Biomechanik der dynamischen Scheidenaufhängung

Biomechanik der dynamischen Scheidenaufhängung
Betrachtet man die Biomechanik der dynamischen Scheidenaufhängung, (Abb. 1), so stellt
man fest, dass ein Winkel von über 45° gegenüber der Horizontalen (z. B. bei der
Faszienzügelfixations-OP nach Williams-Richardson entstehend) dazu führt, dass die nach
hinten (Levatorplatte = LP) und nach unten (longitudinaler analer Muskel = LMA) gerichteten
Kräfte die Scheide nicht strecken, komprimieren oder angulieren können, so dass diese
Kräfte plus der abdominale Druck (AP) direkt auf die vordere, mittlere, hintere oder obere
Scheide wirken und so eine Herniation (Deszensus) begünstigen/bewirken.
Je weiter der Winkel unter 45° gegen Null geht, umso intensiver wirken die nach hinten
gerichteten und die am Perinealkeil fixierte Scheide streckenden Kräfte, und umso intensiver
ist der Verschluss des Scheidenrohres.
Das bedeutet, dass die Ansätze der Muskeln (LP und LMA) sowie die die Muskulatur mit der
Scheide verbindende Faszie verstärkt werden muss, um die Funktion der Muskeln zu
verbessern. LP wirkt gegen den Perinealkeil (PK), LMA gegen die Sakrouterinligamente. Im
Falle einer fortgeschrittenen Senkung muss die Scheide auch wieder an ihrer Faszie befestigt
werden.
Biomechanische Analogie (Abb. 2): Dünne Bretter, die eine große Strecke überspannen,
benötigen Verstärkung (die Scheide muss unterlegt werden durch Faszie/Fremdgewebe). Das
Endprodukt muss Stürmen (Muskelkräften beim Husten, Belasten) standhalten, darum muss
ein vernünftiges Fundament (Wundheilung) gelegt werden. Die Bolzen (Nähte) dürfen nicht
zu groß oder zu fest sein, da sie das Material sonst strukturell schädigen (Gewebsnekrose).
Verziehen der Strukturgeometrie belastet andere Stellen (unvorhergesehener Weise). Es
kommt zu Schäden (Schmerz, Bruchbildung) [Burch, Amreich]. Kein Brückenbauingenieur
würde die Fixierung für den mittleren Teil der Plattform in Richtung einer Pfeilerspitze
(Burch) oder zu einer Seite (Amreich/Richter) hin verlagern, weil damit dem System die
Stabilität genommen würde.
Diese Erkenntnisse legen die generelle Strategie für das operative Konzept fest:
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Hysterektomie nur mit spezieller Indikation
Bei einer Hysterektomie überlegen, ob es sinnvoll erscheint, Rotunda- und Cardinalia-Stümpfe
median zu verbinden.
Bei gleichzeitigem Deszensus uteri Ersatz der Sacrouterinligamente durch infracoccygeale
Sakropexie mit monofilem hülsenfreien Band (Serapren) oder bei zu langer Scheide bilaterale
Vaginaefixatio sacrotuberalis mit geflochtenem nicht-resorbierbaren Fadenmaterial.
Die Korrektur beginnt hinten (posteriores Kompartiment).
Sie umfasst in der Regel nicht deszensus- und inkontinenzchirurgische Maßnahmen in einer
Sitzung – der Übersicht der Symptomatik wegen
3 bis 4 Monate Heilungszeit sollte man einkalkulieren, bevor der nächste operative Schritt
erfolgen kann.
Keine Resektion von überschüssigem Gewebe – Breite in Länge umwandeln.
Fehlendes eigenes Gewebe wird durch Implantate ersetzt, bei der posterioren Korrektur ggf.
zuerst perirektales Bindegewebe raffen, dann das Implantat einlegen.
Im Rezidivfall oder bei fehlendem Eigengewebe/schlechter Gewebsqualität und großem Defekt
bzw. cranialer Lokalisation des Defektes in jedem Fall Verwendung von Implantatmaterial.
Tamponade und Dauerkatheter für 24 - 48 Stunden, Estriol prä- und postoperativ (Dauertherapie)
Falls möglich keine Nähte im Bereich des somatisch innervierten Areals.
Abb. 1: Biomechanik der Scheide nach Petros
Abb. 32: Biomechanik der Scheide (nach Petros)
AP
45°
45°
AP
LP
LP
PK
LMA
PK
LMA
Abb. 2: Biomechanische Analogie zur Integraltheorie
Vagina
Fasziale
Fixierung
Knochen
Knochen