Spannungsfreie suburethrale Bänder - Paraurethrale Technik Sie wird ebenfalls zur Korrektur von Harninkontinenz eingesetzt, bessert gelegentlich auch eine leichte Stuhlinkontinenz (wie die midline-Schlinge auch). Inkontinenz entsteht unter anderem durch eine Lockerung und/oder Überdehnung des sogenannten „Pubourethralen Bandes“, das die Harnröhre am Schambeinknochen fixiert (infolge Schwangerschaft, Belastung, Alter). Darum fehlt das Gegengewicht zum Zug der Beckenbodenmuskeln nach hinten, die die Harnröhre vor allem bei Belastung (Husten, Niesen, Heben, usw.) öffnen. Ferner kann die Lockerung der Unterlage (Auflagefläche) der Harnröhre zu einer vorzeitigen Aktivierung des sog. Miktionsreflexes (Miktion = Wasserlassen) führen. Hieraus resultieren unter Umständen Drangsymptome und häufiges Wasserlassen. Die Qualität der Fixierung der paraurethralen Scheide im Bereich des M. pubococcygeus ist entscheidend für die Auswahl des Verfahrens (Abb.4). Aus diesem Grund wurde neben der mitturethralen Schlinge von der Mittellinieninzision ausgehend eine zweite Form der mitturethralen spannungsfreien Schlingen-Operation inauguriert: die „paraurethrale“ TVS (transvaginale Schlinge) (Abb. 1) mit zwei kleinen Schnitten neben der Harnröhre in der Scheide und zwei kleinen Schnitten im Bereich des Schamhügels. Hier wird zusätzlich die Scheide unter der Harnröhre gestrafft und der Harnröhrenausgang neu in der Mittellinie fixiert (durch Kürzung eines kleinen Bandes neben der Harnröhrenöffnung) (Abb. 2), (Abb. 3). Grundsätzlich wird ein Proleneband eingeführt, unten in einem Tunnel um die Harnröhre herumgeführt und aus den kleinen Einschnitten im Bereich des Schamhügels wieder herausgeleitet. Dieses Band führt zu einer bindegewebigen Reaktion, das als künstliches Band die alten Bänder ersetzt. Bei der „paraurethralen“ Technik wird zusätzlich das sog. extraurethrale Band gerafft, die unter der Harnröhre gelegene Scheide gestrafft und dabei an die vordere/obere Beckenbodenmuskulatur (sog. Pubococcygeus-Muskel) mit einer Naht fixiert. Der Eingriff erfolgt in Allgemeinnarkose oder Spinalanästhesie. Ein Hustentest ist nicht erforderlich, da die Lage des Bandes in jedem Fall spannungsfrei sein muss und kann, Vorsicht ist bei der Straffung der suburethralen Scheide geboten. Diese hängt sehr vom Abstand der Stiche auf der Vaginalfaszie vom Wundrand ab (je weiter entfernt, desto straffer). (Abb. 3). Komplikationen Infektion: hier kann eine Antibiotika-Behandlung notwendig werden, Abszesse z.B. müssen eröffnet und drainiert werden. Das macht eine weitere Operation erforderlich, sie sind bei multifilamenten und vor allem mikroporösen Bändern deutlich häufiger; Nachblutung: ebenfalls selten, kann auch eine operative Revision bedingen; Darm– oder Blasenverletzung: sie kann auftreten, wenn das kranke Gewebe präpariert wird (dünn oder narbig), ist aber in aller Regel harmlos, weil sich die Verletzungen in aller Regel gut versorgen lassen. Defekte in der Darmwand bei der Präparation der Senkung können im Einzelfall eine (vorübergehende) Anlage eines künstlichen Darmausganges erforderlich machen, um eine Ausheilung sicherzustellen; Abszesse müssen ebenfalls eröffnet und drainiert werden und können Folge einer solchen Darmverletzung sein. Auch Dünndarm kann in den Bruchsäcken verletzt werden. Bemerkt man die Verletzung, ist in der Regel ein Bauchschnitt zur Nahtversorgung nötig. Unbemerkt führt sie zu Fieber, Schmerzen, Darmverschluss, Bauchfellreizung/entzündung und muss dann ebenfalls chirurgischerseits versorgt werden. Es kann theoretisch zu einer Fistelbildung (unnatürliche Verbindung zwischen zwei Organen) kommen. Auch hier sind in der Regel größere Folgeoperationen erforderlich; 3 3 2 2 1 Abb. 1: Mitturethrale spannugngsfreie Schlingentechnik (1) mit paraurethraler Inzison und Fixierung bds. (2) sowie Raffung des EUL (extraurethrales Ligament) (3) Abb. 3: Prinzip der paraurethralen Fixierung bei paraurethraler TVS-Technik Blase Membrana obturatoria S EUL Urethra Abb. 2: Anatomie des extraurethralen Ligaments (EUL) Thrombose und Embolie: sie können nach jeder Operation auftreten. Wegen der möglichen frühen Mobilisation sind sie bei diesem Eingriff eher seltener; Abstoßung verwendeten Fremdmaterials: kommt bei Prolene, wie wir es verwenden, praktisch nicht vor (makroporös, monofilament); Harnverhalt: selten kann die Blase nach Eingriffen in diesem Gebiet schlecht, nicht oder nicht restharnfrei entleert werden. In manchen dieser Fälle muss ein kleiner Plastikschlauch über die Bauchdecke in die Blase eingeführt werden, um den Abfluß zu gewährleisten und die Restharnmengen zu kontrollieren. Selten ist eine erneute Operation zur Korrektur erforderlich; Blasenperforation: Durchstechen der Blase mit dem Einführgerät ist selten. Wenn sie sofort erkannt wird (daher auch die Blasenspiegelung während des Eingriffs), wird das Einführinstrument entfernt und neu platziert. Die Verletzung der Blasenwand heilt folgenlos aus (so wie nach Entfernung eines Bauchedeckenkatheters in der Blase); Fistelbildung: sie kommt extrem selten vor, vor allem, wenn aus irgendeinem Grund das durch die Blase gelegte Band nicht als solches erkannt werden konnte. Dann muss das Band entfernt und die Fistel verschlossen werden. In der Regel macht dies einen Bauchschnitt erforderlich. Die Blase heilt dann, unter Katheterschutz, in 8—10 Tagen ab. Abb. 4: Intakte, reduzierte und fehlende paraurethrale Fixierung nach: Armin Fischer: Praktische Urogynäkologie – spannungsfrei; Verlag Haag & Herchen, Frankfurt 2006; ISBN 3-89846-371-0
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