Produkte. Wir verwerten fast den ganzen Fisch.
Atmo Wetterbericht … Friday partly sunny, there is the little bright patch in the
forecast. …
Sprecherin:
Im Sommer zeigt sich das Wetter immer noch von seiner besseren Seite, aber im
Winter ist es harsch und stürmisch, erzählt Richard Steiner. Er war bis zu seiner
Pensionierung Professor für Meeresbiologie an der Universität Anchorage.
O-Ton: Rick Steiner
The southern Bering Sea and the Aleutians is such a productive marine eco-system
largely because of the enormous turbulence from winter storms all through to the
area. The high resuspension and nutrients in upper water column where elsewhere
fall out of the water column. So there is enormous phyto plankton productivity and
then zoo plankton and fish, and shell fish and marine mammals depending on all
that. It is certainly one of the most productive marine eco-systems anywhere in the
world. Its comparable to places in the Antarctic, in the southern ocean, certainly it is.
The diversity in marine mammals, 10 thousands of marine mammals and something
like 30 or 40 mill sea birds use the Aleutians and the southern Bering Sea for
reproductive and feeding habitat.
Übersetzer:
Die südliche Beringsee und die Aleuten bilden nur wegen der enormen Stürme im
Winter ein solch produktives Ökosystem. Sie wirbeln das Wasser auf, dadurch
gelangen Nährstoffe an die Wasseroberfläche, die anderswo so nie auftauchen.
Dieses Phyto- und Zooplankton ernährt Fische, Muscheln und Meeressäuger. Sie
alle hängen davon ab. Es handelt sich mit Sicherheit um eines der produktivsten
Systeme der Weltmeere, vergleichbar mit der Antarktis im südlichen Pazifik. Dieses
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reiche Ökosystem lockt zehntausende von Meeressäugetieren und Millionen von
Seevögeln zu den Aleuten und in die südliche Beringsee, die sich hier vermehren
und ihre Jungen füttern.
Sprecherin:
Diese Phänomen, dass sich nach Stürmen Millionen von Fischen und Seevögel über
das hoch gespülte Plankton hermachen, wird auch die "Magie der Aleuten" genannt.
Das turbulente Wetter, das diesen Fischreichtum hervorbringt, schafft auch moderne
Helden. Fischer in der Beringsee – das ist der gefährlichste Job der Welt.
Atmo: auf einem Schiff
Sprecherin:
Jedenfalls in den Augen von Lou Boone.
O-Ton: Lou Boone
Fishing in the Bering Sea is seven times that of a coal miner. And the mortality rate is
20 times the national average. That's what makes it tough. Injuries, fatigues, because
the expecting work extremely long hours. When you work these long hours your brain
partly shuts down. The thinking processes become slow, become muted, you not
necessarily make good decisions. Its normal, it’s just human nature and it couples up
with the dangers of the sea. The sea is 20 to 30 feet, you are working on deck, you
have waves breaking on deck of the fishing boat. You are tired, cold, hungry, you are
doing it for so long, you can´t remember. You become very unaware of your
surroundings.
Übersetzer:
In der Beringsee zu fischen ist siebenmal gefährlicher, als in einer Kohlegrube zu
arbeiten. Die Todesrate liegt 20mal höher als im nationalen Durchschnitt. Ein harter
Job. Man kann sich verletzen, ermüden, weil der Arbeitstag mitunter sehr lang ist.
Das Gehirn schaltet dann teilweise ab und trifft nicht unbedingt richtige
Entscheidungen. Dazu kommen die objektiven Gefahren der See, die mit einer Höhe
von sieben bis zehn Metern übers Deck fegen kann. Man ist müde und hungrig und
es ist kalt. Und das geht schon länger, als man sich erinnern kann. Dann nimmt man
seine Umgebung irgendwann nicht mehr wahr.
Atmo: Schiffsgeräusche
O-Ton: Lou Boone
This was the toughest work I have ever done. I did not know Alaska, I did not know
the fishing industry, I decided I have to stay there and until I was comfortable, until I
was knowing no one could outwork me ever, I would not let him. I know how hard
work is and I could do it.
Übersetzer:
Es war mein härtester Job im Leben. Ich kannte weder Alaska noch die
Fischindustrie und entscheid mich, solange zu bleiben, bis ich mich damit arrangiert
hatte und sicher war, niemand hält das länger durch als ich. Das würde ich keinem
erlauben. Ich weiß, was harte Arbeit bedeutet und ich kann sie leisten.
