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Mindestlohn für Zeitungszusteller
1. Der gemäß § 24 Abs. 2 MiLoG übergangsweise abweichend von § 1 Abs. 2 S. 1 MiloG geregelte Mindestlohn für
Zeitungszustellerinnen und Zeitungszusteller ist mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
2. Der Begriff zustellen im Sinne des § 24 Abs. 2 S. 3 MiLoG umfasst auch ein in unregelmäßigen Abständen
anfallendes Einlegen einzelner Werbebeilagen in das zuzustellende Trägerprodukt.
3. Soweit ein Anspruch auf gesetzlichen Mindestlohn besteht, ist ein vertraglich vereinbarter Nachtzuschlag auf
der Basis des gesetzlichen Mindestlohnes zu berechnen (Anschluss an LAG Berlin Brandenburg v. 12.01.2016 19 Sa 1851/15),
Landesarbeitsgericht Niedersachsen 13. Kammer, Urteil vom 27.04.2016, 13 Sa 848/15
§ 1 Abs 1 MiLoG, § 1 Abs 2 S 1 MiLoG, § 24 Abs 1 MiLoG, § 24 Abs 2 MiLoG
Verfahrensgang
vorgehend ArbG Nienburg, 13. August 2015, Az: 2 Ca 151/15, Urteil
anhängig BAG, Az: 5 AZR 383/16
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Nienburg vom 13.08.2015 (2 Ca
151/15) abgeändert, soweit die Beklagte im Ausspruch zu
Ziffer 1 zu mehr als 5,92 € brutto,
Ziffer 2 zu mehr als 3,45 € brutto,
Ziffer 3 zu mehr als 7,81 € brutto,
Ziffer 4 zu mehr als 7,55 € brutto und
Ziffer 5 zu mehr als 6,63 € brutto
jeweils nebst Zinsen hierauf verurteilt worden ist.
Hinsichtlich der jeweils weitergehenden Beträge wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 95 % und die Beklagte zu 5 % zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den vollen gesetzlichen Mindestlohn zu
zahlen.
2
Der Kläger trat am 01.04.2014 als Zusteller in die Dienste der beklagten Pressevertriebsgesellschaft. Auf der
Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages (Bl. 36 f. d. A.) nebst Anlagen (Bl. 38 bis 40 d. A.) übernahm er in
einem bestimmten Gebiet werktäglich zwischen 04:00 Uhr und 06:00 Uhr die Zustellung von Tageszeitungen. Die
zum 15. des Folgemonats auszuzahlende Vergütung sollte sich nach der Anzahl der zuzustellenden Exemplare
(einschließlich Beilagen) richten. Zusätzlich zum Stücklohn war im Rahmen der rechtlichen Grenzen die Zahlung
eines steuerfreien Nachtzuschlages von 25 % vereinbart.
3
Mit Wirkung zum 17.12.2014 übernahm der Kläger auf der Grundlage eines weiteren Arbeitsvertrages (Bl. 41 f. d. A.)
nebst Anlagen (Bl. 43 bis 45 d. A.) bei der Beklagten in einem bestimmten Zustellbezirk jeden Mittwoch zwischen ca.
14:00 und 18:00 Uhr gegen einen Stücklohn die Verteilung eines Anzeigenblatts mit redaktionellem Inhalt.
4
In den Anlagen zu beiden Arbeitsverträgen findet sich unter der Überschrift „Pflichten des Zustellers bei der
Verteilung von Anzeigenzeitungen“ unter anderem folgende, gleichlautende Regelung:
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„Der Zusteller ist verpflichtet
(…)
- zusätzlich gelieferte Beilagen in das Anzeigenblatt einzulegen, sofern von der Firma keine gegenteiligen
Anweisungen erfolgt sind.“
6
Die von dem Kläger zuzustellenden Tageszeitungen und das Anzeigenblatt enthalten als Beilagen regelmäßig
Werbeprospekte. Diese sind in die bei der Beklagten zuzustellenden Tageszeitungen und in das Anzeigenblatt
regelmäßig bereits druckereiseitig maschinell eingelegt. Allerdings ist eine maschinelle Bestückung mit
Werbebeilagen technisch unter anderem dann nicht möglich, wenn in eine Zeitung Beilagen von bestimmter
Beschaffenheit (Format, Gewicht, etc), mehr als 10 Prospekte oder solche Werbebeilagen einzufügen sind, die auf
Wunsch des Anzeigenkunden lediglich in einzelnen Zustellbezirken bzw. Teilen eines Zustellbezirkes verteilt werden
sollen (sogenannte Teilbelegung). In diesem, praktisch ausschließlich bei dem Anzeigenblatt vorkommenden Fall
erhielt der Kläger zusätzlich zu den Anzeigenblättern mit den maschinell eingelegten Beilagen die entsprechenden
Prospekte gesondert angeliefert. Diese hatte er vor oder bei der Verteilung in das Anzeigenblatt einzulegen
(sogenanntes Konfektionieren). Sämtliche einzulegenden Werbebeilagen sind in dem jeweiligen Beilagenhinweis des
Anzeigenblatts aufgeführt.
