Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, deutsche und europäische

Lehrstuhl für Bürgerliches Recht,
deutsche und europäische Rechtsgeschichte
Prof. Dr. Stefan Chr. Saar
Probeexamen im Sommer 2016
Lösungshinweise zur Klausur Nr. 2
A)
Frage Nr. 1: Ansprüche T gegen P
I.
Anspruch auf Herausgabe des Bestecks aus § 985 BGB
Voraussetzung ist Eigentum des Anspruchstellers. Urspr. war R Eigentümer: Das Besteck gehörte
zu seiner Habe; das Eigentum des R kann deshalb gem. § 1006 Abs. 1 BGB unterstellt werden.
1)
Gesamtrechtsnachfolge T nach R gem. §§ 1922 Abs. 1, 1967 Abs. 1 BGB
Der Erbfall tritt mit dem Tod einer Person ein; E ist verstorben. Gesetzlicher Alleinerbe ist
gem. § 1924 Abs. 1 BGB eine Person, welche allein gem. § 1589 Abs. 1 S. 1 BGB vom Erblasser abstammt; T ist die Tochter des R, Geschwister oder Halbgeschwister sind nicht ersichtlich. T ist Alleinerbin des R; sie hat daher die Gesamtrechtsnachfolge angetreten und
damit auch das Eigentum am Besteck erworben.
2)
Übereignung T an P gem. § 929 S. 1 BGB
a)
Einigung
Die Einigung ist ein Vertrag zwischen Veräußerer und Erwerber; auch die Einigung kommt
daher über Antrag und Annahme zustande. Inhalt dieses Vertrages ist, dass Eigentum an
einer beweglichen Sache übergehen soll.
aa)
Antrag
Der Antrag ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, welche die wesentlichen
Bestandteile eines angestrebten Vertrags beinhaltet; im Zweifel ist der Inhalt einer Willenserklärung gem. §§ 133, 157 BGB auszulegen.
(1)
Willenserklärung
T selbst hat nichts dergleichen erklärt; als Gesamtrechtsnachfolgerin (siehe oben)
könnte sie aber in einen Antrag des R eingetreten sein. R hat den Besteckkasten in
Richtung P auf den Weg gebracht, um P damit zu bedenken; P hat den Kasten erhalten und wie ihre Reaktion zeigt, dies das auch richtig verstanden.
Hinweis: Auf § 130 Abs. 2 BGB kommt es beim Zugang nicht an; dass R bereits bei
Zugang verstorben war, lässt sich dem Sachverhalt nicht entnehmen.
(2)
Wirksamkeit
In Betracht kommt Unwirksamkeit gem. § 153 BGB. Der Antragende muss vor Annahme versterben; als R verstarb, hatte P noch nicht angenommen. Zudem muss
feststehen, dass es den Antrag in Kenntnis des Ablebens nicht gegeben hätte; R wollte „mit warmer Hand“ verteilen, er hätte sich gerade nicht anders verhalten.
Hinweis: Die Handschenkung verstellt den Blick auf das Trennungs- und Abstraktionsprinzip. Es geht um die Einigung im Rahmen von § 929 S. 1 BGB. Nichts zu suchen hat hier daher § 518 BGB.
Examensübungsklausur
II.
Sommer 2016
(3)
Zwischenergebnis
R hat einen Antrag erklärt, der aufgrund für und gegen T als Erbin wirkt.
bb)
Annahme
Die Annahme ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, welche schlichtes Einverständnis mit einem Antrag zum Ausdruck bringt. P gliedert den Besteckkasten in ihren
Haushalt ein. Diese Erklärung geht T nicht zu; dies könnte aber gem. § 151 Var. 2
BGB entbehrlich sein. Das setzt voraus, dass sich zumindest objektiv aus den Umständen (Palandt/Ellenberger § 151 BGB Rn. 3) ein entsprechender Verzicht des Antragenden ergibt. R schickt das Besteck einfach los; für ihn hängt die Übereignung
nicht davon ab, dass sich P noch einmal meldet.
cc)
Zwischenergebnis
R und P haben sich geeinigt.
