Sonntag, 17. Juli 2016 (20:05-21:00 Uhr) KW 28 Deutschlandfunk – Feature, Hörspiel, Hintergrund Kultur FREISTIL Mein großer Bruder bin ich - Die Selbstvermesser Von Ulrich Land Regie: Tobias Krebs Redaktion im DLF: Klaus Pilger Produktion: SWR 2015 Manuskript Urheberrechtlicher Hinweis Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 44a bis 63a Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. © - ggf. unkorrigiertes Exemplar 1 O-Ton 1.: Florian Schumacher (QuantifiedSchumacher1.wav, 0:03) Ich hab hier eine GPS-Uhr, die misst // wie schnell ich unterwegs bin, // und ich kann auch meinen Puls sehn. Also trage ich noch einen Brustgurt, der funkt dann die Daten darüber, und so kann ich dann sehn, wie meine Leistung eben ist. // UL: Okay, dann viel Vergnügen! Ich warte hier. Ne? // Sch: Bis gleich. Laufschritte, Atmo Grünanlage Musik : folgend unterlegen Zitator: Mein großer Bruder bin ich. - Die Selbstvermesser. Ein Feature von Ulrich Land. Musik hochziehen, kurz freistehen lassen, dann: harter Schnitt! Sprecherin: Der Boom der Tragbaren. 2 Atmo 1: Grünanlage in der Münchner City, Samstagnachmittag (QuantifiedSchumacher1.wav, ab 0:53) folgend unterlegen O-Ton 2.: Ralf Werner (SelftrackerWerner1.wav, 1:57) Das, was unter Quantified-Self oder Self-Tracking verstanden wird, ist eigentlich nur die Zuhilfenahme moderner Tools, // die also seit 2007, 2008 verfügbar wurden. // 3-DBewegungssensoren, die // die genaue Erfassung von Bewegungen, Schritten et cetera möglich gemacht haben. Sprecherin: Ralf Werner. Arbeitete 20 Jahre als Manager, bevor ihm chronischer Bluthochdruck attestiert wurde. Seitdem führt er minutiös Buch über seine Gesundheit. Zunächst in ExcelTabellen, und seit drei Jahren betreibt er Self-Tracking. O-Ton 3.: Ralf Werner (SelftrackerWerner1.wav, 6:12) Ich zeig's Ihnen mal kurz: wenn Sie also den hier am Handgelenk nehmen, dann sehen Sie da zwei LEDs, und über die LEDs und die Hautfarbe lässt sich also da der Puls messen. 3 Herr MayBe: Sie sind nicht vollverkabelt. Sie funktionieren wireless. Frau Doch deshalb nicht minder hautnah. Bloßnich: Herr MayBe: Sie messen am Körper, werten Daten übers Netz aus. Frau Nichts wird dem Zufall überlassen, alles ist optimal Bloßnich: kontrolliert. Herr MayBe: Jeder ein Big Brother seiner selbst. O-Ton 4.: Ralf Werner (SelftrackerWerner1.wav, 9:13) Gute Sache hier ist, dass auch der Kalorienverbrauch // gemessen werden kann, // (11:28) jetzt sind es 1467, Ziel ist also, das auf über 3000 bis heute Abend zu bringen. Das ist also das Minimum. Dann haben wir hier die erklommenen Stockwerke, // dadurch, dass ich also ganz bewusst die Rolltreppen nicht nehme, schon 16 Stück, // genormte Stockwerke. // (24:34) Und // dort kann man // über Software erfassen, in welcher Schlafphase befindet man sich, // (10:13) so dass ich also // rundum gemessen werde. 4 Atmo Grünanlage hochziehen, näherkommende Jogging-Schritte (Archiv) dazumischen O-Ton 5.: Florian Schumacher (QuantifiedSchumacher1.wav, 2:29) UL: So, wieder zurück, ein bisschen außer Puste, was können Sie jetzt // ablesen? Sch: Ja, jetzt sieht man also, dass ich einen Puls von 160 habe. Also ich hab jetzt wirklich ziemlich Gas gegeben, // waren grade mal 2 Minuten, die ich unterwegs war, und... // leises digitales Gepiepse, starkes Atmen // Ehm, so. UL: Scheißtechnik. Sch: So. Genau. Also man sieht, das waren jetzt // 200 m, // (3:57) in der kurzen Zeit. Sprecherin: Florian Schumacher. Mitte 30. Gelernter MaschinenbauIngenieur. Self-Tracking Pionier und Gründervater des deutschen Ablegers der "Quantified-Self"-Bewegung. O-Ton 6.: Florian Schumacher (QuantifiedSchumacher1.wav, 6:35) Die Uhr piepst dann, wenn ich zu schnell werde oder wenn ich zu langsam werde, also ich werd dann wirklich gecoacht. 5 O-Ton 7.: Dennis Vitt (SelftrackerSaturnVitt.wav, 0:28) Das ist das Sony-Smartband, damit kann man seine Schritte, d// seinen Schlafrhythmus, ja, überwachen, wann man im Tiefschlaf ist, wann man wach ist. Sprecherin: Dennis Vitt. Fachverkäufer in der Freiburger Filiale eines der führenden Händler für digitale Fitness-Tracker. O-Ton 8.: Dennis Vitt (SelftrackerSaturnVitt.wav, 15:46) Wie die jetzt genau funktionieren, müsste ich nachschlagen. Aber die können das irgendwie, irgendwie umsetzen, dass, // wenn man den Arm kurz hebt, dass man dann // in der so genannten Wachphase ist. // (0:42) Da gibt's dann auch ein' kleinen sanften Wecker, // wenn man in der // Tiefschlafphase geweckt wird, dann ist man äußerst aggressiv, äußerst müde, gestresst; wenn man dann in der Wachphase ist, // steht man besser auf und hat dann den ganzen Tag über bessere Laune. // (2:39) Gibt von jedem namhaften Hersteller // diverse Smartbänder, // also einer mag ein ganz schmales, // einer mag damit nicht nur Schritte zählen, der andere möchte dann da noch gerne Bilder // anzeigen lassen, also da ist // jeder eigen. 6 O-Ton 9.: Florian Schumacher (QuantifiedSchumacher2.wav, 2:50) So kriege ich dann wirklich 'en ganzheitliches Bild davon, wie aktiv bin ich eigentlich körperlich. Sprecherin: Florian Schumacher. Jetzt in seinem WG-Zimmer angekommen. Durchweg schwarz-weiß gehalten. Die rechte Wand praktisch ganz von einer riesigen weißen Leinwand eingenommen. Auf dem Boden davor: ein Arsenal chromglänzender Hanteln und Gewichte, eine schwarze Bank für Kraftübungen im Liegen und ein ebenso schwarzes Sofa mit einer vermutlich mit Sensoren gespickten Sitzschale vis-a-vis der Leinwand. Links davon eine pechschwarze SchreibtischEcke mit riesigem Bildschirm. O-Ton 10.: Florian Schumacher (QuantifiedSchumacher2.wav, 2:55) Hab // natürlich 'ne Waage regelmäßig im Einsatz, // ein Modell, das die Daten automatisch speichert, d.h. ich kann sie mir auf 'nem Smartphone oder auf 'ner Website anschauen in Form von 'ner Kurve und sehn, wie sich die Daten verändern. 7 O-Ton 11.: Dennis Vitt (SelftrackerSaturnVitt.wav, 13:53) Dass man // merkt: okay, // ich bin // faul, // ich muss irgendwas machen! O-Ton 12.: Stefan Selke (SoziologeSelke.wav, 53:25) Die Tracking-Armbänder funktionieren im Kern // über Beschleunigungssensoren // aus der Automobilindustrie, die stecken in Airbags drin; das ist ein gesättigter Markt ... Sprecherin: Stefan Selke, Soziologe an der Hochschule Furtwangen. O-Ton 13.: Stefan Selke (SoziologeSelke.wav, 53:25) … und // indem man // genau die gleichen Sensoren in ein Armband einbaut, kann man natürlich völlig neue Dinge damit machen. Frau Seit Handys und Smartphones die Armbanduhr überflüssig Bloßnich: gemacht und eine kostbare Fläche freigeräumt haben, ist ein Konkurrenzkampf um den Platz am Ende des Arms entbrannt, der jetzt von Highthechgerätschaften zur Vermessung der "Vitalwerte" erobert wird. 8 Herr MayBe: Immer am Mann! Frau Das fortlaufende Self-Controlling. Identität am Handgelenk. Bloßnich: Sprecherin: Blutdruck und Blutzucker Urinwerte Normal- und Belastungspuls Hirnströme Schlafverhalten und Bewegungshäufigkeit Sauerstoffzufuhr Prostatafunktion Kalorienverbrauch mit dieser Aufzählung folgende Passage durchschießen O-Ton 14.: Ralf Werner (SelftrackerWerner1.wav, 10:13) So dass ich also // rundum gemessen werde. Frau Was im Jahr 2007 von US-Wissenschaftsbloggern initiiert Bloßnich: wurde, ist inzwischen vom Spleen einzelner self-stalking Nerds zum Massen-relevanten Trend avanciert. 