Neueste tagesaktuelle Berichte ... Interviews ... Kommentare ... Meinungen .... Textbeiträge ... Dokumente ... MA-Verlag POLITIK / KOMMENTAR Elektronische Zeitung Schattenblick Donnerstag, 18. August 2016 Gitterrost und Permafrost - Küstenerosion ... Der lange Schatten des 11. Internationale Permafrostkonferenz (ICOP) KPD-Verbotes vom 20. bis 24. Juni 2016 in Potsdam (SB) Der Gründungskonsens der Bundesrepublik war antinazi- Aktueller Bericht von WWF Russia über extrem starke Erosion der Permafrostküste der Wiese-Insel stisch, die regierungspolitische Praxis eine andere. Nur so konnte es geschehen, daß der dem Schwur des Niemals Wieder zugedachte Grundgesetzartikel Art. 21 Abs. 2, der ein antidemokratisches Parteiverbot möglich machte, nur sieben Jahre nach Konstitution der BRD zur Kriminalisierung der linken klassenkämpferischen Opposition eingesetzt wurde. Bis heute zieht sich die widersprüchliche Spur von verfassungsrechtlichem Anspruch und realpolitischer Wirklichkeit durch die Geschichte der BRD. Jüngste Initiativen zur Verschärfung der Inneren Sicherheit knüpfen nahtlos an ... (S. 4) BUCH / SACHBUCH Verdeckter Bürgerkrieg und Klassenkampf in Italien Die sechziger Jahre: Die Entste hung des neuen Antifaschismus. Willi Baer und KarlHeinz Dell Die WieseInsel wo (Hg.) (graue Sternmarkierung) liegt auf (SB) Seit Beginn der sechziger rund 79 Grad Nord. Jahre kam es in Italien zu Ausbrü- Karte: Uwe Dedering, chen heftiger Klassenkämpfe, de- freigegeben als CC BYSA 3.0 ren Radikalisierung nicht nur die [https://creativecommons.org/li herrschenden Kräfte in Staat und censes/bysa/3.0/deed.en] Gesellschaft überraschte, sondern via Wikimedia Commons, auch das parteipolitische .. . (S. 15) bearbeitet von Schattenblick (SB) Manche Küsten in der Ark- tis sind weitreichenden Veränderungen unterworfen, die auf den Klimawandel zurückgeführt werden. Von Kivalina in Alaska über die Herschel-Insel in Kanada bis zu den Neusibirischen Inseln in Rußland beißt das Meer immer größere Stücke aus der Per- Elektronische Zeitung Schattenblick mafrostküste. Die Landmasse befindet sich vielerorts auf dem Rückzug, wie auf der 11. Internationalen Permafrostkonferenz (ICOP), die das Alfred-WegenerInstitut Helmholtz Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) vom 20. bis 24. Juni 2016 in Potsdam veranstaltet hat, berichtet wurde. Zahlreiche Vorträge und wissenschaftliche Poster waren mit der Problematik der erodierenden Küsten befaßt. von bis zu 74 Metern im Verlauf daß sie vor allem bei einem Sturm, der die Wogen an die Küdes Zeitraums 2009 bis 2016. ste peitscht, erhebliche MassenAuf den Neusibirischen Inseln verluste erfährt. beträgt die Küstenerosion etwa 5 - 15 Meter pro Jahr, nach einem Die arktischen Inseln, die aufSturm manchmal 20 Meter, er- grund des menschlichen Einflusgänzte Oksana Lipka, Koordina- ses und des Klimawandels Veräntorin des Klima- und Energiepro- derungen unterworfen sind, vergramms bei WWF Russia. Sie langen nach einer engen Beobvermutet, daß die Geschwindig- achtung, sagte Ivan Mizin vom keit der Küstenzerstörung der Barents Office des WWF Russia. Wiese-Insel sogar noch höher Als ganzjähriges Habitat für Eisausfällt. Als wesentlichen Faktor bär, Walroß und Elfenbeinmöwe für den rapiden Landverlust wird bedürfe die Insel eines besondeder Klimawandel angesehen. Die ren Schutzes. Die Insel läge an Arktis erwärmt sich sowieso der Schnittstelle zweier Meere schon rund doppelt so schnell wie und verbände die Populationen die übrige Erde, aber in diesem jener Arten. Mizin fordert die Jahr konnte man von einer regel- Einrichtung eines Naturreservats rechten arktischen Hitzewelle und die Minimierung des sprechen. Die Luft nördlich der menschlichen Einflusses. War die Permafrost-Forschungsgemeinschaft bislang davon ausgegangen, daß die Neusibirischen Inseln Rekordhalter für die Geschwindigkeit der Küstenerosion sind, so könnte ihnen inzwischen durch die ebenfalls in der Karasee liegende Wiese-Insel der Rang abgelaufen worden sein. Vor kurzem meldete die Naturschutzorganisation WWF Russia, daß sich einige Küstenabschnitte der 288 km² großen Insel, die auf halber Strecke zwischen den arktischen Archipelen Franz-Josef-Land und Sewernaja Semlja liegt, in den vergangenen sieben Jahren um über 70 Meter zurückgezogen haben. Entdeckt hat dies der Glaziologe Alexander Aleynikov im Zuge der Beschaffung von Informationen zur Bildung eines staatlichen Naturschutzgebiets auf jener unbewohnten Insel, die zum Rajon (Verwaltungsgebiet) Taimyrski (Dolgano-Nenezki) der russischen Wiese-Insel war drei bis sechs Grad wärmer als üblich. Region Krasnojarsk zählt. [1] Erodierende Küsten sind in dieser kalten, von Permafrost und Meereis geprägten Region nichts Neues. In den 50er Jahren berichteten Forscher von einem jährlich etwa 1,5 Meter starken Rückzug der Küste der Wiese-Insel, sagte Aleynikov. Jetzt aber zeigten Satellitenaufnahmen einen Schwund Seite 2 Arktische Forschungsstation auf der WieseInsel, 2. September 2014. Foto: Ansgar Walk, freigegeben als CC BYSA 3.0 [https://creati vecommons.org/licenses/by sa/3.0/deed.en] via Wikimedia Commons Die Steigerung der Energiezufuhr sorgt dafür, daß die Küsten in der Arktis im Anschluß an die kalte Jahreszeit früher eisfrei werden und es immer länger dauert, bis daß das Meer von neuem zufriert. letzte SB-Bericht Während der Sommerzeit ist je- Der doch die Permafrostküste unge- (12.08.2016, [2]) mündete in die schützt den Wellen ausgesetzt, so Frage, ob denn die Wissenschaft www.schattenblick.de Do, 18. August 2016 Elektronische Zeitung Schattenblick mit ihren Mitteln und Methoden überhaupt in der Lage ist, die Geschwindigkeit, mit der gegenwärtig eine Vielzahl von Vorgängen in den Ökosystemen der Erde ablaufen, adäquat zu erfassen. Zwar hätte es der aktuellen Meldung über die extreme Küstenerosion an der Wiese-Insel nicht bedurft, doch bestätigt dieses Beispiel, wie berechtigt die Frage ist. Auf der Wiese-Insel steht inzwischen eine ehemalige Meteorologische Station, die sich noch vor zehn Jahren in sicherer Entfernung von der Küste befand, zur Hälfte über dem Abgrund. Nicht mehr lange, dann wird sich das Meer dieses Gebäude und vielleicht noch weitere Einrichtungen holen. Solche Verluste wären gering verglichen mit denen, wenn größere Infrastrukturen verloren gingen. Ein Phänomen, das weniger für Sibirien als für Nordamerika gilt. Der von WWF Russia geforderte Schutz einer unbewohnten, maximal 22 Meter hohen Insel am Rande des Nordpolarmeeres dürfte nicht einfach sein. Viel teurer wäre es jedoch, müßte man ein ganzes Dorf verlegen. Da wären unter Umständen mit Kosten in Höhe von mehreren hundert Millionen Dollar zu rechnen, sagte Dr. Torre Jorgensen am Beispiel der von Küstenerosion und Klimawandel bedrohten Dörfer Alaskas auf der Potsdamer Permafrostkonferenz zum Schattenblick. [3] Allein nur die entlegene WieseInsel zu erreichen, auf der allenfalls Wissenschaftler und vielleicht noch Militärs anzutreffen sind, ist schon aufwendig. Inwieweit die russische Administration Do, 18. August 2016 überhaupt ein Interesse hat, das Eiland zu erhalten, ist ungewiß. Ein manchmal sehr starkes Motiv für Regierungen entfällt in diesem Fall: Rußland würde keine Rückverlegung seiner 200-SeemeilenZone erfahren, sollte die Insel eines Tages komplett erodiert werden. Doch allein diese theoretische Möglichkeit in Verbindung mit Küstenerosion wirft weitergehende Fragen auf. Da im Verlauf der globalen Erwärmung die Küsten nicht nur abgetragen, sondern als Folge des Meeresspiegelanstiegs nach und nach in das bisherige Landesinnere verlegt werden, stellt sich die Frage, ob nicht nur die Seekarten neu gezeichnet, sondern auch die nationalen Ausschließlichen Wirtschaftszonen neu ausgemessen werden müssen. Da könnten wieder alte Konflikte aufbrechen. Der WWF-Bericht über die extreme Abtragungsrate der Wiese-Insel fällt in eine Zeit der Klimarekorde und vermehrten Extremwetterereignisse. Manche Rekorde aus der ersten Jahreshälfte werden auf das sogenannte ElNiño-Phänomen zurückgeführt, bei dem sich ausgehend von einer Verlagerung des warmen äquatorialen Meeresstroms im Pazifik nach Osten die klimatischen Verhältnisse weltweit umkehren und sich Naturkatastrophen wie Dürren und Überschwemmungen mehren. In solchen Phasen gerät einiges durcheinander, was sich dann in der Statistik niederschlägt. Allerdings stellt das alle drei bis fünf Jahre auftretende ElNiño-Phänomen in diesem Jahr seinerseits einen Rekord hinsichtlich seiner Intensität dar, kann also wohl kaum als (beruhigende) www.schattenblick.de "Wir haben eine Dichotomie von einigen sich sehr schnell und an deren sich sehr langsam verän dernden Gebieten. Im zurücklie genden Jahrzehnt haben sich die Dinge jedoch auffällig anders entwickelt. Selbst mein Hinterhof in Fairbanks, die Gärten, Auf fahrten, Straßen und Gebäude verändern sich in jüngster Zeit deutlich." (Dr. Torre Jorgensen, 21. Juni 2016, Potsdam) Foto: © 2016 by Schattenblick Erklärung für die Extreme herhalten ... Trotz der starken Landverluste der Wiese-Insel in den letzten Jahren ist mit einem völligen Verschwinden der gut zehn mal zwanzig Kilometer großen Insel nicht so bald zu rechnen. Die Bedeutung der Meldung von WWF Russia liegt allerdings nicht zuletzt im Symbolischen: Hier wird bestätigt, daß die Permafrostforschung ihren Fokus aus gutem Grund auf Entwicklungen gerichSeite 3 Elektronische Zeitung Schattenblick tet hat, die nicht auf die Arktis beschränkt bleiben. Wenn Permafrost taut, verändern sich ganze Landschaften grundlegend, auch wenn das Thermometer womöglich nur um ein einziges Grad gestiegen ist. Anmerkungen: [1] http://www.wwf.ru/resources/news/article/eng/14488 [2] http://schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umrb0120.html [3] http://schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umri0235.html Bisher im Schattenblick unter INFOPOOL → UMWELT → REPORT zur Permafrostkonfe renz in Potsdam erschienen: BERICHT/120: Gitterrost und Permafrost - Genaues weiß man eben nicht ... (SB) INTERVIEW/227: Gitterrost und Permafrost - Zahlenspiele, Umweltziele ... Prof. Hans-Wolfgang Hubberten im Gespräch (SB) INTERVIEW/228: Gitterrost und Permafrost - Schrittmacher Menschenhand ... Prof. Guido Grosse im Gespräch (SB) INTERVIEW/229: Gitterrost und Permafrost - bedingt prognosesicher ... Prof. Antoni Lewkowicz im Gespräch (SB) INTERVIEW/230: Gitterrost und Permafrost - zivile Katastrophen ... Dr. Tingjun Zhang im Gespräch (SB) INTERVIEW/234: Gitterrost und Permafrost - Flirt mit Ideen, Karriere mit konservativen Methoden Seite 4 ... Dr. Anne Morgenstern im Gespräch (SB) INTERVIEW/235: Gitterrost und Permafrost - nicht hören, nicht sehen ... Dr. Torre Jorgenson im Gespräch (SB) INTERVIEW/238: Gitterrost und Permafrost - maßstabslos ... Prof. Duane Froese im Gespräch (SB) INTERVIEW/239: Gitterrost und Permafrost - Pragmatik trifft Unberechenbarkeit ... Prof. emer. Wilfried Haeberli im Gespräch (SB) INTERVIEW/241: Gitterrost und Permafrost - terrestrische Wandlungen ... Dr. Merritt Turetsky im Gespräch (SB) INTERVIEW/242: Gitterrost und Permafrost - Am Beispiel Mars ... Dr. Andreas Johnsson im Gespräch (SB) INTERVIEW/244: Gitterrost und Permafrost - den Elementen Zivilisation abgewinnen ... Dr. Nikolay Shiklomanov im Gespräch (SB) INTERVIEW/245: Gitterrost und Permafrost - CO2 und Wiederkehr ... Dr. Peter Köhler im Gespräch (SB) INTERVIEW/246: Gitterrost und Permafrost - Emissionsanstieg CO2 absehbar ... Prof. Kevin Schaefer im Gespräch (SB) INTERVIEW/247: Gitterrost und Permafrost - normale Werte, Stolpersteine und Geduld ... Prof. Torsten Sachs im Gespräch (SB) INTERVIEW/248: Gitterrost und Permafrost - hochkomplex und doch eindeutig ... Dr. Frans-Jan W. Parmentier im Gespräch (SB) http://www.schattenblick.de/ infopool/umwelt/report/ umrb0121.html www.schattenblick.de POLITIK / KOMMENTAR Der lange Schatten des KPD-Verbotes (SB) Der Gründungskonsens der Bundesrepublik war antinazistisch, die regierungspolitische Praxis eine andere. Nur so konnte es geschehen, daß der dem Schwur des Niemals Wieder zugedachte Grundgesetzartikel Art. 21 Abs. 2, der ein antidemokratisches Parteiverbot möglich machte, nur sieben Jahre nach Konstitution der BRD zur Kriminalisierung der linken klassenkämpferischen Opposition eingesetzt wurde. Bis heute zieht sich die widersprüchliche Spur von verfassungsrechtlichem Anspruch und realpolitischer Wirklichkeit durch die Geschichte der BRD. Jüngste Initiativen zur Verschärfung der Inneren Sicherheit knüpfen nahtlos an den antikommunistischen Furor, mit dem die Bundesrepublik ihren Teil der Aufgaben als Fronstaat im Kalten Krieg erfüllte. Zwischen Extremismusdoktrin und Totalitarismustheorie marschiert eine neue Rechte auf, der die radikale wie sozialdemokratische Linke immer weniger entgegenzustellen hat. Die Geschichte des Verbotes der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), die sich in der BRD nach ihrer tödlichen Verfolgung in der NS-Zeit ganze sieben Jahre lang legal betätigen durfte, wirft ein bezeichnendes Licht auf diese Entwicklung. Restauration für alte Kameraden und Volksgenossen Als eines der ersten Gesetze der Bundesrepublik wurde am 13. Dezember 1949 mit Zustimmung Do, 18. August 2016 Elektronische Zeitung Schattenblick des gesamten Bundestags gegen Widerstand der Alliierten das Gesetz über die Gewährung von Straffreiheit beschlossen, das am 31. Dezember 1949 in Kraft trat. Das in nur drei Monaten verfaßte und durch die Legislative gejagte Gesetz amnestierte alle Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr und Geldstrafen bis zu 5000 Mark. Da die Strafen für die Masse der NSTäter selbst bei Körperverletzung mit Todesfolge durch Richter, die meist selbst loyal zum NS-Staat gestanden hatten, diese Schwelle nicht überschritt, war damit der Großteil der Menschen, die sich etwa an Pogromen gegen Juden beteiligt, an ihrem Eigentum bereichert oder Gegner des Systems denunziert hatten, rehabilitiert. 1948 entstammten in Bayern den US-Alliierten zufolge 60 Prozent der Richter und 75 Prozent der Staatsanwälte der NS- Justiz, und im Oberlandesgerichtsbezirk Düsseldorf hatten zu dieser Zeit 24 von 36 Oberlandesgerichtsräten, 14 von 24 Landesgerichtsdirektoren, 51 von 60 Landgerichtsräten und 124 von 153 Amtsgerichtsräten bereits unter Hitler Dienst getan. NS-Juristen wurden generell als Beamte betrachtet, die nach Gesetzbuch und Gewissen nur ihre Pflicht erfüllt hatten. Von den Richtern und Staatsanwälten des Freislerschen Volksgerichtshofes wurde keiner rechtskräftig verurteilt, und Marinerichter Filbinger wurde als Ministerpräsident zum Symbol auch durch fragwürdige Todesurteile nicht zu trübender Karrierechancen. Menschen überall in Europa waren, sondern die "Entnazifizierungsgeschädigten" und anderweitigen von politischer Säuberung Betroffenen. Dem formal gegen den NS-Staat gerichteten Gründungskonsens der Bundesrepublik entsprach man durch die Rehabilitierung all jener, die von ihrer belasteten Vergangenheit Abstand nahmen. Die Integration vieler Funktionsträger des NSStaates und der Wehrmacht in die sich wieder in Frontstellung befindliche Bundesrepublik sollte möglichst glatt vonstatten gehen. 1951 amnestierte US-Hochkommissar John McCloy unter erheblichem Druck der Bundesregierung alle Urteile der Nürnberger Nachfolgeprozesse mit Strafen unter 15 Jahren. Von 142 Verurteilten sprach McCloy 77 frei, darunter alle noch in Haft befindlichen Industriellen, zudem wurden die Strafmaße herabgesetzt, so daß 1958 die letzten, eigentlich lebenslänglich Verurteilten freikamen. Auch die Kirchen setzten sich tatkräftig für in Militärgerichtsverfahren angeblich zu Unrecht verurteilte Soldaten ein. So wurden aus Kriegsverbrechern bald "sogenannte" Kriegsverbrecher und schließlich "Kriegsverurteilte". Diese wurden 1954 in einem unisono vom Bundestag verabschiedeten zweiten Amnestiegesetz rehabilitiert, das vom FDPAbgeordneten Ernst Achenbach vorgelegt worden war, in dessen Essener Kanzlei Werner Best, ehemaliger Reichsbevollmächtigter für Dänemark und hochrangiges Mitglied des Reichssicherheitshauptamtes, selbst Hand an den Text gelegt hatte. In den Frühzeiten der Bundesrepublik war man sich weitgehend darüber einig, daß die Opfer des verlorenen Krieges nicht etwa die Als am 8. Mai 1960 die in der NSvon Wehrmacht und SS getöteten Zeit begangenen TotschlagsdelikDo, 18. August 2016 www.schattenblick.de te verjährten, hatte die SPD zuvor einen Gesetzesentwurf für die Verlängerung der Verfolgbarkeit dieser Verbrechen vorgelegt. Er war von der Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP unter Verweis auf das Rückwirkungsverbot nach Artikel 103 Grundgesetz abgelehnt worden - das damals geltend gemachte Argument einer Respektierung der Rechtsgrundlagen fand bei den Strafverfahren gegen Funktionäre der DDR kein Gehör mehr. Als es im März 1965 zu einer zweiten Verjährungsdebatte, dieses Mal wegen der damals nach 20 Jahren verjährenden Strafbarkeit von Mord, im Bundestag kam, sprach sich der FDP-Abgeordnete Thomas Dehler, der als Bundesjustizminister bis 1953 wesentlich an der ersten NS-Amnestieregelung beteiligt war, unter Verweis auf die unbedingte Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit gegen die Aussetzung der fristgemäßen Verjährung aus: Was können wir tun, um im Ein klang mit der Stimmung, mit dem Willen der Welt zu sein? Wollen wir mit ihr hassen, verfluchen, Schuld und Sühne verewigen, können wir dadurch Schaden von unserem Volke wenden? Nein, wir können ihn nur schlicht und fest unseren Willen zum Recht dartun. Ein Mehr gibt es nicht. Und zum Rechte, zu unserem Rechte gehört auch, daß Schuld, daß jede Schuld verjährt. Auch das gehört zu den Erfahrungen meines Lebens, daß der Mangel an Recht, der Mangel an Recht staatlichkeit Schaden bringt. Der Weg zum Staat des Unrechtes ist gebahnt worden dadurch, daß der Wille zur unbedingten Rechtsstaatlichkeit nicht leben dig genug war. Seite 5 Elektronische Zeitung Schattenblick Diese Rechtsstaatlichkeit bestand auch darin, daß Urteile von NSGerichten weiterhin Gültigkeit behielten und daß Berufs- und Parteiverbote gegen links erlassen wurden. Das Verbot der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), das am 17. August 1956 durch das Bundesverfassungsgericht verhängt wurde, hat bis heute formalrechtlich Bestand. Bislang stießen alle Initiativen zu seiner Aufhebung ins Leere, obwohl auch bürgerliche Politiker inzwischen eingestehen, daß die politische Justiz dieser Zeit eine Waffe im Kalten Krieg gegen die Sowjetunion war. So wurde die Opposition gegen die Remilitarisierung, Atombewaffnung und andere Staatsaktionen der restaurativen Adenauer-Ära unter dem Mantel der Rechtsstaatlichkeit unter vielfacher Beteiligung ehemaliger NS-Juristen kriminalisiert und mundtot gemacht. Vielen Kommunisten, die gegen Hitler Widerstand geleistet hatten, wurden die Wiedergutmachungsrenten aberkannt, die ihnen wegen erlittener KZ- und Zuchthaushaft zustanden. Schon vor dem KPD-Verbot von 1956 waren an die 10.000 Verfahren gegen Mitglieder der KPD und der bereits 1951 verbotenen FDJ sowie linke Antimilitaristen mit dem Resultat von bis zu 3000 Verurteilungen eingeleitet worden. Nach dem Verbotsurteil sollen in 150.000 Fällen Ermittlungen gegen KPD-Mitglieder aufgenommen worden sein, die in über 4000 Verurteilungen resultierten. Es kam häufig zu Haftstrafen sowie dem Entzug der Rentenansprüche von den Nazis verfolgter Oppositioneller, was für diese besonders bitter war, da sie aufgrund langer Aufenthalte in Zuchthaus und KZ häufig schweSeite 6 re körperliche Schäden hatten und nicht arbeiten konnten. Basis ihrer Macht, ihr wirtschaft licher Besitz, muß ihnen genom men werden. Die Einheit von Faschismus Auch die 1945 gegründete Christund Kapitalismus leugnen lich-Demokratische Union schlug in ihrem Ahlener Programm vom Im Kern richtete sich die politi- Februar 1947 Töne an, die sche Repression der Adenauer- schnellstens zu unterdrücken waÄra gegen die damals noch ver- ren, was Konrad Adenauer auch breitete Einsicht, daß Faschismus gelang. Die Präambel verkündete und Kapitalismus zwei Seiten ei- voller begründeter Einsicht: ner Medaille sind. Die Rolle der Großindustrie und des Finanzka- Das kapitalistische Wirtschafts pitals beim Aufstieg der NSDAP system ist den staatlichen und so zur Staatspartei, ihre Beteiligung zialen Lebensbedingungen des an der Aufrüstung Deutschlands deutschen Volkes nicht gerecht und an der Ausbeutung der KZ- geworden. Nach dem furchtbaren Insassen hatte dazu geführt, daß politischen, wirtschaftlichen und antikapitalistische Vorstellungen sozialen Zusammenbruch als nicht nur in der KPD zum zentra- Folge einer verbrecherischen len politischen Bekenntnis gehör- Machtpolitik kann nur eine Neu ten. In Erinnerung an das unseli- ordnung von Grund aus erfolgen. ge Bündnis der Sozialdemokraten mit der Reichswehr, das alle Be- So hatten CDU-Politiker der erstrebungen, nach dem Ersten sten Stunde die entschädigungsloWeltkrieg eine sozial gerechtere se Enteignung und Bestrafung von Republik aufzubauen, zunichte Kriegsverbrechern und belasteten gemacht hatte, erklärte zum Bei- Nazis in ihr Programm geschriespiel der spätere Parteivorsitzen- ben, sie wollten Schlüsselindustride der SPD, Erich Ollenhauer, en in Gemeineigentum überfüh1942 im Londoner Exil: ren, die Macht von Großbanken und Konzernen einschränken, eiZwischen 1918 und heute liegt ei ne Bodenreform mit dem Ziel eine Welt von Erfahrungen und Er ner Entmachtung des Großgrundkenntnissen für uns alle. Es gibt besitzes durchführen und den prikein Zurück zum November 1918 vaten Wirtschaftsbesitz auf zehn und zur Republik