Johannes Gutenberg-Universität Mainz Geographisches Institut Hauptseminar WS 1997/98 Wirtschafts- und sozialgeographische Entwicklungsprozesse im Vorderen Orient Räumliche und wirtschaftliche Segregation oder Mischung verschiedener sozialer Gruppen im Vorderen Orient am Beispiel der arabischen Golfstaaten Seminarleitung: Prof. Dr. Günter Meyer Referent: Martin Fetzer 1 Inhaltsverzeichnis 1 EINLEITUNG 1.1 Historische Entwicklung der arabischen Golfstaaten 1.2 Die arabische Golfküste im Spannungsfeld internationaler Interessen 2 DEMOGRAPHISCHER UND WIRTSCHAFTLICHER WANDEL DER ARABISCHEN GOLFSTAATEN IM 20. JAHRHUNDERT 2.1 Wirtschaftliche Ausgangssituation der Golfstaaten 2.2 Struktur der Bevölkerung in den Staaten des arabischen Golfs 2.3 Der Anteil der ausländischen Bevölkerung in den Staaten des Arabischen Golfs 3 SOZIAL-RÄUMLICHE SEGREGATION DER BEVÖLKERUNG IN DEN STÄDTEN AM ARABISCHEN GOLF 3.1 Traditionelle sozial-räumliche Segregation der Bevölkerung in den Städten am Arabischen Golf 3.1.1 Die Bevölkerung des Sultanats Oman 3.1.2 Muscat und Matrah, bescheidene Handelsstädte mit traditioneller sozial-räumlichen Segregation 3.1.3 Die Bevölkerung von Kuwait 3.1.4 Kuwait-Stadt. Vorbotin einer modernen islamischen Stadt? 3.2 Moderne sozial-räumliche Segregation der Bevölkerung in den Städten am Arabischen Golf 3.2.1 Die Capital Area und die moderne sozio-ökonomische Segregation der Gesellschaft 3.2.2 Räumliche und wirtschaftliche Segregation der kuwaitischen Bevölkerung 3.3 Zusammenfassung 4 FAZIT 5 LITERATURVERZEICHNIS 5.1 Quellen Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Kuwait: Alterspyramide der kuwaitischen und non-kuwaitischen Bevölkerung (1994) Abbildung 2: Anteil der ausländischen Bevölkerung in den arabischen Golfstaaten Abbildung 3: Modell der traditionellen sozial-horizontalen Differenzierung der Einwohner von Muscat/Matrah Abbildung 4: Viertelgliederung von Muscat um 1900 Abbildung 5: Versuch einer funktional- und sozialräumliche Differenzierung der traditionellen Stadt Kuwait Abbildung 6: Modell der heutigen sozial-vertikalen Differenzierung der Einwohner des Capital Area von Oman (Omanis, Non-Omanis) Abbildung 7: Modell der heutigen sozialen Differenzierung der Omanis des Capital Area Abbildung 8: Modell der kuwaitischen Gesellschaftsstruktur Abbildung 9: Räumliche Segregation von kuwaitischer und nonkuwaitischer Bevölkerung Abbildung 10: Schema der räumlichen Verteilung ausgewählter Nationalitäten in Kuwait-Stadt Abbildung 11: Räumliche Segregation verschiedener sozio-ökonomischer Gruppen in der Capital Area von Oman 1 Einleitung Die Erdölförderung hat die arabischen Golfstaaten fast über Nacht von einer ärmlichen landwirtschaftlich geprägten Region zu einer der reichsten der Welt gemacht. Welche sozio-ökonomischen Auswirkungen dieser wirtschaftliche Aufstieg auf die Bevölkerung und auf deren räumliches Handlungsmuster hatte, soll in dieser Arbeit geklärt werden. Dabei soll an Hand der beiden Hauptstädte von Kuwait und Oman dargestellt werden, wie sich der plötzliche Reichtum der Bevölkerung und der massenhafte Zuzug ausländischer Arbeitskräfte auf die sozial-räumlichen Strukturen der Städte auswirkt. Dieser Frage wird in Kapitel 3 nachgegangen. In Kapitel 2 werden die wirtschaftlichen und demographischen Veränderungen, die im 2 Zuge des Erdölbooms auftraten, skizziert. In Kapitel 1 möchte ich einen kurzen historischen Überblick über die arabische Golfregion wiedergeben. 1.1 Historische Entwicklung der arabischen Golfstaaten Kulturhistorisch ist der arabische Golf mesopotamisch und später persisch geprägt (vgl. hierzu und ff. Ausführungen: Scholz, 1985; Lexikon arab. Welt, 1994, S. 653-767; Die arab. Welt, 1978, S. 55-125). Die Besiedlung der arabischen Halbinsel durch den Menschen läßt sich bis in die Altsteinzeit zurückverfolgen. Allerdings wurde das Landesinnere wegen der zunehmenden Austrocknung seit dem 3. Jahrt. v. Chr. immer weniger besiedelt (Lex. arab. Welt, 1994, S. 733). Für den Orienthandel war die Region seit Bestehen der ersten Hochkulturen an Euphrat und Tigris von größter Bedeutung. So sollen hier vor mehr als fünf Jahrtausenden die sagenhaften Reiche Dilmun (heutiges Bahrain) und Magan (heutiges Oman) bestanden haben. Zur Zeit Alexander d. Großen verlief entlang der Golfküste eine der wichtigsten Handelswege des hellenistischen Reichs; hier wurden Waren, wie Gewürze, Metalle und Webstoffe vom See- auf den Landweg umgeschlagen. Neben der Produktion von Weihrauch und Myrre, wurden Gold (Süd-Saudi-Arabien) und Korallen abgebaut. An der Küste war die Perlenfischerei ein