9 Herr MayBe: Während der PC- und Smartphone-Absatz stagniert, tut sich in der so genannten Wearable-Technology ein neues Wachstumsfeld auf. O-Ton 15.: Dennis Vitt (SelftrackerSaturnVitt.wav, 14:12) Das // ist in den letzten Monaten richtig abgegangen, // weil im Winter sind die Leute zu Hause, faul und tun gar nichts. Haha. Sprecherin: Wurden 2013 weltweit noch knapp 10 Millionen Smartwatches, Fitnessbänder und dergleichen verkauft, so gehen die IT-Konzerne davon aus, dass spätestens 2020 eine Milliarde tragbare Körperkontrollautomaten genutzt werden. Frau Der Trend ist vor allem deshalb so erfolgversprechend, weil Bloßnich: er unmittelbar an ein Grundbedürfnis andockt, das sich selbst permanent verstärkt: ... Herr MayBe: Narzissmus. Selbstverliebte Eitelkeit. Frau Und der nicht zu beruhigende Verdacht, man könnte noch Bloßnich: nicht alles aus sich rausgeholt haben. 10 O-Ton 16.: Dennis Vitt (SelftrackerSaturnVitt.wav, 3:28) Hier hätten wir zum Beispiel das Jawbone UP 24, das ist eines // der meistverkauften Modelle, // ist halt ein äußerst dünnes Gerät, // äußerst stylish. // Das gibt's auch noch in verschiedenen Farben. Also so ist's nicht. // In dem Armband eingelassen sind // so Metallstangen, die das Gerät quasi um den Arm schlingen und dann sich von alleine festhalten. Sprecherin: Kreisen um den Bauchnabel. Zitator: "8. Februar1660 Die Nase vor Kälte ganz geschwollen. Hatte im Bett noch Kopfschmerzen. Unterm Kinn ein Pickel, der mir sehr zu schaffen machte." aus: "Samuel Pepys Tagebuch", [s.u.] S. 8, 1 Zeile S. 13, 2 Zeilen Herr MayBe: Hielt der Selbstbeäuger Samuel Pepys fest. Seines Zeichens Staatssekretär im London der 1660er Jahre. 11 Zitator: "9. März Nahm mir vor, die ganze Woche keine starken Sachen mehr zu trinken, weil ich davon im Bett schwitze und ganz durcheinander gerate." aus: "Samuel Pepys Tagebuch", [s.u.] S. 15, 2 Zeilen Herr MayBe: Dass man derart obsessiv der Nabelschau des Egozentrismus frönt, war in früheren Zeiten eine LuxusMarotte. Frau Heutzutage muss man einen Fünfzig-Euro-Schein übrig Bloßnich: haben. Oder zwei, drei, wer's ein bisschen feiner haben will. Herr MayBe: Während noch vor wenigen Jahren das datengestützte Anvisieren des Maximums Leistungssportlern vorbehalten war, lässt sich jetzt die massenhafte Verbreitung von FitnessArmbändern als Demokratisierung feiern. 12 O-Ton 17.: Florian Schumacher (QuantifiedSchumacher1.wav, 16:10) Ich hab 'n Messgerät, mit dem // ich festgestellt hab, dass ich eigentlich mit Bier oder Wein 'nen weitaus größeren Alkoholpegel bekomme, und // trink ich // Whisky, dann nehm ich 'n kurzes, kleines Glas und trink das ganz genussvoll und langsam, und da hab ich dann kaum Alkoholpegel. Frau Die Self-Trackerei mit ihrer Zahlensammelwut ist bestens Bloßnich: geeignet für Turnübungen am Stufenbarren der Gründlichkeit und anderer preußischer Tugenden. Herr MayBe: Dieses Hyper-Controlling und die allabendliche Selbstauswertung der Körperdaten-Endloskolumnen spielt sich nicht im luftleeren Raum der munteren Nutzlosigkeiten ab, die keiner braucht, aber jeder haben will, sondern … Frau … sondern es geht um Selbstoptimierung! Bloßnich: 13 O-Ton 18.: Florian Schumacher (QuantifiedSchumacher1.wav, 15:20) Hab ich 'ne ausgeglichene Nährstoffversorgung? // Wenn das // nicht der Fall ist, dann kann ich's eben durch Nahrungsergänzungsmittel entsprechend beheben, // (21:35) ich denke, dass viele Menschen den Wunsch haben, sich zu optimieren, // nicht nur vor sich hin zu leben, sondern etwas aus seinem Leben zu machen. Sprecherin: Zum Beispiel mit einer Waage, die mit dem mobilen SelfTracking-Equipment vernetzt ist. O-Ton 19.: Dennis Vitt (SelftrackerSaturnVitt.wav, 19:25) Genau. Da kann man sich dann draufstellen, die misst dann die Körperfettanteile, // wie schwer man ist, // die haben dann auch 'ne Smartphone-App, da fasst man dann alles zusammen // und kann dann auch hier seinen so genannten Body-Mass-Index // ausrechnen lassen, // die // Mischung zwischen Körpergröße, Körpergewicht und der Körperfülle, glaube ich, // Volumen quasi. 14 Sprecherin: Body-Mass-Index: seit 1832 die Maßzahl für das Körpergewicht in Relation zur Körpergröße: Gewicht geteilt durch Größe hoch zwei. O-Ton 20.: Dennis Vitt (SelftrackerSaturnVitt.wav, 20:30) Ob man jetzt als dick gilt oder nur als normal gewichtig gilt oder ob man Normalgewicht hat. Sprecherin: Herr MayBe: Gewicht Puls Schritte Das ist der kleinste gemeinsame Nenner, an dem der Quantified-Selfmade-Man erkennt, wie's um ihn bestellt ist. O-Ton 21.: Stefan Selke (SoziologeSelke.wav, 18:24) Was da passiert ist: // (19:16) dass // aus diesen scheinbar deskriptiven Daten letztendlich immer normative Daten werden. Also Erwartungen transportiert werden. Anders gesagt: Daten übersetzen Erwartungen in Handlungsanweisungen. 15 Herr MayBe: Das ganze Leben ist ein Algorithmus. Und wir sind nur die Kandidaten … Frau … die in der Nachfolge von Martin Luthers Geheiß unserer Bloßnich: göttlichen Berufung folgend nach Selbstperfektion streben. Zitator: Ora et labora. Herr MayBe: Bete dich an! Und arbeite an dir selbst! Du kriegst dich noch besser hin. Frau Der innere Schweinehund ist zu besiegen! Wenn du dich nur Bloßnich: streng genug kontrollierst. O-Ton 22.: Florian Schumacher (QuantifiedSchumacher2.wav, 6:02) Das kann 'n Ton sein, das kann auch 'en Licht sein, das mir einfach gelb, rot oder grün anzeigt, heut bist du schon viel gelaufen, heut bist du wenig gelaufen; für die Körperhaltung gibt's en Gerät, das vibriert, wenn man in 'ne schlechte Körperhaltung verfällt. 16 O-Ton 23.: Ralf Werner (SelftrackerWerner1.wav, 3:20) Unbestechlich! O-Ton 24.: Thomas Seifert (BarmerGEKSeifert.wav, 1:30) Da kommt da so 'n Herz als Belohnung, 'n Smiley, // und dann ist es auch motivierend. O-Ton 25.: Gaby Helbig (FitnessTrainerinGaby.wav, 3:50) Muss nicht, aber es kann. // (5:55) Okay, ich probier einen weiteren Schritt, // (10:40) ich muss // immer ein bissele mehr machen, wie das ich kann. O-Ton 26.: Florian Schumacher (QuantifiedSchumacher2.wav, 24:00) Wenn wir Menschen haben, // die effektiver sind, // dann kann natürlich jemand, der Arbeitgeber ist, // mehr fordern, d.h. irgendwann wird dann auch die Optimierung vielleicht notwendig, um mit diesen Anforderungen zurechtzukommen. 17 O-Ton 27.: Stefan Selke (SoziologeSelke.wav, 12:38) Kybernetische Selbstoptimierung: // Ich tue etwas, ich vermesse es, ich sehe das Ergebnis, ich versuche mein Verhalten zu ändern, das kann wieder in Kennzahlen abgebildet werden, usw., das ist also so ein Steuerkreis, kybernetisch, // aber //, wo kommt dieser Optimierungswahn her?! Sprecherin: 1755 von Jean Jacque Rousseau "La Perfectibilité" genannt. Der Mensch im Naturzustand ist gut und frei – und damit auch frei, sich zu vervollkommnen. 