b)
Übergabe
Eine Übergabe erfolgt durch Besitzverlust beim Veräußerer und Besitzbegründung beim Erwerber; Besitz bedeutet gem. § 854 Abs. 1 BGB tatsächliche Sachherrschaft. R schickt das
Besteckt ab und gibt damit den Zugriff auf; das Besteck kommt auch an, wodurch P den
Zugriff erlangt.
c)
Berechtigung
Zur Übereignung berechtigt ist gem. § 903 BGB grds. der Eigentümer; maßgeblich ist der
Zeitpunkt von Einigung und Übergabe. Als P aus dem Urlaub kommt, war T bereits Eigentümerin des Bestecks (s.o.).
3)
Zwischenergebnis
T hat das Eigentum am Besteck verloren; sie kann nicht vindizieren.
Anspruch auf Rückgabe und -übereignung des Bestecks aus § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB
1)
Etwas erlangt
Zu berücksichtigen ist jeder vermögenswerte Vorteil. P hat Eigentum und Besitz am Besteck
erlangt (s.o.).
2)
Durch Leistung
Leistung ist die zweckgerichtete Mehrung des Vermögens. T hat nicht geleistet, mglw. aber
auch insoweit die Gesamtrechtsnachfolge (s.o.) angetreten. R hat P Besitz und Eigentum
verschafft, um eine Schenkung vorzunehmen.
3)
Ohne rechtlichen Grund
In Betracht kommt folglich eine Schenkung. Ein Schenkungsvertrag könnte zwischen T und
P auf gleiche Weise wie die dingliche Einigung (siehe oben) zustande gekommen sein.
a)
Schenkungsantrag
Wesentlicher Inhalt einer Schenkung ist die Unentgeltlichkeit einer Zuwendung. R schickt
das Besteck einfach zu; P konnte das nur als Schenkungsofferte verstehen und hat dies
ausweislich ihrer Reaktion auch so verstanden.
b)
Wirksamkeit
Der Schenkungsantrag könnte wegen Formmangels gem. § 125 S. 1 BGB nichtig sein. Das
setzt das Eingreifen einer Formvorschrift voraus. § 518 Abs. 1 S. 1 BGB gilt nicht für eine
Handschenkung (vgl. nur Palandt/Weidenkaff § 518 BGB Rz. 1); mglw. handelt es sich aber
um eine Schenkung von Todes wegen, welche gem. § 2301 Abs. 1 S. 1 BGB der Form einer
letztwilligen Verfügung bedarf. Bei einer Schenkung von Todes steht die Zuwendung unter
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der Bedingung, dass der Beschenkte den Schenker überlebt. Ob der Schenker eine solche
Überlebensbedingung wollte, ist ggf. wiederum durch Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB zu
ermitteln (vgl. nur Palandt/Weidlich § 2301 BGB Rz. 3); ein Indiz ist, dass der Schenker sein
Überlegen für gewiss hält (Medicus/Petersen, BR, Rz. 393). R ist Rentner, also schon älter;
das Alter der P ist allerdings nicht bekannt. P putzt für R und war im Urlaub; ihr geht es also
gut. Das galt aber auch für R; dieser verstirbt überraschend. Die Auslegung ergibt kein eindeutigen Befund; es handelt sich daher nicht um eine Schenkung von Todes wegen.
Hinweis: Im Unterschied zum Bonifaciusfall (vgl. dazu etwa Medicus/Petersen, BR,
Rz. 391 ff.) handelt R nicht in Angesicht unmittelbar bevorstehenden Todes.
III.
Zwischenergebnis
T kann auch nicht kondizieren; sie bekommt daher das Besteck von P nicht zurück.
Hinweis: Der Sachverhalt gibt keinen Anlass zur Prüfung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen
gem. §§ 2325 ff. BGB; die erforderliche Dürftigkeit ist nicht ersichtlich.
B)
Frage Nr. 1: Ansprüche T gegen N
I.
Anspruch auf Herausgabe des Siegelrings aus § 985 BGB
Voraussetzung ist Eigentum der T am Ring. Ursprünglich gehörte auch der Ring R.