von Weimar. Prozent pro Familie begrenzen. Heute wissen wir: Es ist wichtig Daß der Antibolschewismus Hitlfür die Arbeiterklasse, die politi erdeutschlands im Antikommusche Macht zu erkämpfen, aber nismus der NATO-Staaten fast noch wichtiger ist es, sie zu be bruchlos wiederauferstand, legitihaupten und zielbewußt anzuwen mierte auch die Kontinuität unter den. Die neue Revolution muß die den Funktions- und Kapitaleliten politische Demokratie sichern zwischen NS-Staat und BRD. durch einschneidende Verände rungen in der bestehenden wirt schaftlichen Ordnung. Die Hin termänner Hitlers in der Schwer industrie und im Großgrundbesitz müssen mit Hitler stürzen. Die www.schattenblick.de Streitfall Gesamtdeutschland Obwohl viele Politiker aus der SPD mit KPDlern zusammen im Do, 18. August 2016 Elektronische Zeitung Schattenblick Konzentrationslager gesessen und die Kommunisten den größten Blutzoll von allen Parteien im Kampf gegen Hitler erbracht hatten, drifteten SPD und KPD in den drei Westzonen schnell auseinander. Die Grundlage einer Zusammenarbeit zwischen Kommunisten und bürgerlichen Parteien zur Schaffung eines ungeteilten Deutschlands, die bei Kriegsende durchaus gegeben war, wurde durch die konträr verlaufenden Interessen der Sowjetunion und der Westalliierten zunichte gemacht. Fortan wurde der westdeutschen KPD, die von nichts anderem als Gesamtdeutschland ausging und aus ihrer Verbindung zur SED daher kein Hehl machte, der Vorwurf gemacht, sie handle ausschließlich im Interesse Moskaus und könne daher keine nationalen Ziele verfolgen. Nachdem Deutschland 1949 durch die Konstituierung der Bundesrepublik und die kurz darauf in Kraft gesetzte Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik mit zwei vollwertigen Regierungen ausgestattet war, nahm die Zweiteilung ihren Lauf. Das sogenannte Wirtschaftswunder führte zu einem deutlichen Wohlstandsgefälle, was im Verbund mit der antikommunistischen Ausrichtung der BRD aus der KPD eine chancenlose Kleinpartei machte, die zudem von internen Richtungskämpfen zerrissen war. Parteimitglieder, die eine eigenständige Strategie für Westdeutschland forderten, wurden mit Parteiausschlußverfahren belegt oder traten aus, und von 1948 bis 1952 verlor die KPD beinahe 200.000 Mitglieder. Derart geschwächt war sie zu dem Zeitpunkt, als ein Verbot beantragt wurde, sicherlich weniger Do, 18. August 2016 denn je eine echte Bedrohung für "verfassungsverräterische Zersetdas politische System der Bun- zung", "landesverräterische Täuschung" und "fahrlässiger Landesrepublik. desverrat" beinhaltete. Selbst der Bei der Wahl zum ersten Bundes- spätere Bundespräsident Gustav tag am 14. Juli 1949 erhielt die Heinemann gehörte, wie viele anKPD noch 5,7 Prozent der Stim- dere bürgerliche Aktivisten, zu men. Es sollte ihr bestes Ergebnis den Opfern der Kommunistenbleiben, denn die über 1,3 Millio- hatz. Er trat 1950 aus Protest genen Deutschen, die damals kom- gen Adenauers Remilitarisiemunistisch wählten, wurden in rungspolitik als Innenminister zuder Zeit bis zum Parteiverbot rück und wurde 1952 Mitbegründurch den erfolgreichen Versuch, der der Gesamtdeutschen Volksdie Politik der KPD als aus- partei (GVP), die unter ständiger schließliche Strategie zur Über- Observation des Verfassungsnahme Deutschlands durch den schutzes stand. kommunistischen Staatenblock darzustellen, von einer weiteren Die politische Justiz hatte wieder Gefolgschaft abgeschreckt. 1953 Einzug in deutsche Gerichte gekam die Partei nur noch auf 2,2 halten, und so einflußreiche JuriProzent der Stimmen und war im sten wie Eberhard Rotberg machBundestag nicht mehr vertreten, ten kein Hehl aus der Zuständigobwohl der Widerstand gegen die keit der Richter für die UrteilsfinRemilitarisierung und die kom- dung nach Maßgabe der Staatsräpromißlose Westintegration Ade- son. Der zeitweilige Vorsitzende nauers auch im bürgerlichen La- des Staatsschutzsenates beim ger viele Anhänger hatte. Nicht Bundesgerichtshof forderte im wenige Menschen votierten für September 1950 auf dem Frankein neutrales Deutschland nach furter Juristentag zu freizügiger dem Vorbild Österreichs und für Rechtsauslegung auf: Verhandlungen mit der Sowjetunion, galt es doch, die Katastro- Warum soll der deutsche Richter phe des Krieges dauerhaft zu ver- nicht auch bis zu einem gewissen Grade teilhaben an der politi hindern. Rechte Apologie des Rechtsstaates Die Überzeichnung der kleinen KPD zur Bedrohung der Freiheit fiel unter dem Eindruck des Koreakriegs nicht schwer, mit dem der Kalte Krieg endgültig entbrannt war. Im Eilverfahren verabschiedeten die Regierungsparteien und die SPD ein Strafrechtsänderungsgesetz, das neben klassischem Hoch- und Landesverrat schwammig definierte Delikte wie "staatsgefährdende Störung", www.schattenblick.de schen Verantwortung, indem er in schöpferischer Einfühlung in eine vielleicht nicht immer vollkom men gefaßte Norm aus ihr die Er kenntnisse und die Grundsätze entwickelt, die nun einmal unter elastischer Anpassung an die je weiligen Zeitbedürfnisse das Mindestmaß an rechtlicher Siche rung gewähren? Der kommunistischer Umtriebe sicherlich unverdächtige Jurist Max Güde, Ex-Generalbundesanwalt und CDU-Bundestagsabgeordneter, kritisierte 1978 die juristische Offensive gegen linke PoSeite 7 Elektronische Zeitung Schattenblick litik in der jungen Bundesrepu- auf Ersatzorganisationen er- Nationalen Wiedervereinigung" streckte. waren die meisten Vorstandsmitblik mit eindeutigen Worten: glieder unter Verdacht des HochUnter Hitler war das traditionel Im Januar 1952, nur zwei Mona- verrats verhaftet worden, und nur le Konzept systematisch, brutal te nach dem Verbotsantrag, führ- eingeschworene Kommunisten, und bedenkenlos, das heißt ohne te eine Änderung der Geschäfts- die schon im NS-Staat ein Leben rechtliche Schranken zur totalen ordnung des Bundestags dazu, unter permanenter Bedrohung geVerfolgung des Feindes ausge daß der KPD die parlamentari- führt hatten, standen noch zur isobaut worden. Statt uns grundsätz sche Arbeit praktisch unmöglich lierten Partei. lich von dieser Entwicklung zu di gemacht wurde. Die Mindestzahl stanzieren und rechtspolitisch an Abgeordneten zur Erlangung Am Bundesverfassungsgericht einen neuen Weg einzuschlagen, des Fraktionsstatus, ohne den nahmen die Dinge ihren Lauf, und haben wir, Gesetzgebung, Verwal man im Parlament keine Anträge so nützte es nichts mehr, daß die tung und Justiz, die alte verdorbe und Anfragen stellen kann, wurde KPD im April 1956, unmittelbar ne Leitidee Vorrang des Staates, kurzerhand von zehn auffünfzehn nach dem 20. Parteitag der KPdUnbeschränktheit des Staats erhöht, so daß der KPD wesentli- SU, auf dem der Stalinismus offischutzes und einseitige Links che parlamentarische Befugnisse ziell beendet wurde, die 1952 fürchtigkeit weitergeführt. Die verloren gingen. Als sich zeigte, ausgegebene Losung zum Sturz heutige politische Justiz judiziert daß Kommunisten nicht nur im der Adenauer-Regierung für aus dem gleichen gebrochenen Bundestag, sondern durch das falsch erklärte. Die VerfassungsRückgrat heraus, aus dem das Verbot ihrer Organisationen auch richter in Karlsruhe lehnten einen Sondergerichtswesen Hitlers zu im gesellschaftlichen Leben neu- Wiedereintritt in die Beweisauftralisiert werden sollten, ging die nahme ab und sprachen am 17. erklären ist. KPD ihrerseits in die Offensive August 1956 das Verbot der KPD und lieferte ihren Gegnern damit aus. weitere Munition für das ParteiSchritte zum KPD-Verbot verbot. Zuvor waren die wohl zu zögerlich verlaufenden Beratungen mit Am 23. November 1951 stellte die Bundesregierung einen An- Im November 1952 gab sie das einem verfahrenstechnischen trag aufVerbot der KPD. Diesem "Programm der Nationalen Wie- Trick beschleunigt worden. Da zu Schritt wurde durch den kurz zu- dervereinigung" heraus und for- dieser Zeit nur gegen die KPD vor erfolgten Verbotsantrag gegen derte den revolutionären Sturz der verhandelt wurde, mußte die Ändie offen neonazistische Soziali- Regierung Adenauer. Diese Auf- derung des Bundesverfassungsstische Reichspartei (SRP) zwar forderung wurde erfolgreich zur gerichtsgesetzes, die alle Verfahder Anstrich der politischen Aus- Spaltung der breiten Bewegung ren nach Artikel 21 zum 31. Augewogenheit gegeben, man ver- gegen Wiederbewaffnung und gust 1956 vom Ersten auf den gaß dabei jedoch, daß Art. 21 Abs. NATO-Beitritt verwendet, die die Zweiten Senat übertrugen, als ul2 GG, aufgrund dessen das Ver- endgültige Polarisierung der timative Aufforderung verstanden bot der SRP im Oktober 1952 aus- Machtblöcke auf dem Gebiet werden, zu einem Urteilsspruch gesprochen wurde, vor allem des- Deutschlands mit anwachsender zu gelangen. Andernfalls hätte halb ins Grundgesetz aufgenom- Kriegsgefahr verhindern wollte. nach der ohnehin schon langen men worden war, um einer neuer- Der Prozeß zum Verbot der Partei Zeit von drei Jahren, die es daulichen faschistischen Diktatur hatte unmittelbar nach der Londo- erte, bis das Verfahren eröffnet vorzubeugen und nicht, um anti- ner Neunmächtekonferenz im worden war, alles von vorne bekapitalistische Politik zu verhin- Oktober 1954 begonnen, auf der ginnen müssen, was einer außerdern. Zudem erfreuten sich Nach- beschlossen worden war, einer ordentlichen Diskreditierung des folgeorganisationen der SRP wie wiederbewaffneten Bundesrepu- Gerichts gleichgekommen wäre. die NPD oder die Organisation blik den Weg in die NATO freizu- 14 Tage vor Ablauf der Frist verehemaliger SS-Angehöriger eines machen. Dabei war die KPD als kündete der Erste Senat das Urlegalen Status, während sich das Partei längst funktionsunfähig. teil, das auch die Schaffung evenKPD-Verbot ausdrücklich auch Aufgrund des "Programms der tueller Ersatzorganisationen verSeite 8 www.schattenblick.de Do, 18. August 2016 Elektronische Zeitung Schattenblick bot und die Einziehung des Parteivermögens verfügte, das gemeinnützigen Zwecken zugeführt werden sollte. Verbotsurteil mit Ewigkeitscharakter Das Urteil war so abgefaßt, daß es nicht mehr ausreichte, sich zur Freiheitlich demokratischen Grundordnung zu bekennen, die KPD hätte auch allen Inhalten ihrer Ideologie abschwören müssen, die auf eine vielleicht erst in ferner Zukunft entstehende Bedrohung der Demokratie hätte schließen lassen können. So heißt es in der Urteilsbegründung: Eine Partei kann nach dem Ge sagten auch dann verfassungs widrig im Sinne des Art. 21 Abs. 2 GG sein, wenn nach menschli chem Ermessen keine Aussicht darauf besteht, daß sie ihre ver fassungswidrige Absicht in ab sehbarer Zukunft werde verwirk lichen können. Ebensowenig ist die Anwendung des Art. 21 Abs. 2 GG deshalb ausgeschlossen, weil eine Partei etwa die Realisierung ihrer verfassungswidrigen Ziele zurückstellt, da sie im Augenblick keine Aussicht auf Verwirklichung sieht; wenn die verfassungsfeind