Lösung Fall 3: Klemmender Gaszug (siehe dazu BGHZ 86, 256 ff. und BGHZ 105, 346 ff.) 1) Schadensersatzanspruch des K gegen P aus Vertragsverletzung Ein Schadensersatzanspruch des K gegen P aus Vertragsverletzung scheidet aus, da zwischen K und P kein Vertrag besteht. 2) Ansprüche des K gegen P aus unerlaubter Handlung gemäß § 823 Abs. 1 BGB K könnte gegen P gemäß § 823 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Schadensersatz wegen unerlaubter Handlung haben. Dies setzt zunächst voraus, dass P ein absolut geschütztes Rechtsgut des K verletzt hat. In Betracht kommt eine Verletzung des Eigentums des K an dem erworbenen Kfz. Die durch den Unfall bewirkte Beschädigung des Autos könnte sich als Eigentumsverletzung durch P darstellen, weil P das Auto mit dem defekten Gaszug hergestellt hat und es deswegen zu dem Unfall kam, durch den das Auto beschädigt wurde. Problematisch ist jedoch, dass das Auto von K als einheitliche Sache gekauft wurde und von vornherein wegen des nicht funktionierenden Gaszugs mangelhaft war. K war also zu keinem Zeitpunkt Eigentümer eines mangelfreien (einwandfreien) Fahrzeugs. Ob ein sog. „weiterfressender Mangel“ zu einer Eigentumsverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB führen kann, ist streitig. Nach der Rechtsprechung des BGH liegt allein in der Lieferung einer mangelhaften Sache oder der Erstellung eines fehlerhaften Werkes keine Eigentumsverletzung; denn der Käufer oder der Werkbesteller erwirbt ja von vornherein nur Eigentum an einer mangelhaften Sache. Anders ist es nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung allerdings dann, wenn sich die Mangelhaftigkeit der gekauften Sache oder des hergestellten Werkes zunächst nur auf einen Teilbereich beschränkt, dann aber nach dem Erwerb der Sache der Mangel sich auf weitere Teile oder auf die Gesamtsache ausdehnt, wenn also ein sog. „weiterfressender Mangel“ vorliegt. Nach der heutigen Rechtsprechung kommt es darauf an, ob sich der Schaden mit dem Unwert deckt, welchen die Sache wegen ihrer Mangelhaftigkeit von Anfang an hatte. In diesem Fall besteht sog. Stoffgleichheit des Schadens mit dem der Sache von Anfang an anhaftenden Seite 1 von 4 Mangelunwert. Dieser Schaden wird ausschließlich nach Vertragsrecht abgewickelt, denn es ist allein Aufgabe des Vertragsrechts, das sog. Nutzungs- und Äquivalenzinteresse zu schützen. Anders ist es, wenn es sich um einen weitergreifenden (weiterfressenden) Mangel handelt, der an der Sache einen Schaden verursacht, welcher mit dem wegen des Mangels schon ursprünglich vorhandenen Unwert nicht stoffgleich ist. Denn es ist Aufgabe des Deliktsrechts, den Eigentümer davor zu schützen, dass seine Sache beschädigt oder zerstört wird. Dieses Integritätsinteresse muss der Verkäufer oder Hersteller einer Sache nicht nur in Bezug auf die durch die Mangelhaftigkeit gefährdeten anderen Sachen des Erwerbers beachten, sondern es sind ihm die deliktischen Schutzpflichten auch zum Schutz der hergestellten mangelhaften Sache selbst aufgegeben. Die Abgrenzung zwischen Nutzungs- und Äquivalenzinteresse einerseits (auszugleichen nur durch das Vertragsrecht) und Integritätsinteresse andererseits (auszugleichen - auch - durch § 823 Abs. 1 BGB) erfolgt somit durch das Merkmal der Stoffgleichheit. Stoffgleichheit ist anzunehmen, wenn die Sache wegen des Mangels von vornherein völlig wertlos ist oder wenn das mit dem Fehler behaftete Einzelteil mit der Gesamtsache eine nur schwer trennbare Einheit bildet oder wenn der Mangel nicht in wirtschaftlich vertretbarer Weise behoben werden kann. Im Übrigen sind Art und Ausmaß des Mangels und des Schadens, der Inhalt der jeweils verletzten Verkehrspflicht des Herstellers, der Verwendungszweck des Produkts, die Verbrauchererwartung und u. U. auch der Kaufpreis zu berücksichtigen. Im vorliegenden Gaszug-Fall machten die Mängel des Gaszuges das Fahrzeug, das betriebsfähig blieb, nicht von Anfang an