title circulation issue page trend. Premium 43.325 30/2016 28-32 1/5 Die Branche hat die besten Jahre hinter sich. So wie zwischen 1997 und 2007 wird es nicht mehr. Was ist in dieser Situation die Motivation, trotzdem weiter- Brauchen wir noch Banker? Erste-Boss ANDREAS TREICHL aussterbenden Beruf über deji möglicherweise des Bankers, seine Motivation, trotzdem weiter- zumachen, und die Hoffnung auf eine weniger blöde und feige Politik. TRI \I> Sie sind der längstdienende Bank-CEOder Welt, haben hei der Erste Group alle Höhen und liefen mitgemacht. Was erwarten Sie sich noch in Ihren letzten vier Jahren? TRE1CHI Viel Spannung, weil wir nicht wissen, in welche Richtung sich das Bankwesen entwickeln wird. Viel wird von uns seihst abhängen, vieles aber auch von der Politik. Wir stehen erst am Anfang einer Phase, in der die Digitalisierung unsereBranche total verändern wird. Bill Gates hat Mitte der 90er-Jahre gesagt: "Wc need Banking, but we don t need banks." Ich glaube, der Spruch müsste heute eher lauten: "We need banks, but mavbe we don t need bankers." Die ganz große Frage wird sein: Wie stark wird unser Geschäft in Zukunft von Logarithmen beherrscht? . Ist das fiir Sie nicht der Punkt, an dem Sie sagen: Das tue ich mir nicht mehr an? Nein, weil ich persönlich noch immer sehr stark daran glaube, dass Banker, die Entscheidungentreffen, wichtig für die Wirtschaft sind bei allen Fehlern, die dabei passieren können. Können sie das nicht mehr, weil das Bankgeschäft so stark schematisiert wird, ginge meiner Meinungnach ein großer Wert verloren. Aber es gibt viele, die das anders sehen. Darum halte ich es durchaus für möglich, dass künftig Computer darüber entscheiden, wer einen Kredit bekommt und wer nicht. In der Vergangenheit waren unsere Risikokosten viel zu hoch, keine Frage. Jetzt sind sie aber so niedrig, dass man sich tatsächlich fragen muss: Wozu braucht man da noch eine Bank? - zumachen? Dass dieser Befund nicht nur für die Banken gilt, sondern generell für Wirtschaftsräume, die in hohem Maß von Fremdfinanzierungabhängen, weil sie keinen funktionierenden Kapitalmarkt haben wozu Österreich zählt. Wenn das Bankwesen in Richtung totale Systematisierunggeht, werden wir massive Nachteile gegenüber Ländern wie den USA, England oder Schweden haben. Die Ansätze, einen Kapitalmarkt zu entwickeln, sind gut, aber der Politik ist nicht bewusst, welche massiven Veränderungen, auch gesellschaftspolitische, dafür notwendigwären. Das klare Bekenntnis zum Kapitalismus ist nicht überall in Europa vorhanden. - Und Sic wollen noch mitwirken, dieses Bewusstseinzu schaffen? Wir sollten verhindern, dass Österreich zunehmend ins Hintertreffengerät. Darauf basiert ja mein Ärger seit zehn Jahren, der auch diesen Spruch über Politiker ausgelöst hat... dass sic alle zu blöd, feig und ahnungslos sind. Der hat sich ja daraufbezogen, dass unsere Politiker nicht realisieren, welchen Nachteil unsere Unternehmen etwa durch die Bascl-III-Regeln haben werden. Jetzt habe ich aber das erste Mal seit Langem wieder einen Hoffnungsschimmer, dass es in die richtige Richtung geht aufgrund der politischen Akteure in Österreich, die das Wissen und den Mut haben, Entscheidungenzu treffen, auch wenn sie nicht populär sind. ... - Der Start des neuen