liche Absicht überhaupt nach weisbar ist, braucht nicht abge wartet zu werden, ob sich die po litische Lage ändert und die Par tei nun die Verwirklichung ihrer verfassungswidrigen Ziele tat sächlich in Angriff nimmt. Verdächtigungen Tür und Tor öffnet, wurde der KPD mit dieser weithin auslegbaren Formel schlichtweg jede Glaubwürdigkeit aberkannt. Es reichte also nicht aus, daß die Partei auf das gesetzestreue Handeln ihrer Aktivisten hinwies, die keine Anstalten machten, die Bundesrepublik revolutionär umzuwandeln, und es genügte auch nicht, das bloße Ziel eines gewalttätigen Umsturzes auszuschließen. Das Urteil diskreditierte die Partei so gründlich, daß eine Überprüfung auch zu einer Zeit, wo sie im Rahmen der deutsch-deutschen Annäherung als positives Signal zur Entspannung hätte verstanden werden können, dem Wortlaut nach immer ausgeschlossen werden konnte. Auch der zur Urteilsbegründung an zentraler Stelle verwendete Begriff von der "Diktatur des Proletariats" reicht nur so weit, wie er von der verbotenen Partei vertreten wird. Spätestens zu einer Zeit, als andere westeuropäische Kommunisten im Rahmen des sogenannten Eurokommunismus bewiesen, daß sie nicht notgedrungen zu den Zerstörern der parlamentarischen Demokratie gehörten, hätte es zu einer Überprüfung des Verbotsurteils kommen müssen, zumal die KPD seit 1968 in der DKP eine nunmehr geduldete Nachfolgerin gefunden hatte. Der im Westen als DDRDissident hofierte Robert Havemann wies 1976 in einem Beitrag des Kursbuches auf eine paradoxe Folge der Urteilsbegründung Zusammen mit dem später in der hin: Urteilsbegründung getätigten Verweis auf die immer in Rech- Als sich die Kommunistische Par nung zu stellende mögliche Ge- tei Frankreichs in diesem Jahr heimhaltung verfassungsfeindli- von der alten marxistischen For cher Ziele einer Partei, die bloßen derung nach der Diktatur des Do, 18. August 2016 www.schattenblick.de Proletariats lossagte, erschien im Neuen Deutschland ein mit mar xistischen Klassikerzitaten ge spickter Artikel, in dem nachzu weisen versucht wurde, daß es ohne die Diktatur des Proletari ats niemals einen erfolgreichen Sozialismus geben könne und daß zweitens die "sozialistische Repu blik", wie sie in den osteuropäi schen Staaten existiert, nichts an deres sei als eben diese Diktatur des Proletariats. Damit ergibt sich das fatale Kuriosum, daß zwischen den Theoretikern der SED und der Führung der west deutschen CDU/CSU wenigstens in dieser Frage eine lückenlose Übereinstimmung besteht. Es ist wohl unumstritten, daß Marx und Engels sich die Diktatur des Pro letariats nicht als Diktatur eines Politbüros vorgestellt haben, son dern als die Unterdrückung einer kleinen Minderheit einstiger Aus beuter durch die Massen des Vol kes. Antikommunistische Repression in der BRD Während Nazis in der Bundesrepublik höchste Regierungsämter bekleideten, saßen ihre Gegner von einst wieder im Gefängnis und konnten auch nach der Generalamnestie für alle politischen Straftaten am 28. Juni 1968 ihren Anspruch auf freie Beteiligung an der demokratischen Willensbildung nicht wahrnehmen, da ihre Partei weiterhin verboten blieb. Kommunisten, die im NS-Staat unter Lebensgefahr Widerstand leisteten und viele Jahre in Zuchthaus oder KZ verbrachten, standen nicht selten erneut vor NSJuristen, die über sie urteilten, als hätte sich seit 1933 nichts geändert. Seite 9 Elektronische Zeitung Schattenblick Mit der Verkündigung des KPDVerbots am 17. August 1956 brach eine dramatische Zeit für Kommunisten und solche, die dafür gehalten wurden, an. Obwohl Bundesinnenminister Gerhard Schröder anläßlich der Urteilsverkündigung bekanntgab, daß es zu keiner Kommunistenhatz käme, geschah genau dies. Innerhalb weniger Tage wurden 199 KPDFunktionäre vorläufig festgenommen, und bald setzte eine Verfolgungswelle gegen Mitglieder von Verbänden und Interessensvertretungen ein, die Kontakte zu DDROrganisationen unterhielten oder als der KPD nahestehend galten. Insgesamt veranschlagt man die Zahl der Menschen, die in den 17 Jahren von 1951, als der Verbotsantrag gestellt wurde, bis zum Strafrechtsänderungsgesetz von 1968 zum Ziel staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfahren wurden, auf 150.000 bis 200.000. Etwa jedes zwanzigste Verfahren endete mit einer Verurteilung, doch allein die im Rahmen der Ermittlungen vorgenommenen Hausdurchsuchungen, die Vernehmungen von Nachbarn und Arbeitskollegen sowie die Durchsuchungen am Arbeitsplatz haben die Existenzgrundlage manches Arbeiters vernichtet und wirkten sich dementsprechend als effiziente Einschüchterungsmaßname aus. Es war die Anwendung klassischer politischer Justiz, die auch viele nichtbetroffene Bürger empörte und an die Zeit der vermeintlich überwundenen Nazidiktatur erinnerte. Anläßlich einer Polizeiaktion gegen 80 Bürger des Landes Baden-Württemberg im Jahre 1966, die zu zwei auf schwachen Füßen stehenden Anklagen wegen angeblicher Arbeit Seite 10 für die KPD führten, schrieb der Stuttgarter Stadtrat Eugen Eberle an Bundeskanzler Ludwig Erhard: Der Umfang, die Art und Weise dieser polizeilichen Maßnahmen erinnern mich an die Märztage des Jahres 1933, als die Gestapo im gleichen Stil gegen Sozialde mokraten, Kommunisten und an dere aufrechte Demokraten vor ging. während seiner Untersuchungshaft, er wurde zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Derartige Beispiele mitleidsloser Härte gegen Kommunisten bei gleichzeitiger Nachsichtigkeit gegen Schergen der Naziherrschaft waren bezeichnend für die Bewertung der roten Gefahr, die man sehr viel höher einstufte als faschistische Ermächtigungsgelüste. Einem der sogenannten Väter des Grundgesetzes, dem kurzzeitigen nordrhein-westfälischen Verkehrsminister Heinz Renner, wurde wegen Mitgliedschaft in der KPD kurzerhand die Rente aberkannt, die er als ehemaliger Häftling der Nazis zugesprochen bekommen hatte. Die Landesrentenbehörde forderte von dem 67jährigen Renner 1959 sogar die Rückzahlung aller bisher gewährten Leistungen in Höhe von 27.000 Mark, die er aufgrund des Bundesentschädigungsgesetzes erhalten hatte. Dort wurde der Widerstand gegen Hitler als ein Verdienst für das deutsche Volk gewertet, allerdings hatte man einschränkend festgelegt, daß die Renten wieder aberkannt werden könnten, wenn ihre Empfänger gegen die Freiheitlich demokratische Grundordnung verstießen. Das wurde bei Kommunisten stillschweigend vorausgesetzt. Ein recht absurdes, aber nicht minder schmerzhaftes Urteil wurde gegen Gertrut Schröter ausgesprochen, die in der Zentralen Arbeitsgemeinschaft frohe Ferien für alle Kinder (ZAG) seit 1954 für jährlich rund 1000 Kinder aus besonders armen Familien Urlaub in DDR-Ferienlagern vermittelten. Noch bevor ihre Vereinigung als kommunistische Tarnorganisation verboten wurde, klagte man die BRD-Bürgerin wegen "landesverräterischer Beziehungen", "Rädelsführerschaft bei der Förderung einer verfassungsfeindlichen Organisation" und "staatsgefährdenden Nachrichtendienst" an. Ein Jahr Gefängnis in Einzelhaft, fünf Jahre Aberkennung des aktiven und passiven Wahlrechts und Polizeiaufsicht nach der Haft stellte die Quittung für ein ideologisch unkorrektes Herz für Kinder dar, die vermutlich keine positiven Erfahrungen im anderen deutschen Staat machen sollten. Während des Mordes angeklagte Nazis häufig Haftverschonung erhielten, wurde dem schon im NSStaat inhaftierten Widerstandskämpfer Emil Bechtle dieses Privileg nicht gewährt, so daß er seine ebenfalls kranke jüdische Frau, deren Familie von den Nazis umgebracht worden war, nicht mehr besuchen konnte. Sie verstarb Eine besonders prekäre Rechtsverbiegung leistete sich der Bundesgerichtshof mit der Aussage, die Tätigkeit für die KPD sei immer schon strafbar gewesen, aber erst seit dem Verbotsurteil verfolgbar, wodurch die Möglichkeit eröffnet wurde, Ermittlungsverfahren auch gegen Mitglieder einer legalen Partei, die zu einem www.schattenblick.de Do, 18. August 2016 Elektronische Zeitung Schattenblick späteren Zeitpunkt verboten wurde, zu eröffnen. Diese Regelung wurde zwar im Frühjahr 1961 vom Bundesverfassungsgericht aufgehoben, da sie gegen das fundamentale Prinzip verstieß, eine Tat nur zu ahnden, wenn ihre Strafbarkeit zum Zeitpunkt ihrer Ausführung rechtskräftig ist, bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie jedoch zu einer Vielzahl von Verurteilungen geführt. Insbesondere der 1961, als es nach Schätzung des Bundesinnenministeriums nurmehr 7000 Kommunisten in der Bundesrepublik gegeben haben soll, vom Bundesgerichtshof präzisierte Terminus der Ersatzorganisation, deren Schaffung mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden kann, ermöglichte die Verfolgung Oppositioneller auf denkbar breitester Basis: Eine Ersatzorganisation ist ein Personenzusammenschluß, der anstelle der aufgelösten Partei deren verfassungsfeindliche Nah , Teil oder Endziele ganz oder teilweise, kürzere oder längere Zeit, örtlich oder überörtlich, of fen oder verhüllt, weiterverfolgt oder weiterverfolgen will. Es reichte aus, daß Mitglieder einer Organisation, selbst wenn sie vor dem Verbot der KPD gegründet worden war, ähnliche Auffassungen wie die KPD auch vor ihrem Verbot vertraten, um sie als Ersatzorganisation zu bezeichnen. Diese Rechtsprechung, die damals zum Beispiel gegen den Turn- und Sportbund der DDR zur Anwendung kam, dessen Mitglieder auf Reisen nach Westdeutschland als Mitglieder einer KPD-Ersatzorganisation verhaftet werden konnten, und die aus Do, 18. August 2016 westdeutschen Sportlern mit Kontakten zu dieser Organisation Verfassungsfeinde machte, könnte theoretisch auch heute noch verwendet werden. Eine weitere höchst fragwürdige Praxis bestand in der Nutzung anonymer Zeugenaussagen bei politischen Strafverfahren. Dadurch ließen sich beliebige Aussagen zur politischen Gesinnung des Angeklagten rechtskräftig verwerten, die möglicherweise nur allgemeines Hörensagen repräsentierten oder auf gar keiner konkreten Grundlage beruhten. Auch die Sachverständigengutachten des Verfassungsschutzes eröffneten theoretisch die Möglichkeit freizügiger Manipulation, da keine Angaben über die Herkunft der Informationen gemacht werden mußten. Es oblag dem Gericht, zum Beispiel Zeitungsartikel etwa gegen Hakenkreuzschmierereien, also ohne jeden strafbaren Inhalt, aufgrund eines "Gleichklangs mit dem Sprachgebrauch, der der KPD/SED-Agitation oft unverkennbar anhaftet", zum Straftatbestand zu erheben, das Verschicken von Kindern in DDRFerien als kommunistische "Wühlarbeit" zu qualifizieren oder das Verteilen roter Nelken zu kommunistischer Propaganda zu erklären und mit Gefängnis zu bestrafen. Ein besonders eklatantes Urteil, das den geringen Spielraum illustriert, den man in dieser Zeit dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit einräumte, war die zweijährige Haftstrafe gegen den Journalisten