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Sprecherin:
Wie zur Zeit der Industriellen Revolution verrichten Menschen an Bord der
Fischerboote im Beringmeer schmutzige, monotone und gefährliche Arbeiten, oft bis
zur totalen Erschöpfung. Eine Mensch-Maschine, die nur noch funktioniert, bis zum
nächsten "Aufladen der Batterien", Essen und Schlaf. Natürlich zählt nicht allein die
physische Herausforderung, den Fisch aus der stürmischen See zu holen.
O-Ton: Lou Boone
And I fished for a number of years full time, probably 8 months a year up in the
Bering Sea. Most of it in the dead of winter. Summer months is not really good
fishing, I was not interested. I was after the money at that time. It’s all about greed.
It’s all about money. You are not going to the Bering Sea for your love of the sea. It
does not happen. You go to Virgin Islands for that. You are going there for your love
of fish. It’s money. It’s money driven and that's it. It’s the motivator. But after a while
it becomes a way of life and if you choose your way of life, you don't wanna do this
for ever. It's nothing fun about it.
Übersetzer:
Ich habe eine Zeitlang etwa acht Monate im Jahr in der Beringsee gefischt, meist im
tiefsten Winter, denn im Sommer gibt es dort nicht wirklich viel Fisch. Ich war damals
hinter dem Geld her. Es geht um Gier. In der Beringsee entwickelt man keine Liebe
zum Meer, bestimmt nicht. Dafür begibt man sich besser zu den Virgin Islands. Die
Liebe zum Fisch, zum Geld treibt einen an. Das ist die Motivation. Aber nach einer
Weile stellt man fest, dass dies ein Lebensstil geworden ist. Und wenn man wählen
kann, weiß man, ewig mach ich das nicht weiter. Denn ein Vergnügen ist das nicht.
Sprecherin:
Seit einigen Jahren arbeitet Lou Boone nun als Steuermann auf einer der staatlichen
Fähren, die entlang der amerikanischen Westküste, in Alaska, unterwegs sind.
Zunächst wegen des Geldes kam auch Shirley Marquardt vor 35 Jahren auf die
Aleuteninsel Unalaska. Heute ist sie Bürgermeisterin.
O-Ton: Shirley Marquardt
I came here to work in the fishing industry right out of high school. I lived in Seattle,
my father was coast guard and back then in the 80s that's what you did in summer, if
you lived in Seattle. You went to Alaska for summer work and worked for the salmon
season and made a lot of money and lot of friends, drank some beers and went
home and to school. But I just never went home and to school. I fell absolutely in love
with something so beautiful every single day.
Übersetzerin:
Gleich nach der High School kam ich nach Dutch Harbor, um in der Fischindustrie zu
arbeiten. Ich wohnte in Seattle, mein Vater war bei der Küstenwache. Damals in den
80er-Jahren suchte man sich, wenn man dort aufwuchs, einen Job in Alaska, arbeitet
eine Saison in der Lachsindustrie, verdiente viel Geld, hatte viele Freunde, trank ein
paar Bier und ging wieder nach Hause und zur Schule. Ich kehrte aber nicht mehr
nach Seattle zurück, weil ich der Schönheit der Insel erlag.
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Sprecherin:
Shirley Marquardt ist heute Anfang 50. Die halblangen braunen Haare hat sie im
Nacken zusammengebunden. Sie blickt aus dem Fenster ihres Büros im Rathaus
von Unalaska auf das Grün der baumlosen Vulkaninsel, halb in Nebel gehüllt. Und
sie nennt einen zweiten Grund, warum sie auf die Aleuteninsel gekommen ist: Harte
Arbeit.
O-Ton: Shirley Marquardt
And I fell in love with a place as a young woman I could do anything that I put my
mind to. There was nobody going to tell me: Oh no, you cannot do that. Example
driving a crane, offloading crab, driving heavy equipments, 35 tons forcliffs, container
carriers and I wanna to do those things. I did not come to Alaska to sit inside at a
desk, I came to be outside. And it was all male oriented, very difficult working
condition, but they said, Ok, you think you can do it, we will teach you. (...) I have
gone fishing and a crane driver, I pitched crab, offloaded crab boat (...) (2 min)
sleeping for 4 h and doing it again for another 24, hardest job I ever had in my life,
also my all time favourite job.