wichtiger Erwerbszweig. Durch die Einwanderung der Araber erfährt die Region ab dem 2. Jh. v. Chr. eine gewisse kulturelle und politische Beständigkeit, was allerdings die nomadischen Stämme in ihrer Existenz bedrohte. Die seit Mitte des 7. Jh. stattfindende Islamisierung auf der Westseite der arabischen Halbinsel erfaßt sehr rasch die Golfküste. Das Selbstverständnis der islamischen Staats- und Verwaltungsform bedroht nun die nomadischen Stämme im Osten der Halbinsel in ihrer Existenz. Um sich gegen die arabische Vorherrschaft und vor allem gegen deren Gebietsansprüche behaupten zu können, werden viele von ihnen seßhaft (Scholz, 1985, S.17). Bis ins 11. Jh. gehörte die arabische Golfregion zum arabischen Kalifat. Danach stand die Region zunächst unter persischem und ab dem 16. Jh. unter osmanischem Einfluß. 1.2 Die arabische Golfküste im Spannungsfeld internationaler Interessen Zeitgleich mit der Entdeckung der Neuen Welt gerät die arabische Golfküste in das Blickfeld europäischer Interessen. Besonders Portugal versucht Anfang des 16. Jh. Handelsstützpunkte an schon bestehenden Hafenstädten (in Bahrain, Oman (Maskat), Katar) oder strategisch wichtigen Stellen (Straße v. Hormuz) zu errichten, um den internationalen Handel zu kontrollieren (Lexikon arab. Welt, 1994, S. 653-767 u. Scholz, 1993, S.24f). 3 Anfang des 19. Jh. gerät der persisch-arabische Golf unter britische Einflußsphäre. Das Interesse Großbritanniens lag zunächst in der Sicherung des Seehandels (Piraterie bes. im Südosten des Arabischen Golfs). Besonders die kleinen Scheichtümer der heutigen Vereinigte Arabische Emirate (V.A.E.) hatten durch Überfälle auf Handelsschiffe den Seehandel beeinträchtigt. Als Gegenleistung für die Unterlassung der Raubzüge konnten die Scheichs bei internen Machtkämpfen auf britische Hilfe hoffen (Steinbach et al., 1994 u. Scholz, 1985, S.24f). In allen arabischen Golfstaaten sind bis heute all jene Familien an der Macht, die diese schon zum Zeitpunkt britischer Einflußnahme inne hatten (Scholz, 1985, S.11). Die reichen Erdölvorkommen rückten ab Anfang des 20. Jh. die Region noch mehr in den Mittelpunkt britischer Handelsinteressen. Bis auf Saudi-Arabien (amerikanische Ölfirmen machen Anfang der 30er Jahre hier ihre Ansprüche geltend) gelangen Ende des 19. und Anfang des 20. Jh. alle Scheichtümer am persisch-arabischen Golf unter britisches Protektorat. In den 30er Jahren handeln überwiegend britische Handelsgesellschaften Erdölkonzessionen mit den kleinen Scheichtümern aus. Mit dem Export von Erdöl wird ab den 30er bzw. 40er Jahren begonnen. Die breiten Schichten der Bevölkerung profitieren aber erst im Zuge der Unabhängigkeit ihrer Staaten (Bahrain, Katar, V.A.E.: 1971; Kuwait 1961; Oman 1939/59) und der Enteignung ausländischer Erdölgesellschaften ab Anfang der 60er Jahre, vom Erdölgeschäft (Scholz, 1985, S.25). Somit konnte ab den 60er Jahren ein Wirtschaftswachstum in den arabischen Golfstaaten einsetzen, das ihresgleichen sucht. Am nachdrücklichsten läßt sich dies an den wenigen Städten der Region aufzeigen. „Dort, wo es in den 60er Jahren [...] bescheidene Hafenorte [...] gab, dehnen sich heute [...] modernste Städte aus“ (Scholz, 1994, S. 47f). In diesen, meist Hauptstädten, sind die Verwaltung, der Handel, die Wirtschaft und die Bevölkerung konzentriert (ebd.). 2 Demographischer und wirtschaftlicher Wandel der arabischen Golfstaaten im 20. Jahrhundert Kaum eine anderen Region der Welt war in den letzten Jahrzehnten so auf Arbeitsmigranten angewiesen, wie die Staaten des Arabischen Golfs. Diese Länder hatten weder das nötige Know-how um die Erdölfelder zu erschließen, noch hatten sie das dazugehörige Humankapital, um eine Infrastruktur aufzubauen, die zur Förderung des Erdöls erforderlich ist. Der plötzliche Reichtum dieser Länder und der hohe Anteil an ausländischen Arbeitskräften hat zu einer enormen Verschiebung alter Gesellschaftsstrukturen geführt. Daher sollen an dieser Stelle die aktuellen 4 Grunddaten von Bevölkerung und Wirtschaft am arabischen Golf beschrieben werden. 