Paul Beu, der die BRD in einem Artikel als "pseudodemokratische Republik" bezeichnet hatte, und die Verurteilung des mitangeklagten Hugo www.schattenblick.de Feilscher, der in einem Artikel behauptet hatte, die Bundesrepublik werde mehr und mehr zu einem "Eldorado von Alt- und Neonazis". Diese Aussagen wurden in der Urteilsbegründung als der "Zielrichtung kommunistischer Propaganda" entsprechend und "im Interesse der verbotenen Partei" liegend zu Straftatbeständen erklärt. Auch die Verhängung diverser Auflagen nach dem Verbüßen einer Strafe wegen politischer Betätigung im Sinne der KPD verdeutlicht die Unerbittlichkeit, mit der man Linke bis 1968 zu disziplinieren suchte. Neben der Aberkennung bürgerlicher Ehrenrechte, die aus politischen Straftätern Menschen zweiter Klasse machte, Paß- und Führerscheinentzug sowie langfristiger Polizeiaufsicht kam es auch zu Bewährungsauflagen wie Reiseverboten oder bei Gericht abzuliefernden Rapporten über die aktuelle Berufstätigkeit und das persönliche Einkommen. Aufarbeitung der politischen Justiz in der BRD überfällig Unter Gustav Heinemann, der als Bundesjustizminister inzwischen zur Auffassung neigte, daß es in der Bundesrepublik keine politische Gesinnungsverfolgung gebe, wie er bei einer Anfrage im Bundestag am 13. April 1967 bekundete, wurde am 28. Juni 1968 eine Generalamnestie für alle politischen Straftaten mit Ausnahme des Landesverrats erlassen. Am 1. August 1968 trat das achte Änderungsgesetz zum Politischen Strafrecht in Kraft, das mit dieser drastischen Form der politischen Verfolgung Schluß machte. Seite 11 Elektronische Zeitung Schattenblick Der Erfolg des KPD-Verbots und der Kriminalisierung kommunistischer Überzeugungen wurde spätestens mit der Gründung der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) am 22. September 1968 deutlich - die sich ausdrücklich zu einem friedlichen Weg in den Sozialismus bekennende Partei bekam bei den Bundestagswahlen 1969 einen Stimmenanteil von gerade mal 0,6 Prozent und konnte auch in Zukunft nur kleine Wählergruppen für sich gewinnen. Den Schaden, den die politische Justiz auf der Grundlage des KPD-Verbots an der deutschen Rechtssprechung anrichtete, war immens und wirkt sich durch die Legitimität einer Gesinnungsjustiz nur wenige Jahre nach Ende des Dritten Reichs und durch das Durchsuchungen als Angehörige weiterhin aufrechterhaltene KPD- der Verdächtigen mit massiven Verbot bis in die heutige Zeit aus. Polizeimaßnahmen wie Leibesvisitationen Bekanntschaft machen Nicht nur die Bestrafung echter mußten, verlangt nach der überund vermeintlicher Kommunisten fälligen Aufarbeitung der politidurch mehrjährige Gefängnisauf- schen Justiz während des Kalten enthalte, sondern auch die Diskri- Krieges, der Rehabilitation wie minierung aller Bürger, die ihr Entschädigung der Betroffenen in Recht auf Meinungsfreiheit wahr- der BRD. Vollends abzuschaffen nahmen und dabei ins Dickicht ist auch das Damoklesschwert, der Kommunistenhatz gerieten das in Form des KPD-Verbotes oder gegen die als Bezieher linker über allen Menschen und OrganiZeitschriften ermittelt wurde, die sationen schwebt, die eine grundaufgrund guter Kontakte in die legende Veränderung herrschenDDR ins Visier des Staatsschut- der gesellschaftlicher Verhältniszes oder wegen politischer Oppo- se anstreben. sition gleich mit in die Mühlen der Justiz gerieten, die ihre Ar- http://www.schattenblick.de/ beitsstelle durch Verdächtigungen infopool/politik/kommen/ verloren oder die während der repr1526.html MEDIEN / FAKTEN / FRAGEN Internationale Presseagentur Pressenza Büro Berlin Feministischer Journalismus mit grosser Wirkung Interview mit Tara Ligthen Msiska von Milena Rampoldi, 17. August 2016 Tara Lighten Msiska [1] ist eine Juristin und Freelancejourna listin. Als sie ihr Studium an der Universität Edinburgh ab schloss, wurde sie sich dessen bewusst, dass die Welt viel mehr Herausforderungen bietet als ein Gerichtssaal und sie auf diese Weise auch ihre Schreib sucht befriedigen konnte. Sie schreibt unter anderen für Cli terati [2] und Career Addict [3]. Ihren Blog auf MintPress fin den Sie unter [4]. Andere Bei träge von Tara erschienen bei Guerilla Policy, the Feminist und Women's Studies Associa Seite 12 de ich sagen, dass der feministische Journalismus eine Art von Journalismus ist, in dem von der Wahrheit rund um AngelegenheiMilena Rampoldi: Was bedeutet ten berichtet wird, die unverhältfür dich feministischer Journalis nismäßig stark die Frauen betrefmus und was unterscheidet den fen (z.B. häusliche Gewalt) und feministischen Journalismus vom die oft alternative Theorien an"offiziellen" Journalismus? bieten, um sich den dominanten Ansichten zu widersetzen, welche Tara Lighten Msiska: Ich habe nie den Sexismus fördern oder Fraumeine Schriften als feministi- en entwerten. schen Journalismus gesehen, da ich keinen festen Plan habe, wenn Um ein Beispiel zu nennen: die ich schreibe. Ich habe einfach In- Medienerklärungen über Frauen, teresse daran, Tatsachen zu schil- die sich nicht auf die typischen dern. Auf dieser Grundlage wür- Themen wie Sex und Terrorismus tion, Fearless Press, The F Word und The Quail Pipe. www.schattenblick.de Do, 18. August 2016 Elektronische Zeitung Schattenblick beziehen, weisen die Tendenz auf, auf das Weibliche ein kindliches oder pathologisiertes Narrativ zu projizieren, das sich nur auf die Frauen und nicht auf die männlichen Protagonisten bezieht (der häufige Partnerwechsel bedeutet bei Männern, dass diese Sex lieben; bei Frauen bedeutet er hingegen, dass sie verstört, in Gefahr sind oder den Sex nutzen, um sich begehrt zu fühlen; männliche Terroristen sind politisch motiviert, während weibliche Terroristinnen ausgenutzt oder psychisch krank sind). Junge, alleinerziehende Mütter und Prostituierte werden auch tendenziell negativ oder im besten Falle eindimensional dargestellt. Ohne ihn schönzureden oder zu übertreiben, könnte der feministische Journalismus diese todmüden Stereotypen der glücklichen Luxushure und der missbrauchten drogensüchtigen Jugendlichen überwinden. Ich hoffe, dass sich der feministische Journalismus auch fragen wird, warum die Medien Kapital daraus schlagen und dann tatsächlich auch die Missbilligung gegenüber den Prostituierten und den Müttern eines bestimmten Alters oder in einem bestimmten Beziehungsstatus fördern. Tara, erzähl uns von deiner Arbeit über Sparpolitik und warum es so wichtig ist, über Arbeitslose und Menschen mit Behinderung zu schreiben. Es ist wesentlich, weil die Erfahrungen und die Unterdrückung von Mitgliedern unserer Gesellschaft, die arbeitslos sind oder unter einer Behinderung leiden, sonst außer Acht gelassen würden. Vor allem würden sie von unDo, 18. August 2016 seren Regierungen ignoriert. Der Journalismus hat das Potential, einen riesengroßen Unterschied zu machen - obwohl ich nicht den Eindruck habe, dass die Medien ein solches Potential auch wirklich nutzen. Die Medien können die Öffentlichkeit und die Zivilgesellschaft wachrütteln, um Druck auf die Regierungen auszuüben. In Großbritannien sieht es im Moment aber eher danach aus, als verliefe diese Dynamik in die Gegenrichtung. Denn die meisten Mainstreammedien schließen sich dem konservativen Gedankengut an und bauen darauf auf. Von den Selbstmorden und Todesfällen infolge der gefährlichen Reformen des Wohlfahrtsstaates wurde nicht weitgehend berichtet. Noch wurden die 590 zusätzlichen Selbstmorde angesprochen, die von unabhängigen Forschern an den Universitäten entdeckt wurden. Die Demos gegen die Sparprogramme wurden auch runtergespielt oder in den Berichten voreingenommen dargestellt. Ich hoffe, dass ein ausgeglichener Journalismus dazu beitragen kann, die Wahrheit ein wenig zu beleuchten, obwohl dies ein steiler Weg sein wird. Und was noch schlimmer ist: die Dämonisierung von Leistungsempfängern unterliegt im Unterschied zu den Vorurteilen gegen Menschen aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit, ihres Geschlechtes und ihrer Religion nicht der Zäsur. Und schon die Kinder konsumieren solches Material. Für mich persönlich muss der Journalismus ein Journalismus für Menschenrechte sein, da er sonst leer wäre. Was denkst du darüber? Dem kann ich nur zustimmen. Welche ist deine persönliche Mei nung zum Brexit? Was wird sich ändern? Ich bin der Meinung, dass der Brexit der Wirtschaft, Sicherheit und dem globalen Einfluss Großbritanniens schaden wird. (Damit will ich aber nicht sagen, dass der Einfluss Großbritanniens unbedingt zu guten Ergebnissen führt. Das gilt auch für alle anderen, wenn sie diplomatischen Einfluss ausüben. Aber ich finde es einfach Es ist auch wichtig, sich schädli- strategisch dumm, auf den eigechen Narrativen von Sozi- nen Einfluss verzichten zu wolalschmarotzern in bestimmten len). Boulevardzeitungen und der stets wachsenden schaulustigen "Ar- Der ESF (Europäischer Sozialmutspornographie" in unseren fonds) bezahlt für öffentliche Fernsehprogrammen zu widerset- Dienstleistungen und auch für zen. Das BBC Panorama Pro- Dienstleistungen, die zu Gunsten gramm von 1994 mit dem Titel schwacher, ländlicher und be'Babies on Benefits', das alleiner- nachteiligter Gemeinschaften erziehende Mütter der Arbeiterklas- bracht werden. Da die Regierung se stigmatisierte, war zu jener Zeit seiner Politik treu bleibt, die darkontrovers. Aber die aktuelle Si- in besteht, den Wohlfahrtsstaat tuation ist noch viel schlimmer. und das Gesundheitssystem kaDenn nun werden alle Leistungs- putt zu machen, wird dieses Loch empfänger als Freiwild gesehen. nicht gefüllt. Es sieht so aus, als www.schattenblick.de Seite 13 Elektronische Zeitung Schattenblick würde die finanzielle, erzieherische und gesundheitliche Schere zwischen den privilegierten und weniger privilegierten Bürgern immer größer. Im Prinzip wurde das Programm der Konservativen nur noch beschleunigt. Großbritannien erhält Geheimdienstinformationen von den Geheimdienstagenturen der EU, inklusive INTCEN, SitCen, des Stabs des EU-Direktoriums des militärischen Nachrichtendienstes, von Europol und der Terrorismusbekämpfungseinheit. Sobald dieser Austausch von Geheimdienstdaten mal abhandenkommt, ist es wahrscheinlich, dass wir anfälliger für den IS werden. Wir werden auch im Bereich der Menschenrechte nicht von Seiten des Europäischen Gerichtshofes unterstützt, der in der Vergangenheit verhindert hat, dass Familien zerrissen werden und ermöglicht hat, dass Menschen gegen Diskriminierung und die ungerechte Verweigerung von Sozial- oder Wohnsitzleistungen verteidigt werden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erkannte uns vor kurzem das Recht an, "vergessen zu werden". Dieser Schutz gilt nur für Bürger mit EU-Wohnsitz. Dies bedeutet, dass Google keine "irrelevanten Hits" von ihnen mehr anzeigen darf, die für ihren Ruf peinlich sind oder diesem