Ferienklausuren

Falltext
A 791
22.08.2016
Fall 1:
Der leitende Bankangestellte M und die kaufmännische Angestellte F heirateten im Jahre 1998. Über den
ehelichen Güterstand trafen sie keine Vereinbarungen. Im Zeitpunkt der Heirat gehörte dem M ein unbebautes Grundstück im Werte von 97.791,50 DM (≅ 50.000,00 €); die F hatte kein nennenswertes Vermögen.
F gab nach der Eheschließung ihren Beruf auf und widmete sich in der Folgezeit der Erziehung der beiden gemeinsamen Kinder. Einige Wochen nach der Heirat übertrug M an die F einen hälftigen Miteigentumsanteil an seinem Grundstück. Er tat dies in der Vorstellung, dass die eheliche Lebensgemeinschaft
auf Dauer Bestand haben und er somit ohnehin den wirtschaftlichen Wert des Grundstücks weiter voll
mitbenutzen werde.
Auf dem Grundstück errichteten M und F im Jahre 2006 ein Einfamilienhaus, um es gemeinsam mit ihren
Kindern zu bewohnen. Die finanziellen Lasten des Hausbaus in Höhe von insgesamt 300.000 € trug M
allein. Im Januar 2014 wandte sich die F dem L zu, mit dem sie und die Kinder nun zusammenleben. Ende
2014 beantragte F die Scheidung von M. Die Scheidung ist inzwischen rechtskräftig. Ein Zugewinnausgleich hat noch nicht stattgefunden.
M, der jetzt allein in dem errichteten Haus wohnt, hat gegenüber der F den „Widerruf der Schenkung“
des hälftigen Miteigentums „wegen einer schweren Eheverfehlung“ erklärt und verlangt die Rückübertragung. Zum jetzigen Zeitpunkt beträgt der Wert des Hausgrundstücks (Grundstückswert plus Gebäudewert) insgesamt 360.000 €.
Besteht der von M geltend gemachte Anspruch?
Fall 2:
Die K sind die Schwiegereltern des B. Sie begehren die Rückzahlung eines Geldbetrages, welchen sie B vor
dessen Eheschließung mit ihrer Tochter T zur Verfügung gestellt haben.
T und B lebten seit dem Jahre 2000 in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammen. 2004 wurde
das erste der beiden gemeinsamen Kinder geboren. Im Februar 2006 ersteigerte B eine Eigentumswohnung zum Preis von 150.000 €. Zu diesem Zeitpunkt war die Eheschließung mit der T bereits in Aussicht genommen. Die Wohnung, die den späteren Eheleuten für die Zeit ihres Zusammenlebens als
Familienheim diente, steht bis heute im Alleineigentum des B.
Zur Finanzierung der Wohnung nahm B unter anderem ein Darlehen über 100.000 € auf. Im April 2006
überwiesen die K auf das Konto des B 30.000 €. Im Mai 2006 überwies B von seinem Konto an die
Gerichtskasse 30.000 € auf den Gebotspreis.
Ab Herbst 2006 bezogen B und T sowie das gemeinsame Kind die Wohnung. Im Juni 2007 schlossen B
und T die Ehe, aus der 2009 ein zweites Kind hervorging. Im September 2012 zog B aus der Wohnung
aus. Nachdem T im Mai 2013 Scheidungsantrag gestellt hatte, zog sie im September 2013 ebenfalls aus
der Wohnung aus, die B seither vermietet. Inzwischen ist die Ehe rechtskräftig geschieden.
Die K, die in sehr guten wirtschaftlichen Verhältnissen leben, begehren von B, der finanziell nur mit Mühe
über die Runden kommt und auch das Darlehen noch nicht getilgt hat, Rückzahlung i.H.v. 30.000 €.
Zu Recht?
