Tierhaltung Milchvieh Automatisches Melken und Weidegang Der Melkroboter verspricht, dass er die Milchviehhaltung einfacher macht. Wer die N. Wawrzyniak G. Plesch Kühe weiterhin auf die Weide lässt, muss das Herdenmanagement streng anpassen. Automatisierte Selektionstore regeln den Zugang zum Melkroboter und zur Weide. U nter Bio-Landwirten gehen die Meinungen zum automatischen Melksystem zwischen „das kann nicht funktionieren“ und „das passt hervorragend zusammen“ weit auseinander. Automatische Melksysteme und der Weidegang sind zwei starke Trends in der Begünstigende Faktoren für AMS mit Weidehaltung Weidefläche mit direktem Anschluss an den Stall intakte, tiergerechte Verbindungswege zwischen Weide und Stall freier Zugang für die Tiere von der Weide in den Stall attraktives Kraftfutter als Lockfutter in der Melkstation täglich attraktives Futter am Trog anbieten Verzicht auf Zufütterung auf der Weide Besatzstärke und tägliche Weidezeit an die vorhandene Weidefläche anpassen Milcherzeugung, die auf den ersten Blick schlecht miteinander vereinbar erscheinen. Damit insbesondere Bio-Milcherzeuger mit Weidehaltung die Vorteile des automatischen Melkens nutzen können, bedarf es der intensiven Analyse. In konventionellen Milchviehbetrieben steht beim automatischen Melksystem (AMS) die bestmögliche Auslastung im Vordergrund, um die Kosten je Kilogramm Milch zu reduzieren. Experten nennen den Zielwert von aktuell 1.900 kg Milch je Melkeinheit und Tag oder 650.000 kg pro Jahr. Auch der Weidegang der Milchkühe beinhaltet eine ökonomische Komponente, allerdings unter der Überschrift LowCost-Produktion, was vor allem bedeutet, die Kosten für die Futterwerbung und -vorlage zu reduzieren. Außerdem wirkt der Weidegang zugunsten der Milchvermarktung, vermehrt auch außerhalb des Biolandbaus. Nicht zu vernachlässigen sind die positiven Effekte hinsichtlich des Emissions- und Klimaschutzes, der Tier- gerechtheit sowie der Tier- und vor allem der Klauengesundheit. AMS drosselt Weidegang Über das Zusammenspiel von AMS und Weidegang gibt es bisher wenige Erkenntnisse. Allerdings legen die bisherigen Untersuchungen einen Zielkonflikt nahe. So hat die Agrarwissenschaftlerin Franziska Bühlen in ihrer Diplomarbeit festgestellt, dass Öko-Milchviehhalter nach Einführung eines AMS mehrheitlich den Weidegang einschränkten oder sogar ganz aufgaben. In der Regel setzen die Tierhalter nach der Umstellung des Melksystems mehr Kraftfutter ein. Amerikanische Untersuchungen ergaben, dass bei einer Zunahme der täglichen Weidedauer etwa die tägliche Milchmenge, die Anzahl der Melkungen und die Auslastung des AMS sinken. Neben der geringeren Milchleistung war das andere Manko, dass unter anderem der Nachtreibeaufwand für die Kühe, die überfällig fürs Melken waren stieg. bioland 08/2016 30 Anzeige Komponenten des Systems Automatisches Melken (AMS) und Weidegang System komponente Melksystem Regelung Weidezugang Umsetzungsoptionen stationär Stall/Weide mobil frei selektiv (automatisch) zentral (direkt am AMS) dezentral (Selektionstor) Stallausgang Laufhof Weidezugang geblockt bis 5, 5 bis 12, 12 bis 24 tägliche Zugangsdauer zur Weide (h) Zufütterung keine (Vollweide) am Trog Grundfutter grün/konserviert Menge ad libitum/rationiert Kraftfutter Mischration Häufigkeit einmal/zweimal täglich Grundfutter/ Mischration Zeitpunkte Kraftfutter AMS einsatz Lockfutter (ausschließlich)/ leistungsabhängig KFStation leistungsabhängig am Trog einzeln/in Misch ration Die eher