schaden können. Obwohl der Racheporno (Nacktphotos, die ohne die Erlaubnis der Person online veröffentlicht werden, normalerweise seitens eines Ex-Partners) nun als Vergehen gilt, sind andere schädliche Google-Hits schwer oder unmöglich zu entfernen, obwohl sie, im Gegensatzung zu den Rachepornos, beleiSeite 14 digend sind oder Ihrem berufli- Realität, dass die vergewaltigten chen Ansehen schaden. Frauen vor Ort schlechter behandelt werden als die Touristinnen. Das Ergebnis des Ganzen wäre Denn die Mehrheit der Opfer des somit, dass wir weniger Schutz Rechtssystems in Katar sind mit unserer Menschenrechte haben, Sicherheit die einheimischen mehr für öffentliche Dienste aus- Frauen. Denn diese ist die alltäggeben, weniger Wohlfahrtsdienste liche Realität der Bevölkerungen und auch noch weniger globalen in den Golfstaaten. Aber sie diplomatischen Einfluss genie- kommt nur in die westlichen ßen. Großbritannien wird dann Nachrichten, wenn ein Ausländer noch mehr auf die USA und mög- betroffen ist. Und sogar dann licherweise auf die NATO zu- werden die Kämpfe der Menrückkommen müssen, um die EU- schen im Golf ignoriert. Der FoLeere zu füllen. Wir werden auch kus verschiebt sich auf die potenviel Zeit und Geld brauchen, um tiellen Risiken für (westliche) vielen verschiedenen Ländern zu Touristen, obwohl sie am wenighofieren, damit diese Handelsab- sten davon betroffen sind, sei es kommen mit uns treffen. Wir aufgrund der Wahrscheinlichkeit könnten dazu gezwungen werden, als auch des Schutzes der auslänuns noch mehr an den Anforde- dischen Staatsbürgerschaft. Darungen der USA zu orientieren als mit möchte ich aufkeinen Fall die wir es schon tun. Und wir wären sexuellen Angriffe gegen Touriein leichteres Ziel für Terroristen. stinnen herunterspielen, sondern betonen, dass es sich um keine angemessene oder balancierte Warum hast du entschieden, dei Berichterstattung handelt, wenn nen großartigen Artikel über die man die Angelegenheit der inhafVergewaltigung in Katar zu tierten Vergewaltigungsopfer im schreiben? Welche sind die Nahen Osten erst thematisiert, Hauptzielsetzungen, die du ver wenn eine Touristin betroffen ist. folgen wolltest, als du ihn ge schrieben hast? Meiner Meinung nach sind zahlreiche westliche Medienberichte über Ereignisse außerhalb der westlichen Welt (was ja vielleicht auch wenig überrascht) aus westlicher Perspektive verfasst. Während dies vielleicht in gewisser Hinsicht für das Publikum angemessen sein könnte, trifft es aber oft nicht die wichtigsten Themen. Bezugnehmend auf den Umgang der Golfstaaten mit der Vergewaltigung findet ein westliches Publikum natürlich eine Fokussierung auf die Erfahrungen der Touristinnen interessanter und hilfreicher. Dies verdunkelt aber die www.schattenblick.de Das Ziel, das ich mit diesem Artikel verfolgt habe, bestand darin aufzuzeigen, dass diese Erfahrung für die Frauen in den Golfstaaten zum Alltag gehört und dass ihre Probleme unerkannt bleiben und über sie nicht berichtet wird. Sie haben keine Botschaft, die sich für sie einsetzt. Gegen sie ergehen härtere Peitschenhiebe- oder Gefängnisurteile. Denn sie kommen nicht einfach durch Begnadigung oder Ausweisung frei. Ich möchte nicht, dass die einheimischen Frauen einfach vergessen werden, weil man auf die Angst fokussiert "Wird das auch mir passieren, wenn ich in den Nahen Osten reise?" Die westliche Angst und Do, 18. August 2016 Elektronische Zeitung Schattenblick Faszination hinsichtlich des Rechtssystems in Katar und dessen Kultur tragen keineswegs dazu bei, das Bewusstsein für die Erfahrung jener zu erwecken, die dort leben. Wie, glaubst du, kann die Vernet zung alternativer Medien dazu beitragen, eine bessere und tole rantere Gesellschaft aufzubauen? Ich habe keine Ahnung, aber wenn jemand rausfinden könnte, wie man das realisieren könnte, so wäre das großartig. Die Statistiken zeigen, dass Menschen sich mehr und mehr der Einseitigkeit und der unzureichenden Berichterstattung der Mainstreammedien, sei es auf lokaler als auch auf globaler Ebene bewusst sind. Daher wenden sie sich den alternativen Medien zu. So ist das genau der richtige Zeitpunkt für diese Vernetzung! Über die Autorin Dr. phil. Milena Rampoldi ist freie Schriftstellerin, Buchübersetzerin und Menschenrechtlerin. 1973 in Bozen geboren, hat sie nach ihrem Studium in Theologie, Pädagogik und Orientalistik ihren Doktortitel mit einer Arbeit über arabische Didaktik des Korans in Wien erhalten. Neben ihrer Tätigkeit als Sprachlehrerin und Übersetzerin beschäftigt sie sich seit Jahren mit der islamischen Geschichte und Religion aus einem politischen und humanitären Standpunkt, mit Feminismus und Menschenrechten und mit der Geschichte des Mittleren Ostens und Afrikas. Sie wurde verschiedentlich publiziert, mehrheitlich in der deutschen Sprache. Sie ist auch die treibende Kraft hinter dem Verein für interkulturellen und interreligiösen Dialog Promosaik www.promosaik.com BUCH / SACHBUCH / REZENSION Verdeckter Bürgerkrieg und Klassenkampf in Italien Die sechziger Jahre: Die Entstehung des neuen Antifaschismus Willi Baer und KarlHeinz Dellwo (Hg.) (SB) Seit Beginn der sechziger Jahre kam es in Italien zu Ausbrüchen heftiger Klassenkämpfe, deren Radikalisierung nicht nur die herrschenden Kräfte in Staat und Gesellschaft überraschte, sondern auch das parteipolitische Establishment der Linken in Gestalt der Kommunisten (PCI) und Sozialisten (PSI) erschütterte. Diese Auseinandersetzungen stellten Do, 18. August 2016 den Auftakt zu einer gesellschaftlichen Aufbruchstimmung und Politisierung nicht nur in Italien selbst, sondern in Westeuropa dar, welche die folgenden Jahre prägen sollte. Die soziale Zusammensetzung der italienischen Arbeiterschaft hatte sich dramatisch verändert. Innerhalb weniger Jahre zogen www.schattenblick.de Anmerkungen: [1] https://twitter.com/Slutocrat [2] http://www.cliterati.co.uk/author/slutocracy/ [3] http://www.careeraddict.com/ en/bloggers/367695/tara.msiska [4] http://slutocracy.wordpress.com/ Der Text steht unter der Lizenz Creative Commons 4.0 http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ * Quelle: Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin Johanna Heuveling E-Mail: [email protected] Internet: www.pressenza.com/de http://www.schattenblick.de/ infopool/medien/fakten/ mfain053.html Willi Baer und KarlHeinz Dellwo (Hg.) Verdeckter Bürgerkrieg und Klassenkampf in Italien Die sechziger Jahre: Die Entstehung des neuen Antifaschismus. Bibliothek des Widerstands. Bd. 31 Laika Verlag, Hamburg 2014 in Kooperation mit junge Welt 224 Seiten Euro 29,90 ISBN 9783944233178 3 , eineinhalb Millionen subproletarische Jugendliche aus dem Süden in das norditalienische Industriedreieck Turin - Genua - Mailand, wo sie an den Fließbändern der Massenproduktion landeten. Sie wohnten zusammengepfercht und unter erbärmlichen Verhältnissen in den aus dem Boden gestampften Trabantenghettos, schlechter noch als in der Armut Seite 15 Elektronische Zeitung Schattenblick des landwirtschaftlich geprägten und rückständigen Südens, der sie durch ihre Wanderung nach Norden zu entfliehen gehofft hatten. Ihr Feind waren nicht die Deutschen und Faschisten des Zweiten Weltkriegs, von denen die Veteranen der Resistenza berichteten, sondern die Repräsentanten der herrschenden Verhältnisse, unter denen sie tagtäglich litten, und der aufgerüstete Polizeiapparat, der ihr Aufbegehren mit massiver Repression überzog. Neuartige Abteilungsstreiks, die exemplarisch in einigen Mailänder Großbetrieben erprobt wurden, mündeten in einen Zyklus weitreichender Fabrikkämpfe, die bald durch politische Streiks überlagert wurden. Es kam zu heftigen Straßenkämpfen in mehreren Städten, die im Juli 1960 die von den Neofaschisten gedeckte Mitte-Rechts-Regierung Tambronis in die Knie zwangen. Zwei Jahre später folgte die Revolte in der Turiner Massenproduktion gegen den separaten Tarifabschluß einer FIAT-hörigen Gewerkschaft. Der Einsatz schwerbewaffneter paramilitärischer Polizeikräfte wurde von den Arbeiterinnen und Arbeitern unter großen Opfern aufgehalten und letztlich zurückgeschlagen. In der Bewertung dieser Kämpfe setzte sich die Auffassung durch, daß sich ein neues Klassensubjekt herausgebildet habe, das von den Massenarbeiterinnen und -arbeitern der Fließbandproduktion dominiert wurde. Diese sahen sich von den Parolen und Kampfformen der traditionellen Arbeiterlinken nicht mehr repräsentiert und konfrontierten die nostalgisch gewordene Resistenza-Kultur mit der Resistenza rossa der Seite 16 aktuellen Konflikte. Gegen den autoritären Kurs der Regierung mobilisierten diese jungen Militanten massenhafte Präsenz auf der Straße, wo sie die Gegengewalt der direkten Aktion praktizierten. duktion an, während die militanten Intellektuellen ihre Lebenssphäre in die proletarischen Milieus verlegen und dort aktiv werden. Dieser Ansatz eines sich wechselseitig bedingenden Lernprozesses, in dem die Ausbeutungserfahrungen gemeinsam untersucht werden, befaßte sich mit Verfahren einer herrschaftsfreien Wissensproduktion, die weit über Italien hinaus Eingang in den Aufbruch der sechziger und siebziger Jahre fand. Der intellektuelle Akteur war gefordert, seine Arbeitsinstrumente in den emanzipatorischen Prozeß einzubringen. Im Operaismus nahm der Forschungsansatz Gestalt an, den proletarischen Alltag in Fabrik und Gemeinde zur gemeinsamen Lebenserfahrung und zum gemeinsamen Untersuchungsgegenstand zu machen. Im Zuge dieser blutigen Auseinandersetzungen erteilten sie der von der kommunistischen Parteiführung immer offener vertretenen Strategie des "Historischen Kompromisses" eine eindeutige Absage. Die linken Traditionsparteien mißtrauten der Radikalität der jungen Arbeiterschaft und versuchten vergeblich, sie vermittelnd zum Einlenken zu bewegen und in kontrollierbare Bahnen zu manövrieren. Andererseits machten sich die Jugendverbände der Kommunisten, Sozialisten, Gewerkschaften und selbst der katholischen Kirche zunehmend auf den Weg zu den proletarischen Altersgenossen in den GroßfabriZugleich ging es dem Operaisken und Ghettos. mus darum, die Konzepte der Ein kritische Intelligenzschicht, sozialistischen Theorie auf die bestehend aus Studierenden, jun- aktuellen Auseinandersetzungen gen Akademikern und Techni- zwischen Kapital und Arbeit zu kern, suchte die Begegnung mit beziehen und insbesondere die den Massenarbeitern, woraus sich marxsche Kritik der politischen eine neue Gegenkultur der Ju- Ökonomie auf die Praxis anzugendzentren, Musikklubs, Zeit- wenden. So waren es schließlich schriften, Radios und Filmstudios Operaisten der ersten Generatiherausbildete. Erklärtes Ziel die- on, die den gegen Ende der ses Klassenbündnisses war es, sechziger Jahre einsetzenden sich mit Kompetenz und Fach- Übergang von Fordismus in die wissen auf die Seite der Ausge- postfordistische Ära