1)
Gesamtrechtsnachfolge T nach R gem. §§ 1922 Abs. 1, 1967 Abs. 1 BGB
T beerbt R (siehe oben); mglw. gehörte der Ring aber bereits nicht mehr zum Nachlass.
a)
Übereignung R an B gem. § 929 S. 1 BGB
Voraussetzung ist eine Einigung über den Eigentumsübergang. R und B vereinbaren allerdings, dass B den Ring lediglich verwahrt. R wollte den Ring nicht B übereignen.
b)
Übereignung R an N gem. § 929 S. 1 BGB
R und N haben sich nicht geeinigt; mglw. haben dies aber R und B gem. § 328 Abs. 1 BGB
zu seinen Gunsten getan. Die Möglichkeit einer solchen Übereignung zugunsten Dritter ist
umstritten (dagegen z.B.: BGH Z 41, S. 95; MünchKomm/Gottwald § 328 BGB Rz. 270
m.w.N; dafür z.B. Westermann/Gursky/Eickmann § 2 Rz. 14 m.w.N.). Dagegen spricht, dass
§ 328 BGB auf Verpflichtungsgeschäfte zugeschnitten ist und §§ 930, 931 nicht für eine entsprechende Anwendung konzipiert sind. N hat nicht von R erworben.
c)
Zwischenergebnis
T ist R daher auch im Eigentum am Ring nachgefolgt.
2)
Übereignung B an N zulasten T gem. § 929 S. 1 BGB
a)
Einigung
(1)
Willenserklärung des B
Ob eine eigene Willenserklärung abgegeben oder lediglich eine fremde übermittelt
wurde, richtet sich nach dem Erscheinungsbild (vgl. nur Palandt/Ellenberger Vor § 164
BGB Rz. 11); analog § 164 Abs. 2 BGB handelt es sich im Zweifel um eine eigene
Willenserklärung. Wie B aufgetreten ist, ist nicht bekannt; es handelt sich daher um
seine Willenserklärung.
Hinweis: Wer hier von einer Botenschaft ausgeht, muss statt der Ermächtigung (siehe
unten) die Botenmacht prüfen; mehr ändert sich insoweit nicht.
(2)
Übereignungsantrag
Die Parteien müssen den Eigentumsübergang nicht bewusst machen; selbst die Vorstellung, der Vertragspartner sei bereits Eigentümer, schadet nicht (Münch-
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Komm/Oechsler § 929 BGB Rz. 27). B wollte dem Willen des R entsprechen und den
Ring endgültig an N weitergeben.
(3)
Zwischenergebnis
B und N haben sich geeinigt.
Hinweis: N ist nicht etwa minderjährig. Es fehlt eine Altersangabe; zudem spricht das
angedeutete Alter des R dagegen. N ist der Sohn von B und B der Bruder von R.
b)
Übergabe
N erhält von B den Ring.
c)
Berechtigung
B war nicht Eigentümer, sondern T (siehe oben). B könnte aber von R gem. § 185 Abs. 1
BGB zur Übereignung ermächtigt worden sein; dies würde wiederum für und gegen die T als
Erbin wirken. Die Ermächtigung erfolgt durch Willenserklärung. R wollte, dass N den Ring
von ihm über B erhält. Dies umfasst auch eine Ermächtigung.
Hinweis: Wer die Übereignung über eine Botenschaft konstruiert (siehe oben), muss auch
hier anders lösen. B überbringt dann auch die Zweckrichtung des R, welche analog § 130
Abs. 2 BGB wirksam wird. Damit handelt es sich um eine Leistung der T und es stellt sich
die Frage nach der Schenkung als Rechtsgrund. Zur Botenschaft des B führt wiederum über
§§ 130 Abs. 2, 153 BGB (siehe oben) zu einer Schenkung von T an N. R bittet B um Stillschweigen, geht also sicher von einem Überleben des N aus; damit bedarf die Schenkungsofferte gem. § 2301 Abs. 1 S. 1 BGB der Form einer letztwilligen Verfügung. Dieser Form
genügt die Offerte nicht, so dass sich wiederum die streitige Frage nach lebzeitigem Vollzug
stellt (siehe oben).