Regierungsteams war also ermutigend? Der Wechsel im Finanzministerium war sehr ermutigend. Und ich glaube, wenn sieh die Regierungsparteien gegenseitig Erfolge gönnen, könnte das jetzt eine gute Kombination sein. Wobei gewisse Äußerungen von Bundeskanzler Kern schon wieder Zweifel ge- schürt haben, oh das Verständnisfiir die Wirtschaft tatsächlich so groß ist. Ich halte es für zu kurz gegriffen, wegen jeder Äußerung in fürchterliches Wehklagen zu verfallen. Auch die Wirtschaft braucht ein besseres Verständnis dafür, wie schwierig Politik geworden ist. Es gibt viele Beispiele Polen, Schweden, Slowakei, Deutschland, wo frühere - 2/5 "Wir haben überlegt, aus der alten Erste-Zentrale einen riesigen Tresor für Bargeld zu machen." CEO ERSTE GROUP Regierungen alles richtig gemacht haben, um den Wohlstand ihrer Bevölkerungen zu mehren, und trotzdem brutal abgewählt wurden. Das Richtige zu tun und wiedergewähltzu werden, ist eine große Herausforderung. Möglicherweise funktioniertdas nicht - gesagt: "Wir sind bereit, darüber zu ver- handeln, wenn das Geld für die Bildung verwendet wird. Dann wissen wir, dass wir für eine sinnvolle Arbeit der Regierung etwas zahlen." Das w urde uns von beiden Parteien zugesagt und von beiden ohne irgendeine Erklärungdann nicht eingehalten. - nicht wachsen können. Punkt. So einfach ist das. Leider gibt es noch immer viele Banken, die keine gute Rolle dabei spielen, das Image der Branche w esentlich zu verbessern. Deswegen traut sich die Politik nicht, für etwas einzutreten, was von der Bevölkerungeher abgelehnt wird, nämlich, den Banken w ieder mehr Freiheit zu lassen. entweder das Richtige tun oder Wiederwahl? Wenn das so ist, wenn sich professionelle nicht gegen populistische Politik durchsetzen kann, dann sind wir echt in der Rue de la caque. Dann haben wir ein gravierendes Problem mit der Demokratie. Ich hoffe, es gelingt einigen Politikern, diesen Knoten zu lösen. Sic haben einmal gesagt: Die Politik stellt das größte Risikopoten/.ial für Banken dar. Ja, neben Fehlern, die wir selbst gemacht haben, waren populistische politische Entscheidungender Ihr positiver Eindruck vom neuen Kanzler hat w ohl Hel damit zu tun, dass die Bankensteuer endlich drastisch reduziert wurde... Als Teil des Standortpakets w ar das ein notwendigerSchritt. Aber tatsächlich ist es nicht leicht für einen sozialdemokratischen Bundeskanzler, so rasch nach seinem Amtsantritt etwas zu ändern, was von seinem Vorgängerals Leuchtturm größte negative Faktor zulasten unseres Geschäfts. Diese haben uns zwischen 200.9 und 2014 in Ungarn, Kroatien, Österreich etc. mehrere Milliarden Euro geld gerettet werden. Ein Riesenproblcm: Entwederverlieren Leute Geld, die Anleihen gekauft haben, oder man verteilt das gleichmäßigauf alle Steuerzahler. Ich meine, cs sollten eher die Anleiheinvestoren zu spüren bekommen. gekostet. Politiker haben negative Entwicklungen im Bankgeschäft sehr geschickt zum eigenen Vorteil ausgenutzt. Für die Zukunft wird es wichtig sein, dass die europäische Politik ihren Auftrag an die Regulatoren sehr stark präzisiert. Was derzeit geschieht,basiert noch Zum Teil sind das aber kleine Sparer. Stimmt, aber auch ein Retail-Kunde sollte wissen, dass er ein sehr hohes Risiko hat, wenn ihm jemand obwohl