Übersetzerin:
Ich verliebte mich in diesen Ort, weil ich als junge Frau jeden Job bekam. Niemand
sagt zu mir: Das kannst du nicht. Zum Beispiel Kranfahren, Krabbenkörbe abladen,
schweres Gerät manövrieren mit 35 Tonnen, Container bewegen, das wollte ich. Ich
war ja nicht nach Alaska gekommen, um hinterm Schreibtisch zu sitzen. Ich wollte
draußen sein. Alles war auf Männer zugeschnitten, sehr schwierig, aber die sagten:
Wenn du denkst, du kannst das, dann zeigen wir dir das. Ich fuhr zur See, lenkte
einen Kran und entlud Krabben. Ging vier Stunden schlafen und arbeitet wieder
24 Stunden. Der härteste aber auch der beste Job meines Lebens.
Sprecherin:
Wie viele Zugereiste aus den "Lower 48", wie hier allgemein die übrigen
amerikanischen Bundesstaaten genannt werden, nennt Shirley auch die große
Abgeschiedenheit der Insel als etwas, was sie von Anfang an faszinierte. Selbst
Anchorage, die größte Stadt Alaskas, liegt 2000 Kilometer von Dutch Harbor entfernt.
Warum ausgerechnet Dutch Harbor zum Zentrum der amerikanischen Fischindustrie
wurde, ist eine lange und fassettenreiche Geschichte.
Die Schrecken des Wetters und die Abgelegenheit verhinderten bis zur Mitte des
18. Jahrhunderts, dass jemand den Ureinwohnern der Aleuten die guten Fanggründe
streitig machte. Bis russische Händler die Jagd auf Seeotter mit gewaltigen
Gewinnen betrieben und dabei nicht nur die Otter, sondern auch einen großen Teil
der Urbevölkerung ausrotteten. 1768 kamen sie nach "Dutch Harbor", wie sie den
natürlichen Hafen nannten, weil sie dachten, dass Niederländer als die ersten
Europäer dort gelandet seien. 1867 ging die mittlerweile als wertlos angesehene
Beute Alaska vom russischen Zaren gegen eine Zahlung von rund sieben Millionen
Dollar an die Vereinigten Staaten über.
Sprecherin:
Im Juni 1942 warfen japanische Kampfflugzeuge Bomben auf Dutch Harbor. Mit
diesem Angriff wurde die Kriegsfront im Pazifik erweitert und die Schlacht um die
Aleuten eingeläutet. Die Trümmer eines Forts des amerikanischen Militärs mit mehr
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als hundert Gebäuden erinnern bis heute daran. Die Urbevölkerung, die damals noch
mehrheitlich die Insel bewohnte, wurde "evakuiert". Harriet Hope war damals fünf
Jahre alt.
O-Ton: Harriet Hope
All of the Aleuts in this area were evacuated on 24 h notice that we going to be sent
somewhere. Nobody had any idea where. For our own well-being they said. My
whole family had to go except for my father because he was non-native. It was just all
the natives, they were evacuated. They took us to 2 places in SE Alaska. Nobody
had any idea, we were only allowed to pack one change of cloths, and the cloths on
our back. We were not allowed to take any household goods or anything. So we had
nothing.
Übersetzerin:
Alle Aleuten dieser Gegend wurden mit einem Vorlauf von 24 Stunden unterrichtet,
dass sie irgendwo hin gebracht würden. Niemand wusste genaueres. Das geschähe
zu unserem Besten, hieß es. Meine ganze Familie betraf das, außer meinem Vater,
der war Weißer. Wir durften nur einmal Kleidung zum Wechseln mitnehmen, keine
Haushaltsgegenstände. Wir hatten überhaupt nichts.
Sprecherin:
Vier Jahre lang waren die Ureinwohner von Unalaska in einer leeren Konservenfabrik
2000 Kilometer weiter im Südosten interniert, in einer fremden Umgebung mit dichten
Wälder und wilden Tieren, so ganz anders als auf den Aleuten.