7
Im streitbefangenen Zeitraum von Januar bis Mai 2015 war es allein bei dem am 18.03.2015 erscheinenden
Anzeigenblatt technisch nicht möglich, einen dort als Beilage ausgewiesenen Gartenkatalog maschinell einzufügen.
Die Beklagte übersandte deshalb dem Kläger den entsprechenden Katalog mit einer E-Mail folgenden Inhalts:
8
„Am 18.03.2015 ist der B. Gartenkatalog mit dabei. Die Vergütung beträgt 0,06 EUR Stck. Am Dienstag,
dem 17.03.15 wird der Katalog angeliefert und kann dann auch verteilt werden.“
9
Der Kläger verteilte am 18.03.2015 das redaktionelle Anzeigenblatt zusammen mit dem Gartenkatalog.
10
Seit 01.01.2015 stockt die Beklagte den Stücklohn des Klägers auf einen Stundenlohn von umgerechnet 6,38 EUR
brutto auf (Ausgleich Mindestlohn). Ferner zahlt die Beklagte dem Kläger Nachtzuschlag auf den Ausgleich zum
Mindestlohn. Den Lohnabrechnungen für die Monate Januar bis Mai 2015 (Bl. 17 bis 19, Bl. 70, Bl. 91 d. A.) legte die
Beklagte folgende, für beide Vertragsverhältnisse zusammengefasste Stundenzahlen zugrunde:
11
Monat
geleistete Stunden
davon nachtzuschlagspflichtige Stunden
Januar 2015
46,25
28,51
Februar 2015
43,72
34,37
März 2015
46,86
37,29
April 2015
49,62
32,47
Mai 2015
49,27
33,37
12
Mit der Klage hat der Kläger für die Zeit vom 01.01. bis 31.05.2015 auf der Grundlage dieser Stundenzahlen den
vollen Mindestlohn von 8,50 EUR je Stunde sowie den vereinbarten Nachtzuschlag von 25 % hierauf für die
nachtzuschlagspflichtigen Stunden abzüglich geleisteter Zahlungen nach näherer Maßgabe seiner Berechnung auf
Bl. 66 bis 68 und Bl. 90 d. A. begehrt.
13
Der Kläger hat geltend gemacht, die Ausnahmevorschrift für Zeitungszusteller (§ 24 Abs. 2 des Mindestlohngesetzes
- MiLoG) greife nicht ein, da er auch die in die Tageszeitungen und Anzeigenblätter eingelegten Werbeprospekte
verteile.
14
Außerdem sei er nach beiden Arbeitsverträgen zur Einlegung der Werbebeilagen per Hand verpflichtet.
15
Schließlich habe er im März 2015 den Gartenkatalog auch ohne das Anzeigenblatt einen Tag vor dessen Erscheinen
verteilen dürfen.
16
Der Kläger hat beantragt,
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1. Die Beklagte wird verurteilt, für den Abrechnungsmonat Januar 2015 an den Kläger einen Betrag in
Höhe von 119,22 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 16.02.2015 zu
zahlen.
18
2. Die Beklagte wird verurteilt, für den Abrechnungsmonat Februar 2015 an den Kläger einen Betrag in
Höhe von 114,53 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 16.03.2015 zu
zahlen.
19
3. Die Beklagte wird verurteilt, für den Abrechnungsmonat März 2015 an den Kläger einen Betrag in
Höhe von 127,10 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 16.04.2015 zu
zahlen.
20
4. Die Beklagte wird verurteilt, für den Abrechnungsmonat April 2015 an den Kläger einen Betrag in
Höhe von 130,11 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 16.05.2015 zu
zahlen.
21
5. Die Beklagte wird verurteilt, für den Abrechnungsmonat Mai 2015 an den Kläger einen Betrag in
Höhe von 128,94 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 16.06.2015 zu
zahlen.