der risikofreie Zinssatz, bei einem Prozent liegt auf eine Anleihe sechs Prozent sozialdemokratischerPolitik bezeichnet wurde und sehr ideologisch aufgeladen war. Wobei auch Hans Jörg Schelling als auf dem Auftrag aus 2009 ... der zum Ziel hat, das Finanzsystemso aufzustellen, dass die Steuerzahler nie erster Finanzminister seit 2008 erkannt wieder dafür geradestehenmüssen. Was hat, dass das keine sehr sinnvolle Maßsehr richtig und gut ist. Nur müsste man nahme war. Lind die Abschlagszahlung jetzt sagen: Wir wollen trotzdem, dass von einer Milliarde Euro, die herausgeholt die europäischen Banken in der Lage wurde, ist auch nicht ohne. sind, Risiko zu übernehmen, um damit das Wachstum der europäischenWirtDass die in den Bildungsbereichgeht, schaft zu fordern. Wenn w ir das Bankgelindert den Schmerzein wenig? Als die schäft so regulieren,dass Banken keine Bankabgabeeingeführt wurde, war das unternehmerischen Fehlentscheidungen eine Forderungvon uns. Wir haben mehr treffen können, dann wird Europa Aktuelles Beispiel ist Italien: Dort sollen jetzt wieder marode Banken mit Steuer- - - bietet; egal, von wem das Produkt stammt und wie es aussieht. ... Etw a die Deutsche Bank oder der Vermögensverwaltcr Black Rock nehmen die Schieflage in Italien zum Anlass, nochmals Unsummen an Staatsgeldern für die europäischen Banken anzuregen, weil die nachhaltige Sanierung des Einanzsystems in der EU angeblich versäumtwurde. Ist das auch Ihre .Sicht? Es gibt in Europa sehr viele Banken, die 2016 sehr viel besser aufgestellt sind als 2006. Eine davon ist die Erste Group. Die anderen sollen 3/5 keinesfalls wieder mit Steuergcldern unterstützt werden, sondern der Markt muss endlich bereinigt werden. Banken, deren Geschäftsmodellnicht funktioniert, sollten jetzt verschwinden und zwar so schnell wie möglich. - Was tut denn die Erste Group, uni sieh Glaubwürdigkeitund positives Image wieder zurückzuerobern?Wir haben ganz klar entschieden: Nie wieder dürfen wir unseren Kunden Produkte oder Dienstleistungen verkaufen, die sie nicht verstehen und die sie nicht brauchen. Wir dürfen einer Großmutter nicht mehrden 24. Bausparvertrag verkaufen. Wir wollen das konsequentmachen, und wenn es uns dabei nicht gelingt, profitabel zu arbeiten, dann haben wir keine Existenzberechtigung mehr, dann müssen wir eben aus dem Markt verschwinden. Man könnte jetzt cinwcnden: Banken, die diesem Prinzip nicht folgen, sind profitablerund halten sich vielleicht länger aber derzeit schaut's eher umgekehrt aus. viele andere Belastungen zu hoch sind. Da wachsen sic lieber nicht. Zusätzlich sind auch Banken bzw. die Regulierung ein Teil der Wachstumsbremse.Unter- nehmer kriegen zwar Kredite billig wie noch nie, aber die Bank will I laus, Hof, Auto, Pferde, Frau und Kinder verpfändet haben. Das schreckt ab. Die EZB müsste die strengen Besiche- rungsvorschriften lockern? Ich glaube, es würde einen großen Unterschied machen. Neben der Problematikdes Privatvermögensgibt es ja zig andere Beschränkungenfür die Kreditvergabe. Man übersieht,dass in keinem Land Europas mit AusnahmeItaliens eine Finanzkrise entstanden ist, weil Banken Kredite an Klein- und Mittelbetriebevergeben haben. Im Gegenteil: Kredite, die nach heutiger Regulierung unmöglich zu vergeben wären, haben