Patentrecht 7. Vorlesungseinheit Die Patentverletzung Prof. Dr. Christian Rohnke © Prof. Dr. Christian Rohnke # 1.648.681 1 1. Überblick 1.1 Das Patent als Ausschließlichkeitsrecht „Geistiges Eigentum“ als Monopol Paradox: Vermehrung als Diebstahl Die Bestimmung des Verbotsbereichs als Subsumtionsprozess: die Ansprüche grenzen das Recht des Inhabers vom freien Stand der Technik ab 1.2 Interessenabwägung Patentinhaber ist vor Umgehungen und unbeabsichtigten Lücken zu schützen („Kern“ der Erfindung ≠ Anspruch) Allgemeinheit muss weiter in benachbarten Bereichen tätig sein dürfen, Forschung darf nicht behindert werden Daher weder enge Begrenzung auf Anspruchswortlaut noch uferlose Abstraktion auf bloßen Grundgedanken zulässig © Prof. Dr. Christian Rohnke # 1.648.681 2 2. Die vorbehaltenen Benutzungshandlungen © Prof. Dr. Christian Rohnke # 1.648.681 3 2. Die vorbehaltenen Benutzungshandlungen 2.1 Abschließende Regelung in § 9 S. 2 PatG Was nicht erwähnt ist, ist erlaubt, z. B. bloße Vorbereitungshandlung, z. B. Kauf von Maschine zur Herstellung des patentierten Endprodukts bloße Patentanmeldung (die Anmeldung oder Erteilung gibt aber umgekehrt auch kein positives Recht zur Benutzung) 2.2 Fehlende Zustimmung des Patentinhabers Grundfall der Zustimmung: Lizenz (auch mündlich oder sogar stillschweigend) Sonderproblem: Erschöpfung (Inverkehrbringen des patentierten Gegenstandes durch den Patentinhaber mit seiner Zustimmung); erschöpfte Gegenstände können ohne erneute Zustimmung weiterverkauft werden, aber Begrenzung der Erschöpfungswirkung auf bestimmtes Territorium möglich, nach deutschem Recht nur in der EU Merke: Eine Verletzung kann nie vorliegen, wenn der Patentinhaber einem in der Veräußerungskette vorgelagerten Unternehmen die Zustimmung zum Inverkehrbringen in dem fraglichen Gebiet gegeben hat. © Prof. Dr. Christian Rohnke # 1.648.681 4 2. Die vorbehaltenen Benutzungshandlungen 2.3 Benutzungshandlung bei Erzeugnispatent Herstellen auch im Auftrag auch speziell angepaßte Teile („erfindungsfunktionell individualisiert“) nicht bloße Ausbesserung, aber Wiederherstellung Anbieten z. B. durch Katalog, im Internet (soweit Lieferung nach Deutschland angeboten) auch zur Miete oder Leihe Inverkehrbringen jeder Akt, durch den rechtliche Verfügungsgewalt auf eine andere Person übergeht, z. B. Übergabe an Frachtführer des Käufers Import, Export, nicht bloßer Transit © Prof. Dr. Christian Rohnke # 1.648.681 5 2. Die vorbehaltenen Benutzungshandlungen 2.3 Benutzungshandlung bei Erzeugnispatent (Fortsetzung) Gebrauchen d.h. auch gewerblicher Verwender einer patentverletzenden Vorrichtung ist selbst Verletzer unabhängig von Sacheigentum (z.B. Leasing) nicht die bloße Ausstellung Besitzen nur zu den oben genannten Zwecken 2.4 Benutzungshandlung bei Verfahrenspatent Anwenden z. B. auch Demo-Vorführung bei Kunden Anbieten zur Anwendung nur unter eingeschränkten Voraussetzungen (Kenntnis) Unmittelbares Verfahrenserzeugnis das