wertlos. Die vom Gaszug ausgehenden Unfallgefahren hätten vermieden werden können, wenn der Defekt rechtzeitig erkannt und behoben worden wäre. Dies wäre ohne besonderen wirtschaftlichen Aufwand und ohne Beschädigung anderer Teile des Fahrzeugs möglich gewesen. Es liegt daher keine Stoffgleichheit zwischen dem geltend gemachten Schaden und dem der Sache von Anfang an anhaftenden Mangelunwert vor. Daher ist eine Eigentumsverletzung zu bejahen. Die Handlung des P Rechtfertigungsgründen, (Herstellung auch eines rechtswidrig mangelhaften (die Produkts) Rechtswidrigkeit war, wird mangels durch die Tatbestandsmäßigkeit indiziert). Die Handlung war nach dem (vom BGH entschiedenen) Sachverhalt auch schuldhaft (fahrlässig). Festzuhalten ist daher, dass nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung im konkreten Fall § 823 Abs. 1 BGB in vollem Umfang erfüllt ist. P hat also dem K gemäß § 823 Abs. 1 BGB Seite 2 von 4 Schadensersatz wegen rechtswidriger und schuldhafter Verletzung des Eigentums des K an seinem Pkw zu leisten. Anm.: In der Literatur ist die Auffassung des BGH vielfach kritisiert worden. Problematisch erscheint einigen, dass der Hersteller faktisch dann privilegiert wird, wenn er eine Sache, die stark mit Mängeln behaftet ist, herstellt. Stellt der Hersteller dagegen eine Sache her, die größtenteils mangelfrei ist, haftet er nach § 823 Abs. 1 BGB. Dies widerspricht auch dem Gesichtspunkt der Adäquanz. Dagegen kann allerdings eingewendet werden, dass im Fall eines starken Mangels die Wahrscheinlichkeit, dass sich dieser sofort zeigt, größer ist, als bei einem nur geringfügigen Mangel, der sich (nach und nach) weiterfrisst. Diesbezüglich ist anzumerken, dass die Rechtsprechung des BGH im Zusammenhang zu sehen ist mit der früher im Bereich des Kaufvertrages bestehenden sehr kurzen Verjährungsfrist von 6 Monaten ab Übergabe (siehe § 477 BGB a. F.). Während dieser Zeit stellten sich oftmals Mängel nicht heraus, zum Schadenseintritt waren daher regelmäßig vertragliche Ansprüche, auch aus pfv (auf Schadensersatz) bereits verjährt. Dagegen begann die Verjährung gemäß § 823 BGB erst mit Kenntnis (die Verjährungsfrist betrug 3 Jahre). Nachdem im jetzt geltenden Kaufrecht die Verjährungsfristen verlängert wurden, hat sich das ursprüngliche Problem, dass dem Käufer nur noch mit § 823 BGB geholfen werden konnte, etwas entschärft. Es bleibt daher abzuwarten, ob die Rechtsprechung des BGH, die dieser im sog. Transistorfall sowie im sog. Kondensatorfall noch ausgedehnt hat, in Zukunft wieder rückläufig sein wird. Zunächst hat der BGH aber auch unter Geltung des jetzigen Verjährungsrechts an seiner Rechtsprechung festgehalten (BGH NJW 2004, 1032) Achtung: Auch dann, wenn der Tatbestand des § 823 Abs. 1 BGB erfüllt ist, können vertragliche Ansprüche bestehen. In allen Fällen dieser Art liegt selbstverständlich regelmäßig auch ein Mangel vor, der zu Gewährleistungsrechten führt, wenn ein Vertrag besteht. Es geht nicht um die Frage, ob das Äquivalenzinteresse oder das Integritätsinteresse (im Sinne eines Exklusivverhältnisses) betroffen sind, sondern ob außer dem Äquivalenzinteresse auch noch das Integritätsinteresse betroffen ist (was der BGH bei den sogenannten weiterfressenden Mängeln bejaht). Ein sogenannter weiterfressender Mangel führt also in aller Regel auch zu vertraglichen Gewährleistungsansprüchen, weil die verkaufte Ware vom vertraglich vereinbarten Zustand abweicht. Im konkreten Fall bestand kein Vertrag, sodass vertragliche Gewährleistungsansprüche ausscheiden. Bestünde im konkreten Fall zwischen K und P ein Vertrag, wären sowohl vertragliche, als auch deliktische Ansprüche zu prüfen gewesen unter Beachtung der Seite 3 von 4 unterschiedlichen Verjährungsfristen. Es stellt sich dann die Frage, ob außer einem Mangel auch noch eine Eigentumsverletzung vorliegt (im konkreten Fall vom BGH bejaht). Seite 4 von 4
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