18 O-Ton 28.: Stefan Selke (SoziologeSelke.wav, 37:24) Das Mängelwesen Mensch // überwinden, // und dann // (13:55) die Stigmatisierung ganzer Bevölkerungsgruppen // als Versager, als Überflüssige, // und auf der anderen Seite haben wir diese überzogenen Ansprüche, eben seinen eigenen Körper als eine Kapitalsorte zu betrachten, zu investieren und dann möglichst große Gewinne rauszuziehen. // Man könnte fast von einer digitalen Klassengesellschaft sprechen, entweder in Richtung dieser perfektionierten Subjekte oder der imperfekten. // (15:07) Und das Ganze rational, auf Basis von scheinbar objektiven Datenreihen, // (16:00) die da geliefert werden. O-Ton 29.: Ralf Werner (SelftrackerWerner1.wav, 5:00) Was viele // nicht wissen, ist, dass also viele Leute die Tracker nicht mal am Handgelenk tragen, sondern am Körper. Und das ist dann auch eine Sache: Will ich jetzt unbedingt nächste Woche gefragt werden: Na, wie läuft es denn mit dem Laufen? Oder will ich das erst mal für mich behalten? // Dann kann ich's irgendwo in die Brusttasche, am BH oder in die Hosentasche stecken, und das erst mal für mich behalten. 19 O-Ton 30.: Dennis Vitt (SelftrackerSaturnVitt.wav, 11:33) Das ist die LG G Watch R, // der Vorteil ist halt hier: Es sieht aus wie eine // echte Uhr. Man erkennt // von außen nicht den Unterschied zwischen einer normalen Uhr und // einer Smartwatch. UL: Können Sie die mal anmachen? Vitt: Da ist jetzt der Akku leer. Haha. // (12:20) Wenn jemand im WhatsApp schreibt, kann man // direkt antworten mit der Spracheingabe, die Uhr setzt es dann quasi in Text um // und schreibt dem anderen zurück. Also der andere merkt gar nicht, dass man eine Smartwatch anhat. Zitator: "Lieber Herr Land, als introvertierter Nerd habe ich keinerlei Interesse im Radio gehört zu werden." Herr MayBe: - Interviewabsage eines Stuttgarter Quantified-SelfVermessers. O-Ton 31.: Ralf Werner (SelftrackerWerner1.wav, 33:00) Überdurchschnittlich viele junge Leute, die sich Gedanken machen: // (32:55) was machen sie eigentlich mit ihrem Leben. // (33:52) Ganz normale Leute. 20 Herr MayBe: Zur brisanten Mischung wird's, wenn bei den Technikenthusiasten, die zölibatär um den Computer und den eigenen Bauchnabel kreisen, die facebook-übliche Lust an der Selbstoffenbarung hinzukommt ... Frau … wenn datenversessende Nerds exhibitionistische Selfies in Bloßnich: Gestalt ihrer Schrittzahlstatistik raus in die Welt pusten und posten … Herr MayBe: … ihre Herzfrequenzdaten teilen und mitteilen, ihr Innerstes nach außen kehren. O-Ton 32.: Ralf Werner (SelftrackerWerner2.wav, 16:00) Völliger Unsinn. O-Ton 33.: Stefan Selke (SoziologeSelke.wav, 42:00) Wo man kein Geheimnis mehr hat, // kann man nicht mehr vertrauen. Und wo über alle alles transparent ist, kann man // keine Solidaritätssysteme bauen oder etablieren usw. 21 O-Ton 34.: Dennis Vitt (SelftrackerSaturnVitt.wav, 7:07) Dann hätten wir zum Beispiel die Smartwatches, // dort kann man dann Nachrichten ablesen, man kann Bilder // entgegennehmen, man sieht, wer anruft, // eine Besonderheit stellt da dann die Gear S dar von Samsung, // hier kann man eine SIM-Karte einlegen, man könnte damit auch eigenständig telefonieren. // (8:14) Laut Samsung könnte man es, aber die Software unterstützt es noch nicht. Lustiger Weise. // (ca. 8:00) Halt mit 350 € dann doch etwas teurer. Ein teures Spielzeug sozusagen. Sprecherin: Menschmechanik. Frau Self-Tracking als Self-Fracking. Bloßnich: Herr MayBe: Ich zerlege mich in wenige Parameter: … 22 Sprecherin: Schrittzahl Urinierhäufigkeit Körperhaltung Kalorienverbrauch Schlafphasen mit dieser Aufzählung folgenden O-Ton durchschießen O-Ton 35.: Stefan Selke (SoziologeSelke.wav, 17:58) Das heißt // dass wir aus // Qualitäten – Gesundheit – einzelne messbare Quantitäten machen und versuchen, so zu tun, als wenn diese Einzelteile für das Ganze stünden. // Aus komplexen Persönlichkeiten werden numerische Objekte! 23 O-Ton 36.: Florian Schumacher (QuantifiedSchumacher1.wav, 12:12) Da hat man als Mensch // 'en relativ schlechtes Gespür dafür, und mittlerweile ist es ja leider sehr weit verbreitet, dass die Menschen zu wenig schlafen, ich hab das selber bei mir dann auch gemerkt und war // überrascht, wie wenig das ist, wenn man das mal schwarz auf weiß dann in den Daten sieht. // (12:50) Dieses // falsche Selbstbild // kann man durch diesen objektiven Blick dann eben korrigieren. // (13:23) über manche Verblendung, // manche Trugschlüsse hinweg. Herr MayBe: Angesichts der freiwillig im Bett installierten Spannersensoren und Voyeurswanzen, an den Körper angedockten Erfassungstools … Frau … angesichts der Effizienz- und Effektivitätsverzückungen … Bloßnich: Herr MayBe: … angesichts der Allianz aus Körper- und Technikenthusiasmus mag man sich an längst verblichene Denker erinnert fühlen. 24 Zitator: "Um im Einzelnen zu verstehen, wie diese Maschine atmet, müssen Sie denken, daß der Muskel d zum Anheben der Brust oder zum Senken des Zwerchfells dient; und daß die Animalgeister, die sich in dem mit m bezeichneten Gehirnhohlraum der Maschine befinden, vom Muskel E in den Muskel d strömen und ihn aufblähen." - René Descartes, 1632: "Traité de l'homme" – Abhandlung über den Menschen. aus R. Specht, "Descartes" S. 113, 6 Zeilen Frau Wenn der Mensch auf diese Weise funktioniert, mag man Bloßnich: sich glücklich schätzen, eine Maschine mit sich rumzutragen, die die Maschine Mensch ständig im Blick hat. Herr MayBe: Oder andersrum: … Frau Wer glaubt, einen stets aktiven digitalen Bloßnich: Kontrollmechanismus an sich angedockt haben zu müssen, der bewegt sich auf der Höhe des mechanistischen Weltbilds des 17. Jahrhunderts. 25 Zitator: "Denken Sie danach, daß diesen Muskel d gewisse Häute umschließen, die ihn umso heftiger pressen, je mehr er sich aufbläht, und so disponiert sind, daß sie, noch ehe alle Geister vom Muskel E zu ihm hinübergeströmt sind, deren Lauf Einhalt gebieten und sie durch die Röhre BF gleichsam zurückgurgeln lassen. Vermittelst dessen hören sie nicht auf, diese beiden Muskeln abwechselnd aufzublähen und erschlaffen zu lassen." aus "Descartes", R. Specht S. 113 f, 5 Zeilen O-Ton 37.: Stefan Selke (SoziologeSelke.wav, 5:52) Die ganze Anrufung der Eigenverantwortung ist ja// ein Kind der Aufklärung. // Es gibt dann eben nicht mehr den Schöpfer, // der das ganze Komplizierte irgendwie regelt, es gibt nicht das göttliche Uhrwerk, ja? Frau Aufs Erscheinen und Wirken gleich welcher Lichtgestalt ist Bloßnich: kein Verlass mehr. Herr MayBe: Kein Herr mehr da, der's richten wird. 26 Frau Keine Entlastung mehr durch den Blick gen Himmel. Bloßnich: Herr MayBe: Das religiös magische Bewusstsein fliegt auf … Frau … löst sich auf. Bloßnich: O-Ton 38.: Stefan Selke (SoziologeSelke.wav, 6:55) Unser Modell // ist, dass // (8:22) das Individuum // für sich selbst verantwortlich ist; // das unternehmerische Selbst, // das präventive Selbst im Gesundheitsbereich, in der Karriere usw. // (9:12) Und // wenn es nicht funktioniert mit der Eigenverantwortung, sei das jetzt die Gesundheit, // die Beziehung oder was auch immer, dann steht das moderne Ich einfach nackt im Regen. Atmo- oder Musiktrenner 27 O-Ton 39.: Stefan Selke (SoziologeSelke.wav, 10:32) Da haben wir // (7:35) die Durchdringung unserer Gesellschaft durch neoliberale // Verwertungslogik, // die immer fragt: was ist der Nutzen, der Impact, und nicht mehr fragt: was ist der Wert von etwas! Und den Nutzen, den kann ich dann quantifizieren in 'ner bestimmten Art und Weise, // (7:00) sprich: Wir müssen alles selbst steuern, // und dazu brauchen wir irgendwelche Deiche, // und Daten sind Deiche! // Die uns schützen vor diesen Unwägbarkeiten, den unkontrollierbaren; das ist jedenfalls die Illusion! // (11:44) Diese Vermessung bedeutet, dass Bedeutungsqualitäten verloren gehen, die eben nicht quantifizierbar sind. Und damit kommt es // zu einer Verflachung des Lebens, // alles nicht ganz neu, all das ist beschrieben worden, Marcuse "Der eindimensionale Mensch", aber // wie es jetzt praktiziert wird, in der auch technischen Möglichkeit, in der Attraktivität, kriegt es doch noch mal einen Twist. 