2.1 Wirtschaftliche Ausgangssituation der Golfstaaten Bis zur Erschließung der Erdölressourcen war die Golfregion im internationalen Wirtschaftsgeflecht Indien-Orient-Handel eher unbedeutend. wichtiger Die Golfregion Umschlagplatz für war zwar im Kolonialwaren (Bedeutungsrückgang durch Dampfschiffahrt) und bis in die 30er Jahre wichtiger Lieferant für Perlen (Niedergang der Perlenfischerei durch Konkurrenz japanischer Zuchtperlen). Der überwiegende Teil der Bevölkerung war jedoch in der Landwirtschaft tätig, so daß die Industrialisierung und der Ausbau einer Infrastruktur erst nach Beginn der Erdölförderung einsetzte. Heute sind die Golfstaaten in erheblichem Maße außenwirtschaftlich abhängig. Es ist auffällig, daß in dieser Region Strukturen zum Tragen kommen, die für die Klassifizierung von Entwicklungsländern maßgebend sind. Hierbei ist weniger das Pro-Kopf-Einkommen, Armut oder Hunger von Bedeutung als interne und externe Strukturen, die als Merkmale der Unterentwicklung begriffen werden (vgl. Mols, 1994 u. Scholz, 1985, S.11ff). An oberster Stelle externer Strukturen stehen hierbei der Verkauf von Erdöl und der Import wichtiger Nahrungs- und Produktionsmittel, ohne die die Golfstaaten ihren heutigen Entwicklungsstand nicht halten könnten (Scholz, 1985). So beträgt der Exportanteil von Erdöl am Gesamtexport in fast allen Golfstaaten ca. 90%. Ausnahme bildet Bahrain (ca. 15%), dessen Erdölvorräte sogar in 10 Jahren erschöpft sein sollen und mittlerweile knapp 50% des Erdölbedarfs aus Saudi-Arabien importieren muß (Quelle: Stat. Bundesamt). Bahrain ist bisher auch das einzige Land am Golf, das ein Außenhandelsdefizit (1990: 240 Mio. US$; Quelle: s.o.) aufweist und in dem es nennenswert Arbeitslose gibt. Allerdings versucht die Regierung Bahrains in den letzten Jahren durch eine Diversifizierung der Industrie und durch gezielte Ausbildungsprogramme die Wirtschaft und damit den Arbeitsmarkt wieder in Schwung zu bringen (Rückgang der Arbeitslosenquote v. ca. 15% (1991/2) auf ca. 4% (1997): vgl. Online-Dienst d. Bahrain Tribune v. 16.12.’97 u. Schliephake, 1995a)). Ähnlich wie Bahrain, versucht auch Saudi-Arabien in den letzten Jahren seine Wirtschaft zu diversifizieren (vgl. Schliephake, 1990). Am aktuellen Beispiel des Iraks läßt sich sehr gut verdeutlichen, wie stark die arabischen Länder vom Erdölexport abhängig sind. Die nach dem 2. Golfkrieg verhängten UN-Sanktionen ermöglichen dem Irak nur noch im geringen Maße - zum Zwecke der Nahrungs- und Azneimittelimports - den Export von Erdöl (vgl. 5 Konzelmann, 1991). Die internen Strukturen der Golfstaaten zeichnen sich in erheblichem Maße durch räumliche Disparitäten in Bezug auf Zentrum-Peripherie aus. So konzentriert sich in den traditionellen Hafenstädten heute die Verwaltung, die Regierung und der Handel. Gleichzeitig gehen in der Peripherie die Wirtschaftsaktivitäten zurück oder werden sogar ganz aufgegeben. Diese Heterogenität läßt sich in allen Golfstaaten nachweisen, wobei es unterschiede zwischen den Stadtstaaten, wie Kuwait oder dem Flächenland Oman gibt (Scholz, 1985, S. 14f). Als Ursache dieses großen wirtschaftlichen Ungleichgewichts zwischen Zentrum und Peripherie, lassen sich nicht nur klimatischen Bedingungen anführen. Vor der Ölförderung nutzten insbesondere die Nomaden das Land weitaus mehr als dies heute der Fall ist. Im Falle von Kuwait hat der Staat die Aufgabe der nomadischen Lebensweise sogar belohnt. Mit dem Vorteil das die Staatsbevölkerung durch die Einbürgerung der Beduinen angestiegen ist (Schwedler, 1985a, S.105). Mit Ausnahme von Oman liegt der Anteil der Stadtbevölkerung zwischen 80% (in Saudi-Arabien und Bahrain) und 97% (Kuwait). Für Oman ist der Anteil der Stadtbevölkerung in 1995 mit 13,2% bei einer Wachstumsrate von 7,5% p.a. angegeben (Stat. Bundesamt). Oman ist zudem noch das einzige Land am arabischen Golf, in dem eine nennenswerte Land-Stadt-Wanderung stattfindet. Besonders die jungen Menschen auf dem Land verlassen immer häufiger den Kreis der Familie. Hiermit lösen sich nicht nur traditionelle Bezugsgruppen auf, sondern auch die omanischen Landwirtschaft, da ihre Träger abwandern. Begünstigt wird die Abwanderung durch ein gesichertes Einkommen in der Stadt und durch die wenig konkurrenzfähige Landwirtschaft gegenüber ausländische Produkten (Scholz, 1984). Zwar sind besonders die Regierungen von Saudi-Arabien und Oman gewillt die räumlichen und damit auch sozialen Disparitäten zu überwinden, indem beispielsweise in peripher gelegenen Gebieten der Aufbau von Industriestandorten forciert wird oder die Verwaltung dezentralisiert wird. Ein Großteil der Bevölkerung (besonders jüngere Menschen) wandert trotzdem in die Städte ab, da sie dort höhere Einkommen als auf dem Land erzielen können. Die Folge ist, daß die im ‘Hinterland’ errichteten Industriebetriebe ausschließlich mit ausländischen Arbeitern und Angestellten besetzt werden (vgl. Scholz, 1984 u. Schliephake, 1994). 