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SWR Tagesgespräch
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nachfolgend bieten wir Ihnen eine Meldung an.
Ali Ertan Toprak, Vorsitzender der Kurdischen
Gemeinde Deutschland, gab heute, 19.08.16,
dem Südwestrundfunk ein Interview zum Thema:
„Türkei“.
Das „SWR2 Tagesgespräch“ führte Marion Theis.
Telefon
Telefax
07221/929-23981
07221/929-22050
Internet
www.swr2.de
Mit freundlichen Grüßen
Zentrale Information
Datum:
19.08.2016
Ali Toprak, Kurdische Gemeinde Deutschland: Erdogan-Anhängern in Deutschland die
Grenzen aufzeigen
Der Vorsitzende der Kurdischen Gemeinde Deutschland, Ali Ertan Toprak, hat die
Bundesregierung aufgefordert, der Türkei die Rote Karte zeigen. Es müsse zwar weiterhin
Gespräche geben. Trotzdem solle Deutschland öffentlich Kritik am türkischen Präsidenten
Erdogan üben, verlangte Toprak im SWR (Südwestrundfunk). „Wir müssen deutlich machen,
wo unsere Grenzen sind“, sagte Toprak weiter. Sonst würden Erdogan selbst sowie seine
Unterstützer in Deutschland immer dreister auftreten.
An die Adresse der Erdogan-Anhänger in Deutschland gewandt meinte Toprak, eine freiheitlichdemokratische Gesellschaft wie die deutsche könne es nicht gutheißen, das es so viele
Menschen gebe, die einen Autokraten und die Abschaffung der Demokratie in der Türkei
unterstützten.
Der Chef der Kurdischen Gemeinde Deutschland hält es für glaubhaft, dass die kurdische PKK
hinter den jüngsten Anschlägen auf Polizisten in der Türkei steckt. Es sei aber „Quatsch“, dass
die PKK sich zu diesem Zweck mit der islamischen Gülen-Bewegung zusammengetan habe,
sagte Toprak. Der türkische Präsident Erdogan behaupte das nur, um seine Feindbilder zu
pflegen und die Bevölkerung hinter sich zu bringen.
Baden-Baden:
Wortlaut des Live-Gesprächs:
Theis: Der türkische Präsident Erdogan meint, hinter den Anschlägen von gestern stecke
sein Erzfeind, der islamische Prediger Gülen. Er habe sich mit der PKK zusammengetan.
Was halten Sie davon Herr Toprak?
Toprak: Zunächst einmal ist es sicherlich Quatsch, dass sich die PKK mit Fethullah Gülen
zusammengetan hätte. Diese Feindbilder braucht er natürlich, um die Bevölkerung hinter sich
zu bringen, auf Linie zu halten. Es mag sein, dass die PKK hinter den Anschlägen steht, aber
ich glaube nicht, dass sie das in Zusammenarbeit mit Fethullah Gülen tun.
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
Theis: Das heißt, Ihres Wissens nach gibt es keine Verbindung zwischen Gülen und der
PKK und auch sonst den Kurden?
Toprak: Nein, im Gegenteil. In den letzten Jahren haben sich PKK und Gülen auch bekriegt,
und da glaube ich nicht, dass es da irgendwie eine Verbindung zwischen Gülen und PKK gibt.
Das ist absoluter Quatsch.
Theis: Erdogan hat Deutschland aufgefordert, Gülen-Anhänger, die an deutschen
Moscheen tätig sind, auszuliefern. Es muss ihm eigentlich klar sein, dass das nicht geht.
Muss man so etwas am besten ignorieren oder wie sollte man darauf reagieren?
Toprak: Ignorieren auf keinen Fall. Das muss man mit deutlicher Sprache abwehren, und dass
Erdogan die Politik, die er in der Türkei macht, hier in Europa nicht genauso durchziehen kann.
Wir müssten ihm endlich einmal die Rote Karte zeigen. Wir handeln leider schon seit einiger
Zeit gegenüber Erdogan aus einer Position der Schwäche heraus, und das nutzt Erdogan
eiskalt gegen uns aus momentan.
Theis: Wenn Sie Erdogan die Rote Karte zeigen, also, wenn die Bundesregierung das tut,
würde Deutschland damit nicht seine Rolle als Vermittler und Brückenbauer zwischen
Türken und Kurden verspielen?
Toprak: Mit Roter Karte meine ich natürlich nicht, dass man Erdogan oder die Türkei wie
Nordkorea behandeln sollte. Natürlich muss es auch weiterhin Gespräche geben. Aber wir
müssen auch deutlich machen, wo unsere Grenzen sind und dass wir nicht alles mit uns
machen lassen werden. Wenn wir das Erdogan gegenüber nicht kommunizieren, wird er sich
immer mehr gegenüber uns leisten. Darum geht es.
Theis: Das wird die Bundesregierung aber sicher tun, vielleicht nicht unbedingt in der
Öffentlichkeit. Meinen Sie nicht?
Toprak: Aber es wäre auch wichtig, in der Öffentlichkeit Zeichen zu setzen, weil, wenn das nicht
passiert, werden auch Erdogans Anhänger hier in Deutschland noch aggressiver auftreten. Das
erleben wir in den letzten Wochen ja.
Theis: Aber die meisten Menschen in Deutschland, die türkisch-stämmigen Menschen,
die in Deutschland leben, unterstützen Erdogan und seine Politik. Würde man die damit
nicht vergrätzen?
Toprak: Ja, aber sie unterstützen einen Autokraten und das müssen wir kritisieren, dass wir hier
in einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft auch nicht gutheißen können, dass es eine
große Anzahl von Menschen gibt, die einen Autokraten unterstützen und die Abschaffung der
Demokratie in der Türkei unterstützen. Da müssen wir auch mit den Erdogan-Anhängern hier in
Deutschland ein ernstes Wörtchen reden, finde ich.
Theis: Die Türkei will ja innerhalb der nächsten sechs Jahre EU-Mitglied werden, das
sagt sie. Solange das so ist, hat die EU aber wenigstens ein Druckmittel. Finden Sie das
nicht in diesem Sinne gut?
Toprak: Die Türkei ist seit 2004 offiziell Beitrittskandidat. Was gibt es mehr an EUBeitrittsperspektive, als offizieller Kandidat zu sein? Und die Türkei unter Erdogan hat es in den
letzten zwölf Jahren nicht geschafft, die Türkei noch näher an die EU heranzuführen, das Land
zu demokratisieren, sondern das Gegenteil ist der Fall. Die Türkei hat in den letzten Jahren
unter Erdogan Rückschritte gemacht, deutliche Rückschritte gemacht. Es ist, glaube ich,
einmalig in der europäischen Geschichte, dass die EU-Beitrittsperspektive nicht zu einer
Demokratisierung eines Landes geführt hat, sondern das Gegenteil ist passiert. Ich finde,
dieses Argument EU-Beitrittsperspektive zieht nicht mehr im Falle der Türkei.
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
- Ende Wortlaut -
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