22
23
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
24
Sie hat vorgetragen, sie sei aufgrund § 24 Abs. 2 MiLoG im streitbefangenen Zeitraum nur zur Zahlung von 75 % des
vollen Mindestlohns verpflichtet, weil der Kläger ausschließlich Tageszeitungen und Anzeigenblätter mit
redaktionellem Inhalt an Endkunden zugestellt habe. Die Werbebeilagen seien jeweils unselbständige Bestandteile
der Trägerprodukte.
25
Ein gegebenenfalls erforderliches Einlegen von Werbebeilagen per Hand sei unselbständiger Teil des Zustellens der
Zeitungen und Anzeigenblätter. Anderenfalls laufe die dem Schutz der Pressefreiheit dienende Vorschrift leer, weil
die überwiegende Anzahl der Anzeigenblatthersteller Werbebeilagen auch per Hand einlegen lasse.
26
Das Arbeitsgericht hat mit einem der Beklagten am 04.09.2015 zugestellten Urteil vom 13.08.2015 der Klage
stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger stelle nicht ausschließlich Tageszeitungen
und Anzeigenblätter mit redaktionellem Inhalt zu, da er auch Werbebeilagen von Hand in das Anzeigenblatt
einsortiere. Diese Tätigkeit könne vom Zustellen getrennt und von Dritten Personen ausgeübt werden. Da beide
Arbeitsverträge als einheitliches Arbeitsverhältnis zu behandeln seien, habe der Kläger für sämtliche Zeiten
Anspruch auf den vollen Mindestlohn einschließlich des Nachtzuschlages hierauf. Wegen der Einzelheiten des
erstinstanzlichen Vorbringens und seiner Würdigung durch das Arbeitsgericht wird auf Bl. 107 bis 111 R. d. A.
verwiesen. Gegen dieses Urteil richtet sich die am 01.10.2015 eingelegte und am 03.12.2015 innerhalb der
verlängerten Frist begründete Berufung der Beklagten.
27
Die Beklagte macht geltend, das Arbeitsgericht habe Äußerungen der am Gesetzesentwurf maßgeblich beteiligten
Bundesministerien für Arbeit und Soziales sowie für Finanzen ignoriert, wonach das Bestücken der Anzeigenblätter
mit Werbebeilagen per Hand als Hilfs- bzw. Nebentätigkeit zum Zustellen gehöre. Diese Tätigkeit sei in Bezug auf
die Gesamttätigkeit des Klägers zeitlich zu vernachlässigen.
28
Auch bei einer ausgereiften Mechanisierung müssten Verlage, die - wie sie - über die Möglichkeit maschineller
Bestückung verfügten, in unregelmäßigen Abständen immer wieder Prospekte per Hand einlegen lassen. Da nahezu
alle im Bundesverband Deutscher Anzeigenblätter e.V. (BVDA) organisierten Anzeigenblattverlage ihre Zusteller
Werbebeilagen auch per Hand einstecken ließen, laufe § 24 Abs. 2 MiLoG nahezu vollständig leer, wenn man der
Auffassung des Arbeitsgerichts folge. In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass die grundgesetzlich
verankerte Pressefreiheit, deren Schutz die Übergangsvorschrift diene, auch den Bereich der Anzeigen und Beilagen
umfasse.
29
Schließlich habe das Arbeitsgericht die Zustellung von Tageszeitungen und Anzeigenzeitungen zu Unrecht als ein
Arbeitsverhältnis behandelt. Diese Tätigkeiten seien tatsächlich und rechtlich vollständig voneinander getrennt. Auch
sei zu berücksichtigen, dass die Anzeigenblattzustellung bei dem Kläger nur ca. 2,9 Stunden, die
Tageszeitungszustellung hingegen ca. 8,1 Stunden pro Woche betrage.
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Die Beklagte beantragt,
31
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das Urteil des Arbeitsgerichts Nienburg vom 13.08.2015 - 2 Ca 151/15 - abzuändern und die Klage
abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
33
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
34
Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen unter Verteidigung des angefochtenen Urteils als
zutreffend nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung.
35
Ergänzend meint er, der vereinbarte Nachtzuschlag sei nicht auf den Mindestlohn anrechenbar und auf der
Grundlage des vollen gesetzlichen Mindestlohnes zu zahlen.
36
Wegen der Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen und das Sitzungsprotokoll verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
37
Die gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht im Sinne der
§§ 66, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden. Sie ist auch im Übrigen zulässig und in der
Sache überwiegend begründet.
1.
38
Der Kläger hat für Januar 2015 Anspruch auf Mindestlohn in Höhe von 6,38 EUR brutto je Stunde gemäß §§ 24 Abs.