Falltext
C 758
22.08.2016
Die K-AG ist Eigentümerin eines mehrgeschossigen Bürogebäudes. Die Büros sind an eine Rechtsanwaltskanzlei und mehrere gewerbliche Unternehmen vermietet. Wohnräume gibt es in dem Gebäude
nicht. Nachdem die Außenfassade des Gebäudes mehrfach durch Graffiti-Aktionen von Unbekannten
verunstaltet und aus der im Erdgeschoss befindlichen Anwaltskanzlei mehrere Notebooks gestohlen
worden waren, ließ K im Eingangsbereich des Gebäudes und in jedem Geschoss im Treppenhaus insgesamt fünf Kameras anbringen. Die Kameras werden als sog. Mini-dome-Videokameras betrieben, d.h. sie
sind fest installiert und fest auf einen Sichtbereich ohne Zoom-Funktion ausgerichtet. Aufgrund eines
Bewegungssensors schalten sie sich (nur) bei Bewegungen im Eingangsbereich bzw. im Treppenhaus
automatisch ein. Die Aufnahmen werden auf einer Festplatte gespeichert und automatisch überschrieben, d.h. gelöscht, wenn kein Bedarf mehr für eine Sichtung besteht, spätestens nach zehn Tagen. Die
Aufnahmen können bei Bedarf auf PC-Monitore übertragen werden. Passwortgesicherten Zugang haben
nur das Unternehmen, das die Videoanlage installiert hat, und ein von K bestellter betrieblicher Datenschutzbeauftragter. An der Eingangstür des Gebäudes weist ein Schild in Textform und mittels eines
Symbols auf die Videoüberwachung hin und benennt K als verantwortliche Stelle.
Nachdem der zuständige Landesbeauftragte für Datenschutz (L) von der Installation der Kameras erfahren hatte, wies er K durch am selben Tag zur Post aufgegebenen Bescheid vom 15.11.2015 unter Berufung auf § 38 Abs. 5 S. 2 BDSG an, alle Kameras umgehend auszuschalten, die gespeicherten Aufnahmen
zu löschen und die Kameras zu deinstallieren. Die Anlage verstoße gegen § 4 Abs. 1 BDSG. Eine weitere
Begründung enthielt der Bescheid nicht.
K hält den Bescheid für rechtswidrig und hat am Dienstag, dem 22.12.2015 Klage zum Verwaltungsgericht erhoben. Sie ist der Ansicht, sie verstoße nicht gegen datenschutzrechtliche Vorschriften. Die Mieter
hätten der Überwachung zugestimmt. Im Übrigen sei das Gebäude nicht öffentlich zugänglich, jedenfalls
gelte dies außerhalb der üblichen Büro- und Geschäftszeiten, in denen das Gebäude verschlossen sei.
Außerdem dienten die Kameras der Wahrnehmung ihres Hausrechts und dem Schutz vor Straftaten und
damit einem berechtigten Interesse i.S.d. § 6 b BDSG. Schließlich seien die Anordnungen unverhältnismäßig. Da die Überwachung zulässig sei, könne eine Löschung der Aufnahmen nicht verlangt werden.
Auch ermächtige § 38 Abs. 5 BDSG keinesfalls dazu, die Deinstallation der Kameras anzuordnen.
L entgegnet schriftsätzlich, die Klage sei verfristet. Im Übrigen sei der Bescheid rechtmäßig. K sei als nichtöffentliche Stelle gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG an die Vorschriften des BDSG gebunden. Die Anlage sei
datenschutzrechtlich unzulässig. Die Videoüberwachung sei insgesamt ungeeignet und nicht erforderlich. Zum Schutz des Eigentums sei der Einsatz von Wachpersonal möglich. Im Übrigen sei eine Überwachung des Eingangsbereichs sowie außerhalb der Büro- und Geschäftszeiten ausreichend. Videoaufzeichnungen seien allenfalls zur Verhinderung oder Verfolgung schwerwiegender Straftaten zulässig.
Nachtaufnahmen seien aufgrund der schlechten Auflösung ohnehin zur Identifizierung ungeeignet.
