Terror – eine reale Gefahr

 SCHWEIZER VERSICHERUNG37
AUGUST 2016
STANDPUNKT
Sabrina Hartusch
Terror –
eine reale Gefahr
Viele Versicherer tun sich immer noch schwer, Terrorereignisse zu decken. Das müsste nicht sein. Grosskunden
jedenfalls sind offen für entsprechende Dienstleistungen.
E
s war eine neue Dimension des Terrors:
9/11. Jede Person, die ich seither frage,
was sie an jenem 11. September 2001
genau gemacht hatte, kann das bis ins De­­
tail beantworten. Ich selber war – zwei Wochen
nach Gymnasiumabschluss – mit meinem
jüngeren Bruder auf dem Weg zu Aldi; vom
Terroranschlag in New York haben wir im
Autoradio vernommen und dann den restli­
chen Tag mit den Grosseltern vor dem Bild­
schirm verbracht. Mein Grossvater bezeichnete
es als «das Ende» und schlicht: «Ein neuer
Krieg ist da.» Die Erinnerung daran hat sich in
unser Gedächtnis eingebrannt.
Unmittelbarer, nahe am Hotspot, habe ich die
Terroranschläge vom Juli 2005 in London
erlebt, wo ich damals lebte. Es war ein bewegter
Tag, den man nicht vergisst. Auch die jüngsten
Terroranschläge in Istanbul, Brüssel und Paris
haben aufs neuste gezeigt, wie real die Gefahr
des Terrors ist. Im Mittleren Osten sehen wir
das fast täglich. Das Leben wird erstickt, das
tägliche Miteinander von Unsicherheit geprägt.
Die von Skrupellosigkeit geprägten An­
schläge erscheinen willkürlich (Paris). Mir fällt
aber auf, dass vermehrt Infrastrukturen
getroffen werden (Brüssel, Istanbul). Damit
sind auch grosse Firmen betroffen; auch
SIRM-Mitglieder erlitten Schäden, trauriger­
weise waren auch Personenschäden zu bekla­
gen. Sachschäden sind ersetzbar, Menschenle­
ben nicht. Auch kann eine lang anhaltende
Betriebsunterbrechung ein Unternehmen in
Existenznöte bringen und in den Ruin treiben.
In einigen Ländern kennen wir die freiwilli­
gen und die zwingenden «Terror-Schemes». So
wurden in den USA nach 9/11 der Terrorism
Risk Insurance Act (TRIA) und der Terrorism
Risk Insurance Program Reauthorization Act
(TRIPRA) eingeführt und in Grossbritannien
wurde Pool Re aufgrund der IRA-Aktivitäten
ins Leben gerufen. Nach den Allgemeinen
Bedingungen für die Terrorversicherung sind
Terrorakte «jegliche Handlungen von
Personen oder Personengruppen zur Erreichung
politischer, religiöser, ethnischer oder
ideologischer Ziele, die geeignet sind, Angst
oder Schrecken in der Bevölkerung oder
Teilen der Bevölkerung zu verbreiten und da­
durch auf eine Regierung oder staatliche Ein­
richtung Einfluss zu nehmen».
Die Versicherungsindustrie tat sich und tut
sich immer noch schwer, Terrorereignisse
hinsichtlich der Eintrittswahrscheinlichkeit und
der potenziellen Höhe der Schäden zu schät­
zen. Jeder kennt die Terrorklausel und auch die
Verhandlungen um die Terrorklausel, die bei
Versicherungsvertragsverhandlungen geführt
werden. Auch sah man bis dato oft nur Sach­
werte gedeckt. Natürlich, wie bei anderen
Risikoklassen auch, hängt die Entscheidung,
eine Terrorversicherung einzukaufen, u.a.
von der Lokalität des Unternehmens ab, der Art
des Betriebes und natürlich auch vom Preis
der Versicherungsdeckung, also vom Angebot.
Erfreut nehme ich zur Kenntnis, dass zu­
mindest einzelne Versicherer sich öffnen und auch
Betriebsunterbrechungsdeckung im grösseren
Stil anbieten. Sei dies durch Innovationen
oder durch Ausdehnung der Produktpalette.
Die Richtung stimmt: Es muss der Versiche­
rungsindustrie doch ein ureigenes Anliegen
sein, mit ihren Versicherungsnehmern in
Dialog zu treten und diese Deckung zu disku­
tieren. Grosskunden jedenfalls sind offen für
solche Deckungen.
Die Kommentatoren
In unserer Rubrik «Standpunkt» setzen sich
alternierend Persönlichkeiten mit der Assekuranz
auseinander. Es sind dies:
Sabrina Hartusch
Präsidentin Vereinigung
der Schweizer ­Insuranceund Risk-Manager
SIRM (über Bedürfnisse
von ­Geschäftskunden).
Urs Berger
Präsident des Schweize­
rischen Versicherungs­
verbandes SVV (zu Privatversicherungen und Politik).
Dr. Jérôme Cosandey
Projektleiter beim ThinkTank Avenir Suisse
(zu Sozialversicherungen).
Professor Dr. Martin Eling
Institut für Versicherungswirtschaft IVW der ­Universität
St. Gallen (zu Versicherungsmanagement).
Professor Dr. Hato Schmeiser
Institut für Versicherungswirtschaft IVW der Universität St. Gallen (zu Risikomanagement).