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6 Agile IT · NTT DATA
NTT DATA · Agile IT 7
_Agile IT als Voraussetzung für
die digitale Transformation
Fotos: Audi
Illustrationen: Sabine Werner
IT ist ein integraler Bestandteil künftiger Mobilitätskonzepte, und
so steht die Automobilindustrie an der Schwelle zum digitalen
Zeitalter vor der Aufgabe, diese agiler und schneller zu gestalten.
automotiveIT 2015
In den vergangenen fünf Jahren hat sich
die Automobilindustrie stärker verändert
als in den letzten 100. Stand der Begriff
„Digitalisierung“ vor 5 Jahren noch für die
Überführung von analogen Werten in ein
elektronisches Format, ist er heute Synonym für ein Zeitalter, Überbegriff für alle
technologiegetriebenen
Veränderungen
und zentraler Aspekt jeder Unternehmensstrategie. Der Wechsel von Analog zu
Digital stellt traditionelle Strategien und
Geschäftsmodelle der Automobilhersteller
und Zulieferer in Frage und greift in jeden
Aspekt des unternehmerischen Handelns
ein. Die Weichen für die digitale Transformation werden durch und in der IT gestellt.
Eine agile IT muss schnell und flexibel auf
sich ändernde Anforderungen reagieren
können.
Die Kundenerwartungen haben sich
deutlich verändert, nicht zuletzt durch
Unternehmen wie Apple, Google oder Tesla. Apple ist die Ikone für zweckmäßiges
Design und intuitive Bedienbarkeit bei
gleichzeitig begrenzter Variantenanzahl.
Tesla hat dieses Prinzip in die Automobilindustrie gebracht. Apple und Tesla bieten
nur beschränkte Konfigurationsmöglichkeiten ihrer Modelle und damit der Hard-
ware. Individualisierung erfolgt über die
Software, was die Standardisierung in der
Produktion erleichtert. Mit immer neuen
Produktmodellen – so wird jedes Jahr eine
neue Version des iPhones lanciert – und
regelmäßigen Software-Updates – werden
zusätzliche Kundenerwartungen geweckt.
Die klare Botschaft lautet: Entwicklungszyklen von fünf bis sieben Jahren, die in der
Automobilindustrie Standard sind, werden
von Technologieunternehmen wie Apple
und Tesla herausgefordert.
Damit Automobilhersteller nicht zu
Zulieferern der Software-Unternehmen
werden, müssen sie eine digitale Transformation durchlaufen. Diese gelingt nur,
wenn ein Umdenken auf allen Ebenen
stattfindet: Überdenken der Wertschöpfungskonzepte und Kundenzentrierung,
Neuausrichtung von Unternehmenskultur,
Organisation und Prozessen plus einer IT,
die als zentraler Enabler des Business und
von Innovation agiert. Während das Spaltmaß in der Fertigung durch einen global
sehr hohen Produktionsstandard weniger
differenzierend geworden ist, muss das
Spaltmaß der kundenzentrierten Digitalisierung in der traditionellen Automobilbranche erst noch verankert werden.
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Kundenzentrierung bedeutet, ausgehend von durchaus heterogenen Kundenerwartungen die Produkte und Services zu gestalten. Dies bedeutet für die
Automobilhersteller einen Wandel vom
reinen Produkt- und Funktionsdenken
(Was ist technisch im Auto umsetzbar?)
hin zu einer konsequenten Ausrichtung
auf den Kunden und seine individuellen
Mobilitätsanforderungen (Was braucht
der individuelle Kunde? Was schafft aus
Kundensicht Mehrwert?). Für klassisch
produktzentrierte Automobilhersteller und
das ebenfalls produktzentrierte Eco-System der Zulieferer stellt dieses Umdenken
eine sehr große Herausforderung dar.
Die Herausforderer der Automobilindustrie sind die „Digital Natives“ der Unternehmenswelt, die ohne das Erbe gewachsener Organisationsstrukturen, Prozesse
und IT-Architekturen auf einer vergleichsweise grünen Wiese und oftmals ausgestattet mit signifikantem Venture Capital
agieren können. Für die Digital Natives
der Unternehmenswelt existiert keine separate IT Funktion, sondern das gesamte
Geschäftsmodell basiert umfänglich auf
IT. Gartners „bimodale IT“ mit zwei getrennten, aber dennoch aufeinander abgestimmten Modellen der Bereitstellung von
IT Leistungen existiert dort nicht. Und dennoch: für etablierte Unternehmen bedeutet dies, das eine neue Aufstellung in der
IT erforderlich ist: auf der einen Seite gibt
es die traditionelle IT mit den „Systems of
Record“ (möglichst zentrale IT Systeme
zur effektiven Speicherung großer Datenund Transaktionsmengen), die mit den
„Systems of Engagement“ (eher dezentrale
angesiedelte Systeme mit Technologien,
die Interaktionen mit Nutzern ermöglichen) auf der anderen Seite verbunden ist.
Als agile IT konzentriert sie sich auf eine
schnelle und günstige Implementierung
sowie Bereitstellung neuer Technologien
und Prozesse. Die IT-Landschaft ist skalierbar, flexibel und fokussiert auf Effizienz.
- Wesentliche Erkenntnisse zu Konsumentenverhalten und Unternehmensabläufen
Immer kürzere Produktlebenszyklen
Welche Funktionalitäten
schaffen bei der indviduellen
Produktkonfiguration den
größten Mehrwert? Alles
andere bleibt unberührt. Zu
viel Auswahl erschwert die
Kaufentscheidung.