Produkt muss gerade auf Anwendung des Verfahrens zurückgehen und darf Eigenschaften später nicht einbüßen © Prof. Dr. Christian Rohnke # 1.648.681 6 3. Mittelbare Patentverletzung (§ 10 PatG) © Prof. Dr. Christian Rohnke # 1.648.681 7 3. Mittelbare Patentverletzung (§ 10 PatG) 3.1 Mittel muss sich auf wesentliches Element der Erfindung beziehen, d.h. ein im Patentanspruch benanntes Merkmal 3.2 Geeignet oder bestimmt, für die Benutzung verwendet zu werden 3.3 Kenntnis des Käufers von Eignung und Bestimmung der Mittel 3.4 Bei Standardprodukten nur bei Veranlassung des Belieferten zur Patentverletzung Offensichtlichkeit aufgrund der Umstände kann ausreichen, z. B. Abbildung der patentverletzenden Anwendungsform in einem Katalog Käufer darf nicht zur Benutzung des Patents berechtigt sein, Nichtberechtigte sind auch die Personen des § 11 Nr. 1 – 3 PatG © Prof. Dr. Christian Rohnke # 1.648.681 8 4. Ausnahmen von der Wirkung des Patents (§ 11 PatG) © Prof. Dr. Christian Rohnke # 1.648.681 9 4. Ausnahmen von der Wirkung des Patents (§ 11 PatG) 4.1 § 11 Nr. 1 PatG - Privater Bereich und zu nicht-gewerblichen Zwecken 4.2 § 11 Nr. 2, 2a, 2b PatG - Versuche Zur Weiterentwicklung Zur Prüfung der Funktionsfähigkeit Nutzung biologischen Materials zur Züchtung neuer Pflanzensorte Zur Erreichung der Zulassung eines Arzneimittels erforderlich Kein generelles Forschungsprivileg: Patentverletzung z. B. durch Benutzung eines nachgebauten Analysegeräts in der pharmazeutischen Forschung 4.3 § 11 Nr. 3 PatG - Einzelzubereitung von Medikamenten in Apotheken 4.4 § 11 Nr. 4 PatG - Schiffe, Flugzeuge, Fahrzeuge Nur vorübergehend und zufällig im territorialen Verbotsbereich 5. Vorbenutzung (§ 12 PatG) Siehe Darstellung in der 4. Vorlesungseinheit © Prof. Dr. Christian Rohnke # 1.648.681 10 6. Schutzbereich des Patents (§ 14 PatG) 6.1 Grundsatz Ansprüche maßgebend Beschreibung und Zeichnung (nur) Auslegungshilfe 6.2 Auslegung Angemessener Schutz Rechtssicherheit Sachkundiger Leser muss anhand des Inhalts mit einiger Sicherheit feststellen können, in welchem Umfang er die Patentansprüche zu respektieren hat Der Wortlaut ist nicht allein maßgebend, es kommt auf Offenbarungsgehalt nach dem Verständnis des Durchschnittsfachmanns an: wie versteht dieser die im Anspruch verwendeten Begriffe Beschreibung bietet oft Anhaltspunkte für Auslegung („Patent ist sein eigenes Lexikon“) © Prof. Dr. Christian Rohnke # 1.648.681 11 6. Schutzbereich des Patents (§ 14 PatG) 6.3 Äquivalenz (Ausdehnung des Schutzumfangs über den Anspruchswortlaut hinaus) Gleichwertige Lösung Gleichwirkende Mittel, die der Durchschnittsfachmann aufgrund seines Fachwissens auffinden kann Aufgrund von Überlegungen, die an Sinngehalt der Patentansprüche anknüpfen; also kein abweichender Lösungsweg Aber: Keine Äquivalenz, wenn im SdT bekannte Ausführungsform oder gegenüber SdT nicht erfinderisch Beachte: Dieser Einwand gilt nicht bei wörtlicher (identischer) Verletzung, d. h. im