66 Wissen und Perspektive Kommunalgeschäft Ertragspotenziale heben Mit einer klaren Geschäftsstrategie in Bezug auf Marge, Risikobewertung, Volumina und Kundengruppen ist das Kommunalgeschäft für eine Genossenschaftsbank eine sinnvolle Erweiterung ihres bestehenden Angebots, wie die Erfahrungen der Volksbank Mittelhessen zeigen. Markus Krampe und Günther Riedl V or fünf Jahren stand die Volksbank Mittelhessen vor der Entscheidung, das Kommunalkreditgeschäft weiterhin in den dezentralen Betreuungseinheiten zu belassen oder in einer neuen Abteilung mit Spezialisten zu konzentrieren, die auch als zugeordnete Ansprechpartner für die Kommunen zuständig sind. Mit der Bündelung in einer neuen Abteilung wurden zugleich Markus Krampe ist Abteilungsleiter Vertrieb Öffentliche Kunden bei der WL Bank. E-Mail: [email protected] Günther Riedl ist Prokurist der Volksbank Mittelhessen und in der Abteilung Spezialfinanzierungen und Kommunen tätig. E-Mail: [email protected] 08 16 die Weichen dafür gestellt, welchen Stellenwert das Kommunalgeschäft zukünftig einnehmen sollte. Das war im Jahr 2011. Diese Entscheidung war drei Jahre nach der Staatsschuldenkrise nicht leicht und ist es heute noch weniger. Denn aus den unterschiedlichen Ausgangssituationen vor Ort – Steuereinnahmen, Belastungen durch Flüchtlingsversorgung, Investitionsstaus, demografische Entwicklung und vieles mehr – resultieren regional stark divergierende Haushaltslagen bei den Kommunen. Veränderte Rahmenbedingungen Zugleich verändern die steigenden aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Banken auch die Rahmenbedingungen für das Kommunalgeschäft. Geschäfte mit hohen Volumen und langen Laufzeiten werden durch die zunehmende Bankenregulierung (etwa Leverage Ratio, Liquiditätsanforderungen) trotz der geringeren Risiken erschwert. Die Bankenabgabe und mögliche Eigenkapitalbelastungen in der Zukunft – wie derzeit auf EU-Ebene diskutiert – führen zu steigenden Kosten. Das hat viele Geschäfts- und Landesbanken zu einer geschäftspolitischen Neuausrichtung veranlasst und den Anbieterkreis regional deutlich verkleinert. Lange Laufzeiten und entsprechende Zinsbindungen werden nur noch von wenigen Banken angeboten. Genossenschaftlichen Geldinstituten, auch solchen mit noch geringer Kundenhistorie in diesem Geschäftsfeld, bietet das die Gelegenheit, in den Markt einzusteigen oder bestehende Aktivitäten auszubauen. Zwar ist längst nicht allen Kommunen bekannt, dass die genossenschaftliche FinanzGruppe überhaupt ein spezifisches Produktangebot für die öffentliche Hand pflegt. Doch ist über die WL Bank eine breite Angebotspalette von Kassenkrediten über langlaufende Kommunaldarlehen mit Zinsbindungen von 67 bis zu 30 Jahren bis hin zu Anleihen und Schuldscheindarlehen verfügbar. Vor diesem Hintergrund entschied sich die Volksbank Mittelhessen für eine Stärkung des Kommunalgeschäfts. Aufgrund der Größe des Geschäftsgebiets und der Anzahl der Kommunen und der kommunalen Verbände wurde es in die Abteilung „Spezialfinanzierungen und Kommunen“ integriert und drei Beratern nach Regionen (Nord, Mitte, Süd) zugeordnet. Durch den neu aufgebauten Kontakt zu den Kommunen betreut die Abteilung inzwischen 73 Kommunen und Landkreise, 28 kommunale Verbände sowie zahlreiche Eigenbetriebe und kommunale Gesellschaften. „Konzern“ Kommune bietet Potenzial Das Geschäftsfeld „Kommunalgeschäft“ wird häufig weitgehend mit dem reinen Kommunalkreditgeschäft gleichgesetzt. Tatsächlich ist das Kreditgeschäft eine wesentliche Komponente, gerade aus Sicht der Kommunen. Aus Die enge Verbindung zu den Kommunen bringt oft