28 O-Ton 40.: Dennis Vitt (SelftrackerSaturnVitt.wav, 9:56) Auf der Unterseite ist so 'n kleiner Sensor dran, der misst dann kurzzeitig mit einem kleinen Licht den Puls, der aber im Regelfall nicht genau ist. Weil // auf der Handoberseite, // kann man den Puls ganz schlecht messen, // das heißt es ist noch Spielerei. Sprecherin: Dauervisite. Frau Das vertrackte Self-Getracke kann ruckzuck in ein so Bloßnich: schweißtreibendes Unterfangen ausarten, dass sich die bange Frage erhebt, ob man wirklich all diese körpereigenen Details über sich wissen will. Herr MayBe: Ob einen die permanente Leistungs- und Leibesvisitation nicht geradezu lebensfeindlich unter Druck setzt, während man recht eigentlich besagtes Leben doch verbessern wollte. O-Ton 41.: Florian Schumacher (QuantifiedSchumacher2.wav, 39:26) Kann 'ne Persönlichkeitstendenz sein, dass man sozusagen zu sehr unter seinen Misserfolgen leidet, // dann ist es natürlich sinnvoll, // sich nicht vor Augen zu halten, was man alles nicht erreicht hat. 29 O-Ton 42.: Karine Dworak (MrsSportyDworak.wav, 2:54) Es gibt wahrscheinlich manche, die sich da mit Weltmeistern irgendwie in die Challenge begeben, // das wär negative Energie. O-Ton 43.: Ralf Werner (SelftrackerWerner2.wav, 22:15) Wenn man Leute fragt: // Was willst du eigentlich in den nächsten fünf Jahren machen? Dann gibt's also viele Leute, die darauf keine Antwort haben. Und ich hab schon Vorstellungen, was ich also machen will. Und // (28:11) dann versuche ich das also mit den bestmöglichen Mitteln und am effizientesten. // (46:53) Ein Ziel ist kein Ziel, außer man dokumentiert es irgendwo, und // (46:48) wenn ich's erreichen will, dann muss ich's kontrollieren! O-Ton 44.: Karine Dworak (MrsSportyDworak.wav, 6:46) Sehr, sehr cool, // weil man so schwarz auf weiß sieht, huh, ich hab mich heut erst 400 Schritte bewegt, das ist ja ne Katastrophe! 30 O-Ton 45.: Ralf Werner (SelftrackerWerner1.wav, 3:58) Dadurch, dass das Ganze vernetzt ist, kann ich's also auch mit anderen teilen. D.h. also wenn ich jetzt nicht Mittwochabend am Waldrand bei der AOK-Laufgruppe jede Woche hinkann, dann kann ich eine virtuelle Laufgruppe haben. Kann diese virtuelle Laufgruppe anpassen, so dass das nicht zur Frustration wird, weil alle schneller sind und mehr machen, sondern kann die quer durch Europa // verbinden und sehen, wo stehen die eigentlich also da, und den hol ich heute noch. Und das motiviert dann. O-Ton 46.: Stefan Selke (SoziologeSelke.wav, 2:45) Die Menschen haben in den letzten Jahren, Jahrzehnten eigentlich mehr Unwirksamkeits-erfahrungen gemacht, wir können die großen Maßstäbe nicht mehr beherrschen, wir erleben ständig, // Stichwort Finanzkrise, also wie alles aus dem Ruder läuft, der Fachbegriff ist: Kontingenz … 31 O-Ton 47.: Ralf Werner (SelftrackerWerner2.wav, 3:17) Ich bin mit 111.000 Schritten in den letzten sieben Tagen an erster Stelle, das war – // ja, hat mich jemand überholt. // 1000 Schritte mehr als ich! Nein! Haha. // "Genieße den Vorsprung, heute Nachmittag hol ich dich!" Sprecherin: Nine Eleven Fukushima Ukraine islamistischer Terror mit dieser Aufzählung folgenden O-Ton durchschießen 32 O-Ton 48.: Stefan Selke (SoziologeSelke.wav, 3:05) … keiner hat mehr die richtige Lösung. // Und die These // ist die, dass wir uns zurückziehen auf die Maßstabsebene des Beherrschbaren. Dass wir die Welt kleiner und simpler machen, als sie eigentlich ist, // weil wir den Institutionen nicht mehr vertrauen, // weil wir der Moderne letztendlich nicht mehr vertrauen. Die Moderne ist ja das Versprechen, dass sich Gesellschaften selbst regulieren können. // Durch Wissen, durch Technik, durch Forschung vor allen Dingen; das hat einen Riss bekommen! Frau Die Annehmlichkeiten der früheren, religiös abgefederten Bloßnich: Ohnmacht werden ersetzt durch die höchst unangenehme moderne Ohnmacht angesichts globaler Katastrophen, die unsern wohlsituierten Status Quo bedrohen. Herr MayBe: Also: Rückzug in die eigenen vier Wände. Frau Auf den eigenen Leib. Bloßnich: Herr MayBe: Auf das eigene Gespür ... 33 Frau … das uns allerdings auch nicht mehr ganz geheuer ist, das Bloßnich: wir glauben, kontrollieren zu müssen. Herr MayBe: Das wir glauben, kontrollieren zu können. Immerhin. Wenigstens das. Frau Die Verinnerlichung des Risikomanagements. Die Bloßnich: Verniedlichung des Risikos. O-Ton 49.: Stefan Selke (SoziologeSelke.wav, 5:10) Das funktioniert hervorragend. 34 Zitator: "28. Mai 1660 Hatte heute Nacht einen seltsamen Traum, daß ich mich bepinkelte. Was ich auch tat. Wachte nass und frierend auf, hatte große Schmerzen beim Wasserlassen, was mich sehr melancholisch stimmte. 1. März 1664 Starker Rheumatismus im linken Auge." - Aus Samuel Pepys Tagebuch. aus: "Samuel Pepys Tagebuch", [s.o.] S. 27, 4 Zeilen S. 202, 1 Zeile O-Ton 50.: Dennis Vitt (SelftrackerSaturnVitt.wav, 12:38) Man kann zum Beispiel auch noch gucken, wie das Wetter z.B. // in den anderen Städten ist, oder // wie lange man // noch nachhause braucht oder ob die Kinokarten schon zuhause angekommen sind, // bekommt man // auf der Uhr direkt präsentiert, ohne dass man jetzt, ja, das Handy rauskramen // muss. 35 O-Ton 51.: Ralf Werner (SelftrackerWerner2.wav, 30:35) In den nächsten Jahren wird's 'ne Technologie geben, wo ich also aufgrund der Hautoberflächenspannung zum Beispiel Dinge wie Herzinfarkte oder Hirnschläge zwei bis drei Stunden voraussagen kann. // Wenn ich zur gefährdeten Gruppe gehören, wo also die letzten paar Minuten, die letzte halbe Stunde im Prinzip schon lebensrettend ist, warum soll ich das nicht nutzen?! Sprecherin: Digitaler Krückstock. Oder: Jeder ist sein Medizinmann. O-Ton 52.: Ralf Werner (SelftrackerWerner2.wav, 6:28) Zum Beispiel // FitBit // und // die Central Krankenversicherung in Köln, die also dann ein freiwilliges Programm für Diabetes-II-Betroffene im Managed-CareBereich angehen, // hier ergibt sich die Möglichkeit, jetzt also dann individuell wesentlich besser zu betreuen, wenn ich als Krankenversicherung jetzt zum Beispiel ein Smartphone, einen Tracker und ein // Blutzuckermessgerät zur Verfügung stelle. Und kann dann // sagen: "Jetzt, komm, diese Woche war das also nicht so viel mit der Bewegung! Woran hat's gelegen, // wie können wir helfen, um das zu verbessern? Wir haben die und die Angebote." 