in der Vergangenheit viel Wohlstand geschaffen. - - - Zum Beispiel im österreichischenFremdenverkehr? Der wäre nicht entstanden, hätten Raiffeisen und die Sparkassen Sie glauben, dass sich dieses Bewusstsein auf breiterEront durchsetzenwird? nicht finanziert. Und in 95 Prozent der Fälle sind wir richtig gelegen. Wir haben Im Unterschied zu anderen Branchen Eigenkapital durch kurzfristige Kredite müssen wir im Sinne unsererKunden Entscheidungen treffen, die uns finanzi- ersetzt, dazu gibt cs kaum Alternativen. Man kann ein fehlendes Kreditfinanzieell wehtun. Einem Hotelbetreiber wird rungsvolumen von 20 Milliarden Euro niemand vorwerfen, wenn er nicht sagt: in Österreich nicht durch 200 Millionen "Dieses Zimmer ist zu teuer für Sie." Kein Obstverkäufer wird sagen: "NehCrovvd Investing und 500 Millionen Venture Capital wettmachen. Das sind men S doch nur ein statt zwei Kilo." gute Ansätze der Politik, aber nicht Aber Banken müssen sagen: "Machen Sie den Kredit nicht oder kaufen Sie die- mehr. Wohersollen sich Betriebe denn ses Produkt nicht." Momentan haben wir Eigenkapital holen, wenn es keinen leider das Problem: Entwederverkaufen Kapitalmarkt für sie gibt? Nur dadurch, wir den Kunden nur Dinge, die sie wirk- dass sie Gewinne machen. Gewinne könlich verstehen, dann haben sie aber über- nen sie nur machen, wenn sie wachsen. haupt keinen Ertrag. Oder wir gehen in Und wachsen können sie nur, wenn wir etwas kompliziertere Produkte. sie finanzieren dürfen. hat die EZB ja bislang nicht den Auftrag, das Wachstum in Europazu fordern. In ihrer anderen Funktion als Zentralbank versucht sie das durch die Null- - zinspolitik, aber ebenfalls mit überschaubaremErfolg... Einem Teil von Europa hilft ihre Zinspolitik, einem anderen schadet sie. Die EZB hilft den Staaten und schädigt die Mittelklasse, die kaum noch die Möglichkeit hat, sich wenigstens einen kleinen finanziellen Polsteraufzubauen. Was letztlich auch der Tod der privaten Vorsorge ist. Ja, das ist eine dramatische gesellschaftliche Veränderung und eine echte Katastrophe, mit der wir uns viel stärker auseinandersetzenmüssen. Diese Situation ist der größte Ungleichheitserzeuger überhaupt. Wer heute noch nichts besitzt, hat praktisch keine Chance, sich ein bisserl eine Altersvorsorgcaufzubauen. Das führt dazu, dass die Leute immer früher beginnen, ihren Konsum einzuschränken,um für die Pension zu sparen mit dramatischenvolkswirtschaftlichen Konsequenzen, die von vielen Mitgliedern der EZB und der Zentralbanken in sehr oberflächlicher Weise abgetan werden. Da heißt cs dann: Die Banken müssen sich halt was einfallen lassen, damit sie für ihre Kunden mit Wertpapieren höhere Erträge erwirtschaften. Wozu führt das? Dass wir wieder an irgendwelchen gefinkelten Konstruktionen arbeiten müssen. Und dann sind wir sehr schnell wieder bei genau solchen Produkten, die auch die Finanzkrise ausgelöst haben. - Im Unterschied zu den Banken selbst müssen ihre Kundenwenigstens noch keine Negativzinsenzahlen. Dagegen werden wir uns standhaft wehren, weil Nochmalszur Regulie- Fakten zur Erste Group Wie könnte ein Ausweg sie sonst ihr Geld unter den Kopfpolster aus diesem Teufelskreis legen. Auch wir haben bei unseren Überrung: Wie sehr sind die Gründung 1819 als Erste österreichische