2, 1 Abs. 2 S. 1 MiLoG zuzüglich des vereinbarten Nachtzuschlags hierauf für die geleistete Nachtarbeit. Diese
Ansprüche hat die Beklagte hinsichtlich der vom Kläger im Januar 2015 geleisteten Stunden vollständig und
hinsichtlich des Nachtzuschlags teilweise erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB), weshalb die Klage für diesen Monat
überwiegend abzuweisen war.
a)
39
Der Kläger hat ab 01.01.2015 keinen Anspruch auf den vollen Mindestlohn von 8,50 EUR brutto je Stunde. Die
Anwendbarkeit des § 1 Abs. 2 S. 1 MiLoG ist durch § 24 Abs. 2 S. 1 MiLoG übergangsweise beschränkt.
aa)
40
§ 24 Abs. 2 MiLoG nimmt die Zeitungszusteller nicht von der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns zum
01.01.2015 aus, sondern regelt für diese - als einzige Arbeitnehmergruppe - dessen Höhe übergangsweise
abweichend von § 1 Abs. 2 S. 1 MiLoG durch Gesetz. Damit weicht § 24 Abs. 2 MiLoG für die Gruppe der
Zeitungszusteller von der allgemeinen Übergangsregelung in § 24 Abs. 1 MiLoG ab, wonach bis zum 31.12.2017
abweichende Regelungen durch die dort genannten Tarifverträge und Rechtsverordnungen dem gesetzlichen
Mindestlohn vorgehen. Mit der allgemeinen Übergangsregelung in § 24 Abs. 1 MiLoG soll nach der
Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 18/1558, S. 43) sachnahen und für die Branche repräsentativen
Tarifvertragsparteien die Möglichkeit eingeräumt werden, für ihre Branche eine abweichende Mindestlohnhöhe zu
bestimmen und so der spezifischen Ertragskraft der Unternehmen in ihrer Branche Rechnung zu tragen. Dadurch
soll eine stufenweise Heranführung der Entlohnungsbedingungen ermöglicht und hinreichend Vorlaufzeit für
gegebenenfalls erforderliche Anpassungsprozesse in den Branchen gelassen werden.
bb)
41
Soweit für die Gruppe der Zeitungszusteller in § 24 Abs. 2 MiLoG übergangsweise ein geringerer Mindestlohn
sogleich im Gesetz festgelegt worden ist, während das „Ob“ und der Umfang einer Abweichung vom gesetzlichen
Mindestlohn bei den übrigen Arbeitnehmergruppen von den Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 MiLoG und dem
Tätigwerden entsprechender Tarifvertragsparteien und Verordnungsgeber abhängt, erfahren erstgenannte
unmittelbar durch Gesetz eine gesonderte Behandlung. Dies ist kritisiert worden (vgl. etwa Preis, Ausschussdrucks.
18 (11) 148, S. 82; Bayreuther, NZA, 2014, 865, 872; Düwell/Schubert, MiLoG, § 24 Rn. 33 ff). Der damit verbundene
Eingriff in den Schutzbereich des Art. 3 Abs. 1 GG ist jedoch gerechtfertigt. Die Einschätzung des Gesetzgebers,
branchenspezifische Besonderheiten machten im Bereich der Zustellung von Presseerzeugnissen den Weg über §
24 Abs. 1 MiLoG nicht gangbar und erforderten wegen erheblicher Mehrkosten sowie unter dem Aspekt des
Schutzes der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) die besondere Übergangsregelung in § 24 Abs. 2 MiLoG, hält
sich im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungs- und Prognosespielraums (ebenso: Riechert/Nimmerjahn, MiLoG
(2015) § 24 Rn. 59; Sittard/Rawe, NJW 2015, 2695; Barczak, RdA 14, 290, 297; wohl auch Ulber AuR 2014, 404,
408).
(1)
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Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches
ungleich zu behandeln. Es ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die
er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich ansehen will. Der Gesetzgeber muss allerdings
eine Auswahl sachgerecht treffen. Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der
Sache ergebender oder anderweitig einleuchtender Grund für die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung
oder Gleichbehandlung nicht finden lässt (vgl. BVerfG v. 29.09.2010 - 1 BVR 1779/10).