36 Frau Über den Kniff Gesundheitsoptimierung: die optimale Bloßnich: Kontrolle über die Datenjäger und -sammler. Klick klick, schon weiß meine Krankenkasse, ob ich mich auch brav gesundheitskonform verhalte! Herr MayBe: Ein gesparter Krankenhausaufenthalt entspricht den Kosten fürs Selbstvermesser-Equipment. O-Ton 53.: Ralf Werner (SelftrackerWerner2.wav, 7:33) Diabetes II ist // ein Bereich, der sich wirklich // verringern lässt durch Bewegung, und // kostet // also um die 500 €, wenn also da jemand ins Krankenhaus geht. Und wenn ich da die betroffene Zielgruppe aus dem Krankenhaus rausholen kann, – erst mal ist das für mich als Betroffener, // und selber als Bluthochdruckpatient gehöre ich auch zur Gefährdungsgruppe, wenn mich die Bewegung im Prinzip von Diabetes II freihält, dann bewege ich mich! Also // Herzkreislauf, Übergewicht, sind Sachen, die ich unter Kontrolle hab. // In diesem Fall habe ich die Möglichkeit, da wirklich auch selber was zu tun. Von daher sind diese Tools eine Sache, die mir // helfen, da fitter zu werden und gesünder. // Diabetes II, sind ungefähr 8 % der Bevölkerung, // wenn wir es mal hochrechnen: // 6 Millionen. 37 O-Ton 54.: Dennis Vitt (SelftrackerSaturnVitt.wav, 20:47) Wenn man sich komplett eindecken möchte, // Waage, // Brustgurt, // Smartband // oder auch eine Smartwatch, und dann sind wir so bei ca. 500 €. Herr MayBe: Ein nicht zu verachtendes Sparpotenzial, wenn man bei 6 Millionen Patienten die Zahl der Krankenhausbesuche nachhaltig drosseln kann. Frau Insbesondere auch für die Arzneimittelindustrie sind die Bloßnich: Zahlenkolonnen der neuen Sammelwut ein gefundenes Fressen. 38 O-Ton 55.: Florian Schumacher (QuantifiedSchumacher2.wav, 57:22) Dass ich zu den Medikamenten eine App bekomme, // die mir hilft, diese Medikamente zum richtigen Zeitpunkt einzunehmen // den Effekt dieses Medikaments zu messen und dann vielleicht die Dosierungsempfehlung anzupassen, // also ich sehe in dem Bereich auch viel positives Potenzial, // dass man Medikamente z.B. noch ergänzt durch digitale Produkte, // dass man dann die Entscheidungen noch viel verfeinert und treffsicherer macht. // (59:50) So 'n Geschäftsmodell ist natürlich denkbar, dass der Nutzer, der dem Pharmahersteller die Daten zurückliefert, dafür entlohnt wird. // Mit 'nem Rabatt auf das Medikament. Herr MayBe: Die praktischen Tools … Frau … als Köder, damit der Pharmakonzern über die verschenkte Bloßnich: Self-Tracking-App an die Koordinaten der Patienten kommt, um deren Selbstvermessung zum Beispiel mit punktgenauer Medikamentenwerbung flankieren zu können. Herr MayBe: Praktisch: Wenn die self-getrackten Werte Defizite offenbaren, hab ich schwupps die richtigen Pillen auf dem Schirm. 39 O-Ton 56.: Ralf Werner (SelftrackerWerner2.wav, 10:36) Also ich weiß das zum Beispiel von Boehringer Ingelheim, // da geht es also darum, Patienten nicht nur medikamentös zu helfen, sondern // zu sagen: // "Das und das sind die Tools, die wir dir zur Verfügung stellen können, um dich da selber zu motivieren, zu messen, zu sehen, wo du stehst, und dann können wir also beurteilen, was du // an Medikamenten // brauchst." Frau Nicht auszuschließen allerdings, dass die Sache umschlägt Bloßnich: und zum Nachteil für die Pharmaproduzenten ausgeht. O-Ton 57.: Ralf Werner (SelftrackerWerner2.wav, 12:28) Also // ich messe täglich meinen Blutdruck, // und // das Interessante daran war, dass also zwei Drittel der Medikamente, die ich bekommen habe, überhaupt keine Auswirkungen auf meinen Blutdruck gehabt haben. Und ich konnte die im Prinzip absetzen; was damit auch verschwindet, sind die ganzen potenziellen Nebenwirkungen, // hab aber auch andererseits erkannt, // dass ich // mein Leben lang mit bestimmten Medikamenten, wo sofort ein Ausschlag da war, leben muss. 40 Herr MayBe: Ein Fall, wo Self-Tracking ohne Frage eine medizinisch sinnvolle Maßnahme ist. Frau Einerseits. Andererseits tun sich Möglichkeiten auf … Bloßnich: O-Ton 58.: Stefan Selke (SoziologeSelke.wav, 26:15) … wo // die Pharmaindustrie // auf Basis von diesen ganzen Selbstvermessungsversuchen // sich neue Krankheitsbilder ausdenken kann. Um daraufhin wieder neue Medikamente auf den Markt zu bringen. // Das habe ich selbst beobachtet auf so einem Meeting – die Bewerbung eines PharmaUnternehmens für eine bestimmte Gruppe von Selbstvermessern, die sich mit Testosteron-Levels beschäftigen, // und da liegt es // nahe zu sagen: "Wir fördern das, weil möglicherweise finden wir ja heraus, dass unter bestimmten Bedingungen Testosteronmangel herrscht bei Männern, und das deklarieren wir jetzt als Defizit, und zwar eins, was man messen kann, und wenn man es dann messen kann und ausgleichen will, braucht man ein Medikament dafür." 41 O-Ton 59.: Dennis Vitt (SelftrackerSaturnVitt.wav, 14:57) Also das günstigste aktuell wäre das Sony Smartband, // ist jetzt nicht unbedingt das hübscheste, // kann aber // (19:03) detailliert// zusammenfassen, wie es einem geht. O-Ton 60.: Florian Schumacher (QuantifiedSchumacher2.wav, 42:10) Wir haben ja die klassische Vorstellung von der Gesundheit, wo man eben // sein Leben lebt und dann überrascht wird davon, dass plötzlich 'ne Erkrankung passiert, und dann ist der klassische Ansatz, dass das Problem erst gelöst wird, nachdem es entstanden ist, // aber // (29:15) in der // Gesundheitsversorgung steht ja 'ne richtige Revolution bevor. // Teilweise können Algorithmen einen Teil der Sorge für die Menschen übernehmen, und man kann die Aufmerksamkeit der Ärzte noch stärker auf die wichtigen Fälle bündeln, man kann natürlich auch in der Zuteilung von Mitteln Veränderungen machen. Herr MayBe: Tracking ersetzt den Arztbesuch. 42 Frau Und die Politik genießt die Aussicht, das Problem der Bloßnich: lückenhaften Arztversorgung auf dem platten Land aufs Eleganteste loszuwerden. O-Ton 61.: Florian Schumacher (QuantifiedSchumacher2.wav, 29:18) Dadurch, dass // (33:08) ich zu Hause Vitalitätswerte erfasse, die meinem Arzt schicke, // (51:33) wie viel Proteine, wie viel Fette ich grade in meiner Ernährung drin hab, oder wo mein Blutdruck grade steht, // (33:10) vielleicht hilft dem Arzt sogar schon 'ne Software dabei, die Messwerte erst mal grob zu interpretieren, d.h. // das System wird effizienter, und dadurch, dass es einfacher wird, Daten zu erfassen, kann ich natürlich viele kleine Check-ups machen und vielleicht schon frühzeitig erkennen, wenn was aus dem Ruder läuft, // kann // kontrollieren, protokollieren und eben feststellen, // (ca. 33:50) wie nimmt jemand seine Medikamente. Frau Womöglich mit direkter virtueller Anbindung eines Chirurgen. Bloßnich: Das Badezimmer als Operationssaal. Herr MayBe: Oder ich brauche erst gar keinen Medicus – kann mich mithilfe der eigenen Daten und der Informationen auf Selbstvermesser-Websites selbst therapieren. 