Hinweise auf interessante Projekte wie beispielsweise den Ausweis neuer Gewerbegebiete Banksicht meint das Segment „Kommunale Kunden“ jedoch weit mehr als nur den Kommunalkredit. So spielt beispielsweise das Anlagegeschäft eine wesentliche Rolle nicht nur in wirtschaftsstarken Regionen, denn selbst Kommunen mit hohem Kreditbedarf haben gleichzeitig zweckgebundene Rücklagen oder kommunale Stiftungen und sind verpflichtet, Anlagen zu tätigen. Wer die Kommune auch mit ihren Eigengesellschaften, wie zum Beispiel den Stadtwerken oder Wohnungsbauunternehmen, als „Konzern“ betrachtet, dem offenbart sich ein großes Geschäftspotenzial für einen ganzheitlichen Vertriebsansatz: Neben Haushaltsfinanzierungen gehört dazu die Finanzierung der unselbstständigen Eigenbetriebe sowie der Eigengesellschaften, aber auch Themen wie Cash Management vom Kassenkredit bis zum Electronic Banking, Geldanlage und Vermögensmanagement. Häufig unterschätzt werden vorhandene Produkte, wie der kommunale Bausparvertrag, den mittlerweile viele Kommunen zur Zinssicherung nutzen. Auch Kapitalmarktprodukte, wie Anleihen und Schuldscheindarlehen, bieten insbesondere größeren Kommunen Vertriebschancen, die nach Möglichkeiten suchen, ihre Refinanzierungsbasis und dabei die Anzahl potenzieller Anbieter zu erweitern. Die Volksbank Mittelhessen pflegt inzwischen eine enge Bindung zu den Kommunen, die durch feste Gesprächstermine mit den kommunalen Verantwortungsträgern entstand: Im ersten Halbjahr Termine mit den Bürgermeistern, im zweiten Halbjahr Termine mit den Kämmerern und/oder den Leitern der Stadtoder Gemeindekassen. Außerhalb dieser festen Termine finden Gespräche zu Sonderthemen, etwa zu SEPA, VR-RechnungsService oder dergleichen, statt. Da die bestehenden Verbindungen der Kommunen zu den Sparkassen, zur Sparkassenversicherung, zur GVV-Kommunalversicherung und den Versorgungskassen seit Jahren gepflegt wer- 68 Wissen und Perspektive den, gestaltet sich der Cross-Selling-Bereich anspruchsvoll. Der Impuls für eine Anknüpfung muss hier über die Bürgermeister und die Leiter der Fachbereiche gesetzt werden. Interessante Ansätze bieten sich zum Beispiel im kommunalen Bausparen (Bausparkasse Schwäbisch Hall), bei den Sachversicherungen (R+V), der Beamtenversorgung (R+V, Pension Consult und Compertis), der Vermögensverwaltung (DZ Bank) und dem Zahlungsverkehr. Cross-Selling-Optionen Aus der engen Verbindung zu den Kommunen ergeben sich für die Volksbank Mittelhessen immer wieder Hinweise auf interessante Projekte, wie etwa Sozialimmobilien, neue Bau- und Gewerbegebiete, Fachmarktzentren, Öffentlich-Private-Partnerschaften oder im Bereich Erneuerbare Energie. Die Kommunen sind in den meisten Fällen erste Anlaufstation für Investoren und Projektierer. Durch diese frühe Kenntnis hat die Volksbank Mittelhessen einen Informationsvorsprung vor den Mitbewerbern und kann frühzeitig Projektfinanzierungen akquirieren. Die Kommunen als Informationsquelle und Multiplikatoren zu nutzen – allein das ist schon ausreichende Motivation, das Kommunalgeschäft verstärkt in den Fokus zu stellen. In den letzten fünf Jahren hat die Volksbank Mittelhessen ihre Kompetenz so weit ausgebaut, dass sie von allen Kommunen und kommunalen Verbänden in ihrem Geschäftsgebiet bei Ausschreibungen für Kassenkredite und Kommunaldarlehen angefragt wird. In Zusammenarbeit mit der WL Bank können nahezu alle Anfragen abgedeckt werden. Kommunale Anfragen werden von der Volksbank Mittelhessen direkt an den Verbundpartner aus Münster durchgeleitet, der alles Weitere vom Angebot bis zur Abwicklung übernimmt. Der Kunde erhält