K verweist darauf, dass sie die Rechtswidrigkeit des Bescheides nicht habe erkennen können. Sie sei vor
Erlass des Bescheides nicht angehört worden, sodass wesentliche Gesichtspunkte gar nicht zur Sprache
gekommen seien. Die Begründung des Bescheides sei nicht nachvollziehbar. Dadurch sei ihre Entscheidung, ob sie einen Rechtsbehelf einlegen und wie sie diesen begründen soll, erschwert worden. Vorsorglich hat K bereits mit Klageerhebung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
Hat die Klage der K Aussicht auf Erfolg?
Hinweise für die Bearbeitung:
1. Die Erfolgsaussichten der Klage sind umfassend zu begutachten. Wer die Klage ganz oder teilweise für
unzulässig hält, hat zur Begründetheit ein Hilfsgutachten zu fertigen.
2. Das Bürogebäude der K liegt im Land X, das von den Ermächtigungen in § 61 Nr. 3 und § 78 Abs. 1
Nr. 2 VwGO keinen Gebrauch gemacht hat. Ein Widerspruchsverfahren findet kraft landesrechtlicher
Vorschrift nicht statt (§ 68 Abs. 1 S. 2 VwGO). Die Vorschriften des LVwVfG sind wortlautidentisch mit den
Vorschriften des Bundesrechts.
3. Der Landesbeauftragte für Datenschutz ist die nach § 38 Abs. 6 BDSG zuständige Aufsichtsbehörde
des Landes.
Fortsetzung des Falltextes C 758
4. Der Bescheid vom 15.11.2015 enthält eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung.
5. Auszug aus dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)
§ 1 Zweck und Anwendungsbereich des Gesetzes
(1) Zweck dieses Gesetzes ist es, den Einzelnen davor zu schützen, dass er durch den Umgang mit seinen
personenbezogenen Daten in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt wird.
(2) Dieses Gesetz gilt für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten durch
1. öffentliche Stellen des Bundes,
2. öffentliche Stellen der Länder, soweit der Datenschutz nicht durch Landesgesetz geregelt ist . . .
3. nicht-öffentliche Stellen, soweit sie die Daten unter Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen verarbeiten, nutzen oder dafür erheben . . ., es sei denn, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung der Daten
erfolgt ausschließlich für persönliche oder familiäre Tätigkeiten. . . .
§ 3 Weitere Begriffsbestimmungen
(1) Personenbezogene Daten sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer
bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener). . . .
§ 4 Zulässigkeit der Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung
(1) Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten sind nur zulässig, soweit dieses
Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift dies anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat.
§ 6 b Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen
(1) Die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) ist nur zulässig, soweit sie
1. zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen,
2. zur Wahrnehmung des Hausrechts oder
3. zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke
erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffen überwiegen.
(2) Der Umstand der Beobachtung und die verantwortliche Stelle sind durch geeignete Maßnahmen
erkennbar zu machen.
(3) Die Verarbeitung oder Nutzung von nach Absatz 1 erhobenen Daten ist zulässig, wenn sie zum Erreichen des verfolgten Zwecks erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen. . . .
(4) . . .
(5) Die Daten sind unverzüglich zu löschen, wenn sie zur Erreichung des Zwecks nicht mehr erforderlich
sind oder schutzwürdige Interessen der Betroffenen einer weiteren Speicherung entgegenstehen.
§ 38 Aufsichtsbehörde
(1) Die Aufsichtsbehörde kontrolliert die Ausführung dieses Gesetzes sowie anderer Vorschriften über
den Datenschutz, soweit diese die automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten oder die Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten . . . regeln. . . .
...
(5) Zur Gewährleistung der Einhaltung dieses Gesetzes und anderer Vorschriften über den Datenschutz
kann die Aufsichtsbehörde Maßnahmen zur Beseitigung festgestellter Verstöße bei der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten oder technischer oder organisatorischer Mängel anordnen. Bei schwerwiegenden Verstößen oder Mängeln, insbesondere solchen, die mit einer besonderen
Gefährdung des Persönlichkeitsrechts verbunden sind, kann sie die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung oder den Einsatz einzelner Verfahren untersagen, . . .
(6) Die Landesregierungen oder die von ihnen ermächtigten Stellen bestimmen die für die Kontrolle der
Durchführung des Datenschutzes . . . zuständigen Aufsichtsbehörden.