43 O-Ton 62.: Stefan Selke (SoziologeSelke.wav, 59:42) Kommen triviale Dinge raus: Viel schlafen ist gesund, frische Luft ist gesund, mehr trinken ist gesund. // Viel gehen ist gesund, und mit Menschen zusammen sein ist gesund, // so. Zitator: "Es ist nützlich, solche Dinge zu wissen. Dadurch vermöchten selbst Leute mit ganz schwachen Seelen, eine höchst absolute Herrschaft über all ihre Passionen zu erlangen, falls man genügend Mühe aufwendete, sie abzurichten." - René Descartes. aus "Descartes", R. Specht S. 128, 4 Zeilen 44 O-Ton 63.: Ralf Werner (SelftrackerWerner2.wav, 11:35) Das kommt einfach von der Evolution her, dass wir also eigentlich dafür gebaut sind, den ganzen Tag irgendwo durch die Savanne zu laufen. // (2:45) Wenn man // zum Arzt geht, die typische Frage ist: "Ja, wie oft machen sie Sport?" Dann sagt man: "Zweimal, zwischendurch gehe ich einmal joggen", dann sind alle zufrieden. Problem ist, wenn man also den Rest der Woche im Büro sitzt, mit dem Auto morgens zur Arbeit fährt, in die Tiefgarage, Fahrstuhl: hoch, // dann bleibt da nicht viel übrig. Dann sind es nicht diese wünschenswerten 10.000 Schritte. // (7:29) Frühstück machen, Auslüften, bisschen vorm Computer und anderen Sachen hin und her gehen, und mit den Öffentlichen hierher kommen. Zum Interview. Das gibt mir schon 5000, am Nachmittag gehe ich noch mal mit dem Hund raus … Sprecherin: Die Barmer GEK rechnet vor, dass der durchschnittliche Büroangestellte, wenn er mit dem Auto zur Arbeit fährt, den Fahrstuhl nimmt und zuhause nicht Sport treibt, auf 2500 bis 3000 Schritte pro Tag kommt. 45 O-Ton 64.: Ralf Werner (SelftrackerWerner1.wav, 7:52) Das ist das Tolle an der Technologie, ich muss nicht den Riesen-Waldlauf, den Marathonlauf planen, sondern kann einfach mal sagen: Okay, ich fahr jetzt hier mit dem Bus runter. Steig nicht am Hauptbahnhof aus, sondern am Schlossplatz // und gehe dann die paar hundert Meter schon mal runter. Frau Beim Self-Tracking wird die gesteigerte Selbstreflexion auf Bloßnich: rein körperliche Funktionen reduziert und an ein Gerät delegiert. Eine Maschinisierung des Ichs, die an Selbstentmündigung grenzt: Früher war ich selbst es, der mir gesagt hat, ich muss mich mal wieder in Bewegung setzen, muss die Schnäpse weglassen, meinen Schokoladenkonsum drosseln. Jetzt wird das von einem minimal-Computer [engl. Ausspr.] besorgt. 46 Herr MayBe: Einerseits. – Andererseits: Die Daten-Sammelleidenschaft der körper-angedockten Messapparaturen ist stumpfer Neutralität verpflichtet. Die Maschinchen errechnen aus den verbuchten Zahlen, Werten, Fakten so präzise wie schlichte Handlungsanweisungen, ohne sie in moralinsaure Lebenswandelsverbesserungspredigten und Ansprachen an das ohnedies schlechte Gewissen münden zu lassen. Das mathematisierte, virtuelle Verfahren macht den knochigen Zeigefinger des Herrn Doktor Schlauberger obsolet. Frau Schon wieder ein Arztbesuch gespart! Diabetiker optimal Bloßnich: eingestellt, Bewegungsmuffel angespornt, und Gesunde kontrollieren sich solange, bis sie krank sind und sich kontrollieren müssen dürfen. Herr MayBe: Die perfekte Win-Win-Situation. 47 Zitator: "Im mittleren Gehirnventrikel schwebt die Zirbeldrüse H, welche die sie umgebenden Animalgeister zu steuern vermag, die sie durch die Nervenschläuche in die Muskeln transportiert, um sie aufzublähen. In der Tat lassen sich die Nerven der Maschine sehr gut mit Rohren einer Springbrunnenmaschine vergleichen, ihre Animalgeister mit dem Wasser, das sie bewegt und dessen Quelle das Herz ist und dessen Verteiler die Gehirnhöhlen sind. Die Körperbewegungen sodann entsprechen denjenigen einer Uhr oder Mühle." - René Descartes aus "Descartes", R. Specht S. 110 f, 11 Zeilen O-Ton 65.: Dennis Vitt (SelftrackerSaturnVitt.wav, 21:28) Man kann ein billiges Smartband nehmen, // da ist man so über 70, 80 oder 100 €, wenn man dann noch den Herzfrequenzmesser obendrauf legt, dann ist man so vielleicht bei Hundertfuffzig. Sprecherin: Im Dienste der Gesundheitsindustrie. 48 O-Ton 66.: Florian Schumacher (QuantifiedSchumacher1.wav, 19:38) Der Mensch kann mit seinen ganzen Funktionen vermessen werden, und // das ist auf jeden Fall 'n Ziel dann auch, dieses Wissen nicht nur individuell, sondern auch gesellschaftlich zu nutzen. Herr MayBe: Self-Tracker sind Altruisten. Spenden ihre Datenschätze für die "Volksgesundheit". Frau Aber: Die Apostel der Bewegung geben ihre Daten nicht Bloßnich: einfach so frei. Wie Otto-Normal-Self-Tracker, der sich womöglich keinen Kopf darum macht, was er tut, wenn er seine Daten zur industriellen Nutzung in die Cloud lädt. Herr MayBe: Sie geben ihre Daten frei zum Wohle des geplagten Kollektivs. Frau Eine Art Crowdfunding von Daten. Bloßnich: 49 Herr MayBe: Mit einem simplen Armband und einer einzigen App steigen wir auf aus dem Millionengrab der tumben Patienten in die olympische Sphäre der schwarm-intelligenten Doktores, die die ganze Gesellschaft verarzten. Optimieren. Aus Therapierten werden Therapeuten. Gesundheitsforscher und Gesundheitsapostel. Frau Wer hingegen seine Daten der Allgemeinheit nicht preisgibt Bloßnich: und zur Verfügung stellt, ist ein Kameradenschwein. O-Ton 67.: Stefan Selke (SoziologeSelke.wav, 39:48) Also // Umkehr der Beweislast: Dass jemand eben, der keine Daten hat und zeigt als Arbeit-// oder als Versicherungsnehmer usw. // in Bedrängnis kommt, dass er sich rechtfertigen muss. O-Ton 68.: Florian Schumacher (QuantifiedSchumacher2.wav, 8:51) Ich möchte meine Daten nicht einsperren, sondern // dass daraus neue Erkenntnisse entstehen. Herr MayBe: Allerdings ist auch ein Florian Schumacher sehr zurückhaltend, wenn es darum geht, Einsicht in seine persönlichen Gesundheitsstatistiken zu gewähren. 50 O-Ton 69.: Florian Schumacher (QuantifiedSchumacher3.wav, 6:56) Das ist dann doch auch zu persönlich. Frau Verwunderlich andererseits, wie munter und wacker er als Bloßnich: aufgeklärter Quantified-Self-Freund und -Förderer genau dieses Datenkapital einem unbestritten kommerziell agierenden Server in die Wolke stellt. O-Ton 70.: Florian Schumacher (QuantifiedSchumacher2.wav, 34:43) Neu ist natürlich der finanzielle Anreiz, dass man Rabatte gibt für Menschen, die gewisse Apps verwenden, // wenn ich jetzt hier mit dem Smartphone durch die Gegend laufe und aufzeichne, wie schnell ich bin und wie weit ich gelaufen bin, dass ich dafür auch 'ne Belohnung bekomme. 51 O-Ton 71.: Stefan Selke (SoziologeSelke.wav, 17:10) Es werden eigentlich nur die Belohnungen hervorgehoben. Was nicht hervorgehoben wird, ist, wo dann auch Bestrafungen stattfinden müssen. Damit das Ganze ausgeglichen ist. Keine Firma verschenkt ja nur Boni und Rabatte, auf der anderen Seite muss das Geld irgendwo reinkommen. O-Ton 72.: Jörg Klingbeil (DatenschutzKlingbeil1.wav, 26:56) In Amerika ist // schon weit verbreitet, dass die Versicherungen die Geräte zur Verfügung stellen. Sprecherin: Jörg Klingbeil. Datenschutzbeauftragter des Landes BadenWürttemberg. O-Ton 73.: Jörg Klingbeil (DatenschutzKlingbeil1.wav, 27:12) Bis hin zu Geräten, für die sie den Arbeitgebern // Mengenrabatt anbieten, und die Arbeitgeber geben die an ihre Mitarbeiter aus, verpflichten die Mitarbeiter im Arbeitsvertrag, solche Gerätschaften zu tragen, und können dann sozusagen das Verhalten der Mitarbeiter verfolgen. 