(2)
43
In der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (BT-Drucks. 18/2010 (neu),
S. 25) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (Tarifautonomiestärkungsgesetz, BT-Drucks. 18/1558) ist zu dem
neu angefügten und später wortgleich Gesetz gewordenen § 24 Abs. 2 auf die besonderen Beschäftigten- und
Entgeltstrukturen im Bereich der Zustellung von Presseerzeugnissen hingewiesen worden, die nach seiner Ansicht
den allgemeinen, durch § 24 Abs. 1 MiLoG eröffneten Weg, über bundesweite, nach dem
Arbeitnehmerentsendegesetz erstreckte Tarifverträge vorübergehend vom Mindestlohn abzuweichen, nicht gangbar,
jedenfalls nicht sachgerecht erscheinen lässt. Diesbezüglich ist von bundesweit ca. 300.000 Zeitungszustellerinnen
und Zustellern (vgl. Düwell/Schubert, MiLoG, § 24 Rn. 38 unter Berufung auf ver.di, Positionspapier Mindestlohn für
Zusteller vom 28.10.2013), ganz überwiegend in Teilzeit (Mini- oder Midijobs) und oftmals von Rentnern oder insbesondere bei Anzeigenblättern - von Schülern ohne ausgeübte weitere Haupttätigkeit, ausgegangen worden (vgl.
Thüsing, Ausschussdrucksache, 18 (11) 148, S. 56; Düwell/Schubert, aaO. 39 unter Berufung auf ver.di,
Positionspapier Mindestlohn für Zusteller vom 28.10.2013; Riechert/Nimmerjahn a.a.O., Rn. 59). Hinzu kommt, dass
der Zustellvorgang regelmäßig allein ausgeübt wird und klassisch ortsfeste Betriebsstrukturen nur bedingt existieren
(vgl. Riechert/Nimmerjahn, a.a.O., Rn. 59). Vor diesem Hintergrund und angesichts des in der Branche
vorherrschenden, auf den jeweiligen Zustellbezirk zugeschnittenen Stücklohnprinzips (vgl. Düwell/Schubert, aaO. 39
m.w.N., Riechert/Nimmerjahn, a.a.O., Rn. 59; Thüsing, a.a.O., S. 56), kann die Einschätzung des Gesetzgebers,
eine effektive gewerkschaftliche Interessenvertretung der Arbeitnehmer sei erschwert und eine Nutzung der
allgemeinen Übergangsregelung im Sinne des § 24 Abs. 1 MiLoG im Bereich der Zustellung von
Presseerzeugnissen nicht in gleicher Weise möglich, sachlich nachvollzogen werden.
44
Entsprechendes gilt für die Annahme des Gesetzgebers, im Bereich der Zustellung von Presseerzeugnissen sei eine
stufenweise Heranführung der Entlohnungsbedingungen und eine hinreichende Vorlaufzeit für Anpassungsprozesse
ebenfalls notwendig. So wurde im Gesetzgebungsverfahren zugrunde gelegt, dass neben anderen Branchen auch
im Bereich der Zeitungszusteller angesichts des niedrigen Lohnniveaus erhebliche Mehrkosten in Folge der
Einführung des Mindestlohnes zu erwarten waren. Etwa betrug der Stundenlohn von Zeitungszustellern in den neuen
Bundesländern umgerechnet zwischen 3,- und 5,- € (vgl. Düwell/Schubert, a.a.O., Rn. 51 unter Bezugnahme auf
ver.di Positionspapier Mindestlohn S. 4). Ferner waren nach Einschätzung des Gesetzgebers erhebliche
Zusatzkosten vor allem in ländlich strukturierten Zustellbezirken infolge der Umstellung von Stück- auf Zeitlohn zu
erwarten. Wenn der Gesetzgeber vor diesem Hintergrund die Trägerzustellung als notwendige Voraussetzung für
das Funktionieren der grundgesetzlich geschützten freien Presse (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) gefährdet sah, hält sich
dies im Rahmen seines Beurteilungs- und Prognosespielraums. Nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts fällt auch der Vertrieb von Tageszeitungen und redaktionellen Anzeigenblättern durch
Botenzustellung in den Schutzbereich der Pressefreiheit (vgl. BVerfG vom 20.04.1999 - 1 BvQ 2/99; v. 29.04.2003 1 BvR 62/99; Barczak, RdA 14, 290, 297, m.w.N.). Ferner kann das Bestreben, die Vielfalt der Presse zu erhalten,
eine Regelung des Staates rechtfertigen.
45
§ 24 Abs. 2 MiLoG ist geeignet, die für notwendig erachtete stufenweise Einführung des Mindestlohnes im Bereich
der Zustellung von periodischen Zeitungen und Zeitschriften herbeizuführen. Die damit verbundene Belastung für die
Gruppe der Zeitungszusteller wahrt die Grenzen der Verhältnismäßigkeit. Zeitungszusteller sind nicht von der
Einführung des Mindestlohnes ausgenommen. Der Mindestlohn ist für sie nur zeitlich vorübergehend herabgesetzt.