Hinweis: Es ist davon auszugehen, dass andere Vorschriften des BDSG nicht entscheidungserheblich und
daher nicht zu prüfen sind. Ebenso ist von der Verfassungsmäßigkeit der einschlägigen Vorschriften des
BDSG auszugehen.
Falltext
A 984
29.08.2016
Die P-GmbH betrieb einen Parkplatz in Bochum. Hierzu hatte die P-GmbH die beiden obersten Geschosse in einem Hochhaus angemietet. Ein Schrankensystem besteht nicht. An der Einfahrt hängt ein großes,
gut sichtbares Schild, das die Nutzer auf die Vertrags- und Einstellbedingungen hinweist.
Nutzungs- und Einstellbedingungen für Parken:
1. Der Nutzer ist mit der Einfahrt in das Parkhaus zur Zahlung des Mietpreises von 3,00 € pro Stunde einverstanden und verpflichtet.
2. Der Nutzer ist ferner verpflichtet, den Parkschein sichtbar und lesbar hinter der Windschutzscheibe anzubringen.
3. Bei Nichtlösen eines Parkscheins am Kassenautomaten oder Nichtauslegen des Parkscheins ist ein Nutzungsentgelt von 20,- € als erhöhtes Nutzungsentgelt sofort zur Zahlung fällig.
4. Gleiches gilt, wenn die Parkzeit bezahlt, aber dann um mehr als 15 Minuten überschritten wurde.
5. Die maximale Parkzeit beträgt 3 Stunden.
Am 06.07.2015 wurde ein Sportwagen mit Kölner Kennzeichen auf dem Parkplatz der P-GmbH abgestellt,
ohne dass ein gültiger Parkschein auslag. Bei einer Kontrolle durch einen Mitarbeiter der P-GmbH wurde
dies festgestellt und am Fahrzeug ein Hinweis mit der Aufforderung zur Zahlung von 20,- € als erhöhtes
Nutzungsentgelt angebracht. Ein entsprechender Überweisungsträger wurde beigelegt. Eine weitere
Kontrolle am selben Tag ergab, dass das Fahrzeug aus dem Parkhaus entfernt worden war. Eine Zahlung
der 20,- € erfolgte nicht.
Da der Mitarbeiter der P-GmbH das Kennzeichen notiert hatte, wurde eine Halteranfrage beim Straßenverkehrsamt gestartet. Nach Ermittlung des in Köln-Nippes wohnenden B als Halter des Fahrzeugs forderte die P-GmbH ihn zur Zahlung der 20,- € oder Benennung des Fahrers auf. B antwortete auf das
Schreiben nicht. Die P-GmbH begehrte sodann die Abgabe einer strafbewährten Unterlassungs- und
Verpflichtungserklärung. Auch hierauf reagierte der B nicht.
P, der Prokurist der P-GmbH, erhob Klage vor dem Amtsgericht Bochum. Die Klage ging am 04.06.2016
beim Amtsgericht ein und wurde dem B am 07.07.2016 zugestellt.
In der Klageschrift ist beantragt,
1. den B zu verurteilen, es bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu
unterlassen, seinen Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen K - …. unberechtigt auf dem Parkgelände der PGmbH in Bochum, Brückstraße, selbst abzustellen bzw. durch eine dritte Person dort abstellen zu lassen.
2. Den B zu verurteilen, die Kosten der Halterermittlung von 5,65 € nebst Prozesszinsen von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem Tag nach Rechtshängigkeit zu erstatten.
Der von B eingeschaltete Rechtsanwalt beantragt, die Klage abzuweisen. Die Klage sei im ersten Antrag
bereits unzulässig, weil der Klageantrag zu unbestimmt sei. Auch sei das Amtsgericht Bochum nicht zuständig, da B schließlich in Köln wohne.