so das 08 16 beste Angebot aus der genossenschaftlichen FinanzGruppe. Gemeinsame Kundenbesuche stärken zudem die Kompetenz der Partnerbank. Neben der Erweiterung im Produktangebot, etwa durch 30-jährige Zinsbindungen, profitiert die Volksbank von der zügigen Abwicklung und von der fachlichen Unterstützung durch die WL Bank bei Veranstaltungen für Kommunen. Auch deren Kontakte zu Interessensvertretungen und Verbänden nutzen der Volksbank. Zudem können über sie auch weitere Verbundpartner ins Spiel gebracht werden. So wurden beispielsweise bei Kapitalmarktprodukten erfolgreiche Geschäfte zusammen mit der DZ Bank realisiert. Günstiger Zeitpunkt Aus den Erfahrungen der Volksbank Mittelhessen ist das Kommunalgeschäft ein lohnendes Geschäftsfeld. Auch ist der Einstiegszeitpunkt zurzeit durchaus günstig, weil sich viele Mitbewerber aus dem Geschäft zurückgezogen haben und die Förderbanken den Markt nicht allein abdecken können. Außerdem stehen die Kommunen den Genossenschaftsbanken und der genossenschaftlichen FinanzGruppe insgesamt sehr positiv gegenüber und schätzen gerade ihre „Bodenständigkeit“ als positive Qualität. Allerdings rät die Volksbank Mittelhessen dazu, beim Einstieg mit einem erfahrenen und bundesweit operierenden Verbundpartner zusammenzuarbeiten. Denn nur wenige Volksbanken können eine eigene Organisationsstruktur für den öffentlichen Sektor vorhalten, da die kritische Größe nicht erreicht wird. Die daraus folgende dezentrale Organisation des Kommunalgeschäfts als eine Nebenaufgabe für anderweitig spezialisierte Mitarbeiter führt dazu, dass weder Fachwissen noch Routinen aufgebaut werden können. Hinzu kommt, dass andere Marktteilnehmer, speziell aus dem Sparkassensektor, in der Vergangenheit im Preiswettbewerb offensiv unterwegs waren. Die Kooperation mit einer Pfandbriefbank als Verbundpartner kann hier aufgrund ihrer Refinanzierungsvorteile deutliche Wettbewerbsverbesserungen bieten. Wichtig ist aus Sicht der Volksbank Mittelhessen, das Geschäft bankintern auf einen oder wenige Betreuer zu konzentrieren. In einigen Volksbanken wird es sogar als „Chefsache“ behandelt – der Vorstand betreut die Bürgermeister persönlich und lässt sich extern unterstützen. In jedem Fall ist die konsequente Betreuung durch feste Ansprechpartner innerhalb der Genossenschaftsbank ein Weg zu größerer Effizienz und entlastet die anderen Mitarbeiter. Eine Ausbildung der Mitarbeiter im Vertrieb und in der Marktfolge kann über Angebote wie der der ADG in Kooperation mit der WL Bank erfolgen. Das Kommunalgeschäft wird wegen zunehmender Regulatorik einerseits schwieriger, andererseits bieten sich aber durch einsetzende Wettbewerbsveränderungen große Chancen: Während andere sich zurückziehen oder nur bestimmte (kürzere) Zinsbindungen darstellen, kann die genossenschaftliche FinanzGruppe die gesamte Produktpalette anbieten. Davon können insbesondere solche Volksbanken und Raiffeisenbanken profitieren, für die eine eigene spezialisierte Betreuung nur bedingt sinnvoll ist. Der gemeinsame Marktantritt kann hier neue Geschäftspotenziale für die genossenschaftliche FinanzGruppe heben, die politische Vernetzung der Volksbankvorstände unterstützen und nicht zuletzt Image und regionale Stellung der Volksbank – gerade gegenüber dem Sparkassensektor – weiter verBI bessern. Ihnen fehlt ein i T Te eil zum Ganzen?? Ihre Stellenanzeige in d der BankInformatiion – jeden Monat bundessweit rund 100.000 Ko K ontakte. w w w.bankinformation.de Mediaadaten Te elefon: (02 51) 5 30 01- 86 E- Mail: nicole.reher@geno -kom.de
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