2.2 Struktur der Bevölkerung in den Staaten des arabischen Golfs Die mit dem Erdölboom in Zusammenhang stehende Arbeitsmigration in die Golfstaaten hat nicht nur zu einer geänderten Zusammensetzung der Nationalitäten geführt. Ihr folgte auch ein ungewöhnlicher Aufbau der Altersstruktur und eine 6 ungleiche Verteilung der Geschlechter. Am Beispiel der Alterspyramide von Kuwait soll die Alters- und Geschlechterverteilung der arabischen Golfstaaten exemplarisch dargestellt werden. Da infolge der Arbeitsmigration überwiegend Männer im arbeitsfähigen Alter nach Kuwait gekommen sind, ist die Alterspyramide besonders ‘linkslastig’ (vgl. Abb.1). So beträgt in Kuwait der Anteil der Männer an der Gesamtbevölkerung 57% (1994). In den anderen Golfstaaten liegt dieser Anteil zwischen 55% im Oman (geschätzt für 1993) und 66% in den V.A.E. (1995) (Quellen: Stat, Bundesamt). Quelle: Stat. Bundesamt, Länderbericht Kuwait 1994 eigener Entw. Abbildung 1: Kuwait: Alterspyramide der kuwaitischen und non-kuwaitischen Bevölkerung (1994) Auffällig ist die für alle Golfstaaten typische Ausbuchtung der 25 bis 55-jährigen männlichen Bevölkerung. Diese Ausbuchtung läßt sich mit dem relativ späten Einsetzen der Arbeitsmigration (etwa ab 20 Jahren und später) erklären. Daß weitaus mehr Männer aus dem Ausland in die Golfstaaten emigrieren, ist nicht nur Folge der islamischen Gesellschaft, welche die Erwerbsarbeit für Frauen erschwert, sondern auch Folge einer rigorosen Einwanderungspolitik der Golfstaaten, die eine Familienzusammenführung erst ab einem bestimmten Monatsgehalt erlauben. Ähnlich wie in Kuwait ist in den anderen Golfstaaten der Anteil von Frauen zwischen 25 und 30 Jahren relativ hoch. So beträgt der Anteil der 25 bis 30jährigen Frauen an der Gesamtbevölkerung 4,6%, während die gleiche Altersklasse der Männer von nur etwa 3,7% besetzt ist (Quelle: Stat. Bundesamt). Erklärt werden kann dieses Phänomen über die hohe Zahl kuwaitischer Haushalte, die bevorzugt asiatische Frauen als Haushaltsgehilfen und Kindermädchen anstellen. Irabi (1989, S.152) nennt einen 7 weiteren Grund, für den hohen Anteil asiatischer Frauen: „Zahlreiche Eheschließung arabischer Männer mit Asiatinnen“. Ein Problem, das sich hierbei stellt, ist, daß Kinder, die aus diesen sog. Mischehen stammen oder aufgrund ihrer Erziehung durch ein asiatisches Kindermädchen nicht die arabische Sprache erlernt haben in der arabischen Gesellschaft häufig als Außenseiter gelten (Irabi, 1989, S.152). 2.3 Der Anteil der ausländischen Bevölkerung in den Staaten des Arabischen Golfs Die Golfstaaten sind nicht nur in Bezug auf den Export von Öl und den Import von Nahrungsmitteln und Produktionsgütern vom Ausland abhängig. Den kleinen Golfstaaten fehlte es von Anbeginn der Erdölförderung an genügend und qualifizierten Arbeitskräften. Der Import von arabischen und asiatischen Arbeitskräften ist für diese Länder von großer ökonomischer Bedeutung. Dieser Import von Arbeitskräften hat in den arabischen Golfstaaten dazu geführt, daß mittlerweile zwischen 27 (Oman) und 80% (geschätzt für V.A.E.) der Bevölkerung einer anderen Nationalität angehören (vgl. Abb.2). Somit findet in diesen Ländern eine demographische Überfremdung statt, die aufgrund fehlender sozialer, politischer und ökonomischer Integration zu Problemen führen (Scholz, 1985, S.12f). Überraschend mutet bei der hohen Zahl von Arbeitsmigranten die Tatsache, daß die Erwerbsquote von Ausländern erheblich höher liegt als ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung. Hierbei spielen, neben der kulturell bedingten geringen Erwerbstätigenquote der Frauen, zwei Gründe eine Rolle. Zum einen ist die einheimische Bevölkerung eine relativ junge (viele sind noch nicht im arbeitsfähigen Alter) und zum andern ist es aufgrund unverdienter Einkommen für viele Bürger nicht notwendig einer Erwerbsarbeit nachzugehen (Schwedler, 1985). So beträgt die Erwerbstätigenquote der Ausländer in Bahrain 45% und das obwohl diese nur ein Drittel der Bevölkerung stellen und dieses Land ein Arbeitsplatzdefizit aufweist (vgl. 2.1). 8 (Quellen: Länderberichte des Statistischen Bundesamtes. Stand: Bahrain 1991, Kuwait 1994, Katar 1984, Oman 1995, Saudi-Arabien 1991 (geschätzt), V.A.E. 1995 (geschätzt) eigener Entw. Abbildung 2: Anteil der ausländischen Bevölkerung in den arabischen Golfstaaten In Saudi-Arabien, wo Expatriates ebenfalls ein Drittel der Bevölkerung stellen, liegt dieser Anteil sogar bei 80%. Bis in die 60er Jahre war in Saudi-Arabien „informelles Wirtschaften im Familienverbund“ charakteristisch. Daher stehen auch heute die wenigsten Saudis in abhängiger Lohnarbeit (Schliephake, 1990, S.124). In den V.A.E., wo die Migrationspolitik offensichtlich ein sehr heikles Thema ist (vgl. Steinabach et al., 9 1990, S.300), sind fast 95% aller Arbeitsplätze mit Expatriates besetzt (Stat. Bundesamt). 