Zumindest sei die Klage hinsichtlich des ersten Antrags unbegründet: Zum einen müsse sich die P-GmbH
vorrangig aus ihren vertraglichen Ansprüchen an den Fahrer des Pkw halten. Ferner liege ja kein Parkverstoß des B vor, daher könne auch keine Wiederholungsgefahr bestehen. Der Parkverstoß des Fahrers sei
B nicht zurechenbar, da B gar nicht Eigentümer des Fahrzeugs sei. Er habe den Sportwagen aufgrund
Leasingvertrag vom 03.01.2015 von der L-GmbH geleast. Zudem handele es sich nur um einen alltäglichen, geringfügigen Verstoß. Schließlich müsse sich die P-GmbH selbst schützen, indem sie ein Schrankensystem einrichte. Ohne ein derartiges Schrankensystem würden „Schwarzparker“ geradezu angelockt. Es bestehe ohnehin der Verdacht, dass die Klägerin ihr Geschäftsmodell hierauf ausgerichtet habe,
um auf der Grundlage ihrer Vertrags- und Einstellbedingungen dann erhöhte Entgelte von 20,- € gegen
Schwarzparker geltend machen zu können. Im Übrigen sei die Klage auch zu spät erhoben worden.
Fortsetzung des Falltextes A 984
Ferner ist B der Ansicht, dass auch der Klageantrag zu 2) unbegründet sei. Bei der Halteranfrage handele
es sich um Rechtsverfolgungskosten, welche die P-GmbH für sich selbst aufgewandt habe. Solche Kosten
seien nicht ersatzfähig.
Bearbeitungsvermerk:
1. Erläutern Sie in einem umfassenden Rechtsgutachten die Erfolgsaussichten der Klage. Sollten Sie zu
dem Ergebnis gelangen, dass die Klage unzulässig ist, so ist die Begründetheit in einem Hilfsgutachten zu
erörtern.
2. Es ist davon auszugehen, dass die Kosten für die Halterabfrage in Höhe von 5,65 € tatsächlich bei der
P-GmbH angefallen sind.
3. Es ist zutreffend, dass B den Sportwagen geleast hat.
Falltext
B 202
29.08.2016
Der Kraftfahrer A hat sich vor einem Jahr als Fuhrunternehmer selbstständig gemacht. Bereits nach wenigen Monaten stellt er fest, dass seine Einkünfte bei steigender Arbeitszeit nur knapp über dem Gehalt
liegen, das ihm seinerzeit als Angestellter ausgezahlt wurde. Dabei ärgert sich A insbesondere über die
wieder steigenden Dieselpreise, die er als eine der Hauptursachen für den geringen erwirtschafteten
Gewinn ansieht. Auf dem langen Transportweg von Italien nach Hamburg wittert A am Abend des
17.06.2016 aufgrund des aufkommenden Nebels die Chance, seine Betriebskosten zu senken. Mit halb
gefülltem Tank fährt er auf das Gelände einer Selbstbedienungstankstelle an der A 7 und tankt seinen
Lastzug für 144,73 € voll. Zwar geht A davon aus, beim Tankvorgang über die Videoüberwachungsanlage
von Tankwart T auch gesehen zu werden. Es überwiegt jedoch die Hoffnung, dass das Nummernschild
wegen der schlechten Sichtverhältnisse nicht erkennbar ist. Getrieben von der Aussicht auf ersparte
Kosten verlässt A das Gelände, ohne zu bezahlen. Entgegen seiner Erwartungen hatte T den Vorgang
jedoch gar nicht bemerkt, da der rege Betrieb im Verkaufsbereich der Tankstelle seine ganze Aufmerksamkeit an der Kasse forderte. Allerdings hatte B, ein guter Bekannter des A, der für die Z-GmbH als Kraftfahrer tätig ist und ebenfalls eine Ladung nach Hamburg transportieren muss, das Tun des A genau beobachtet.