erkannten: beuteten zu schlagen. Darüber Die Auflösung der großbetriebhinaus ging es nicht zuletzt dar- lichen Massenproduktion, die um, die eigenen Bedürfnisse und Dezentralisierung des Fabriksyden Alltag an die Erfordernisse stems, die Prekarisierung und des revolutionären Aufbruchs an- Flexibilisierung der Arbeitsverzugleichen. Auf diese Weise wur- hältnisse und die technischen de der "Operaismus" geboren: Innovationen im TransportsekDie militanten Arbeiterinnen und tor als Voraussetzung der GloArbeiter eignen sich die Kompe- balisierung der Wertschöptenzen der kritischen Wissenspro- fungsketten. www.schattenblick.de Do, 18. August 2016 Elektronische Zeitung Schattenblick Die neuen Klassenkämpfe in gen bis zu ihrer Ausstrahlung in Italien die folgenden Jahrzehnte dar. Dabei werden die weitreichenden Mit dieser heute weithin verges- Impulse dieser ersten Generation senen Epoche der italienischen der Operaisten, unter denen vor Geschichte befaßt sich Band 31 allem Bermani und Bologna als der im Laika Verlag erscheinen- Herausgeber der Zeitschrift Priden "Bibliothek des Wider- mo Maggio zu nennen sind, stands". [1] Unter dem Titel "Ver- durchaus mit der oftmals selektideckter Bürgerkrieg und Klassen- ven Herangehensweise und den kampf in Italien. Die sechziger nicht immer soliden Resultaten Jahre: Die Entstehung des neuen kontrastiert - auch dies ein schätAntifaschismus" bietet die inhalt- zenswerter Einblick in Kontrolich anspruchsvolle und attraktiv versen, die in der Folge mehrere ausgestattete Abhandlung in den Generationen der Linken in Atem darin dargestellten Grundkonflik- halten sollten. Jacopo Chessa und ten gesellschaftlicher Auseinan- Annemaria Licciardello befassen dersetzung ein historisch hoch- sich im dritten Kapitel "Ein Kino wertiges Werk. Es stellt zugleich von allen und keinem" mit dem Handhabe bereit, sich den durch- Entstehen des militanten italieniweg drängenden Fragen einer schen Kinos der sechziger Jahre, Linken zwischen gescheiterter seinen maßgeblichen ProtagoniRevolution und systemintegrati- sten und seinen Inhalten. vem Reformismus zu stellen, die nichts von ihrer Brisanz und Ak- Der Band enthält eine Reihe von tualität verloren haben. Originalfotos, die insbesondere die Kämpfe gegen die StaatsgeAuf eine Einführung von Karl walt und den Vormarsch der FaHeinz Roth folgen drei Kapitel, schisten illustrieren. Beigefügt deren erstes zum Thema "Der An- sind zwei DVDs mit zeitgenössitifaschismus im Juli 1960" von schen Filmdokumenten, welche Cesare Bermani das umfang- unter anderem die Ausführungen reichste und in seinem dokumen- der ersten beiden Kapitel untertarischen Charakter zentrale Seg- streichen und ergänzen. So zeigen ment des Bandes ist. Der militan- beispielsweise in DVD 1 "1960 I te Historiker begann 1962 mit Ribelli" und in DVD 2 "La via simündlichen Quellen zu arbeiten cura" auf höchst anschauliche und entwickelte in der Folge eine Weise die Herausbildung der Proausgefeilte Methodik, der vor- testbewegung und deren Kampfherrschenden Geschichtsschrei- aktionen. bung einen aus dem kollektiven Gedächtnis geschöpften Widerpart mündlicher und schriftlicher Die Schwäche der italienischen Quellen entgegenzusetzen. Im Traditionslinken zweiten Kapitel "Der Operaismus: Eine Innenansicht" legt Ser- Ein kurzer Rückblick in die Vorgio Bologna die Auseinanderset- geschichte der damaligen Kämpzung mit der marxistischen Or- fe mag dazu beitragen, sich ihre thodoxie und dem traditionellen Ausgangssituation zu vergegenSelbstverständnis der sogenann- wärtigen. [2] Die italienische Reten Intelligenz von ihren Anfän- sistenza hatte im Zweiten WeltDo, 18. August 2016 www.schattenblick.de krieg Siege errungen und gesellschaftliche Veränderungen erstritten, wie man sie vordem für unmöglich gehalten hätte. Bevor sie zum Fanal für andere westliche Länder heranreifen konnten, wurden sie von einem reaktionären Konter der nationalen Bourgeoisie im Schulterschluß mit den Alliierten im Keim erstickt. Die Niederlage der Linken verdankte sich allerdings nicht allein einer Übermacht des Gegners, sondern auch einem Rückfall hinter zuvor eingenommene strategische wie ideologische Positionen, der fatale Weichenstellungen zur Folge hatte. Ende April 1945 war der italienische Imperialismus geschlagen, sein ökonomisches und politisches Fundament grundlegend erschüttert. Kommunisten und Sozialisten konnten sich auf eine Massenbasis stützen. Über eine halbe Million Kämpferinnen und Kämpfer standen unter Waffen, das Ziel einer antifaschistischen, antiimperialistischen und revolutionär-demokratischen Umgestaltung der Gesellschaft stand auf der Tagesordnung. In Norditalien waren zwei Partisanenrepubliken und in der Folge zeitweise 15 befreite Gebiete entstanden, in denen die Linken bereits die Umgestaltung in Angriff genommen und das Vertrauen der Bevölkerungsmehrheit gewonnen hatten. Im Süden besetzten Landarbeiter, Tagelöhner und Halbpächter das Land der Großgrundbesitzer. Mit der Waffe in der Hand und der Unterstützung weiter Teile der Bevölkerung im Rücken hatte sich die von Kommunisten und Sozialisten angeführte Resistenza bis an die Schwelle einer gesellschaftlichen Umwälzung voranSeite 17 Elektronische Zeitung Schattenblick gekämpft. Es fehlte jedoch ein klarer Entwurf für die Nachkriegszeit, was sich als verhängnisvoll erweisen sollte. Die PCI gab die Errungenschaften preis, indem sie auf den Parlamentarismus setzte und einer Regierungsbeteiligung den Zuschlag gab. Sie entwaffnete den Widerstand, verzichtete auf die Massenbewegung und ließ damit die Konterrevolution erstarken. Wenngleich es in der Nachkriegsordnung noch zu gewissen sozialen Errungenschaften kam, erwiesen sie sich doch in den Fesseln der wiedererstarkenden Herrschaftsverhältnisse als vorübergehende Konzessionen zur Einbindung der Linken in einen Reformismus, die ihr die Zähne zog. PCI-Generalsekretär Palmiro setzte das Bündnis mit der Democrazia Cristiana (DC) fort, das ihn zu weitreichenden Zugeständnissen zwang. Im Zuge der sogenannten Amnestie der "nationalen Versöhnung" wurden gegen Kriegsverbrecher ergangene Urteile revidiert, was die bereits 1946 erfolgte Wiedergründung der Mussolini-Partei in Gestalt des Movimento Sociale Italiano (MSI) begünstigte, die umgehend zum Sammelbecken der alten Faschisten wurde. Die Wahl des MSI ins Parlament verschaffte dieser Partei eine demokratische Legitimität und machte sie für die DC zu einem unverzichtbaren Lieferanten benötigter Stimmen bei den Wahlen. Repression trifft auf unerwarteten Widerstand Das war die Ausgangssituation im Sommer 1960, als es zu den von Cesare Bermani dargestellten Seite 18 Protesten gegen Ministerpräsident Fernando Tambroni (DC) kam. Dieser hatte selbst eine faschistische Vergangenheit und war mit den Stimmen des MSI gewählt worden. Tambroni genehmigte die Durchführung eines für den 2. Juli in Genua anberaumten Parteitages der Faschisten, was eine unerhörte Provokation darstellte. Die Stadt galt als Hochburg der Resistenza und Linken, und so gingen am Vorabend des Kongresses mehr als hunderttausend Menschen aufdie Straße, um gegen den längst wiedererstarkten Faschismus wie auch die Regierung Flagge zu zeigen. Gestützt auf Zeitzeugen schildert Bermani die Auseinandersetzungen, bei denen aufAnweisung Tambronis die Polizei mit Schlagstöcken, Tränengas, Wasserwerfern und Fahrzeugen bis hin zu Panzern paramilitärischer Einheiten gegen die Demonstrierenden vorgeht. In mehreren Städten Norditaliens wurde der Generalstreik ausgerufen, in Reggio Emilia schoß die Polizei in die Menge und tötete fünf Menschen, auch in weiteren Städten waren Opfer zu beklagen, von zahlreichen Verletzten, Verhafteten und Gefolterten ganz zu schweigen. Die seit geraumer Zeit auf ein Szenario der Niederschlagung von Unruhen in der Bevölkerung vorbereiteten Polizeikräfte stießen bei ihrem repressiven Vorgehen auf unerwarteten Widerstand: Die Wasserwerfer fuhren hervor, und im nächsten Moment flogen aus allen Mündungen und in alle Richtungen die Tränengasbom ben. Das Heer der Schlagstöcke begann niederzuprasseln. Wer fliehen konnte, floh. [...] Dann ge schah etwas, was niemand vor www.schattenblick.de hersehen konnte. Die Menge kehrte um. Angesichts dieser Re aktion der alten Antifaschisten schlossen sich aus allen Richtun gen die jungen Leute an. Viele von ihnen waren nicht einmal 20 Jah re alt. [...] Es waren Arbeiter und Studenten, aber vorwiegend Ar beiter oder Söhne von Arbeitern. [...] (S. 55) Insgesamt kommen 7.000 Polizi sten und Carabinieri nach Genua, "mit dem Befehl, auf die Demom stranten zu schießen". [...] In ei ner vorrevolutionären Atmosphä re wirft sich aber ganz Genua in der Nacht vom 1. auf den 2. Juli noch einmal in den Straßenkampf. [...] In den Hafenvierteln hatte man in der Nacht zuvor Hunder te von MolotowCocktails ange fertigt. Im Industriegebiet vor der Stadt hatten sich die alten Parti sanenformationen bewaffnet und waren bereit, ins Zentrum zu ge hen. In den Hafenvierteln [...] wurden zwei Meter hohe Barrika den aus Steinen und Holz gebaut. Man schätzt, dass 500.000 Arbei ter mobilisiert wurden, die bereit standen, um am zweiten Juli ins Stadtzentrum zu gehen. (S. 61) Angesichts dieses Widerstands und der landesweit ausgedehnten Streiks mußte der Polizeipräsident von Genua die Genehmigung für den Parteitag des MSI zurückziehen, Tambroni am 19. Juli zurücktreten. Erkämpft hatte dies eine sich neu formierende Bewegung aus desillusionierten Mitgliedern von Jugendverbänden der linken Parteien und zahlreichen parteilosen jungen Arbeitern, die das gemäßigte Vorgehen des PCI und PSI ablehnten, für das revolutionäre Erbe der ResiDo, 18. August 2016 Elektronische Zeitung Schattenblick stenza eintraten und den rechtsge- dend zu schwächen, sie von der richteten Kräften einen neuen An- traditionellen Arbeiterbewegung abzuspalten und diese insgesamt tifaschismus entgegensetzten. zu lähmen, wurden im Zuge einer Nachdem der repressive Kurs der Spannungsstrategie innovative DC an den landesweit ausbre- Methoden der Subversion, Attenchenden Unruhen und Streiks ge- tate und Umsturzpläne zur Anscheitert war, setzte sich in der wendung gebracht. Auf den faPartei der Reformer Aldo Moro schistischen Anschlag von Maidurch. Er bildete im Dezember land, bei dem 16 Menschen getö1963 eine Mitte-Links-Regierung tet und über 80 verletzt wurden, mit den Sozialisten, die dafür we- folgte binnen drei Tagen die Festsentliche Positionen preisgaben. nahme von mehr als 300 Personen Der PSI ließ seine Forderung aus den Kreisen der Anarchisten nach einem gesellschaftlichen Ei- und der außerparlamentarischen gentum an den wichtigsten Pro- Linken. CIA, die NATO-Geheimduktionsmitteln fallen, kündigte truppe Gladio, römische Geheimdie Aktionseinheit mit den Kom- dienste und Faschisten schufen ein munisten auf und billigte