Dies ist unter den Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 MiLoG auch in anderen Branchen möglich. Die Dauer des
Übergangszeitraumes entspricht demjenigen des § 24 Abs. 1 MiLoG für alle anderen Branchen. Die vorgenommene
Staffelung mit der damit verbundenen Pauschalierung erscheint aus Gründen der Praktikabilität hinnehmbar.
cc)
46
Der Kläger ist Zeitungszusteller im Sinne des § 24 Abs. 2 MiLoG.
(1)
47
Nach der Legaldefinition des § 24 Abs. 2 Satz 3 MiLoG sind Zeitungszustellerinnen und Zeitungszusteller Personen,
die in einem Arbeitsverhältnis ausschließlich periodische Zeitungen oder Zeitschriften an Endkunden zustellen. Dies
umfasst auch Zustellerinnen und Zusteller von Anzeigenblättern mit redaktionellem Inhalt.
(2)
48
Der Kläger hatte im Januar 2015 ausschließlich periodische Tageszeitungen und redaktionelle Anzeigenblätter
zuzustellen.
(a)
49
Der Umstand, dass sich in der Tageszeitung und in dem Anzeigenblatt regelmäßig Werbebeilagen befinden, lässt die
Tatbestandsvoraussetzung „ausschließlich“ in Bezug auf den Zustellungsgegenstand nicht entfallen. Jedenfalls,
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soweit diese Werbebeilagen - wie hier - durch einen entsprechenden Hinweis in der Zeitung bzw. im Anzeigenblatt
als Werbebeilagen des jeweiligen Printmediums kenntlich gemacht sind, diese sich also als Werbeleistung des
Trägerprodukts darstellen, sind sie Bestandteil der Zeitung (vgl. OLG Hamm v. 14.07.2011 - I-4 U 42/11, 4 U 42/11;
Riechert/Nimmerjahn, a.a.O., Rn. 68; vgl. auch ErfK-Franzen, 16. Aufl., § 24 MiLoG, Rn. 3; Sperling ZUM 2015, 793,
794 m.w.N.). Die Zeitungsbeilagenwerbung ist regelmäßig mit dem Bezug von abonnierten Zeitungen und
Gratiszeitungen verbunden. Vor diesem - dem Gesetzgeber als bekannt zu unterstellenden - Hintergrund liefe § 24
Abs. 2 MiLoG faktisch leer, wenn man dessen Anwendbarkeit aufgrund von Werbebeilagen anhand des Merkmals
„ausschließlich“ verneinen wollte.
(b)
50
Die Ausschließlichkeit der Zustellung steht im konkreten Fall auch nicht mit Blick auf den im März 2015 verteilten
B.-Gartenkatalog in Frage.
(aa)
51
Mit dem Merkmal „ausschließlich“ in § 24 Abs. 2 Satz 3 MiLoG soll unter anderem die Zustellung von Postsendungen
und reinen Werbeprospekten, die nicht Beilage einer der genannten Zeitungen oder Zeitschriften sind,
ausgeschlossen werden, und zwar auch, soweit sie im Zusammenhang mit der Zustellung der in § 24 Abs. 2 Satz 3
MiLoG erfassten Printmedien erfolgt (sogenannte Hybridzustellung). Denn diese Zustellobjekte unterliegen nicht der
Pressefreiheit, deren Schutz die Vorschrift nach der Gesetzesbegründung unter anderem dient (vgl.
Riechert/Nimmerjahn, a.a.O., Rn. 61; Lakies, MiLoG, 2. Aufl., § 24 Rn. 10).
(bb)
52
Der BBM-Katalog war Werbebeilage des Anzeigenblatts vom 18.03.2015 und nicht ein eigenständiges Zustellobjekt.
Der Katalog war aufgrund der Mitteilung der Beklagten am 18.03.2015, dem unstreitigen Erscheinungstag des
Anzeigenblattes, zusammen mit diesem zu verteilen. Dies hat der Kläger trotz etwas missverständlicher
Formulierung auch ersichtlich so verstanden und ausgeführt. Unbestritten war der Katalog in dem betreffenden
Anzeigenblatt als Werbebeilage aufgeführt. Ob der Kläger bei dieser Sachlage den Katalog beim Verteilen in das
Anzeigenblatt eingesteckt oder ihn lediglich oben aufgelegt hat ist für die Beurteilung als unselbständige
Werbebeilage unerheblich (vgl. Riechert/Nimmerjahn, a.a.O., Rn. 68).
(3)
53
Unstreitig hat der Kläger Zeitungen im Januar 2015 ausschließlich an Endkunden, nicht auch an gewerbliche
Zwischenhändler zugestellt.