B ist im Besitz einer Tankkarte, die ihm die Z-GmbH ausschließlich zur Verfügung gestellt hat, um sein
Arbeitsfahrzeug zu betanken. Die Tankkarte hat die Z-GmbH ihrerseits von der Tankstellenbetreiberin S
erhalten. Aufgrund entsprechender Verträge berechtigt die Karte ihren Inhaber, Fahrzeuge an den Tankstellen der S zu betanken. Dabei wird dem Karteninhaber ein Kredit für den jeweiligen Kaufpreis eingeräumt, den dieser am Ende des Monats durch Zahlung an die S auszugleichen hat. Um die in Rechnung
gestellten Beträge nachzuvollziehen, sind die Kraftfahrer verpflichtet, die Tankbelege und Quittungen in
der Verwaltung einzureichen. Darüber hinaus ist den Kraftfahrern bei der Nutzung der Karte aufgegeben,
wegen erheblicher Preisdifferenzen für Dieselkraftstoff nur an bestimmten Orten, insbesondere bei Fahrten durch verschiedene EU-Staaten mit hohen Dieselpreisen, wie etwa Frankreich, vorher vollzutanken,
um im Interesse der Z-GmbH Kraftstoffkosten zu sparen. B beschließt, sein Gehalt zukünftig ein wenig
aufzubessern. In Hamburg angekommen, trifft er zufällig den A, der sich vor einem Tankautomaten der
Tankstellenbetreiberin S aufhält. Nach einem kurzen Gespräch über die immer weiter steigenden Kraftstoffpreise bietet B dem A an, seine Tankkarte zur Verfügung zu stellen. Er (A) müsse ihm dann nur die
Hälfte des Kaufpreises als „Aufwandsentschädigung“ zahlen. Begeistert von der Aussicht auf nochmalige
Betriebskostensenkung willigt A sofort ein und tankt Diesel im Wert von 76 €, nachdem B die Zapfsäule
mit der Tankkarte freigeschaltet hat. Wie vereinbart erhält er die Hälfte des an der Säule angezeigten
Geldbetrages von A. Später reicht B den Tankbeleg bei der in der Verwaltung der Z-GmbH tätigen M ein,
die am Ende des Monats den von der Tankstellenbetreiberin S in Rechnung gestellten Betrag ausgleicht.
Wie haben sich A und B strafbar gemacht?
Falltext
A 966
05.09.2016
Fall 1:
B betreibt einen Supermarkt in der E-Straße in C. Die den Kunden zur Verfügung gestellten Einkaufswagen stehen in drei nebeneinander gelegenen Reihen auf einem Abstellplatz. Der Gehsteig vor dem Ladengeschäft, an den der Abstellplatz für die Einkaufswagen angrenzt, weist zur Fahrbahn hin ein Gefälle
auf. Die Einkaufswagen, die nicht mit einem Pfandmarkensystem ausgerüstet sind, werden nach Ladenschluss von der Mitarbeiterin A mittels einer durch die Einkaufswagen geführten Kette gesichert, die
1–2 cm stark ist und um einen am Kopfende des Abstellplatzes vorhandenen Metallpfosten geschlungen
wird. Eine Sicherung der Kette mittels eines Vorhängeschlosses erfolgte nicht.
Nachdem B von Kunden mehrfach darauf angesprochen worden ist, dass die zu seinem Geschäft gehörenden Einkaufswagen des Öfteren nach Ladenschluss von Jugendlichen entwendet würden, um damit
Unfug zu treiben, besorgte er im September 2015 ein Vorhängeschloss und wies die A an, die Kette, die
zur Sicherung der Einkaufswagen dient, künftig mit dem Vorhängeschloss zu verschließen. Er erklärte der
A, dass er dadurch verhindern wolle, dass durch den Unfug der Jugendlichen Dritte zu Schaden kämen.
A kam der Weisung ihres Chefs nicht nach, da sie die allabendliche Absicherung der Einkaufswagen
generell als lästige Zusatzaufgabe empfand und sie durch das Abschließen nicht noch mehr Zeit vor dem
verdienten Feierabend verlieren wollte. B, der großes Vertrauen in seine Mitarbeiter hat, kontrollierte in
der Folgezeit nicht, ob A das Vorhängeschloss an der Kette anbrachte.