konventionellen Ziele der Ökono mik und Arbeitswirtschaft sowie die Ziele des ökologischen Landbaus mit maxima lem Weidegang, minimalem Kraftfutter einsatz und möglichst vielen Freiheiten für die Kuh können bei entsprechenden Rahmenbedingungen vereinbar sein. Dazu sollte man sich zunächst aber die wesent lichen Einflussgrößen auf ein reibungslo ses System klarmachen. Bei ungeregeltem Zugang zu den Weide flächen mit ausreichend schmackhaftem Aufwuchs muss der Tierhalter dafür sor gen, dass die Kühe gerne regelmäßig wie der in den Stall kommen, um sich melken zu lassen. Dafür müssen Anreize geschaf fen werden. Dazu zählen ein schmackhaf tes Kraftfutter im AMS, die Vorlage attrak tiven Grundfutters, ein gutes Stallklima und ausreichend Platz im Stall. Für den notwendigen Pendelverkehr zwi schen Weide und Stall braucht es fußge sunde Kühe, eine direkte StallWeide Anbindung und möglichst kurze, aber vor allem tiergerechte Verbindungswege mit weichem Boden, möglichst ohne Steine und Morast. Neben dem freien Kuhver kehr zwischen Weide und Stall sorgen au tomatisierte Selektionstore für einen ge ringeren Nachtreibeaufwand und eine bessere Auslastung des AMS. Sie verwei gern Kühen mit bevorstehendem Melkan recht den Weidegang. Sinnvoll sind diese Tore auch, wenn nur wenig Weidefläche zur Verfügung steht oder bei Nässe die Grasnarbe geschädigt würde. Weideflächen entscheidend Die vielfältigen Faktoren der Tabelle zeigen, dass die konkrete Ausgestaltung eines Systems mit automatischem Melken und Weidegang im Betrieb zunächst sehr stark von verfügbaren Weideflächen mit direk ter Anbindung an den Stall abhängt. Sie entscheiden darüber, ob die Kombination Weide und AMS überhaupt zum Betrieb passt, über das Weidesystem, die tägliche Zugangsdauer und die Besatzstärke. Über die Fütterung von Kraft und Grundfutter im Stall können Landwirte Impulse zum Besuch von Stall und AMS setzen. Nicht jeder Betrieb verfügt über arron dierte und hofnahe Flächen. Um dennoch mit automatischer Melktechnik zu arbei ten, wurden (teil)mobile AMS entwickelt. In Deutschland, den Niederlanden, Bel gien und auch in Dänemark wurden un terschiedliche Systeme erprobt. Während sich die ursprüngliche Idee, mit dem Mel kroboter zu den Kühen zu fahren, als nicht erfolgreich herausstellte, funktionieren teilmobile Lösungen. Auf großen, hof fernen Flächen richtet man während der Weidesaison einen festen Stellplatz für den Roboter mit Güllekeller, Wasser und Stromversorgung und Milchtank ein. Um den Arbeitsaufwand gering zu halten und die Weide zu optimieren, ist der ge >> Tierhaltung Milchvieh Aktuelles Projekt am LAZBW lenkte Kuhverkehr von einem zum nächs ten Weideteilstück unerlässlich. Vor al lem stark frequentierte Wege müssen Tierhalter tiergerecht befestigen. Länge re Distanzen zum Roboter sind bei diesem System unproblematisch. Wichtig sind ge nügend Schatten und Wetterschutz sowie Tränken auf allen Teilflächen. Das Projekt „Optimierung des Systems Weidegang und automatisches Melken im öko logischen Landbau“ analysiert 25 BioBetriebe mit automatischem Melksystem (AMS) und Weidegang in BadenWürttemberg und Bayern. Die Wissenschaftler der Projekt partner untersuchen, welche Optionen in der Praxis genutzt werden, welche Potenti ale bei der Auslastung des Melksystems und der Milchleistung bestehen und wie sich dies betriebswirtschaftlich auswirkt. Daraus sollen konkrete Empfehlungen entste hen. Ergebnisse sind Ende 2016/Anfang 2017 zu erwarten. Projektpartner: Landwirtschaftliches