Das Militär hinterließ neben den Trümmern ein Straßennetz, einen Flughafen und
einen gut ausgebauten Tiefseehafen, ein idealer Standort für die aufkommende
Fischindustrie. Während der 1970er-Jahre war es noch die Königskrabbe, die in
Massen in der Beringsee gefangen werden konnte. Der Boom löste auf der kleinen
Aleuteninsel einen ersten maritimen "Goldrausch" aus und verwandelte Dutch Harbor
dabei auch in eine Alkohol- und Spielhölle. Als nur noch wenige Königskrabben
gefangen werden konnten, musste der weniger glamouröse Pollack helfen, die
Wirtschaft in Gang zu halten.
Atmo: Vor der Fischfabrik
O-Ton: Frank Kelty
The Pollack fishery did not take off until the mid 70ties when we had this Magnuson
Stevens act came into place. That was by Magnuson and Ted Stevens with Alaska
and the state of Washington. They took the state water fisheries, fed water fishery out
to 200 miles from 3 miles. So that got us in control of our fisheries off the Alaska
coast and basically we told the foreign fleets if you want the access to Pollack you
have to bring your technology for our plants and your check book to buy the fish from
Alaska and from American processing operations.
Übersetzer:
Die Fischindustrie entwickelte sich erst in der Mitte der 1970er-Jahre mit dem
Magnuson-Stevens Gesetz, mit dem wir unsere Hoheitsgewässer von drei auf
200 Meilen ausdehnten. Das erlaubte uns, den Fischfang um Alaska zu kontrollieren.
Den ausländischen Fischerflotten sagten wir im Grunde: Wenn ihr Pollack fangen
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wollt, bringt eure Technik für die verarbeitende Fischindustrie und euer Scheckbuch,
um den Fisch von Alaska und unseren amerikanischen Firmen zu kaufen.
Sprecherin:
Je mehr Fisch gefangen wurde, desto stärker wuchs auch die Gemeinde Unalaska,
sagt die Bürgermeisterin Shirley Marquardt.
Die Steuern, die die Fischindustrie hier zahlt, sind eher niedrig, erklärt Frank Kelty.
Verteilt auf eher wenige Bewohner, scheint es zu reichen.
O-Ton: Frank Kelty
We have fish taxes, we have a local fish tax on 2% of value of the landing that do our
local plants that is paid by the fishing boats. The processing plants pay 3 % to the
state of Alaska on the product they produce and 1.5. % of that comes back to
Unalaska because it got processed here. We have property taxes that the processing
plants have to pay. You've seen how large the size and scope of them is. They pay to
the city. We also have a 3 % sales tax. We sell 50,60 mill gallons of diesel fuel here
for over 3 $ a gallon, 3 % tax on that is the sales tax revenues is close to 9 mill $ a y.
Fish tax revenue is probably 15 mill $ a y. (...) 2:53 you can hear the container traffic
in the back ground. That's the sound of money we used to say.
Übersetzer:
Es gibt eine lokale Fischsteuer von zwei Prozent auf alles, was die örtlichen
Fischfabriken hier von ihren Booten geliefert bekommen. Die Fisch verarbeitende
Industrie zahlt drei Prozent auf ihre Produkte an den Staat Alaska, und wir
bekommen davon die Hälfte. Unsere Mehrwertsteuer liegt bei drei Prozent. Wir
verkaufen im Jahr 50 bis 60 Millionen Gallonen Diesel. Das bringt uns fast neun
Millionen Dollar im Jahr, die Fischsteuer vermutlich 15 Millionen. Man hört gerade
einen Containertransporter im Hintergrund. Das ist der Klang des Geldes, pflegen wir
zu sagen.
Sprecherin:
Den Aufstieg der Gemeinde Unalaska und von Dutch Harbor hat Frank Kelty
persönlich miterlebt.
O-Ton: Frank Kelty
It was gone from a sleepy village of 400 to the number 1 fishing port in the nation with
landings of almost 800, 900 mill annually at a value of 200 mill plus of a town of 4700
people with great schools, strong economy. We have a museum, library, beautiful
schools. All the amenities of a town much larger. (1:33)
Übersetzer:
Wir sind von einem schläfrigen Dorf mit 400 Einwohnern zum Fischereihafen
Nummer Eins der Vereinigten Staaten aufgestiegen, mit 800 bis 900 Millionen
Tonnen angelandetem Fisch jährlich im Steuerwert von 200 Millionen und mehr für
eine Stadt von 4700 Bewohnern mit einer starken Wirtschaft. Wir haben ein Museum,
eine Bibliothek und großartige Schulen. Alles Annehmlichkeiten einer viel größeren
Gemeinde.