3)
II.
III.
Zwischenergebnis
T hat das Eigentum am Ring verloren; sie kann daher auch insoweit nicht vindizieren.
Anspruch auf Rückgabe und -übereignung des Siegelrings aus § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB
1)
Etwas erlangt
N hat Eigentum und Besitz am Ring erlangt (siehe oben).
2)
Durch Leistung
B will mit Weitergabe des Rings eine Schenkung vollziehen und handelt dabei nicht nur als
Bote; es handelt sich daher um eine Leistung des B.
Zwischenergebnis
Die Leistung eines Dritten schließt insb. eine Eingriffskondiktion aus (vgl. nur Palandt/Sprau § 812
BGB Rz. 39); T kann daher auch nicht kondizieren und bekommt auch den Ring nicht zurück.
Hinweis: Der Unterschied zu den Sparbuch- bzw. Lebensversicherungsfällen (siehe oben) besteht
in der familiären Beziehung; wegen dieses Umfelds kommt ein Handeln des B im eigenen Namen
in Betracht, welches aufgrund der Zweifelsregelung (siehe oben) den Vorrang verdient.
C)
Frage 1: Ansprüche T gegen F
I.
Anspruch auf Herausgabe der Pendeluhr aus § 985 BGB
Voraussetzung ist Eigentum der T an der Uhr. Ursprünglich gehörte auch die Uhr R. Mglw. hat T
aber auch insoweit die Gesamtrechtsnachfolge (siehe oben) angetreten. Bereits R könnte aber die
Uhr gem. § 929 S. 1 BGB an F übereignet haben.
Hinweis: Eine Vindikation scheidet nicht schon deshalb aus, weil F nicht unmittelbarer Besitzer der
Uhr ist; auch mittelbarer Besitz kann vindiziert werden.
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1)
Einigung
R drückt F den Abholschein in die Hand; damit will R erreichen, dass die Uhr endgültig bei F
verbleibt. Das ist eine Einigung.
2)
Übergabe
Übergeben hat R dem F die Uhr nicht. Die Übergabe wurde aber mglw. gem. § 931 BGB ersetzt.
a)
Besitz eines Dritten
Zur Zeit der Einigung befand sich die Uhr bei U. U ist daher unmittelbarer Besitzer.
b)
Herausgabeanspruch
In Betracht kommt ein Anspruch R gegen U auf Rückgabe der Uhr aus § 631 Abs. 1 BGB.
Das setzt voraus, dass R und U einen Werkvertrag geschlossen haben. Das Wesen eines
Werkvertrags besteht in der entgeltlichen Herstellung eines Werks. U sollte die Uhr für R überholen. Das ist ein Werkvertrag. U schuldet daher Rückgabe der Uhr nach Abschluss der
Arbeiten.
c)
Abtretung
Auch die Abtretung eines Anspruchs erfolgt gem. §§ 413, 398 BGB durch einen Vertrag. Inhalt dieses Vertrags ist, das der Anspruch übergeht. R drückt F den Abholschein in die
Hand, damit sich F die Uhr bei U abholen kann; rechtlich ermöglicht ihm die der Rückgabeanspruch. R hat den Anspruch abgetreten.
d)
Zwischenergebnis
Die Übergabe wurde wirksam ersetzt.
3)
Berechtigung
R war Eigentümer der Uhr (siehe oben).
4)
Zwischenergebnis
Bereits R hat die Uhr F übereignet, T ist daher nicht gem. §§ 1922 Abs. 1, 1967 Abs. 1 BGB
Eigentümerin geworden und kann nicht vindizieren; der Abholschein gehört F gem. § 952
Abs. 1 BGB.
Anspruch auf Rückgabe und -übereignung der Pendeluhr aus § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB
1)
Etwas erlangt
N hat Eigentum und über die Abtretung des Herausgabeanspruchs gem. § 868 BGB auch
mittelbaren Besitz an der Uhr erlangt.