Zentrum BadenWürttemberg Aulendorf, Univer sität Hohenheim, Wissenschaftszentrum Weihenstephan der TU München Weitere Informationen: Uwe Eilers, LAZBW Aulendorf, Tel.: 0 75 24/9 42- 308, E-Mail: [email protected] Kein System von der Stange triebsindividuelle Lösungen für das Wei dekonzept, für den Stall, die Zufütterung und den Kraftfuttereinsatz zu finden. Hin weise gibt die Tabelle. Dabei kommt es auf die Ansprüche an den Weidegang, die Ziemlich unspektakulär Um acht Uhr ist alles gemacht. Die Käl ber sind getränkt, die Rinder versorgt, der Laufstall sauber. Zwei Stunden küm mert sich BiolandLandwirt Roland Etling im hessischen Helpershain jeden Morgen um sein Vieh und die Weiden. Das Melken seiner derzeit 40 Milchkühe überlässt er seit acht Jahren dem Melkroboter. Der Betriebsablauf sei dadurch „ziemlich un spektakulär“ geworden, sagt Etling. Das ist das Spektakuläre. Die Weiden des ruhig gelegenen Bioland Betriebs im Vogelsberg münden direkt am Laufhof vor dem luftigen Laufstall. An dessen Stirnseite hat der BiolandTierhal ter den Milchtank, den PCRaum und den Melkroboter der Firma Lemmer Fullwood in einem Anbau untergebracht. Zum „Mel ker“ haben die Tiere jederzeit Zugang, von den Weiden oder dem Stall aus. Natür lich nur, wenn es die Statistik zulässt. Die Daten sammelt der Transponder am Fuß der Kuh. Die Zahlen für die Milchkontrolle übermittelt das EDVProgramm „Chrys tal“ automatisch online zur Milchleis tungsprüfung. An den Automaten gewöhnen „Es hat ein Jahr gedauert, bis das Sys tem reibungslos funktioniert hat“, berich tet der 38jährige Tierhalter – bis sich alle Tiere selbstständig und ohne Zipper lein von dem eisernen Melker haben mel ken lassen. Auch heute brauche die eine oder andere Kuh noch etwas Nachhilfe. „Ich lasse den Kühen aber viel Freiraum. Manchmal gehen sie dann eben erst nach 20 Stunden in den Melkroboter.“ Erstlak tierende Tiere gewöhnt er bereits zwei Wochen vor der Kalbung an das Melk system, indem er ihnen dort schon ein mal Kraftfutter anbietet, ohne zu melken. Das Futter – Kleegras, Triticale, Hafer und Gerste – baut Etling auf zehn Hektar Ackerland und auf 70 Hektar Grünland an. Gras und Kleegras siliert er. Arbeitsbelastung und die Tiergesundheit an. Uwe Eilers und Dr. Gudrun Plesch, Landwirtschaftliches Zentrum Baden-Württemberg, Aulendorf Kombiniert den Melkroboter mit der Weidehaltung: BiolandLandwirt Roland Etling Mehr Zeit für anderes 120.000 Euro hat Etling damals inves tiert, die sich gelohnt haben, meint der Tierhalter. Nicht etwa, um einen weite ren Betriebszweig aufzubauen, sondern „um mehr Zeit zum Mountainbike fahren und für die Familie zu haben“, sagt er schmunzelnd. 2010 hat er den Betrieb von seinen Eltern übernommen. Bald will er den Stall allerdings um 30 Liegeboxen und nach und nach um ebenso viele Milchkühe aus Eigenremontierung erweitern. Wichtig sind Tiere, die zum Melkroboter passen. Nicht zu großrahmig dürfen sie sein und der Melkarm muss unter das Euter pas sen. Mit 60 bis 70 Tieren kommt der Ge hilfe Merlin gut zurecht, der Stalldurch N. Wawrzyniak Milchviehhalter können das automatische Melksystem und den Weidegang erfolg reich kombinieren. In den meisten Fäl len gilt aber, dass die Melkstation dann nicht voll ausgelastet ist. Es gilt stets, be schnitt liegt bei rund 6.500 Kilogramm. Heute ist der Melkroboter abbezahlt und den Service macht der gelernte Landma schinenmechaniker selbst. bioland 08/2016 32
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