3 Sozial-räumliche Segregation der Bevölkerung in den Städten am Arabischen Golf Der oben beschriebene demographische Wandel vollzog sich in allen arabischen Golfstaaten binnen weniger Jahrzehnte. Die Annahme liegt nahe, daß parallel zum demographischen auch ein sozialer Wandel innerhalb der Gesellschaftsordnung stattfindet. Dieser Frage soll nun in diesem Kapitel nachgegangen werden. Dabei werden zunächst die beiden Länder Oman und Kuwait mit den Städten Muscat und Kuwait-Stadt in ihrer traditionellen sozial-räumlichen Gliederung dargestellt. 3.1 Traditionelle sozial-räumliche Segregation der Bevölkerung in den Städten am Arabischen Golf Die Gesellschaft in der Region des arabischen Golfs war vor Einsetzen des Erdölbooms gekennzeichnet durch Normadentum im klimatisch beungünstigten Hinterland. Die wenigen Städte, die es an der Golfküste gab, waren wie die meisten anderen orientalischen Städte des Orients (vgl. Ehlers, 1993 u. Schwedler, 1985b) gekennzeichnet durch Wohnquartiere, in denen i.d.R. eine homogene Bevölkerungsgruppe lebte. 3.1.1 Die Bevölkerung des Sultanats Oman Die Bevölkerung von Oman war schon vor Beginn der Erdölära nicht sehr homogen. So kann sie in arabischstämmige und nichtarabischstämmige gegliedert werden. Dabei stammen die nichtarabischstämmigen Omanis zumeist aus Persien, Pakistan, Indien und Afrika (Nachkommen negrider Sklaven). Die arabischstämmigen Omanis gliedern sich in Alteingesessene und Rückwanderer aus ehemaligen afrikanischen Kolonien (Mombasa, Sansibar). Letztere besetzen wegen ihrer besseren Bildung höhere Positionen im Öffentlichen Dienst und der Wirtschaft. Die genannten ethnischen Gruppen greifen wiederum auf zahlreiche kleinere Gruppen zurück. So sind vor allem die Omanis arabischer Abstammung in verschiedenen, volksreichen Stämmen organisiert, die sich weniger genealogisch, sondern eher durch Tradition, gemeinsame Frontstellung oder gleichen ökonomische Interessen begründen (Steinbach et al., 1994, S.203f). 10 In der sozialen Hierarchie stellten die Nachkommen negrider Sklaven die unterste Schicht. Ihr folgten Baluchen (Pakistan), Iraner und andere Golfaraber, die Mitglieder der einheimischen Stämme, indische Kaufleute, Angehörige der Khojak-Community (Indien) und schließlich die Angehörigen der Sultansfamilie, die in der sozialen Rangfolge an oberster Stelle standen (Scholz, 1990, S.159). 3.1.2 Muscat und Matrah, bescheidene Handelsstädte mit traditioneller sozial-räumlichen Segregation Die beiden Städte Muscat und Matrah waren zu Beginn des Wirtschaftsboom, der in Oman erst in den 70er Jahren mit dem Export von Erdöl einsetzte, mit 5.000-6.000 bzw. 10.000-15.000 Einwohnern eher kleine einfache Städte gewesen. Die einzelnen Stadtviertel waren vor 1970 von „ethnisch/herkunfts-bestimmten“ (Scholz, 1994, S.48) bzw. von religiös verschiedenen Gruppen geprägt (vgl. Abb.3). Abbildung 3: Modell der traditionellen sozial-horizontalen Differenzierung der Einwohner von Muscat/Matrah Quelle und Entwurf: Scholz, 1994, S. 50 Die Stadtviertel gliederten sich beispielsweise nach Omanis, Bahrainis, Perser oder Nachkommen negrider Sklaven oder aber nach Hindus, Ismaeliten und Ibaditen. Mit Ausnahme der Nachkommen negrider Sklaven waren die traditionellen sozialen Gruppen sozial-horizontal differenziert. In jeder sozialen Bezugsgruppe gab es i.d.R. eine kleine Oberschicht, bestehend aus Herrscherfamilie, Regierungsvertretern und einigen wohlhabenden Großhändlern und Kaufleuten (Omanis, Hindus, Perser, Belutschen). An die Oberschicht schloß sich eine relativ kleine Mittelschicht von 11 Suq-Händlern an (u.a. Hindus, verschiedene Golfaraber, Perser). Besitzlose Fischer-, Seeleute-, Handwerker-, Arbeiter- und Tagelöhnerfamilien stellten als Unterschicht den weitaus größten Teil der Bevölkerung. Entgegen westlichen Gesellschaftsmodellen waren jedoch sozio-ökonomischen Gesellschaftsstrukturen von geringer Bedeutung. Viel wichtiger - und das zeigt auch die sozial-räumliche Gliederung der beiden Städte waren tribale, religiöse oder genealogische Kriterien. 12 13 Abbildung 4: Viertelgliederung von Muscat um 1900 Quelle u. Entwurf: Scholz (1994) S.49 Diese „Viertelgemeinschaft im Sinne kollektiver Feindfronten“ (Scholz, 1994, S.51) waren für den Einzelnen wie für die Gruppe von wirtschaftlicher und lebensnotwendiger Bedeutung, sie diente der Wahrung und Durchsetzung der gemeinsamen Interessen. Scholz sieht in der raumstrukturellen Differenzierung sogar den Ansatz islamisch-orientalischer Herrschaftsstrukturen (1994, S. 51). So ist in allen arabischen Golfstaaten eine Herrscherfamilie im Besitz fast uneingeschränkter politischer Macht (vgl. Scholz, 1985, S. 11). 