Verletzungsprozeß kann man sich nicht damit verteidigen, daß die geschützte Lehre nicht neu und erfinderisch war. Hier muß Nichtigkeitsklage erhoben werden. © Prof. Dr. Christian Rohnke # 1.648.681 12 6. Schutzbereich des Patents (§ 14 PatG) 6.4 Keine Äquivalenz, z.B. wenn „Unwesentliches“ Merkmal weggelassen, auch wenn Unwesentlichkeit mit einigem Nachdenken ersichtlich Angegriffene Ausführungsform fällt nicht unter Anspruchswortlaut, sondern erscheint nur in Beschreibung oder Zeichnung © Prof. Dr. Christian Rohnke # 1.648.681 13 7. Ansprüche des Patentinhabers © Prof. Dr. Christian Rohnke # 1.648.681 14 7. Ansprüche des Patentinhabers 7.1 Unterlassung (§ 139 Abs. 1 PatG) Verschulden unnötig Begehungsgefahr erforderlich, liegt jedenfalls vor, wenn schon einmal Verletzung erfolgt ist (Wiederholungsgefahr) 7.2 Schadenersatz (§ 139 Abs. 2 PatG) Verschulden erforderlich, aber strenge Anforderungen an Sorgfalt, d. h. Verschulden liegt i.d.R. vor Dreifache Berechnung (wahlweise) Lizenzanalogie Verletzergewinn entgangener Gewinn des Patentinhabers 7.3 Bereicherungshaftung Kein Verschulden erforderlich Nur Lizenzanalogie © Prof. Dr. Christian Rohnke # 1.648.681 15 7. Ansprüche des Patentinhabers © Prof. Dr. Christian Rohnke # 1.648.681 16 7. Ansprüche des Patentinhabers © Prof. Dr. Christian Rohnke # 1.648.681 17 7. Ansprüche des Patentinhabers © Prof. Dr. Christian Rohnke # 1.648.681 18 7. Ansprüche des Patentinhabers © Prof. Dr. Christian Rohnke # 1.648.681 19 7. Ansprüche des Patentinhabers § 140 d © Prof. Dr. Christian Rohnke # 1.648.681 20 7. Ansprüche des Patentinhabers 7.4 Auskunfts- und Vorlageanspruch (§§ 140 b ff. PatG) Auskunft auch über Lieferanten und Abnehmer Vorlage von Sachen und Urkunden Eventuell auch durch einstweilige Verfügung Ggf. auch Bankunterlagen (§ 140 d PatG) 7.5 Vernichtungsanspruch (§ 140 a PatG) Erzeugnisse und Vorrichtungen Besitz des Verletzers ausreichend (muß nicht Eigentümer sein) Verhältnismäßigkeitsprüfung Rückruf von gewerblichen Abnehmern 7.6 Urteilsveröffentlichung (§ 140 e PatG) © Prof. Dr. Christian Rohnke # 1.648.681 21 8. Verletzungsprozeß Es gelten die Regeln der Zivilprozessordnung (ZPO) 8.1 Ordentliche Gerichte (nicht BPatG) zuständig LG, Berufung zum OLG, evtl. Revision zum BGH 8.2 Keine Prüfung des Rechtsbestandes des Patents Eventuell Aussetzung wegen Nichtigkeitsklage beim BPatG 8.3 Möglichkeit der einstweiligen Verfügung Wenn noch dringlich (wenige Wochen nach Kenntnis von Verletzung) Klarer Verletzungsfall Keine Zweifel an Rechtsbestand Patent 8.4 Rolle des Sachverständigen Erklärt insbesondere Verständnis des Durchschnittsfachmanns 8.5 Besonderheiten der Zuständigkeit Patentstreitkammern nur an bestimmten Gerichten Begehungsort: wo zumindest Teil der Verletzung stattfand, d. h. häufig Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Gerichten 8.6 Kosten und Taktik © Prof. Dr. Christian Rohnke # 1.648.681 22
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