aussehen? Den kann legungen, wie wir die alte Erste-Bankstark eingeschränkten Spar-Casse in Wien-Leopoldstadt man nur durchbrechen, Zentrale am Graben verwerten sollen, Finanzierungsmöglich- Börsengang: 1997 wenn eine wirklich schon daran gedacht, daraus einen riesikeiten schuld an der Marktwert: 10,2 Milliarden Euro starke Vertrauensbasis gen Tresor zu machen, unser Geld von Wachstumsschwäche in Mitarbeiter: 46.600 (davon 12.460 in Österreich) zwischen der Politik, der EZB abzuholen und SOOer-Schcine Europa? Länder wie 206,4 Milliarden Euro einzulagern (lacht). Leider sind die der produzierenden Österreich haben prin- Bilanzsumme: Nettogewinn (2015): 968,2 Millionen Euro Wirtschaft, den Banken Versicherungskostennoch höher als die zipiell ein StandortFilialen: 2.711 in sieben Ländern und den Regulatoren Negativzinsen. problem. Viele Unter1.132 in Österreich) entsteht. Wenn man nehmer sagen sich, die (davon Kunden: 15,8 Millionen in Österreich, sagt: Wir gehen das Womitwird die Erste Group künftig Geld Chance aufkünftige Tschechien,Slowakei, Rumänien, jetzt gemeinsam an und verdienen?Was Ist das Geschäftsmodell Erträge rechtfertigt das Serbien, Ungarn und Kroatien Risiko einer Kreditauf- Eigentümer Erste Stiftung (19,2 Prozent), lassen auch die Banken im Umfeld regulatorischcrFesseln, Nullnahme nicht. Weil die Criteria Caixa Corp. (9,9 Prozent), wieder mehr Risiko zinsen, digitalerKonkurrenz? Da muss nehmen. Als Regulator man unterscheiden. In Zentral- und Lohnnebenkosten und Streubesitz (70,8 Prozent) 4/5 pPWer heute noch nichts besitzt, hat praktisch keine Chance mehr, sich eine private Altersvorsorge aufzubauen." ANDREAS TREICHL CEO ERSTE GROUP Osteuropa haben wir die Rolle, dabei zu helfen, die Mittelklasse wieder aufzubauen, sie bei der Vermögensbildung zu unterstützen und Klein- und Mittelbetriebe zu begleiten. Die Erste hat das Glück, dass wir in vielen Ländern tätig sind, in denen die Stimmung nicht so schlecht ist. Wir haben zum Beispiel 19 Prozent Kreditwachstum in der Tschechischen Republik, w eil die Leute Hoffnung auf eine bessere Zukunft haben. In Österreich müssen wir uns gemeinsam mit den Sparkassen hingegenso positionieren, dass wir trotz der Regulierung dazu beitragen können, das langsame Verschwinden der Mittelklassezu stoppen, indem wir den Kunden in Fragen der Finanzierung oder der Geldanlagehelfen. - - Aber was gibt es bei Privatkunden noch groß zu beraten, wenn die Geldanlage keine Erträge bringt, ein Kredit nur nach Checklist vergeben werden darf und der Zahlungsverkehr sowieso automatisiert abläuft? Wir kennen unsere Kunden, wissen über ihre Familien- und Vermögensverhältnisse Bescheid. Deswegen bin ich überzeugt, dass wir weiterhin sinnvolle Beratungsleistungen bieten können, obwohl das immer schwierigerwird. Braucht es neue Gebührenmodelle,vielleicht ä la Telekom-Anbieter: entweder Flatrate oder niedriges Fixum mit Zusatzgebühren? Um das Thema Bankomatgebühren gleich einmal abzuhaken: Es ist ausgeschlossen,dass wir von den eigenen Kunden was verlangen, wenn sie bei uns Geld abheben.Aber ob wir jemandem sieben Tage die Woehe rund um die Uhr zur Verfügung stehen sollen oder ob er uns nur sehr selten braucht, wird sich klarerweise auch in unterschiedlichen Kosten ausdrüeken. Selbst- verständlich