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Sprecherin:
Doch hat die Grundlage dieses Booms – die Fischerei in der südlichen Beringsee –
auch eine Zukunft? Prof. Rick Steiner ist skeptisch. Der Meeresbiologe, der
verschiedene Umweltorganisationen unterstützt, hält die intensive Fischerei für eine
Bedrohung des Artenreichtums.
O-Ton: Rick Steiner
Most of the marine mammals population in the Aleutians and the southern Bering
Sea are in serious decline: Steller sea lions, harbor seals, fur seals, north pacific right
whales are the most endangered whales species in the world ocean. There are only
30 to 40 left. Many sea bird species like auklets, many other sea birds kittiwakes,
several fish population including bottom fish and polagic water column fish and shell
fish populations, king crab, tana crab and scrimps have all declined dramatically over
the last 20 or 30 y under the current management regime.
Übersetzer:
Das betrifft die Meeressäuger rund um die Aleuten und die südliche Beringsee. Dazu
gehören der Steller Seelöwe, verschiedene Robbenarten und der nordpazifische
Right Wal, der auch Nordkaper genannt wird. Davon gibt es nur noch 30 bis
40 Exemplare. Auch viele Seevögel verschwinden, wie Alke, die Dreizehenmöwe und
einige Fisch- und Muschelarten. Dazu gingen die Bestände an Königskrabben und
Garnelen in den letzten 20 bis 30 Jahren unter dem gegenwärtigen Management
dramatisch zurück.
Sprecherin:
Steiner fordert deshalb, die US-Regierung solle die gesamte Kette der Aleuten mit
dem südlichen Beringmeer bis hin zur Bristol Bay im Osten unter Schutz stellen,
insgesamt 750.000 Quadratkilometer.
O-Ton: Rick Steiner
We proposed the federal waters which is 3 miles to 200 miles off shore in the
Aleutians being permanently protected either as a National Marine Sanctuary by the
Federal Government or a Marine National Monument. We proposed that the region
being protected as a National Marine Sanctuary in the winter of 2014 and 15. It was
rejected because of the political opposition here in Alaska. So now we are proposing
that the President Obama before he leaves office has the authority to designate the
region as a Marine National Monument. He has the executive authority to do so.
Without congress and over the objections of local political desires here in Alaska.
Übersetzer:
Wir haben vorgeschlagen, dass die Gewässer von drei bis 200 Meilen vor den
Aleuten dauerhaft ab dem Winter 2014/15 als marines Schutzgebiet durch die
Bundesregierung in Washington geschützt werden, scheiterten aber an den Gegnern
eines solchen Schutzgebietes hier in Alaska. Nun schlagen wir vor, dass Präsident
Obama, ehe er sein Amt verlässt, das Gebiet zum marinen Naturdenkmal erklärt.
Das kann er tun, auch ohne den Kongress, und auch gegen die politischen
Begehrlichkeiten hier in Alaska.
Atmo: Fischfabrik
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Sprecherin:
Pollack gibt es noch genug in der Beringsee, heißt es.
Bürgermeisterin Shirley Marquardt ist dagegen, dass Washington die Aufsicht über
die Meereszone übernimmt.
O-Ton: Marquardt
We are not sure why all of a sudden the federal government wants to do such a
thing, but it will completely displace and destroy everything along the chain. If you
cant have your way of live if you cant if you don't have a check coming in, and it’s not
just a check coming it's a source of pride and respect for these fishermen. They've
been fishing here for generations. We are not quite sure what the point was. (...)
There are types of trawling and gear that cannot be used in massive areas along the
chain, because we don't want to give them the chance of degrading the marine
environment.(...). It’s very healthy out here, very healthy. Nobody quite understood
how somebody all the sudden with no back ground not just Alaska but the Aleutian
chain from far of the east coast all of a sudden decided, we just shut this whole thing
down and just keep it perfect. No!