Am 09.12.2015 befuhr der K gegen 01.00 Uhr nachts bei stürmischen Witterungsverhältnisses mit seinem
Fahrzeug die E-Straße. In Höhe des von dem B betriebenen Lebensmittelmarktes kollidierte das Fahrzeug
auf der Fahrbahn mit einem Einkaufswagen dieses Supermarktes. Ob der Einkaufswagen bereits auf der
Straße stand oder erst kurz vor der Kollision auf die Straße gerollt ist, kann nicht aufgeklärt werden. K hat
den Einkaufswagen erst bemerkt, als er mit diesem kollidierte.
Es steht fest, dass A die Kette zur Sicherung der Einkaufswagen auch am Unfalltag angebracht hat und
diese auf dem Boden vor dem jeweils letzten Einkaufswagen in jeder Reihe lag. Hierdurch war sichergestellt, dass ein Einkaufswagen aus dem Abstellplatz nicht auf den Gehsteig und die Fahrbahn rollen
konnte. Da A das Vorhängeschloss nicht angebracht hatte, waren die Einkaufswagen jedoch nicht gegen
eine unbefugte Entnahme durch Dritte gesichert.
K muss für die Reparatur seines Kfz 4.000 € aufwenden.
1. Steht K gegen A und/oder B ein Schadensersatzanspruch wegen der Beschädigung seines Kfz i.H.v.
4.000 € zu?
2. Wenn A und B gegenüber K haften und B dem K die Reparaturkosten in geschuldeter Höhe ersetzt hat:
Kann B von A Erstattung verlangen?
Abwandlung:
B bietet seinen Kunden einen „Home-Service“ an: Sie können sich ihre Einkäufe nach Hause liefern lassen.
Um diese Aufgabe bewältigen zu können, hat B den F eingestellt, der die Einkäufe mit dem Fahrrad und
wenn es sich um größere Mengen oder weitere Wege handelt, mit seinem Kfz zu den Kunden bringt. Im
Arbeitsvertrag ist vereinbart, dass F für den Einsatz seines privaten Pkw für die Auslieferungsfahrten
0,30 €/km erhält.
Bei einer Fahrt zum Kunden X rutscht F auf nasser Fahrbahn aus leichter Unachtsamkeit in den Graben.
Dadurch wird der Kotflügel am Kfz des F beschädigt.
F begehrt die Reparaturkosten i.H.v. 750 € von B ersetzt. Zu Recht?
Falltext
C 681
05.09.2016
Gräfin E veranstaltet in der Stadt X im Land L seit vielen Jahren an einem Adventswochenende einen
Weihnachtsmarkt auf ihrem Schlossgelände. Jährlich besuchen ihn rund 10.000 Besucher. Probleme
bereitet seit langem deren An- und Abfahrt. Das Schloss ist nur über die engen Straßen der historischen
Ortschaft O zu erreichen. Viele Straßen haben keinen Gehweg und sind so schmal, dass kaum zwei PKW
aneinander vorbeifahren können. In O kommt es am Weihnachtsmarkt-Wochenende daher zu chaotischen Verkehrsverhältnissen: Autos verstopfen die Straßen und es wird ohne Rücksicht auf die StVO
geparkt, gewendet und abgebogen.
Die Polizei teilte der Stadt X schon vor Jahren mit, dass es aus verkehrlicher Sicht zwingend erforderlich
sei, den Fahrzeugverkehr am Veranstaltungswochenende auf das unumgängliche Minimum zu begrenzen. O müsse innerhalb eines näher umgrenzten Bereichs für den motorisierten Verkehr gesperrt werden; nur Anwohner dürften ein- und ausfahren. Als zuständige Straßenverkehrsbehörde erarbeitete der
Bürgermeister der Stadt X im Jahr 2006 ein Verkehrskonzept, das eine Sperrung der Zufahrtstraßen zum
Schloss (Ausnahme: Anliegerverkehr) an dem betroffenen Adventswochenende vorsieht. Daraufhin bessern sich die Zustände merklich.
