das Krankenhaus 08/2016: Editorial

8.2016
das
Krankenhaus
Editorial
DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum
Selbstverwaltung stärken
– Plan B
F
ür ziemlich viel Unruhe in der Selbstverwaltung sorgt das
geplante Selbstverwaltungsstärkungsgesetz. Kontroll- und
Aufsichtsregeln für die verkörperschafteten Bundesverbände
und G-BA sollen verschärft werden. Die DKG als eingetragener
Verein ist davon nicht betroffen. Als der damalige Gesundheitsminister Horst Seehofer Anfang der 90er Jahre versuchte,
die DKG in eine Körperschaft zu überführen, wurde dies mit
Verweis auf das vorkonstitutionelle Recht, welches Zwangskoalitionen für kirchliche Träger verbietet, gestoppt.
Gleichwohl sind DKG und LKGen seitdem mit vielen neuen Selbstverwaltungsaufgaben beauftragt worden. Über zweiund dreiseitige Verträge bzw. über die Mitentscheidungsrechte
in den gesetzlich errichteten Organisationen der gemeinsamen
Selbstverwaltung werden so unzählige Regeln und Normen
gesetzt, die für alle Krankenhäuser gelten. Dass dies im Krankenhaus ohne Verkörperschaftung gelingt, kann als Hinweis
dafür genommen werden, dass Selbstverwaltung auch ohne
Verkörperschaftung auskommen kann. Wenn nun die etablierten Körperschaften gegen neue Aufsichtsregelungen wettern,
könnten sie doch vorschlagen, das DKG-Modell zu übernehmen. Auch der GKV-Spitzenverband muss keine Körperschaft
des öffentlichen Rechts sein. Die Spitzenverbände der Kassenarten sind es auch nicht. Für eine streikfreie Sicherstellung der
ambulanten ärztlichen Versorgung braucht niemand mehr die
KVen als Körperschaften. Die Sicherstellung funktioniert ohnehin nicht, wie die ambulante Notfallversorgung zeigt. Und
sie kann unter den von Vernetzung, Sektorenübergreifung und
IT-Globalisierung geforderten Bedingungen auch nichts mehr
nützen. Aus all dem wird deutlich: Die Selbstverwaltung im
Gesundheitswesen braucht keine Körperschaften des öffentlichen Rechts. Die Verbindlichkeit der Vereinbarungen der
gemeinsamen Selbstverwaltung lässt sich durch die gesetzliche Aufgabenzuweisung und entsprechende Ergebnisautorisierung herstellen. Der Gesetzgeber könnte Vereinbarungen
der Selbstverwaltungspartner durch Rechtsverordnungen allgemeinverbindlich machen.
Ein Beispiel dafür ist die Ersatzvornahme-Ermächtigung
des BMG zum Krankenhausentgeltsystem. Der derzeit noch
auf formale Rechtsprüfungen begrenzte Genehmigungsvorbehalt des Ministeriums bei den G-BA-Richtlinien könnte um
fachaufsichtsrechtliche Tatbestände erweitert werden und mit
einer die Verbindlichkeit absichernden Genehmigungshandlung des Staates versehen werden. Natürlich stellt sich die Frage, ob das mit dem Selbstverständnis von Selbstverwaltung
zusammenpasst. Hier sagt die DKG „ja“, weil sich in der Praxis
der G-BA-Selbstverwaltung erhebliche Schwächen zeigen. Der
Vorteil der Selbstverwaltung, die eigenverantwortete Gestaltung und Regulierung durch die Betroffenen, droht sich zu
verlieren, wenn im Konfliktfall die Person des Unabhängigen
Vorsitzenden im G-BA alleine die Richtung bestimmen kann.
Eine solche Machtzuordnung kann durch das auf Rechtsaufsicht begrenzte Beanstandungsrecht des Staates nicht ausreichend objektiviert werden. Mit einer Ausweitung der Rechtsaufsicht zur Fachaufsicht, zumindest bei Regelungen mit erheblicher Tragweite, könnte dies aber geheilt werden. Als
Beispiele sind die anstehenden Systembeschlüsse im G-BA
über Sicherstellungszuschläge, über Qualitätsindikatoren für
die Krankenhausplanung, über eine Neukategorisierung der
stationären Notfallstrukturen oder über ein komplettes Personalbedarfs-Konzept für die psychiatrischen Krankenhäuser zu
nennen.
Angesichts der sich häufenden rechtsaufsichtlichen Beanstandungen des BMG wird mehr als deutlich, dass sich der
G-BA mehrheitlich rechtlich irren kann – manchmal sogar sehenden Auges. Deshalb darf zumindest bei zentralen Systemfragen die persönliche fachliche Einschätzung des Unabhängigen Vorsitzenden – wenn seine die ausschlaggebende Stimme
ist – nicht a priori von Fehleinschätzungsmöglichkeit sakrosankt gestellt sein. (Dies ist völlig losgelöst von der Person
zu diskutieren.) Untergesetzliche Rechtssetzungskompetenz
muss zur Sicherung der Akzeptanz auf breitere Schultern gestellt werden. Das Selbstverwaltungsstärkungsgesetz sollte
dazu genutzt werden. Ein weiterer Vorteil wäre, dass sich der
Gesetzgeber bei der Aufgabenzuweisung an die Selbstverwaltung hinsichtlich zeitlicher Vorgaben und Machbarkeit stärker
in die Pflicht nehmen müsste.
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