Übersetzerin:
Ich weiß überhaupt nicht, warum Washington uns plötzlich zum Schutzgebiet
erklären soll, denn das wird die Wirtschaft auf der Insel zerstören. Wenn man nicht
frei schalten und walten kann, wenn kein Geld mehr reinkommt … ach was heißt
Geld. Es geht auch um den Stolz und den Respekt für die Fischer, die hier seit
Generationen fischen. Wir haben bereits bestimmte Arten der Schleppnetzfischerei
verboten, um die Umwelt zu schützen. Alles ist in Ordnung hier. Hier versteht
niemand, warum jemand, der keine Ahnung hat, von der amerikanischen Ostküste
aus die Aleuten schließen will, um alles perfekt zu erhalten. Nein!
Sprecherin:
Dutch Harbor wandelt sich ständig. Unterwegs mit Frank Kelty in der Captains Bay,
ein Teil des Hafens, der immer größer zu werden scheint, je weiter man die
Uferstraße entlang fährt.
O-Ton: Frank Kelty
We also have oil supporting business in this area upcoming. There might be some
Shells barges moored here. There are some support barges for the Shell exploratory
operations in the Chukchi and Beaufort Sea ahead. So we have a little bit of oil
exploration work here and then fishing activity. This was native land and it has been
leased to the shipping industry for their activities here.
Übersetzer:
Die Ölindustrie lässt sich nun hier nieder. Shell hat Schiffe hier, um die Ölsuche in
der Tschuktschen- und der Beaufort-See zu unterstützen. Das alles neben der
Fischerei. Dies hier ist Land der Ureinwohner. Die haben es an die Schiffsindustrie
hier vermietet.
O-Ton: Kelty / Fahrgeräusch
They probably have security out here ... They are concerned with the Shell. I just turn
around. They got it all that stuff ... And they are trying to get more flat land and taking
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down the mountain side here ... little bit further. They need more land for Shell or
other operations, taking more land.
Übersetzer:
Hier ist sicher die Security unterwegs. Die machen sich Sorgen, wegen
Umweltschützern, die auftauchen könnten. Ich wende mal lieber. Hier wird nun viel
flaches Terrain gebraucht, deshalb werden die Berge abgetragen.
Sprecherin:
Für die Bürgermeisterin von Unalaska Shirley Marquardt eröffnen sich mit der
Ankunft von Shell neue Möglichkeiten, obwohl sich Öl- und Fischindustrie eigentlich
nicht gut miteinander vertragen.
O-Ton: Shirley Marquardt
We are doing a lot going to arctic conferences. Now because we are the only deep
water ice free port on the entire north and west side of the entire state. Everything
that is going to the Arctic up to the arctic straits is going through this port. (...) 2 min
It’s going on for the last 6 y. Shell oil is going fill up, Statoil from Norway and Rapsol a
Spanish oil company all have? holding up the in the Chukchi and Beaufort Seas.
Shell has been twice now drilling exploratory holes in pretty shallow water of about
150 feet of water and 75 miles offshore, I think. They are on their way up and they
are all coming here first. They are still waiting for ice to clear out. The new ice has not
melted enough to go to their drilling sides. They cannot go to the drilling sides until
the ice is completely gone for 13 nautical miles. It has not happened its all stacked up
on top of it. They need some sort of a big arctic storm to push it out.
Übersetzerin:
Wir nehmen jetzt immer häufiger an Arktis-Konferenzen teil. Wir sind der einzige
Tiefseehafen im Norden und Westen Alaskas, der auch im Winter eisfrei bleibt. Wer
in die Arktis will, muss durch Dutch Harbor. Seit sechs Jahren ist Shell dort aktiv.
Auch Statoil aus Norwegen und Repsol aus Spanien sind in der Tschuktschen- und
der Beaufort-See aktiv. Shell hat nun schon zweimal Probebohrungen unternommen.
Zuerst kommen sie immer nach Dutch Harbor und warten bis das Meereis sich dort
auf etwa 13 nautische Meilen zurückzieht. Noch staut sich das Eis. Es braucht einen
heftigen Sturm in der Arktis, um es wegzuschieben.
Sprecherin:
Die Bürgermeisterin Shirley Marquardt ist enthusiastisch über alles, was die
Wirtschaft in Unalaska und Dutch Harbor voranbringt: Fisch, Öl und die zunehmende
Schifffahrt in der Arktis.
Atmo: Straße
Sprecherin:
Auch andere sind hier auf Raub aus. Weißkopf-Adler nisten auf Felsvorsprüngen in
Stadtnähe. Die Riesenvögel kreisen am Himmel. Sie kennen keine Scheu.