(4)
54
Ob die Verpflichtung des Zustellers, zusätzlich gelieferte Werbebeilagen ordnungsgemäß in das Anzeigenblatt
einzulegen bzw. zusammen mit dem Anzeigenblatt zu verteilen, in Bezug auf die Tatbestandsvoraussetzung des
„Zustellens“ im Sinne von § 24 Abs. 2 MiLoG schädlich ist, wird unterschiedlich beurteilt (bejahend etwa:
Riechert/Nimmerjahn, § 24 MiLoG, Rn. 61; verneinend etwa: Bissels/Falter ArbRB 2015 324 f.). Dies ist jedenfalls im
Streitfall zu verneinen. Dabei kann dahinstehen, ob sich das Wort „ausschließlich“ nur auf die im Gesetz genannten
Zustellobjekte und Zustelladressaten oder darüber hinaus auch auf das Verb „zustellen“ bezieht. Da es in der Sache
nicht weiterhilft, einen Zusteller als eine Person zu definieren, die ausschließlich (…) zustellt, ist eine nähere
Bestimmung dessen, was unter „Zustellen“ im Sinne des § 24 Abs. 2 Satz 3 MiLoG zu verstehen ist, nicht
entbehrlich.
(a)
55
Das Wort „zustellen“ wird in § 24 Abs. 2 Satz 3 MiLoG ersichtlich in seiner Bedeutung als „überbringen“ verstanden.
In der Gesetzesbegründung ist von „Trägerzustellung“ die Rede, was als Synonym den Begriff „austragen“ nahelegt.
Beides beinhaltet neben dem Akt des Übergebens von Person zu Person oder durch Einlegen in eine dafür
bestimmte Übergabevorrichtung auch Elemente des Transports sowie die damit üblicherweise im Zusammenhang
stehenden Tätigkeiten (vgl. etwa BAG vom 19.11.2014 - 5 AZR 1101/12, Rn. 15 für den Anwendungsbereich der
PflegeArbbV und das Verhältnis von überwiegend pflegerischer Tätigkeit zur hauswirtschaftlichen Versorgung).
(b)
56
Danach ist das Einstecken von Werbebeilagen per Hand in der zwischen den Parteien praktizierten Form vom Begriff
„Zustellen“ umfasst.
(aa)
57
Für die Beurteilung ist nicht (allein) auf den Wortlaut der entsprechenden Klauseln in den Arbeitsverträgen des
Klägers abzustellen, sondern zur Vermeidung von Missbrauch und unsachgemäßen Ergebnissen in erster Linie auf
die tatsächliche Handhabung (zutreffend Düwell/Schubert, a.a.O., § 24 Rn. 32). Dies entspricht der Rechtslage,
wenn es etwa um die Einordnung von Rechtsverhältnissen (Arbeitsvertrag/Dienstvertrag, Werkvertrag/Arbeitnehmerüberlassungsvertrag etc.) geht. Widersprechen sich dabei Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist
Letztere maßgebend (vgl. etwa BAG, Urteil vom 21. Juli 2015 – 9 AZR 484/14 –, Rn. 20, juris, m.w.N.).
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(bb)
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Danach ist hier zu berücksichtigen, dass das Einstecken von Hand im Verhältnis zu dem Transport und der
Übergabe der einzelnen Zeitung von zeitlich untergeordneter Bedeutung geblieben ist und die Tätigkeit des Klägers
nicht geprägt hat. Der Kläger war im Januar 2015 überhaupt nicht und im gesamten streitbefangenen Zeitraum
unstreitig lediglich einmal am 18.03.2015 verpflichtet, eine einzelne Werbebeilage von Hand in ein Anzeigenblatt
einzustecken bzw. zu verteilen. Die entsprechende Verpflichtung bezog sich allein auf seinen Zustellbezirk. Hinzu
kommt, dass jedenfalls das Einstecken einer einzelnen Werbebeilage vom Zusteller ohne weiteres auch unterwegs
auf der Zustelltour während des eigentlichen Zustellvorgangs vorgenommen werden kann.