Die Alterung von Produkten
wird im wesentlichen davon
abhängen, inwieweit es
gelingt, nach dem Kauf dem
Produkt durch Software
Wertigkeit und Funktionalität
hinzuzufügen.
Schnelle Amortisierung
Unternehmen müssen eine
Ant wort auf sich verkürzende
Zyklen von Customer Value
finden. Entwicklungsphasen
von fünf Jahren funktionieren
nicht, wenn das Produkt bei
Markteinführung bereits technisch veraltet ist.
Balance zwischen Design
und Zweckmäßigkeit
Zweckmäßigkeit verpackt in
ein auf den Nutzer ausgerichtetes Design ist eine der grundlegenden Erwartungen seitens
digital affiner Kunden.
Kundenindividuelle Massenfertigung auf dem Vormarsch
Wichtig ist die richtige Balance
zwischen Produktpersonalisierung und Standardisierung
der Fertigung sowie Planbarkeit der Liefertermine.
Relevanz des Eco-System
Das Kernprodukt muss einfach
und intuitiv bedienbar sein.
Individualisierung erfolgt mit
Hilfe eines Netzwerks von
leistungsfähigen Partnern.
Quelle: NTT DATA 2015
Reiche Auswahl für den
Konsumenten
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Um dieses neue Modell umzusetzen, sind
folgende Grundsätze zu berücksichtigen:
Verhalten der Führungskräfte ändern:
Agile IT beginnt mit einer Veränderung des
Denkens und der Fähigkeiten von Führungskräften. Sie benötigen ein tiefes Verständnis für das Business und dafür, wie
die IT das Business befähigen kann. Der ITBereich muss wie eine Geschäftseinheit geführt werden. Über geeignete Kennzahlen
müssen Innovationsfähigkeit, Effizienz
und Effektivität messbar und damit steuer-
bar gemacht werden. Die Führungskräfte
fungieren als Change Agents im eigenen
Unternehmen.
Fähigkeiten verbessern: Um zielgerichteter, schneller und flexibler
agieren zu können, werden in der IT u.a.
adaptive Enterprise Architekturen, das
Denken in strategischen Plattformen sowie cross-funktional aufgestellte IT Teams
benötigt.
Grundstein legen:
Eine agile IT basiert auf innovativen Wertschöpfungsketten, deren Fokus auf hochwertigen, skalierbaren und nachhaltigen
Lösungen und einem hohen Durchlauf
liegt. Der Faktor Mensch spielt eine zentrale Rolle in der IT. Damit hat das Gewinnen, Weiterentwickeln und Halten von
Mitarbeitern zentrale Bedeutung.
Auf Kreativität setzen: Kreativitätstechniken werden zur kontinuierlichen Weiterentwicklung und damit zur Nutzung der gesamten Innovationsbandbreite verwendet. Dazu gehören
Methoden wie beispielsweise das Design
Thinking, Real Lean Ansätze und das
Crowdsourcing.
Ansatz zur Beurteilung der digitalen Gestaltungsparameter in der Automobilindustrie
IT neu
aufstellen
Organisation
und Prozesse
ausrichten
Unternehmenskultur
überdenken
Werte neu
definieren
automotiveIT 2015
Quelle: NTT DATA 2015
Kundenerlebnis
neu erfinden
Digitalisierung für die IT bedeutet, das Thema Agile IT umzusetzen und gleichzeitig in
standardisierten Plattformen zu denken.
Leistungsfähige Plattformen generieren einen höheren Durchlauf und Output seitens
der IT, ohne auf traditionelle Herangehensweisen zur Erreichung von Skaleneffekten
zurückgreifen zu müssen. Das konsequente
Denken in Plattformen erfordert u.a. die
Schaffung flexibler und skalierbarer Systeme, den Aufbau eines abgestimmten Sets
an Services und die Etablierung eines funktionierenden Partnernetzwerkes.
Die Digitalisierung in der Automobilindustrie erfordert eine schnelle und agile
IT, die Innovation und den Umgang mit
neuen Ideen im Unternehmen vorlebt,
und schneller zur Wertschöpfung bei-
trägt. Gleichzeitig muss diese aber mit
der darunterliegenden klassischen IT, den
„Systems of Record“, verankert sein. Unternehmen mit hoher Business Agilität
haben digitale Technologien bereits als
Teil ihrer DNA implementiert und nutzen
diese erfolgreich als Wettbewerbsvorteil.
Eine auf Innovationen und deutlich kürzere Entwicklungszyklen ausgerichtete
agile IT wird darüber entscheiden, ob die
Automobilhersteller zu Zulieferern großer
Software- und Technologieunternehmen
werden oder ob sie weiterhin in der Automobilindustrie den Ton angeben werden.1
Über die Autoren:
Dr. Rainer Mehl ist
Geschäftsführer von
NTT DATA Deutschland
und führt weltweit das
Automobilgeschäft des
Business- und IT-Consultingunternehmens.
Monika Sadowska ist
Management Consultant
im Bereich Manufacturing bei NTT DATA und
unterstützt die Entwicklung des globalen
Automotive Business.
vgl. auch „The Automotive Industry as a Digital
Business“;Srini Koushik, Dr. Rainer Mehl; 2015
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