Gelegentlich schweben sie in 50 cm Höhe über der Straße auf der Suche nach
Fressbarem, vor allen in Müllcontainern. Neben den Fischfabriken stehen die
Wohnheime für die Arbeiter. Die Männer und Frauen wirken müde. Sie tragen meist
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dunkle Pullover, abgewetzte Hosen und Gummistiefel. Zementfarbener Matsch
spritzt hoch, sobald ein Fahrzeug über die ungeteerten Straßen rollt.
Nicht nur Amerikaner, auch viele Philippinos und neuerdings sogar Afrikaner zieht es
an den gefährlichsten Arbeitsplatz der Welt. Auch sie fischen in der Beringsee.
Atmo: Kneipe
Nach getaner Schufterei, das kann nach Wochen sein, trifft man sich zu einem Bier
oder mehreren im "Norwegischen Ratten-Salon" mit Blick auf eine der Buchten und
den schneebedeckten, 2000 Meter hohen, aber meist in Wolken gehüllten Vulkan.
Junge Frauen stehen hinter der Theke, die meist jungen Männer an den Tischen.
Keiner will in ein Mikrofon sprechen, weil die Fischfirma, bei der sie beschäftigt sind,
das nicht gut fände. Donald dagegen, 25 Jahre alt, gibt Auskunft, wenn auch nur
zögerlich.
O-Ton: Donald
A season fishing is better. We just catch more fish during A season. Sometimes
waves are pretty crazy when they coming over. Usually if you're lucky you skip over
because you can see it ahead of time. If you misses one kind of, if you don't pay
attention you get hurt. If you get seriously hurt they come in and obviously treat you.
Übersetzer:
Die Winter-Saison ist besser, da fängt man mehr. Die Wellen können dann ziemlich
verrückt sein, wenn sie über die Reling stürzen. Wenn man sie rechtzeitig sieht, kann
man sich in Sicherheit bringen, aber wehe nicht, dann kann es ganz schön weh tun.
Nur wenn jemand ernsthaft verletzt wird, geht es an Land zurück.
Sprecherin:
Pollack fängt Donald nicht. Der Fisch dient nur als Köder für den edleren
Schwertfisch, der heute in umgebauten Körben der einst so erfolgreichen
Krabbenfischerei gefangen wird. Lange will Donald ohnehin nicht mehr auf den
Aleuten bleiben.
O-Ton: Donald
That will be a very happy day for me when I leave DH and won't come back. You get
over it. You got to eat, right. It's for the money pretty much, but it’s also fun, its good
and everybody can do it. It's all in the head you know. Everybody can do it. I wish
more people could have the work this place provides. (8:22) The mixture of people.
Everybody is up here with the same attitude. Everybody is up here to do something,
to make some money and go home to the families.
Übersetzer:
Ich werde sehr glücklich sein, wenn ich eines Tages Dutch Harbor verlasse und nie
wieder zurückkehre, aber schließlich muss man essen, oder? Natürlich geht es ums
Geld, aber es macht auch Spaß. Jeder kann diesen Job machen und ich wünschte,
mehr Leute hätten Arbeit wie sie dieser Ort zur Verfügung stellt. Mich faszinieren die
verschiedenen Leute, dabei ist jeder aus dem gleichen Grund hier: Was tun, Geld
verdienen und dann gehts wieder zurück zur Familie.
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Sprecherin:
In einer Bucht in Dutch Harbor tummelt sich ein Seeotter. Erst dreht er sich im
Wasser um die eigene Achse, dann treibt er entspannt auf dem Rücken, die Pfoten
wie zum Gebet vor dem hellen Gesicht gefaltet. Den putzigen Meeressäugern ging
es bei Raubzügen im 18. und 19. Jahrhundert buchstäblich ans Fell. In den 1980erJahren wurden die Königskrabben fast ausgerottet. Den Pollack, der bei uns unter
der Flagge "Alaska Seelachs" unterwegs ist, gibt es (noch) im Überfluss in der
Beringsee, aber mit der Klimaerwärmung zieht sich das Eis immer weiter in den
Norden zurück und mit ihm der Fisch. Die Bewohner von Unalaska mit dem
geschäftigen Hafen müssen sich daher vielleicht auf ein neues Szenario im
wechselhaften Fischgeschäft vorbereiten.
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