Rezension: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.12.1952, S. BuZ5 Guareschi, Giovannino: Enthüllungen eines Familienvaters Giovannino Guareschi: "Enthüllungen eines Familienvaters". Roman. 1952. Mit 361 Federzeichnungen von Fritz Fischer. Ins Deutsche übertragen von Hans Weigel und Wolfram Bacher. (Donau-Verlag, Wien/München, 396 Seiten, 16.80 DM.) In dergleichen penetrant kleinbürgerlichen Welt des Don Camillo, der dem kommunistischen Dorfschulzen Peppone mit der größeren Reichweite der militanten Kirche einige außerhalb der sportlichen Fairness liegende Tief schlage versetzt, in dieser gleichen Welt gibt nun auch der Autor Guareschi mit der Tendenz zum Realismus und zur satyrischen Intimität der gefühlvollen und poetischen "Wahrheitsdramen" die Enthüllungen eines Familienvaters preis. Dadurch gewinnt dieser neue Roman, in dem das Familienoberhaupt als menschliche Mitte herausgestellt und vom "Training bis zur Meisterschaft" durch alle Stadien einer modernen Passion verfolgt wird, den Charakter der Autobiographie. Wer diese köstliche, humorgespickte Interpretation eines geplagten und doch glücklichen Vaters ohne Schockwirkung überstanden hat, der mag erkennen, daß es hier offenbar nicht darauf ankommt, die Memoirenfülle durch ein neues Erinnerungsblatt zu bereichern, sondern, daß es wohl möglich ist, im Zeitalter der Kollektive und des menschlichen Herdentriebs, der Familie als der kleinsten staatsbürgerlichen Zelle einige Chancen gegen die Vermassung einzuräumen. Illusion und Wirklichkeit, Glück und Zufall formen die kleine Welt des Giovannino. In dieser modernen Idylle aus Dichtung und Wahrheit wird selbst noch beim Detail der logische Zusammenhang mit der großen Welt und all ihren geistigen Strömungen mit humorvoller Präzision nachgewiesen. So etwa wenn Guareschi schreibt: "Um 1440 fand Herr Gutenberg, als der erste Abzug seines Druckbogens vor ihm lag, in der zweiten Zeile eine "Elefantendame" statt einer "eleganten Dame". Als er die ganze Druckfahne aufmerksam durchgelesen hatte, zeichnete er einige über das Blatt verstreute Fehler an und erging sich in furchtbaren Verwünschungen gegen seinen armen Kompagnon Fust, der nicht das geringste dafür konnte. So traten gleichzeitig die Setzer, die Druckfehler und der Korrektor in die Welt. Und so konnte ich, fast fünf Jahrhunderte später, die Stelle eines Korrektors annehmen, die mir nach langem ergebnislosem Suchen von der Verwaltung der lokalen Tageszeitung angeboten wurde." Für den armen Teufel "Vater", den Ernährer und Erhalter der Familie hat Margherita, "die einen erfolgreichen Angriff auf mein unverteidigtes Junggesellentum verübt hatte", nur eine dialektische Bedeutung. Ihre weibliehe Logik erhellt sich in jenen für alle Männer unfaßbaren Grundsätze, wonach sich etwa aus einem Eisenbahnzusammenstoß die Folgerung ergibt, mindestens fünf Flaschen mit hausgemachtem Tomatenmark anzufüllen und ähnliches mehr. Aber es ist auch einem Vater klar, daß sich oft im häuslichen Zusammenleben Phänomene ereignen, die sich jeder wissenschaftlichen Forschung entziehen, und daher muß immer wieder der Herr im Hause vor dem "süßen Geschöpf" kapitulieren, wenn ihre Wörter, die sie spricht, eine buchstäbliche und eine gefühlsmäßige Bedeutung haben und wenn ihre schwarzen Augen sagen: "Giovannino, Giovannino ..." Auch in. diesem neuesten. Werk ist Guareschi - diesmal, wie er selbst von sich sägt, "ohne Schnurrbart" - weit davon entfernt, soziale Gegensätze gegeneinander auszuspielen, um als lachender Dritter mit dem Heiligenschein der Tugend, aus diesem selbstinszenierten Kampf hervorzugehen. Aber er will die Dinge, wie sie nun einmal sind, nicht verniedlichen, sondern mit spitzer Feder, aber auch mit Scherz, Satire und Ironie mitten in der Aera, da . die Atombombe und der Wille zur Macht Triumphe feiern, eine Oase des Friedens und der Menschlichkeit zeichnen. Martin Ruppert Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main
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