3.1.3 Die Bevölkerung von Kuwait Die Geschichte Kuwaits ist noch recht jung. So soll eine dauerhafte Besiedlung des Raums erst im 17. Jh. durch Familien des Stammes Anaiza (aus Ostarabien) stattgefunden haben. Der Naturhafen der heutigen Stadt Kuwait und die Perlenfischerei zogen im 18. Jh. auch Perser an, die sich hier z. T. ganz niederließen. Neben den beiden seßhaften Gruppen lebten hier noch nomadische Stämme. Neben der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Großfamilie verläuft die Trennungslinie der kuwaitischen Gesellschaft zwischen der jeweiligen islamischen Konfession. Gut zwei Drittel der Kuwaiti sind Sunniten, der Rest ist schiitisch. Letztere sind überwiegend persischer Abstammung oder kommen aus Bahrain. Ihnen unterstehen heute noch schiitische Zuwanderer aus den 30er und 40er Jahren, die heute der Mittelschicht angehören sowie iranische Fremdarbeiter (Steinbach et al. 1994, S.150ff). 14 3.1.4 Kuwait-Stadt. Vorbotin einer modernen islamischen Stadt? Kuwait-Stadt ist noch eine relativ junge Stadt. Sie soll etwa um 1680 an einem Naturhafen entstanden sein. Zu dieser Zeit überprägten bereits europäische Rechtsvorstellungen das islamische Rechtssystem. Es ist möglich das dies die Ursache ist, warum sich in dieser Stadt nicht die traditionellen islamischen Gesellschaftsstrukturen mit ihren ethnisch- herkunftsbedingten Quartieren durchgesetzt haben (Schwedler, 1985b). Quelle u. Entwurf: Schwedler (1985b), S.31 Abbildung 5: Versuch einer funktional- und sozialräumliche Differenzierung der traditionellen Stadt Kuwait 15 So gab es zwar in Kuwait-Stadt im 19. Jh. verschiedene Quartiere, diese waren aber offensichtlich nicht von bestimmten sozialen Bezugsgruppen bewohnt. Es fehlte beispielsweise der in anderen orientalischen Städten typische ‘Quartiersprecher’, der die Belange der Bevölkerung bei der Herrscherfamilie und anderen Gruppen vorträgt. Für die historische Kuwait-Stadt lassen sich aber auch keine Quartier-Suqs nachweisen. Darüber hinaus lebten Perser, die die größte fremde Bevölkerungsgruppe stellten über die gesamte Stadt verteilt (Schwedler, 1985b, S.30). Schwedler (ebd.) geht davon aus, daß die Stadt in sozio-ökonomische Viertel gegliedert war (vgl. Abb. 5). Dabei wohnte die Oberschicht, gebildet aus Kaufleuten und Schiffseignern an der Seefront, während die Unterschicht (Perlentaucher, Tagelöhner, etc.) landeinwärts wohnte. Dazwischen hatte die Mittelschicht ihre Wohnquartiere. Demzufolge zeichnet sich vom Land zum Meer ein steigender Sozialgradient ab. Bei der Ansiedlung der Oberschicht mögen jedoch weniger der schöne Ausblick eine Rolle gespielt haben als die unmittelbare Nähe zum Arbeitsplatz und den Kunden, die meist über den Seeweg kamen. 3.2 Moderne sozial-räumliche Segregation der Bevölkerung in den Städten am Arabischen Golf Welche Bedeutung der Erdölexport für das Sozialgefüge der Gesellschaft in den arabischen Golfstaaten hat, läßt sich am Wechsel einer eher sozial-horizontal orientierten Gesellschaftsform zu einer nach westlichem Muster mehr sozial-vertikal orientierten Gesellschaftsform darstellen. Dabei entwickelten sich jedoch die Hauptstädte von Oman und Kuwait, wie dies bei der historischen Beschreibung schon deutlich wurde, unterschiedlich. 3.2.1 Die Capital Area und die moderne sozio-ökonomische Segregation der Gesellschaft Seit 1970 wurden die beiden Städte Muscat und Matrah zur Capital Area von Oman zusammengefaßt. Lebten vor 1970 ca. 20.000 Einwohner in den beiden Städten, stieg deren Zahl bis 1990 auf etwa 500.000 an (Scholz, 1994, S. 51). Somit setzte auch ein gravierender sozio-ökonomischer Wandel ein. Die o.g. Segregation nach tribalen oder genealogischen Kriterien, verlor an Bedeutung und wich einer westlichen, sozio-ökonomisch orientierten Gesellschaftsordnung (vgl. Abb 6). Da der Staat nach westlichem Vorbild Verantwortung und Fürsorge für seine Bürger übernahm, büßten althergebrachte Verantwortungsmuster für nachgeordnete Stammesmitglieder an Bedeutung ein. Dies drückte sich auch bei der Stadtentwicklung 16 aus. Die traditionellen Wohnquartiere haben für die Ober- und Mittelschicht ausgedient. Darüber hinaus haben der Stadtentwicklungsplan für die Capital Area von Oman und eine einkommensorientierte Kreditvergabe die Bildung sozio-ökonomisch homogener Stadtviertel begünstigt. In der Capital Area von Oman geht die sozio-ökonomische Segregation, entgegen der sozial-räumlichen Struktur der anderen