müssen wir möglichst billig sein: Wir haben noch viel Potenzial, effizienter zu werden. Wird die Erste Group noch Filialen im klassischen Sinn haben oder nur noch einige wenige Servicecenter? Sie sprechen da eine ganz wichtige Entwicklungan, bei der wir allerdings erst am Anfang stehen. Es gibt niemanden in der Branche, der wirklich weiß, wie die ideale Filialstruktur aussieht, auch w eil das zwischen Stadt und Land ganz, verschieden ist. Die Filialanzahl ist als Messlatte jedenfallszu oberflächlich. Entscheidend ist, ob die Kosten einer Filiale gerechtfertigtsind: bei über 1.000 Quadratmetern am Wiener Graben genauso wie bei 23 Quadratmetern in Mühlbach am Hochkönig. Dass wir in Österreich viel zu v iele Bankstellen haben, steht sowieso außer Frage. Sonst wird es sie nicht mehr geben. Ich sehe die Voraussetzungen nicht so schlecht, weil andere von der Datenbasis, die Banken haben, nur träumen können. Um uns ernsthafte Konkurrenz zu ma- chen, müssten auch Tech-Unternehmen alle drei Bereiche anbieten. Dann sind sie auch eine Bank, werden von der Regu- lierung genauso eingeengt und verlieren ihren Wettbewerbsvorteil. Trotzdem: Sie sagten vorhin selbst, man braucht keine Bank, wenn ein Computer das auch machen kann. Die Funktion einer Bank brauche ich schon noch, aber vielleicht keine Banker mehr, wenn alles nur nach Schema F abläuft. Wir bauen unsere Gruppe so auf, dass wir unter Umständen nur mit Computertechnikern, Programmierern und Designern auskommen; ohne Leute, die individuell auf die Kunden eingehen was uns in der Vergangenheit ausgemacht hat. - Die Erste gibt mit ihrem Digitidangebot "George" mächtig Gas. Aber ist "George", fiir sich betrachtet, auch ein Geschäft? Zu glauben, dass man mit der Digitalisierung des Frontoffice Geld verdienen kann, wäre eine Fehleinschätzung.Das ist nur Teil der Multi-Chanel-Strategie, die eine Bank einfach haben muss. Das Um und Auf ist: Wie gut gelingt es, das BackOffice zu digitalisieren,die Erfas- sung und Nutzung der Daten? Wer die Daten seiner Kunden am besten managt, wird sich durchsetzen. Konzerne wie Google oderjimge, innovative Fintechs sind in dieser Disziplinaber meist besser als Banken. Ja, diese Unternehmen sind eine echte Bedrohung.Aber unser Geschäft besteht aus drei Teilen: Zahlungsverkehrbzw. Transaktionen, Vermögensverwaltung,Finanzierung. Banken werden überleben, wenn sie diese drei Teile digital unter einen Hut bringen. Aber dann wäre Ihr Gesehäftsmodell tot. Es wäre anders. Wir wären ein Versorgungsunternehmen und müssten uns eben darauf einstellen. Ich hielte diese Entwicklung aber für schlecht. Der Job des Bankmanagersscheint nur noeh ein quälendes Rückzugsgefecht zu sein. Was uns zur Frage zurückbringt: Nach erfolgreichen Jahrzehnten in der Branche ist das doch keine Perspektive. Würden Sie nicht lieber Bücher lesen, in die Opergehen, mehr Zeit mit der Familie verbringen? Ich bestreite vehement, dass cs nur noch ein Rückzugsgefechtist. Das Bankgeschäftwar intellektuell noch nie so herausforderndwie jetzt. Noch nie gab cs so spannende, auch gesellschaftspolitisch relevanteZukunftsfragen zu klären. Das ist für mich ein starkerAntrieb. Und meine Familie ist ganz zufrieden mit mir. 5/5
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