offiziell Klima der Unsicherheit, Eindie Mitgliedschaft in der NATO. schüchterung und Bezichtigung Repräsentanten des linken Flü- der Linken. Wie erfolgreich diese gels verließen daraufhin den PSI Strategie war, zeigte sich nicht zuund gründeten im Januar 1964 die letzt an der Reaktion der PCI-FühItalienische Sozialistische Partei rung, die sich vom radikalen Flüder Proletarischen Einheit (PSI- gel der Partei abgrenzte wie auch UP). Damit zerbrach die Einheit auf Distanz zu den anarchistischen der linken Parteien, was man in und autonomen Gruppen ging. Im einem negativen Sinn als einer November 1969 wurde die unter bedeutendsten Leistungen des dem Namen Manifèsto entstandevon reaktionären Kreisen abge- ne innerparteiliche Opposition lehnten Aldo Moro bezeichnen ausgeschlossen, wodurch die Parkann. Während die bürgerlichen tei etwa 10.000 Mitglieder verlor. Parteien durchaus in der Lage waren, zur Sicherung der gesellschaftlichen Verhältnisse zwi- Pfadfinder durch den schen Repression und Reform zu Wildwuchs des Operaismus navigieren und zu taktieren, war für die Linke jede befristete Re- Um eine Innenansicht des italiegierungsbeteiligung letzten Endes nischen Operaismus zu leisten, hätte man kaum einen kompeein Sargnagel. tenteren Pfadfinder durch den Bermani greift in seinem Beitrag zwangsläufigen Wildwuchs dieüber das gesamte Jahrzehnt bis hin ser lebendigen Bewegung finden zu den Ende 1967 einsetzenden können als Sergio Bologna. Er Studentenprotesten und den nach war nicht nur einer der führenden dem Bombenanschlag des 12. De- Intellektuellen des Operaismus, zember 1969 in Mailand einset- der sich in zahlreichen Zeitschrifzenden "bleiernen Jahren" aus. ten wie "Quaderni Rossi", "ClasUm die radikale und oftmals au- se Operaia", "Lotta Continua" ßerparlamentarische Linke bis hin oder "Manifèsto" wie auch maßzum bewaffneten Kampf entschei- geblichen Organisationen wie PoDo, 18. August 2016 www.schattenblick.de tere Operaio um seine Ausgestaltung und Weiterentwicklung bemühte. Vielmehr blieb er auch dieser Bewegung lebenslang verbunden, ohne seine zugewandte und zugleich kritische Auseinandersetzung mit ihr preiszugeben. Das ist um so bemerkenswerter, als der Operaismus im Spannungsfeld zwischen praxisbezogener Aneignung marxistischer Theorie und deren reformistischer Entsorgung aus ekletizistischen Anfängen in zahlreichen Strömungen teils zusammenwuchs, teils immer weiter auseinanderdriftete. In Abgrenzung von der traditionellen parteipolitischen Linken entstanden und vom Interesse getragen, sich auf innovative Weise den aktuellen Herausforderungen zu stellen, widmete sich diese aus zahlreichen kleineren Zusammenhängen bestehende Bewegung insbesondere der Untersuchung der Arbeitswelt in den Fabriken wie auch der urbanen Lebensverhältnisse. Ihr großes Verdienst besteht in der tiefgreifenden Erforschung der damaligen Arbeitsbedingungen und deren Veränderungen samt einer Theoriebildung, die sich mit dem System der Produktionsverhältnisse und der sich wandelnden Klassenzusammensetzung befaßte. Führende Protagonisten wie Sergio Bologna, Raniero Panzieri, Mario Tronti, Antonio Negri, Enzo Grillo oder Gaspare De Caro waren prägend für diverse Strömungen der gesamten westeuropäischen Linken. Untersuchungen wie jene zum Fabriksystem, Krisenstaat, multinationalen Arbeiter, Postfordismus und Finanzkapital, zur tertiären Gesellschaft und zum prekären Jugendlichen bis hin zum neuen Selbständigen Seite 19 Elektronische Zeitung Schattenblick in Gestalt des Freelancers begründeten und beeinflußten die Diskussionsprozesse der neuen emanzipatorischen Bestrebungen und Bewegungen wie auch den wissenschaftlichen Diskurs. Das militante italienische Kino für gescheitert erklärt, ihn aber weiterhin verteufelt, als fürchte sie nichts mehr als seine Wiederkehr, tut Aufklärung im Sinne einer Bibliothek des Widerstands not. Wo Deutungsmacht in einem Maße das Feld beherrscht, daß man von Denkkontrolle sprechen könnte, wird die ausgeblendete, verdrängte und geleugnete Historie fast schon ein Lebenselixier widerständigen Geistes. Allerdings lehrt gerade die in diesem Band dargestellte Epoche der Kämpfe in Italien, daß die in jener Zeit vehement erhobene Forderung, man müsse über Marx hinausgehen, in höchst unterschiedliche Richtungen führen kann. Man denke nur an die in der Abhandlung über den Operaismus leider allenfalls gestreifte Sympathie von Teilen der Autonomia um Toni Negri für Foucault und die neuen französischen Philosophen wie insbesondere Gilles Deleuze, deren poststrukturalistische Ansätze weithin als eine Weiterentwicklung des Marxismus mißdeutet wurden, obgleich es sich wie im Falle Deleuzes oftmals um bekennende Antikommunisten handelte. Doch das wäre nur eine von zahlreichen Fragen, zu deren Weiterentwicklung dieser Band reichhalten Stoff bereitstellt. Das letzte Wort, so scheint es, auf welche Weise man aus der Geschichte lernen kann, ist noch nicht gesprochen. "Das militante Kino ist eines der noch nicht geschriebenen Kapitel der Geschichte des italienischen Kinos." (S. 220) Im Schatten des weithin bekannten politischen Kinos und seiner namhaften Protagonisten entstand ersteres im Schoß der Studentenbewegung seit Ende der sechziger Jahre in engem Kontakt zur außerparlamentarischen Opposition. Es war keine Künstlerbewegung, sondern Ausdruck der außergewöhnlichen politischen Situation seiner Zeit. Während sein Mangel an experimentiellen Formen als seine wohl größte Schwäche zu nennen ist, stand dem als Hauptziel gegenüber, Zugänglichkeit für ein Publikum aus Arbeiterschaft und Militanten zu erwirken. Es ging um Gegeninformation, wofür dokumentarisches Material eingesetzt wurde, jedoch die Bildsprache zumeist hinter den Kommentar zurücktrat. Zugleich war die Herstellung dieser Filme ein Gegenentwurf zur vorherrschenden Filmproduktion: Die Kollektive des militanten Kinos stellten einen der wichtigsten Ansätze dar, ein Kino ohne Autoren zu schaffen, dessen Stoßrichtung nicht Ästhe- Anmerkungen: tik oder Unterhaltung, sondern Aufklärung und Agitation ist. [1] Siehe dazu auch die Rezension von Dr. phil. Gerhard Feldbauer im Schattenblick: Aus welcher Geschichte lernen? REZENSION/629: W. Baer, K.H. Dellwo (Hg.) - Verdeckter Angesichts einer Okkupation von Bürgerkrieg und Klassenkampf in Geschichte, die den Sozialismus Italien (Geschichte) (SB) Seite 20 www.schattenblick.de http://www.schattenblick.de/infopool/buch/sachbuch/busar629.html [2] Siehe dazu: Gerhard Feldbauer: Die Resistenza. Italien im Zweiten Weltkrieg, PapyRossa Verlag, Köln 2014, ISBN 978-3-89438-559-0 http://www.schattenblick.de/ infopool/buch/sachbuch/ busar659.html SCHACH - SPHINX Mit archetypischer Deutlichkeit (SB) Kaum ein anderer Künstler hat den tieferen Eigensinn des Schachspiels besser dargestellt und begriffen als Gerhard Marcks mit seiner Bronzeplastik, bei der die Rücken der Spieler inklusive der beiden Hinterköpfe nahezu einen Halbkreis bilden. Die innere Verflochtenheit der Gedanken, die Pläne, die nicht ohne ihren Konterpart bestehen können, Verschmelzung der Absichten und Manifestation der auf ein schmales Terrain sich hinreflektierender Stellungsbilder, all das tritt in dieser Plastik mit fast archetypischer Deutlichkeit zutage. Der beißende Gegensatz veschwindet hinter der Front der gemeinsamen Auseinandersetzung. Nicht Mensch bekriegt Mensch, sondern beide schaffen ein Werk gegen Raum und Zeit, so, als würde sich in einem beschränkten Universum wirbelnder Eindrücke und Flüchtigkeiten kraft zweier sich stützender Sphären ein Bestand forderndes Erinnerungsbild festwurzeln. Marcks gebührt Dank und Do, 18. August 2016 Elektronische Zeitung Schattenblick Anerkennung, weil er das Wesen des Schachspiels aus dem irrigen Sumpf konträrer Standpunkte heraushob und griffig werden ließ. Dann entstehen Kunstwerke wie im heutigen Rätsel der Sphinx zwischen Aljechin und Alexander; und wer den letzten Pinselstrich führt, verwirklicht die zwei Denker überspannende Idee. In diesem Fall war es Aljechin, der mit Weiß der Partie siegreiche Konturen gab. Also, Wanderer, alles stand im Schwange, es fehlte nur noch die Richtung! Schmiedekunst in glühender Esse Vorschau auf ausgewählte Profikämpfe der kommenden Wochen 6. August: Andre Ward gegen Alexander Brand bis 19. November: Sergej Kowaljow gegen Andre Ward http://www.schattenblick.de/ infopool/sport/boxen/ sbxm2017.html BUCH / BIOGRAPHIE / REZENSION Maud Gonne Ein Leben für Irland von Elsemarie Maletzke Aljechin - Alexander Nottingham 1936 Elsemarie Maletzke Maud Gonne Ein Leben für Irland Insel Verlag, Berlin, 2016 318 Seiten ISBN: 9783448176749 http://www.schattenblick.de/infopool/buch/biograph/bubir031.html Auflösung des letzten SphinxRätsels: 1.Sg5xf7! war das Einleitungsopfer, das nach 1...Kg8xf7 in 2.Dh5xg6+!! die Pointe fand und die Königsjagd forcierte: 2...Kf7xg6 3.Se4-g5+ Kg6- h5 4.Ld3-e2+ Kh5-g6 5.h4-h5+ Kg6-f5 6.Th1-h4! h6xg5 7.Le2g4+ Kf5-e4 8.d2-d3+ Ke4-d5 9.Lg4-f3# bzw. 8...Ke4-e3 9.Lb2c1# http://www.schattenblick.de/ infopool/schach/schach/ sph05931.html Do, 18. August 2016 KINDERBLICK / NATURKUNDE / PFLANZEN Ein guter Wirt ist in Gefahr ... Der Leberwurstbaum Selten wird über einen Baum so viel Gutes gesagt, wie über den Leberwurstbaum. Da möchte man doch wissen, warum das so ist. Beheimatet ist dieser kleine bis mittelgroße Baum in Westafrika. Inzwischen ist er aber in ganz Afrika verbreitet. Seine Früchte, die aussehen wie riesige, an Zweigen hängende Leberwürste, gaben ihm seinen Namen. Für Menschen www.schattenblick.de aus Deutschland ist der Name "Leberwurstbaum" sehr nahe liegend, doch in Afrika wird er auch noch ganz anders genannt. Es gibt wirklich viele verschiedene Namen, die die unterschiedlichen Stämme oder Volksgruppen für ihn verwenden ... http://www.schattenblick.de/ infopool/kind/natur/ knpf0030.html Seite 21 Elektronische Zeitung Schattenblick ______I n h a l t________________________________Ausgabe 1920 / Donnerstag, den 18. August 2016____ UMWELT - REPORT POLITIK - KOMMENTAR MEDIEN - FAKTEN BUCH - SACHBUCH SCHACH-SPHINX DIENSTE - WETTER Gitterrost und Permafrost - Küstenerosion ... Der lange Schatten des KPD-Verbotes Tara Lighten Msiska - Feministischer Journalismus mit grosser Wirkung (Pressenza) Verdeckter Bürgerkrieg und Klassenkampf in Italien (Geschichte) Mit archetypischer Deutlichkeit Und morgen, den 18. August 2016 Seite Seite Seite Seite Seite Seite 1 4 12 15 20 22 DIENSTE / WETTER / AUSSICHTEN Und morgen, den 18. August 2016 +++ Vorhersage für den 18.08.2016 bis zum 19.08.2016 +++ Kühler Einfluß, Wolkenfelder, davon kann Jean-Luc berichten. Als dem Weltweitwettermelder glauben wir ihm die Geschichten. © 2016 by Schattenblick IMPRESSUM Elektronische Zeitung Schattenblick Diensteanbieter: MA-Verlag Helmut Barthel, e.K. 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