Golfstaaten, unbeeindruckt der Herkunft der Bewohner, durch alle Bevölkerungsschichten. D.h., daß in einem Wohngebiet oberer Einkommensgruppen sowohl Omanis als auch Non-Omanis leben (vgl. Abb.11, S.20). Dies drückt sich nach Scholz beispielsweise im Konsumverhalten oder in der Wohnweise aus (1994, S. 54f). Abbildung 6: Modell der heutigen sozial-vertikalen Differenzierung der Einwohner des Capital Area von Oman (Omanis, Non-Omanis) Quelle und Entwurf: Scholz, 1994, S. 50 Abbildung 7: Modell der heutigen sozialen Differenzierung der Omanis des Capital Area Quelle und Entwurf: Scholz (1993) u. Ibrahim (1982). Aus: Scholz, 1994, S. 50 Trotz der o.g. räumlichen sozio-ökonomischen Segregation spielen beim Zugang zu verdienten und unverdienten Einkommen tribale und ethnische Herkunft weiterhin eine entscheidende Rolle. So haben beispielsweise viele Rückwanderer aus Afrika ihren Familien- und Stammesmitgliedern untergeordnete Positionen in Verwaltung, 17 Regierung und Wirtschaft verschafft (Scholz, 1984). Auffällig ist aber auch, daß besonders ärmere Mitglieder eines Stammes die räumliche Nähe zueinander versuchen, aufrecht zu erhalten (vgl. hierzu Scholz, 1990, S.178ff). Diese Nähe wird aber um so eher aufgelöst, um so höher sich das Einkommen des Einzelnen beläuft und diesen in die Lage versetzt, seine Wohnansprüche zu erfüllen. 3.2.2 Räumliche und wirtschaftliche Segregation der kuwaitischen Bevölkerung Kuwait ist eine „ethnisch gespaltene Gesellschaft“ (Schwedler, 1985b, S. 114). Dabei verläuft die wichtigste Grenze zwischen Kuwaitis und Nonkuwaitis. Dies drückt sich nicht nur in der räumlichen Struktur, sondern auch in den Möglichkeiten politischer und ökonomischer Teilhabe aus (vgl. Abb.8). Wie in der Capital Area von Oman, verstärkte der Stadtentwicklungsplan der Stadt Kuwait die sozio-ökonomische Segregation der Bevölkerung (Schwedler, 1985b). Abbildung 8: Modell der kuwaitischen Gesellschaftsstruktur Quelle u. Entw.: Schwedler, 1985b, S.114 Die räumliche Differenzierung von Kuwait-Stadt läßt eine eindeutige Trennung zwischen kuwaitischer und nonkuwaitischer Bevölkerung erkennen. So ist die, zu über 80% mit Ausländern bewohnte Altstadt ringförmig von mehreren, in den 50er und 60er Jahren errichteten Vierteln umgeben, die mehrheitlich von Kuwaitis bewohnt sind (z.T. über 70%, vgl. Abb.9). Abbildung 9: Räumliche Segregation von kuwaitischer und nonkuwaitischer Bevölkerung Entw.: TU Berlin, Fachrichtung Kartographie Quelle: Schwedler, 1985b, S,125 Besonders die industrienahen Wohngebiete im Nordwesten und Süden der Stadt werden annähernd zu 100% von Ausländern bewohnt (Schwedler, 1985b, S.125f). Schwedler (1985b) geht in seiner Untersuchung über die räumliche Segregation kuwaitischer und nonkuwaitscher Bevölkerung noch einen Schritt weiter. Er versucht festzustellen, inwiefern sich die einzelnen Nationalitäten zueinander und untereinander verhalten. Dabei stellte sich heraus, daß Nonkuwaitis ihre Wohnungswahl nicht nach der räumlichen Nähe zu Angehörigen ihrer Kultur treffen, sondern nach der Höhe der Miete und dem Wohnungsangebot (Schwedler, 1985b, S,180). Kaum voneinander räumlich getrennt sind Iraner/Inder, Ägypter/Libanesen und Palästinenser/Libanesen (Schwedler, 1985b, S.129). Dies ist aber eher auf eine ökonomische Segregation zurückzuführen als auf das Miteinanderauskommen 18 verschiedener Nationalitäten. In der sozialen Hierarchie stehen Palästinenser/Jordanier an oberster Stelle (der bevölkerungsstarken Gruppen) gefolgt von Libanesen und Ägyptern. Syrer, Irakis und Pakistanis stehen in der sozialen Hierarchie etwa in der Mitte, während Inder und Iraner das unterste Glied der kuwaitischen Gesellschaft bilden (Schwedler, 1985b, S.108f). Bis auf die irakische Bevölkerung spiegelt sich die soziale Hierarchie in der räumlichen Verteilung der Bevölkerung von Kuwait-Stadt wider. Die irakische Bevölkerung sieht sich selbst in der sozialen Hierarchie weiter oben stehen und fühlt sich der kuwaitischen Bevölkerung auch mehr verbunden als die anderen Nationalitäten. Dieses subjektive Empfinden spiegelt sich somit auch im räumlichen Handlungsmuster der irakischen Bevölkerung wider (Schwedler, 1985b, S.109). Abbildung 10: Schema der räumlichen Verteilung ausgewählter Nationalitäten in Kuwait-Stadt Quelle u. Entw.: Schwedler, 1985b, S.140 An dieser Stelle bedarf es noch eines kurzen Exkurses in die jüngste Geschichte Kuwaits. Mangelnde Teilhabe an politischen Entscheidungsprozessen (seit 1962 war die Verfassung außer Kraft gesetzt und seit 1986 das Parlament aufgelöst) der Nonkuwaitis aber auch der Kuwaitis führten