52 O-Ton 74.: Florian Schumacher (QuantifiedSchumacher2.wav, 35:27) Die Krankenkasse Generali hat 'en Programm // in Planung, wo dann Menschen für die Übertragung von gewissen Daten zu ihrem Gesundheitszustand dann Rabatte bekommen, d.h. wenn ich entsprechende Werte habe, bekomme ich dann die Kinogutscheine. O-Ton 75.: Jörg Klingbeil (DatenschutzKlingbeil1.wav, 12:18) Das fängt dann bei Kochrezepten vielleicht an, und am Schluss muss ich den Body-Mass-Index mitteilen oder meine Personenwaage funkt praktisch selbständig meine Daten an die Versicherung, das wär dann praktisch das Horrorszenario in der Ferne. // (20:35) Das sind im Moment nur punktuelle Anreize. Aber // irgendwann kommt eben die Situation, // (5:12) dass man sich Mühe geben muss, überhaupt noch einen Tarif // zu bekommen, bei dem man nicht seine Daten preisgibt, dann drehn sich die Dinge um, und dann // brauchen wir eine gesetzliche Grundlage. 53 O-Ton 76.: Ralf Werner (SelftrackerWerner2.wav, 2:06) Wenn ich die App hochfahren will, ich halt's einfach mal ran, piepsblubbs // (20:37) bei Android sieht es // so aus, // also von der Programmierung des Betriebssystems her, sowie ich also da einer App zustimme, haben sie Zugriff auf sämtliche Daten. Mein Telefonbuch, meine Bewegungen mit dem Handy, alles. 54 O-Ton 77.: Jörg Klingbeil (DatenschutzKlingbeil1.wav, 9:25) Da steckt ein knallhartes Geschäft drin, wenn Sie wissen, was bei Adresshändlern beispielsweise Profildaten wert sind, also Angaben zu einer Person, wo nicht nur Name und Anschrift stehn, sondern Alter, Berufsgruppe, Hobbys und dergleichen. Also Informationen, wie sie sich ein Adresshändler mühselig über Preisausschreiben und Ähnliches ergattern muss, // dann muss einem klar sein, dass diese Angebote eigentlich nicht kostenlos sind, sondern ich bezahl sie mit meinen Daten. // (18:30) Das finde ich irgendwo das Paradoxe! Weil diese ganzen Selbstvermessungsgeräte treten ja eigentlich an mit dem Anspruch, für eine stärkere Selbstkontrolle des einzelnen zu sorgen, und die größte Gefahr liegt // in Wirklichkeit in einem Kontrollverlust! // Dass er // nicht // Herr seiner Daten ist, weil er stellt die Daten letztlich einem für ihn nicht definierbaren Kreis von Interessenten zur Verfügung. Herr MayBe: Ohne dass es, versteht sich, einen echten, etwa einen technischen Grund gäbe, weshalb die Datenauswertung nicht auch privatissime, ausschließlich auf dem eigenen Computer erfolgen sollte. 55 Frau Problem nur: Mit den privat gehorteten und gehüteten Daten Bloßnich: ist kein Geld zu verdienen. Herr MayBe: Schon gar nicht für Außenstehende. O-Ton 78.: Ralf Werner (SelftrackerWerner2.wav, 19:04) Viele Firmen leben davon, dass sie also Daten // weitergeben. // (20:36) Deshalb benutze ich Apps // relativ vorsichtig. // (21:10) Sollte sich jeder // wirklich im Detail durchlesen und sich darüber bewusst sein, was er da über sich weitergibt. O-Ton 79.: Florian Schumacher (QuantifiedSchumacher2.wav, 7:05) Hab ich // Vertrauen, dass da kein // Weiterverkauf meiner Daten stattfindet, also zumindest nicht in personalisierter Form; was stattfinden könnte, ist, dass wirklich die Daten über 'nen ganzen großen Pool an Nutzern weitergegeben werden und da dann eben Erkenntnisse // statistischer Natur draus gewonnen werden, z.B. die durchschnittliche Schlafmenge der Münchner im Vergleich zu der Schlafmenge der Europäer. // Und zugleich gibt's auch relativ wenig Szenarien, wo // ein Schaden für mich konkret aus meinen Daten entstehen würde. 56 Frau Och, da würde einem doch so Einiges einfallen: … Bloßnich: Herr MayBe: Bei der Eingruppierung in Sachen Beitragshöhe bei privaten Krankenkassen etwa. Frau Oder bei der Beurteilung der Kreditwürdigkeit im Bloßnich: fortgeschrittenen Alter. Herr MayBe: Und nicht zuletzt dürfte es für Personalchefs ausgesprochen interessant sein, wie hoch das Herzinfarktrisiko eines Mitarbeiters ist, wenn's um die Frage möglicher Beförderungen geht ... Frau … oder ums Bewerber-Casting bei Neueinstellungen. Bloßnich: O-Ton 80.: Jörg Klingbeil (DatenschutzKlingbeil1.wav, 36:11) Im Moment wär das rechtlich nicht zulässig, // aber in der Praxis geschieht es natürlich gleichwohl. 57 Frau Es findet also nicht nur die gepriesene Demokratisierung der Bloßnich: Self-Tracking-Gerätschaften statt, sondern auch eine Vergesellschaftung der individuellen Self-Tracking-Daten. Herr MayBe: Wenn der wackere Selbstvermesser nicht bedenkt, dass der Datenstrom sich nur ausknipsen lässt, sofern er selber den Schalter betätigt. Frau Und das Häkchen setzt, mit dem er die Datenübertragung Bloßnich: nicht akzeptiert. O-Ton 81.: Ralf Werner (SelftrackerWerner2.wav, 16:10) Die Daten werden so oder so erfasst. // (17:24) Sowie wir die Daten über unseren eigenen PC – und selbst da sind sie nicht sicher, da kann man mit Trojanern ran – wer die Daten von mir haben will, der holt sie sich. 58 O-Ton 82.: Jörg Klingbeil (DatenschutzKlingbeil1.wav, 12:57) Die Schwierigkeit liegt ja immer darin, // wie kann ich die Daten wirksam anonymisieren. // Das geht im Grunde nur dadurch, // dass ich da einen Datentreuhänder einschalte, der über die Daten wacht. So hab ich die Rollen sauber getrennt, auf dem Wege ist auch medizinische Forschung weiter möglich, // die Forscher holen die Daten ein, dann müssen die // personenbezogenen Daten abgeschnitten werden von den medizinischen Testergebnissen, werden getrennt ausgewertet. Aber wenn man jetzt beispielsweise bei einer bestimmten Person, die sich freiwillig an dem Test beteiligt hat, ein bestimmtes Krankheitsbild feststellt im Lauf der Untersuchungen und will das der Person mitteilen, dann // muss ich sozusagen, die Dinge wieder rückabwickeln, // (14:25) schalte ich jemand dazwischen, der sozusagen beide Seiten im Auge hat, // das kann ein Notar sein, das kann ein weiteres Forschungsinstitut sein. // 59 O-Ton 83.: Jörg Klingbeil (DatenschutzKlingbeil1.wav, 38:18) Was man // auf mittlere Sicht brauchen wird, ist so eine Art TÜV. Also eine Art // Zertifizierungsstelle für digitale Angebote, // wir werden Gütesiegel brauchen, // die dem Nutzer // die Gewähr bieten, dass das // hardware-mäßig so gebaut ist, dass die Daten zunächst mal im Gerät bleiben. Und nur mit ausdrücklicher Zustimmung das Gerät verlassen. O-Ton 84.: Dennis Vitt (SelftrackerSaturnVitt.wav, 16:25) Weil das Ding halt ohne Display auskommt, kann man auf dem Band selber direkt nichts ablesen, muss man das Handy halt aus der Tasche kramen, // man hält das Band direkt an das Smartphone, // und dann verbinden die sich über Bluetooth. Sprecherin: Hochrechnung: Future-Tracking. 