7 Hormontherapie in der Urogynaekologie

Hormontherapie in der Urogynäkologie
Wichtige und häufig schon sehr erfolgreiche Maßnahme ist die Verbesserung der
Hormonsituation von Blase, Harnröhre und Scheide. Alle sind hormonabhängige Gewebe.
Der Aufbau der oberflächlichen Zellschichten, die Dicke, die Durchblutung, das
Bindegewebs- und Gefäßpolster werden durch die Östrogenwirkung verbessert. Dadurch
verschwindet ein hormonmangelbedingter häufiger Harndrang mit Blasenentleerung im
Stundentakt. Die Abdichtung der Harnblase durch die Harnröhre wird ebenfalls verbessert.
Das Ausmaß der belastungsabhängigen Inkontinenz nimmt ab. Hormonmangelbedingte
Scheidenentzündungen werden verhindert. Sie ist auch eine der Grundpfeiler im Falle eines
GAG-Schutzschichtdefektes ( Leitsymptom Drang – Morphologischer Ansatz). In der
Regel genügen 2 x wöchentlich 0,5 mg Estriol in Form von halben Ovestin-Tabletten. Es gibt
bei uns ein für die Information der Patientin vorgehaltenes Merkblatt.
Lokale Estriol-Behandlung bei Z. n. Mamma-Karzinom
Bei der vaginalen Applikation von Estriol kommt es aufgrund der guten Resorption und der
im Vergleich zur oralen Gabe relativ schwachen Metabolisierung nicht nur zu lokalen,
sondern auch zu systemischen Wirkungen. Bei Anwendung estriolhaltiger Ovula oder Cremes
gelangen etwa 20% der Dosis unverändert in den Kreislauf, die dann in der Leber abgebaut
(metabolisiert) werden.
Zwischen Creme und Suppositorium gibt es wegen der verzögerten Auflösung des
Suppositoriums zwar Unterschiede im Verlauf der Serumkonzentraktionen, doch sind die
resorbierten Östrogenmengen und damit die Wirkung ähnlich.
Daher wird die tägliche vaginale Behandlung mit 0,5 mg Estriol nur für die ersten 3-4
Wochen empfohlen. Danach soll auf die Erhaltungsdosis (zweimal 0,5 mg Estriol pro Woche)
umgestellt werden.
Lokale Verabreichung von Estriol bei Z. n. Mamma-Ca gilt grundsätzlich als unbedenklich,
solange Folgendes beachtet wird:
Eine zuverlässige Beschränkung der Östrogenwirkung auf den Urogenitaltrakt lässt sich durch
die vaginale Applikation sehr niedriger Östrogendosen erreichen, mit denen eine systemische
Wirkung nicht zu erwarten ist. Mit der vaginalen Gabe von 30 µg Estriol (OeKolp) oder 25
µg Estradiol (Vagifem) sowie dem niedrig dosierten Vaginalring, der täglich 7,5 µg Estradiol
freisetzt (Estring), wird eine wirksame Besserung der atrophischen Erscheinungen erzielt,
ohne dass mit östrogenen Wirkungen im Brustgewebe zu rechnen ist.
Urogenitale Beschwerden werden durch die tägliche vaginale Behandlung mit 0,5 mg Estriol
für die ersten 2 Wochen behoben. Danach wird auf die Erhaltungsdosis
(zweimal 0,5 mg Estriol pro Woche) umgestellt. Diese kann und muss dauerhaft fortgeführt
werden. Bei systemischer Wirkung (z. B. Brustspannen) kann die Dosis weiter reduziert
werden (0,5 mg 1 x alle 5 bis 7 Tage).
nach H. Kuhl, Frankfurt am Main
Quelle:
Neue, noch unveröffentlichte Fragen und Antworten aus der gynäkologischen Praxis Band 1,
2005, S. 82; herausgegeben von Wolfgang Siebert, Hans Marseille Verlag GmbH München.
Merkblatt für Frauen zur lokalen Estrioltherapie
Lokale Östrogentherapie
Sehr geehrte, liebe Patientin,
Wir empfehlen Ihnen ein Östrogenpräparat zur lokalen Behandlung der Scheide und des
unteren Harntraktes.
Genital- und Harntrakt sind hormonabhängige Strukturen. Bei Hormonmangel vor allem bei
Östrogenmangel, kann es leicht zu Entzündungen des Harn- und Genitaltraktes kommen. Da
außerdem die Spannung des Gewebes von Blase und Harnröhre weitgehend verloren geht,
tritt häufig eine Stressinkontinenz oder auch eine Dranginkontinenz auf.
Östrogenpräparate gibt es als Vaginalzäpfchen, Tabletten zum Einführen in die Scheide und in
Salbenform. Anwendungsform und Dosierung werden individuell angepasst. Östrogene
gehören zu den weiblichen Hormonen.
Für die örtliche Behandlung wird normalerweise ein Östrogenpräparat mit einem Östriol als
Wirksubstanz angewendet. Das Östrogen Östriol hat im Gegensatz zum Östrogen Östradiol
keine Wirkung auf die Gebärmutterschleimhaut und auf das Knochensystem, so dass
normalerweise keine Blutungen auftreten. Allerdings bietet es auch keinen Osteoporoseschutz
und hat keinen positiven Einfluss auf den Fettstoffwechsel.
Östriol verbessert die Durchblutung und den Aufbau des Gewebes und fördert ein normales
Scheidenmilieu. Es ist deshalb unverzichtbarer Bestandteil der konservativen Therapie bei
Harninkontinenz, zur Vorbeugung von Geschwüren bei z. B. Pessarträgerinnen und zur
Vorbehandlung vor einer Inkontinenz- oder Senkungsoperation. Daneben wird die Frequenz
der Drangsymptomatik, vulvavaginale Beschwerden (Juckreiz, trockene Scheide),
Harnwegsinfektionen und Dyspareunien (Schmerzen beim Geschlechtsverkehr) reduziert.
Es bestehen keine absolute Kontraindikationen bei:
 Bluthochdruck
 Diabetes mellitus
 Krampfaderleiden
 Fettstoffwechselstörung
 Bei Zustand nach Brust- oder Unterleibscarcinomen können diese Präparate in der von
uns vorgeschlagenen Dosierung lokal bedenkenlos angewendet werden (s.o.).
Nebenwirkung:
Da es sich um eine lokale Therapie handelt, sind Reaktionen des Körpers sehr selten. So kann
es dosisabhängig bei älteren Frauen zu Wiederauftreten von Blutungen kommen. Bei jüngeren
Frauen können Zyklusstörungen auftreten. Eine Gewichtszunahme ist nicht zu erwarten.
Wechselwirkungen:
Eine durch Ihren Frauenarzt durchgeführte Hormonersatztherapie (Tabletten, Pflaster, Spritze
usw.) kann durch diese lokale Therapie nicht ersetzt werden und sollte in Absprache mit Ihrem
Frauenarzt unbedingt fortgesetzt werden.
nach: Armin Fischer: Praktische Urogynäkologie – spannungsfrei; Verlag Haag & Herchen,
Frankfurt 2006; ISBN 3-89846-371-0