vor dem irakischen Einmarsch zu innenpolitischen Problemen. Gerade die Nonkuwaitis bildeten das „Rückgrad von Wirtschaft, Verwaltung und der ganzen Gesellschaft“ (Hermann, 1993, S. 78). So stieg der Anteil ausländischer Arbeitskräfte von 1965 bis 1990 von 45 auf 86% (vgl. Kap.2.3.). Expatriates arbeiten nicht nur in Berufen, die eine geringe Qualifikation voraussetzen (allerdings beträgt dort ihr Anteil annähernd 100%), sie sind auch im mittleren Management des privaten und staatlichen Sektors, als Ingenieure, Geschäftsführer, Banker, Mediziner, Professoren oder Lehrer beschäftigt (vgl. Hermann, 1993, S. 78 u. Schwedler, 1985b). Während 1985 der Anteil der Araber z.B. aus Jordanien, Ägypten oder Syrien gut 60% betrug ist dieser Anteil in 1994 auf etwa 50% gesunken. Dieser Rückgang ist darauf zurückzuführen, daß arabische Einwanderer weitaus politischer sind und entgegen der Mehrzahl asiatischer Einwanderer, in Kuwait eine zweite Heimat sehen. Eine weitere Rolle spielt hierbei aber auch der irakische Überfall auf Kuwait 1990 und die Pro-Irakische Haltung verschiedener arabischer Regierungen (Jordanien, Jemen, PLO). Soweit sie nicht während der irakischen Besatzung aus dem Land geflohen sind, wurden sie nach der Befreiung von den kuwaitischen Behörden des Landes verwiesen. Schätzungsweise 350.000 Palästinenser und Jordanier (Meyer, 1995, S. 426) mußten auf diese Weise das Land verlassen und gaben somit auch eine über Jahre aufgebaute 19 Existenz auf (vgl. Meyer, 1995). Aufgrund dieser jüngsten Ereignisse kann davon ausgegangen werden, daß die o.g. räumliche und wirtschaftliche Segregation sich nach Abzug der irakischen Truppen geändert haben muß. Allein die Tatsache, daß die meisten Palästinenser das Land verlassen mußten, hat dazu geführt, daß die von ihnen dominierten Berufe in Regierung und Verwaltung völlig neu besetzt werden mußten. 3.3 Zusammenfassung Die Arabischen Golfstaaten verfügen zwar über ein hohes Pro-Kopf-Einkommen und einer breiten Massenkaufkraft. Trotzdem bestehen erhebliche sozial-partizipatorische Unterschiede in der einheimischen Bevölkerung und noch stärkere bei der ausländischen Bevölkerungs(mehrheit). Diese geringe Partizipationsmöglichkeit breiter Bevölkerungsmassen tritt durch die sozial-horizontale Differenzierung der Gesellschaft, die mittlerweile in allen Arabischen Golfstaaten vorherrscht, noch deutlicher zu Tage. Dabei spielen ethnische, tribale und religiöse Zugehörigkeit nach wie vor eine wichtige Rolle. So müssen in den V.A.E. alle Staatsbediensteten sunnitische Muslime sein (Schliephake, 1995b, S.129). Ähnliches gilt für Bahrain. Hier sind vor etwa 200 Jahren arabische Beduinen sunnitischen Glaubens eingewandert. Diese Bevölkerungsgruppe (Anteil ca. 40%) sind überwiegend Verwandte der Herrscherfamilie. Der Zugang zu unverdientem Einkommen ist ihnen somit sicherer als der schiitischen Bevölkerungsmehrheit (Schliephake, 1995a, S.158). Das Bevölkerungsreiche Flächenland Saudi-Arabien weist eine ähnliche soziale Hierarchie wie die kleinen Golfstaaten auf. Entsprechend der großen Bevölkerungszahl ist diese jedoch weitaus differenzierter als die der kleinen Golfstaaten. 4 Fazit Der wirtschaftliche Aufstieg und die damit verbundenen sozio-ökonomischen Veränderung haben in den letzten Jahrzehnten in den arabischen Golfstaaten zu Auflösungserscheinungen althergebrachter Raumstrukturen geführt. Keineswegs hat dabei der wirtschaftliche Wandel sowie das geänderte räumliche Handlungsmuster der Bevölkerung zu einer Auflösung alter Traditionen geführt. Tribale oder genealogische Zugehörigkeit spielen beim Zugang zu verdienten und unverdienten Einkommen weiterhin eine entscheidende Rolle. Gleiches gilt auch für die politische Partizipation der Bevölkerung. So halten die alten Herrschaftsfamilien nach wie vor an ihren Machtansprüchen fest, die sie seit der britischen Einflußnahme im 18. Jh. inne haben. 20 Abbildung 11: Räumliche Segregation verschiedener sozio-ökonomischer Gruppen in der Capital Area von Oman Quelle u. Entwurf: Scholz, 1990, S.190f 5 21 Literaturverzeichnis Barthel, G. u. Stock, K. (Hrsg.) (1994): Lexikon arabische Welt. Kultur, Lebensweise, Wirtschaft, Politik und Natur im Nahen Osten und Nordafrika. Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Darmstadt. Ehlers, E. (1993): Die Stadt des Islamischen Orients. Modell und Wirklichkeit. In: GR Jg. 45 (1993), H. 1, S.32-39. Heard-Bey, F. (1985): Vereinigte Arabische Emirate - Küstenstaat mit Herrschervielfalt. In: Scholz, F. (Hrsg.) (1985): Die kleinen Golfstaaten. 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