2)
Durch Leistung
Eine Leistung des R würde insoweit für und gegen T wirken. R wollte mit der Uhr eine
Schenkung vollziehen.
3)
Ohne rechtlichen Grund
In Betracht kommt eine Schenkung von R an F.
a)
Vertragsschluss
R wollte F Eigentum und Besitz an der Uhr ohne Entgelt zuwenden.
b)
Wirksamkeit
Voraussetzung ist das Eingreifen einer Formvorschrift. § 518 Abs. 1 S. 1 BGB gilt nicht für
eine Handschenkung (vgl. nur Palandt/Weidenkaff § 518 BGB Rz. 1). § 2301 Abs. 1 S. 1
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BGB setzt Abrede einer Überlebensbedingung voraus; R drückt F den Abholschein allerdings ohne Vorbehalte in die Hand.
III.
Zwischenergebnis
Die Schenkung von R an F ist wirksam; T kann daher auch nicht kondizieren. Zudem bestehen
keine Ansprüche gegen U; daher bekommt T auch die Uhr nicht zurück.
Hinweis: Ansprüche T gegen U auf Heraus- bzw. Rückgabe der Uhr bestehen evident nicht. Der
Rückgabeanspruch aus § 631 Abs. 1 BGB und das Eigentum an der Uhr gehörten bereits nicht
zum Nachlass, weil R zu Lebzeiten wirksam darüber verfügt hat. Eine Leistungskondiktion des Besitzes scheitert am Werkvertrag als Behaltensgrund.
D)
Frage Nr. 2: Ansprüche F gegen U
I.
Anspruch auf Rückgabe der Pendeluhr aus § 631 Abs. 1 BGB
F hat von R den entsprechenden Anspruch erworben; dieser könnte aber mangels Fälligkeit noch
nicht durchsetzbar sein. Unter Fälligkeit versteht man den Zeitpunkt, ab dem Leistung der Gläubiger vom Schuldner Leistung verlangen kann; maßgeblich ist gem. § 271 Abs. 1 BGB die getroffene
Vereinbarung, im Zweifel also das Werkvertragsrecht. Der Werkunternehmer ist gem. § 641 Abs. 1
BGB abweichend von § 271 Abs. 1 BGB grds. vorleistungspflichtig; das gilt allerdings für die Herstellung nicht für die Rückgabe, weil anderenfalls das Unternehmerpfandrecht gem. 647 BGB seine
Funktion verlieren würde. Mit Blick auf dieses Pfandrecht kann die Rückgabepflicht nicht vor dem
Vergütungsanspruch fällig werden; maßgeblich ist also auch insoweit gem. § 641 Abs. 1 S. 1 BGB
die Abnahme. Abnahme die Billigung des Werks als vertragsgerecht. U verlangt Zahlung, hat also
offenbar die Uhr überholt; als vertragsgerecht gebilligt, wurde dies allerdings noch nicht. Der vertragliche Anspruch ist noch nicht fällig.
Hinweis: Der Weg über § 273 BGB (vgl. dazu Palandt/Sprau § 647 BGB Rz. 6) ist keine gangbare
Alternative; da der Vergütungsanspruch mangels Abnahme noch nicht fällig ist, besteht kein Zurückbehaltungsrecht.
II.
Anspruch auf Herausgabe der Pendeluhr aus § 985 BGB
F ist Eigentümer und U unmittelbarer Besitzer der Uhr (siehe oben); ein Unternehmerpfandrecht
könnte aber zum Besitz berechtigen.
1)
Pfandrecht entstanden
a)
Geeignete Forderung
Eine vertragliche Forderung des Unternehmer muss offen sein. Der Werkvertrag (siehe oben) verpflichtet den Besteller gem. § 631 Abs. 1 BGB zur Zahlung der Vergütung an den
Unternehmer. R und U haben einen Werkvertrag geschlossen, welcher nunmehr T berechtigt und verpflichtet (siehe oben). Seine Vergütung hat U bislang nicht erhalten.
b)
Eigentum und Besitz
Die Sache muss Eigentum des Bestellers sein und in den Besitz des Unternehmers gelangen. Die Uhr gehörte bei Vertragsschluss R; dieser hat die Uhr dem U übergeben.
c)
Zwischenergebnis
Ein Unternehmerpfandrecht ist entstanden.
