Interview mit Doris Knecht Mit ihren Zeitungskolumnen ist Doris Knecht in Österreich einem breiten Publikum bekannt geworden. Die lieben Mühen mit der Kindererziehung und der Übergang ins vermeintlich spießige Erwachsenendasein sind ihre Leib- und Magenthemen. Auch in Büchern wie „So geht das! Wie man fidel verspießert“ oder „Gut, ihr habt gewonnen: Neue Geschichten vom Leben unter Kindern“ präsentierte sie ihre Erfahrungen. Mit „Gruber geht“ gelang ihr 2011 ein Überraschungscoup: Ihr erster Roman landete auf der Longlist des Deutschen Buchpreises. In Doris Knechts neuem Roman „Besser“ setzt sich die Hauptfigur, die junge Mutter Antonia Pollak, mit ihrer schwierigen Vergangenheit auseinander. Wir sprachen mit Doris Knecht u. a. über das Gefangensein im „falschen Leben“, das Gefühl, nicht dazuzugehören und neue Beziehungsmodelle. Frage: Hat Sie der große Erfolg Ihres ersten Romans „Gruber geht“ eigentlich überrascht? Doris Knecht: Ja. Das war eine Art Versuchsballon: Ich wollte sehen, ob ich einen Roman schreiben kann und ob das dann irgendwen interessiert. Hat überraschenderweise ganz gut funktioniert. Frage: Nach einem männlichen Protagonisten in „Gruber geht“ spielt in „Besser“ nun eine Frau die Hauptrolle. Wie schwer ist Ihnen der Perspektivwechsel von einer männlichen zu einer weiblichen Sicht gefallen? Doris Knecht: Der Mann, ein ziemlicher Ungustl, war eigentlich leichter zu schreiben, weil man kein Problem damit hat, Distanz zur eigenen Person und zum eigenen Erleben herzustellen. Bei der Frau war das schwerer. Aber es war beides spannend. Frage: Antonia fühlt sich im falschen Leben gefangen. Auch von ihrem Ehemann Adam sagt sie, dass dessen „echtes Leben“ in Form einer Harley-Davidson in der Garage eingesperrt ist. Wie gerät man in so ein falsches Leben hinein? Doris Knecht: Man nimmt diese Abzweigung und dann diese, man begegnet der und dem, plötzlich ist man in einem Leben, das man für sich so nicht imaginiert hatte. Allerdings glaub ich nicht so sehr an Zufälle, sondern daran, dass die meisten Leute dort hingeraten, wo sie hinwollten, wenn auch vielleicht nicht ganz bewusst. Frage: Antonia und Adam sind regelmäßig bei ihren Kreativfreunden zum Abendessen eingeladen. Deutet die übermäßige Beschäftigung mit Essen und Kochen vielleicht auf eine innere Leere hin, die man mit Feinkostleckereien auszufüllen sucht? Doris Knecht: Vielleicht bringt die Krise und diese diffuse Angst dazu, dass die Menschen sich mehr in ihren Nestern und kleinen Kreisen beschäftigen. Essen ist aber heutzutage natürlich auch etwas Politisches, weil es eine wichtige Rolle für die Zukunft des Planeten spielt, wo Nahrung – vor allem tierische – herkommt, unter welchen Bedingungen sie produziert wurde, wie weit sie reiste, wie mit Tieren und Landschaften umgegangen wird. Die Menschen haben das Gefühl, sie tun was Politisches, wenn sie gut kochen. Frage: Antonia hat bei diesen Abendessen oft das Gefühl, dass ihr aufgrund ihrer Herkunft die sozialen und kulturellen Mittel fehlen, um in Adams Freundeskreis wirklich dazuzugehören. Kennen Sie diese Gedanken in bestimmten Situationen auch: „Verhalte ich mich gerade richtig? Mache ich auch wirklich nichts falsch?“? Doris Knecht: Ja. Ich komme aus eher sehr einfachen, sehr bescheidenen Verhältnissen und habe bis heute in teuren Restaurants immer wieder das Gefühl, dass ich nicht würdig bin, hier zu essen. Wenn man das einmal intus hat, kriegt man das schwer aus sich raus. Frage: Antonias schwierige Kindheit hat sie zornig gemacht. Die Konsequenzen bringen sie immer wieder in die Bredouille. Hat sie bzw. hat man unter solchen Bedingungen eine Chance auf persönliche Veränderung? Doris Knecht: Ja. Wenn man sich dessen bewusst ist. Und wenn man bereit ist, die Ursachen dieser Wut zu finden und auf irgendeine Weise damit abzuschließen. Ich glaube, dann kann man auch beschließen, ein neues, eigenes, davon unkontaminiertes Leben zu beginnen. Frage: Antonias Schwester Astrid fordert von Antonia, sich für einen Mann zu entscheiden. Im Film „Drei“ von Tom Tykwer wird ein anderes Beziehungsmodell vorgeschlagen, Patchworkfamilien sind en vogue. Ist die monogame Zweierbeziehung ein Auslaufmodell? Doris Knecht: Auch das kann jeder nur für sich selbst beantworten. Ich glaube allerdings, dass die Menschen in Gesellschaftssystemen, die ihnen möglichst wenig vorschreiben, wie genau sie zu leben haben, sondern ihnen selbst die Wahl lassen, zufriedener und glücklicher sind. Frage: Sie erwähnen die Bestseller von Jonathan Safran Foer und Karen Duve, die das Vegetariertum propagieren. Wie halten Sie selbst es mit dem Fleischkonsum? Doris Knecht: Ich würde gerne weniger Fleisch essen, lebe aber mit einem entschiedenen Carnivoren zusammen, der sehr gerne kocht. Also ... Frage: Wie viel von Doris Knecht findet man in der Figur Antonia Pollak wieder? Doris Knecht: Ein bisserl was, aber das allermeiste ist erfunden und hat mit mir gar nichts zu tun. Ich versuche nur immer, so eine fremde Figur einmal durch mich durchzuspüren, damit sie glaubwürdig ist. Ich hoffe, das ist gelungen. Interview: Literaturtest
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