Auf Antrag der E setzt der Bürgermeister der Stadt X am 14.06.2015 den Weihnachtsmarkt am 2. Adventswochenende 2015 als „Spezialmarkt/Weihnachtsmarkt“ nach der GewO fest und erteilt ihr – wie in
den Vorjahren – eine Erlaubnis nach § 29 Abs. 2 StVO (Schönfelder Nr. 35a). Diese enthält u.a. die Nebenbestimmung, dass E der Stadt X alle Kosten zu ersetzen hat, die der Stadt durch das erhöhte Verkehrsaufkommen zusätzlich entstehen (u.a. Aufstellung und Entfernung der mobilen Verkehrszeichen, insgesamt
rd. 15.000 Euro). Gleichzeitig ordnet der Bürgermeister der Stadt X gemäß § 45 Abs. 1 StVO die Durchfahrtsverbote entsprechend dem Verkehrskonzept an.
E meint seit langem, dass ihr Weihnachtsmarkt nach der StVO erlaubnisfrei sei. Um den Markt 2015 nicht
zu gefährden, wartet sie dessen Ende ab. Anfang 2016 wendet sich ihr Rechtsanwalt R an die Stadt X. Der
Weihnachtsmarkt finde auf ihrem Privatgelände und nicht auf der öffentlichen Straße statt. Die Besucher
würden die öffentlichen Straßen nur insoweit benutzen, als sie zum Weihnachtsmarkt gelangen wollten.
Nach seiner sorgfältigen Auslegung erfasse § 29 Abs. 2 StVO nur Veranstaltungen auf öffentlichen Straßen. Den Erlaubnisantrag habe E in der Vergangenheit nur um des lieben Friedens willen gestellt.
Die Stadt X antwortet, § 29 Abs. 2 StVO sei schon deswegen einschlägig, weil der Weihnachtsmarkt durch
seine Besuchermassen die Straßen mehr als verkehrsüblich in Anspruch nehme. Viele Besucher verstießen außerdem grob gegen die StVO. Der Weihnachtsmarkt bewirke, dass die Straßen zum Straßenverkehr am Veranstaltungswochenende nur eingeschränkt nutzbar seien. Daher könne von der Erlaubnis
einschließlich der Nebenbestimmung grundsätzlich nicht abgesehen werden. Im Übrigen könnten die
Nebenbestimmungen auch auf die GewO gestützt werden. Wenn die verkehrsrechtlichen Maßnahmen
nicht durchgeführt würden, steht die gesamte Festsetzung des Marktes nach der GewO in Frage.
Trotzdem erhebt E am 15.01.2016 durch R Klage gegen die Stadt X mit dem Antrag festzustellen, dass sie
für ihren jährlichen Weihnachtsmarkt keiner Erlaubnis nach § 29 Abs. 2 StVO bedarf. Die von R gefertigte
Klage enthält nur den Klageantrag, eine Kopie der Bescheide von 2015 und des Anschreibens von Anfang 2016 sowie das Versprechen, eine ausführliche Klagebegründung alsbald vorzulegen. Das Gericht
mahnt diese am 15.02., 16.03. und 16.04.2016 bei R an. Am 29.04.2016 stellt das Gericht dem R eine
– formal ordnungsgemäße – Verfügung vom Vortag zu, in der es daran zweifelt, dass E noch an dem
Prozess interessiert ist, weil die angekündigte Klagebegründung immer noch aussteht. Es weist darauf
hin, dass die Klage als zurückgenommen gilt und E die Kosten tragen muss, wenn E das Verfahren nicht
innerhalb von zwei Monaten seit Zustellung der Verfügung betreibt. Am 17.08.2016 erklärt R, E wolle das
Verfahren fortführen und verweist auf Art. 19 Abs. 4 GG.
Hat die Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht Erfolg?
Aufgabe: Begutachten Sie die Erfolgsaussichten der Klage. Es ist zu allen aufgeworfenen Rechtsfragen
– ggf. hilfsgutachterlich – Stellung zu nehmen. Das VwVfG des Landes L ist identisch mit dem VwVfG des
Bundes. Von den Ermächtigungen in §§ 61 Nr. 3, 68 Abs. 1 S. 2, 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO hat L keinen Gebrauch gemacht.