60 O-Ton 85.: Florian Schumacher (QuantifiedSchumacher1.wav, 10:16) Umso häufiger man mit den Technologien trainiert, umso besser entwickelt man dann das eigene Gefühl. Wenn man 'ne Möglichkeit hat, seine Sinne zu eichen, man hat 'nen Maßstab, // wie fühlt es sich an, wenn ich // mich so und so stark belaste. Frau Andererseits steht zu fürchten, dass – ähnlich wie durchs Bloßnich: Navi der Orientierungssinn – durchs Self-Tracking das Selbstwahrnehmungssensorium in Mitleidenschaft gezogen wird. Indem man die Selbstwahrnehmung an die NumberCrunching-Maschine abtritt, findet nur noch mathematisierte Selbstbeobachtung statt. Frau Hab ich gut geschlafen, oder muss ich in meine Quantified- Bloßnich: Self-Statistik befragen, ob ich gut geschlafen habe? 61 Zitator: "Durch Empfindungen wie Schmerz, Hunger, Durst und dergleichen belehrt mich die Natur, dass ich in meinem Körper nicht wie ein Kapitän in seinem Schiffe weile, sondern so überaus enge mit ihm verbunden und gleichsam vermischt bin, dass ich mit ihm eine Einheit bilde." - René Descartes aus "Descartes", R. Specht S. 125, 4 Zeilen O-Ton 86.: Stefan Selke (SoziologeSelke.wav, 1:03:25) Wenn es darum geht, dass ich kein Gefühl mehr habe für mich selbst, an neuralgischen Punkten, // und ich verlasse mich auf solche // Entscheidungsmaschinen, dann haben wir // unsere Handlungsmächtigkeit und // Autonomie // delegiert. 62 Zitator: "4. März 1665 Heute wurde Holland offiziell der Krieg erklärt. Habe beim Pinkeln zwei Blasensteine ausgeschieden. 26. März Erfreue mich bester Gesundheit und möchte nur wissen, ob es an der neuen Hasenpfote liegt, die ich als Talisman gegen Darmwinde trage, oder daran, dass ich seither den Rücken kühl halte. Wenn ich nämlich nachts sehr lange auf dem Rücken liege, ist mein Urin am nächsten Morgen heiß." - Samuel Pepys. aus: "Samuel Pepys Tagebuch", [s.o.] S. 244, 4 Zeilen S. 247, 6 Zeilen O-Ton 87.: Florian Schumacher (QuantifiedSchumacher2.wav, 17:20) Ich glaube, dass // wirklich ein vollständiges Bild // (17:17) über mein Leben in Daten // (17:25) Sinn machen wird, // (11:16) deshalb hab ich schon 'ne grundsätzliche Überwachung, // vollautomatisch. // (18:38) Es gibt nie 'ne Situation, wo ich mir Mühe mache, dass keine Daten erfasst werden; // das wäre // schon ein Aufwand, // dieses Erfassen der Daten abzustellen, da seh ich keine Notwendigkeit dazu. 63 O-Ton 88.: Stefan Selke (SoziologeSelke.wav, 21:42) Warum soll das nicht genauso süchtig machen wie Zigarettenrauchen oder irgendetwas, ich habe natürlich diese // unmittelbaren Rückkopplungs-effekte // zwischen // meiner Selbstwahrnehmung und // dieser digitalen Fassade, die da aufgemacht wird. // Liegt // nahe, dass man in dieser Logik der Selbstvermessung natürlich immer weitergehen möchte. Weil // ich suche nach Geheimnissen und nach Korrelationen zwischen vielen Aspekten. Und // richtig spannend wird es ja erst, wenn ich // mit allen möglichen Sensoriken vermessen und dann kreuz und quer nach Zusammenhängen suchen kann. O-Ton 89.: Florian Schumacher (QuantifiedSchumacher1.wav, 18:02) Und Implantate werden sicherlich in der Zukunft auch 'ne Möglichkeit sein, dann Daten mit noch 'ner besseren Genauigkeit zu bekommen. Und eben auch mit 'nem höheren Komfort. Dadurch, dass man dann die Technik nicht mehr ablegen muss und sich nicht mehr um die Technik kümmern muss, // (19:00) ich geh schon davon aus, dass ich in vielen Jahren dann auch en Chip dann nutzen werde, um eben meine // Gesundheit optimal zu unterstützen 64 Frau Die Haut wird als Grenzfläche aufgegeben. Bloßnich: Herr MayBe: Von Technik durchdrungen. O-Ton 90.: Ralf Werner (SelftrackerWerner2.wav, 36:30) Wir sind heute schon Cyborgs. Frau Herzschrittmacher, komplexe Prothesen, Seh- und Bloßnich: Gehörverstärker. Sprecherin: In den USA sollen bereits fast zehn Prozent der Bevölkerung mit "Bioelektronik", mit "binnenkörperlicher Technologie" ausgestattet sein. O-Ton 91.: Ralf Werner (SelftrackerWerner2.wav, 37:10) Wo liegt dann der Unterschied, wenn ich also jetzt dann einen kleinen Chip drin habe! Frau Entscheidend ist und bleibt die Frage: Ist damit zwangsweise Bloßnich: eine Datenspende verbunden? Ist der Chip in der Lage, Daten unkontrolliert aus den eigenen vier Wänden heraus in den Äther zu blasen? 65 Herr MayBe: Das Problem richtet sich weniger nach innen, als nach außen! Sprecherin: Jüngst verkündete die Fitness-Armband-Firma Jawbone, dass 93% der Träger solcher Armbänder beim SanFrancisco-Erdbeben Ende August 2014 mitten in der Nacht aufwachten. Frau Was sinnfällig unter Beweis stellt, wie genau besagter Bloßnich: Hersteller über das Schlafverhalten seiner Nutzer Bescheid weiß. Herr MayBe: Und sollte sich eines seiner Schäflein darüber künstlich aufregen, so lässt sich genau diese Neuroaktivität am Abend ablesen … Frau … im Ganztags-EEG, das der Kopfhörer aufgezeichnet hat. Bloßnich: 66 O-Ton 92.: Stefan Selke (SoziologeSelke.wav, 36:03) Ich sehe das nie kritisch auf der Ebene von einer Einzelperson, weil mich das einfach nichts angeht, // ob das jetzt doof oder spaßig oder sexy ist, das muss jeder selbst entscheiden. Ich sehe das äußerst kritisch als eine Form schleichenden gesellschaftlichen Wandels, // weil // sich grundlegend unsere kulturelle Matrix //ändert. Also // dass Menschen beginnen, sich wie Funktionsmaschinen zu verstehen anstatt wie handelnde autonome Subjekte. O-Ton 93.: Jörg Klingbeil (DatenschutzKlingbeil1.wav, 16:35) Der Einzelne ist dann auch tatsächlich für seinen Gesundheitszustand verantwortlich; und dass // die Risiken individualisiert werden, // das wird sich niederschlagen müssen in einer // Separierung, // die // Solidargemeinschaft wird dann nicht mehr // funktionieren. Herr MayBe: Wer nicht self-trackt, kann mit Vergünstigungen nicht rechnen … Frau … muss also indirekt Strafe zollen für seine Bloßnich: Unterlassungssünde. Aber nicht nur das: Er fliegt raus. 67 O-Ton 94.: Jörg Klingbeil (DatenschutzKlingbeil1.wav, 31:35) Ich denke, // (19:51) dass eben durch diese starke Individualisierung auch eine starke individuelle Zuweisung der Risiken stattfindet, // (DatenschutzKlingbeil2.wav, 0:14) Also wenn man zu Ende denkt, werden wir eine Fragmentierung der Gesellschaft bekommen, // eine Selektierung. O-Ton 95.: Dennis Vitt (SelftrackerSaturnVitt.wav, 5:12) Dass man direkt weiß, okay, // ich bin jetzt zu wenig gelaufen. Herr MayBe: Ist der Vermessungs-Chip erst unter der Haut, dürfte es ein Leichtes sein, das aus dem Self-Tracking extrahierte Fitnessprogramm direkt an den Körper weiterzugeben, digital gesteuert Muskelkontraktionen hervorzurufen. Frau Ohne die lästige Zwischenstation Gehirn. Bloßnich: 68 O-Ton 96.: Ralf Werner (SelftrackerWerner2.wav, 44:29) Das sind Sachen, wo wir das Rad sehr, sehr schwer zurückdrehen können. Musik : folgend unterlegen Zitator: Mein großer Bruder bin ich. – Die Selbstvermesser. Ein Feature von Ulrich Land. O-Ton 97.: Ralf Werner (SelftrackerWerner2.wav, 16:00) Ist ja völliger Unsinn. Sprecherin: ABSAGE Produktion: Südwestrundfunk 2015 O-Ton 98.: Gaby Helbig (FitnessTrainerinGaby.wav, 11:12) Jeder Mensch ist anders. Manche brauchen das, manche brauchen das nicht. Musik: harter Schnitt! ENDE 69
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