Radiogottesdienst am 14. August 2016

Radiogottesdienst am 14. August 2016
Forumskirche St. Peter in Oldenburg
Predigt
Liebe Gottesdienstgemeinde, hier in der Kirche und über das Radio mit uns verbunden,
das Evangelium hat bei vielen von Ihnen wahrscheinlich gerade Entsetzen ausgelöst. Das klingt
ja furchtbar. Was für eine Disharmonie, was für ein familiärer Unfriede! Und das will Jesus?
Dazu ist er gekommen? In der Vorstellung vieler darf es eine Spaltung in der Familie um des
Glaubens Willen nicht geben. Da sind die Meisten in ihrem Denken und Empfinden wohl immer
noch geprägt vom Leben in einer christlich dominierten Gesellschaft. Und in einer solchen hatte
man als Familie gläubig zu sein. Man betete als Familie vor dem Essen und ging am Sonntag
gemeinsam zur Kirche. Die Eltern gaben so in selbstverständlicher Weise ihren Glauben an die
Kinder weiter - die Familie als Hort des einmütigen Glaubens. Ein Ideal, das lange Zeit in
unserem Land gegolten hat und das in unseren Köpfen wohl immer noch präsent ist.
Wenn ich meinen Freundes- und Bekanntenkreis jedoch gedanklich durchgehe, fallen mir nicht
wenige Personen ein, deren Realität anders aussieht. Ich denke an eine Freundin, für die der
Glaube und die Teilnahme am Gemeindeleben sehr wichtig sind. Daraus bekommt sie viel Kraft
für ihr Leben. Ihr Ehemann hingegen hat dazu keinen Zugang, kann damit nichts anfangen.
Immer wieder kommt es diesbezüglich zwischen den beiden zu hitzigen Diskussionen, die seit
Jahren ohne Annäherung bleiben und ihre Beziehung belasten.
Ich denke an Tim in meiner Kaplansgemeinde, der nach der Erstkommunion so gerne
Messdiener werden wollte. Neugierig und mit großer Freude hatte er an der
Erstkommunionvorbereitung teilgenommen. Und nun wollte er zusammen mit seinem besten
Freund gerne zu den Messdienern. Doch seine Eltern hatten andere Vorstellungen von der
Wochenendgestaltung und verboten ihm dies. In meiner vorherigen Stelle in der
Berufungspastoral, habe ich fünf Jahre lang junge Menschen begleitet, die überlegten Priester
oder Ordenschrist zu werden. Unter ihnen war kaum jemand, der mit seinen Eltern offen über
seinen Wunsch, diesen Weg in der Nachfolge Jesu zu gehen, sprechen konnte. Ganz
überwiegend wussten die Jugendlichen darum, dass die Eltern ihren Überlegungen sehr kritisch
oder auch entschieden ablehnend gegenüberstanden.
Von einigen anderen Beispielen könnte ich Ihnen noch erzählen. Aber ich vermute, auch Ihnen
fallen Personen ein, an denen deutlich wird, dass die Familie nicht immer ein einmütiger Hort
des Glaubens war und ist. Ja vermutlich, brauchen nicht wenige von Ihnen nur an Ihre eigene
Familie zu denken. Auch von Ihnen, hier in der Kirche und am Radio, nehmen jetzt einige
alleine am Gottesdienst teil, ohne Ihren Partner oder Ihre Partnerin. Und wie vielen von Ihnen
macht es zu schaffen, dass Ihre Kinder und Enkelkinder, trotz aller Mühen einer christlichen
Erziehung, heute vom Glauben und der Kirche nichts mehr wissen wollen?
Der Glaube an Gott als Knackpunkt im familiären Zusammenleben. Jesus zeigt sich mit seiner
Aussage im Evangelium einmal mehr als Realist, auch wenn es hart und schonungslos klingt.
Er ist ehrlich. Er will uns nichts vormachen. Jesus weiß darum, dass der Glaube an Gott im
Letzten etwas Persönliches und Individuelles ist. Der Glaube erwächst aus der persönlichen
und freien Bereitschaft des Einzelnen, sich auf Gott einzulassen und sich ihm anzuvertrauen.