2)
Pfandrecht nicht erloschen
In Betracht kommt ein gutgläubig lastenfreier Erwerb des F gem. § 936 BGB.
a)
Belastung
Jedes beschränkt-dingliche Recht; dazu gehört insb. das Pfandrecht. Die Uhr war bei
Übereignung mit einem Pfandrecht des U belastet.
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Examensübungsklausur
III.
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b)
Übergabe
Eine Übergabe von R an F ist nicht erfolgt; diese könnte aber gem. § 936 Abs. 1 S. 3 Var. 3
entbehrlich sein. F hat von R gem. § 931 BGB erworben (siehe oben). Zudem ist F mittelbarer Besitzer geworden (siehe oben). Daher ist eine Übergabe entbehrlich.
c)
Gutgläubigkeit
Der Erwerber ist gutgläubig gem. §§ 936 Abs. 2, 932 Abs. 2 BGB, wenn er weder Kenntnis
von der Belastung hatte, noch darüber grob fahrlässig in Unkenntnis war. F hatte keine Anhaltspunkte für das Pfandrecht; er ging insb. davon aus, dass die Vergütung bereits gezahlt
wurde.
d)
Kein Ausschluss
Gem. § 936 Abs. 3 BGB ist lastenfreier Erwerb ausgeschlossen, solange der Inhaber des
dinglichen Rechts im Besitz der Sache ist. Die Uhr befindet sich unverändert bei U.
3)
Zwischenergebnis
Das Pfandrecht ist nicht erloschen und berechtigt U zum Besitz; auch F kann nicht ohne
Weiteres vindizieren.
Anspruch auf Rückgabe der Pendeluhr aus § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 2 BGB
1)
Etwas erlangt
U hat den unmittelbaren Besitz an der Uhr erlangt.
2)
Eingriff
Ein Eingriff liegt in jeder Inanspruchnahme einer fremden Rechtsposition (vgl. nur Palandt/Sprau § 812 BGB Rz. 41). In das Eigentum wird insb. durch Vorenthaltung des Besitzes eingegriffen; der Besitz steht gem. § 903 BGB grds. dem Eigentümer zu. F ist Eigentümer der Uhr (siehe oben).
3)
Unmittelbarkeit
Der Vorteil muss ohne Umwege aus dem Vermögen des Anspruchstellers in das Vermögen
des Anspruchsgegners gelangt sein; daran fehlt es insb., wenn ein Dritter geleistet hat. R
übergibt U die Uhr; der unmittelbare Besitz gehörte noch nie zum Vermögen des F.
Hinweis: Die Vermögensbewegung erfolgte zumindest mit rechtlichem Grund; die Rechtsordnung deckt den Besitz des U in Gestalt des Pfandrecht.
IV.
Zwischenergebnis
F kann auch nicht kondizieren; der Anspruch aus § 985 BGB ist erst eröffnet, wenn U die Vergütung erhalten hat.
Hinweis: Mit Zahlung an U, stellt der Werkvertrag auch keinen Behaltensgrund gegenüber T mehr
dar; da F selbst Anspruch gegen U aus § 985 BGB hat, macht eine Vindikation bei T keinen Sinn.
E)
Ergebnis
T hat keine Ansprüche gegen die Beteiligten. F hat Anspruch auf Herausgabe der Uhr, muss aber
zuvor U vergüten; anschließend kann F aber bei T Regress zumindest über eine unberechtigte
Geschäftsführung ohne Auftrag gem. §§ 684 S. 1, 818 Abs. 2 BGB nehmen.
Hinweis: Ein Anspruch F gegen T auf Zahlung der Vergütung ist nicht ersichtlich; R wollte F wollte
die Uhr unbelastet schenken, hat er aber nicht. Hinsichtlich des Regressanspruchs kann man es
bei einem kurzen Hinweis belassen, weil F eine Bezahlung ablehnt.
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