Katholisches Rundfunkreferat – www.ndr.de/kirche
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Der Glaube an Gott ist etwas in mir. Ich kann ihn anderen nur begrenzt zugänglich machen und
ihn nicht einfach so weitergeben. Ihn anderen aufzuzwingen oder einzutrichtern funktioniert
schon mal gar nicht, auch nicht in der eigenen Familie. Das Glaubensbekenntnis der Christen
beginnt mit dem Wort: Credo - das heißt übersetzt: ich glaube. Auch wenn wir das
Glaubensbekenntnis im Gottesdienst gemeinsam sprechen oder singen, letztlich kann jeder und
jede nur für sich selber sagen, woran er oder sie glaubt, oder richtiger gesagt, wem er oder sie
glaubt. Glaubensaussagen kann es sinnvoller Weise nur in der Ich-Form geben.
Natürlich ist es gut und hilfreich, wenn mich eine Wolke von Glaubenszeugen umgibt, wie es bei
Paulus in der Lesung so schön hieß. Wenn andere mich tragen, mir helfen zu glauben, mir das
Glauben leichter machen. Das tut gut. Mein persönlicher Glaube lebt auch vom Glauben der
anderen. Sehr dankbar darf ich sein, wenn ich diese Unterstützung in meinem Umfeld und in
der eigenen Familie finde, wenn ich dort den Glauben zusammen mit anderen leben und
praktizieren kann. Aber dies ist längst nicht immer der Fall und muss auch nicht so sein.
Letztlich muss ich den Wettkampf, der mir aufgetragen ist, alleine bestehen - um in der
Bildsprache des Paulus zu bleiben. Es geht um die Kraft in mir und um meine Ausdauer den
Glaubensweg mit all seinen Herausforderungen und Anfragen zu bewältigen, und da hilft mir die
Kraft und Ausdauer der anderen nur indirekt.
Liebe Gottesdienstgemeinde!
Am Pfingsttag kam der Heilige Geist in Feuerzungen auf die Jünger herab. „Auf jeden von ihnen
ließ sich eine nieder.“1 Der Einzelne wurde mit der Kraft zum Glauben erfüllt und inspiriert in der
Nachfolge Jesu zu leben. Und doch begannen die ersten Christen damals gemeinsam Gott zu
loben. Es herrschte eine große Verbundenheit unter ihnen, trotz ihrer unterschiedlichen
Sprachen und Herkunftsorte. So schildert uns die Apostelgeschichte das Entstehen der Kirche
und liefert uns damit eine Vorlage für unser Christsein heute.
Feuer – das steht auch in unserem Alltag für Energie, die die Kraft hat, zu verändern und Neues
entstehen zu lassen. Denken Sie nur an das Kochen oder an das Einschmelzen von
Materialien. Auch derjenige, in dem Gottes Geistfeuer wirkt, verändert sich, wird neu. Ihm
eröffnet sich eine neue Sichtweise auf die Dinge der Welt und sein eigenes Leben. Eine
Sichtweise, die Gewohntes und Übliches in Frage stellt, die somit provoziert und sicher nicht
von allen geteilt wird, die daher auch zur Auseinandersetzung und zu Streit führen kann - selbst
in der eigenen Familie und unter Paaren. Auch das gehört zum Glauben und Leben in der
Nachfolge Jesu.
Zu dem Neuen, das Gottes Geist bewirkt, gehört jedoch auch die Verbundenheit, die die
Glaubenden untereinander erfahren und sie zu einer Gemeinschaft werden lässt, wie damals
am Pfingsttag oder jetzt hier im Gottesdienst. Durch Gottes Geist entsteht eine neue Familie,
von Schwestern und Brüdern, mit einem gemeinsamen Vater im Himmel, über all die vielen
Unterschiede, Kultur- und Nationengrenzen hinweg. Nicht mehr die Blutsverwandtschaft, das
Sippendenken sind das alles Entscheidende für das Leben der Christen. Gottes Geist will uns
dazu ermutigen, nicht mehr nur die eigene Familie zu sehen, nur für sie dazu sein und zu
sorgen, sondern mit der gleichen Selbstverständlichkeit alle Menschen im Blick zu haben, mit
ihnen zusammenzuleben und für sie dazu sein - dazu ist Jesus gekommen, dazu soll sein
Feuer in uns brennen, dazu will er uns mit seinen Worten herausfordern. Amen.
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Katholisches Rundfunkreferat – www.ndr.de/kirche