59
Der Einordnung als Zusammenhangstätigkeit steht hier nicht entgegen, dass die entsprechende Tätigkeit
denkbarerweise auch am Ende des Produktionsprozesses und getrennt vom Zustellvorgang organisiert werden
könnte. Unstreitig nutzt die Beklagte im Produktionsprozess bereits entsprechende Maschinen. Unstreitig fällt das
Bestücken von Hand bei ihr infolgedessen nur noch ergänzend und in zeitlich unregelmäßigen Abständen an, wenn
eine maschinelle Bestückung im Einzelfall nicht möglich ist. Hinzu kommt, dass in diesen unregelmäßig auftretenden
Fällen der Vorgang des Bestückens von Hand nicht stets sinnvoll von der eigentlichen Zustelltätigkeit getrennt
werden kann. Denn unstreitig scheidet ein maschinelles Einlegen u.a. dann aus, wenn einzelne Werbebeilagen (z.B.
für Lebensmittelmärkte) nur für einzelne Zustellbezirke oder gar nur für Teile eines Zustellbezirks in Auftrag gegeben
werden. In diesen, nur noch unregelmäßig vorkommenden Fällen, das Einlegen per Hand durch dritte Personen
vornehmen zu lassen, führt nach Auffassung der Kammer zu einer auch im Anwendungsbereich des MiLoG zu
vermeidenden „Atomisierung“ von Arbeitsgängen.
(cc)
60
Der im Zusammenhang mit der Bestimmung des Begriffs „zustellen“ angesprochenen Umgehungsgefahr (vgl. etwa
Düwell/Schubert, a.a.O., § 24 Rn. 73) kann mit einer differenzierten Betrachtung der jeweiligen Einzelfallumstände
hinreichend Rechnung getragen werden. Werden Zustellerinnen oder Zustellern im zeitlichen Zusammenhang mit
der Einführung des Mindestlohngesetzes etwa zusätzliche Aufgaben übertragen, die bisher nicht zu ihrem typischen
Aufgabenbereich gehörten, besteht ein Anhaltspunkt für einen unzulässigen Umgehungsversuch. Hiervon kann im
vorliegenden Fall jedoch nicht ausgegangen werden. Nicht nur der unmittelbar vor dem Inkrafttreten des MiLoG
abgeschlossene Arbeitsvertrag vom 04.12.2014, sondern bereits der erste Arbeitsvertrag des Klägers vom
28.03.2014 enthielt die Verpflichtung, zusätzlich gelieferte Beilagen von Hand einzulegen. Zum Zeitpunkt des ersten
Arbeitsvertrages war die in § 24 Abs. 2 MiLoG enthaltene Übergangsregelung für Zeitungszusteller noch gar nicht
vorgesehen (vgl. den Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 28.05.2014, BT-Drucksachen, 18/1558). Der
Vorgang des Einsteckens per Hand ist nach dem unbestritten gebliebenen Vorbringen der Beklagten (in Bezug
genommene Anlage B14, S. 2 = Bl. 228 d.A.) bereits in der Vergangenheit üblicherweise vom jeweiligen Zusteller vor
oder bei dem Verteilen der Zeitungen vorgenommen worden. Auch hat der Kläger nicht behauptet, im Rahmen
seines Arbeitsverhältnisses sei die vertragliche Praxis der gelegentlichen Heranziehung zum Einstecken von
Werbebeilagen nach dem Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes wesentlich geändert worden.
b)
61
Die Beklagte hat den Anspruch des Klägers auf Grundvergütung für Januar 2015 unter Berücksichtigung von § 24
Abs. 2 MiLoG erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB). Für unstreitig in diesem Monat geleistete 46,25 Stunden standen dem
Kläger 295,08 € brutto zu. Dies entspricht dem abgerechneten Bruttobetrag für Januar 2015 abzüglich der auf die
Nachtarbeit gezahlten Beträge.
c)
62
Der Kläger hat für Januar 2015 hingegen noch Anspruch auf 5,92 € restlichen Nachtarbeitszuschlag.
aa)
63
Der vereinbarte Nachtarbeitszuschlag gemäß Ziffer III 3. des Arbeitsvertrages vom 28.03.2014 für die bei der
Zustellung der Tageszeitung geleistete Nachtarbeit ist auf den Mindestlohn gemäß § 24 Abs. 2 MiLoG zu zahlen.
(1)
64
Das MiLoG enthält keine ausdrückliche Ausgleichsregelung für Nachtarbeit. Ihm sind keine Hinweise zu entnehmen,
dass Belastungen durch Nachtarbeit stillschweigend berücksichtigt worden sind. Eine Anrechnung gezahlter
Nachtarbeitszuschläge auf den Mindestlohn kommt daher nicht in Betracht. Hiervon geht im Grundsatz auch die
Beklagte aus, die in der Abrechnung für Januar 2015 bereits einen „NZ Ausgleich MLohn stfrei“ eingestellt hat.
(2)
65
Die vertragliche Regelung, wonach der Nachtarbeitszuschlag von 25 % (nur) auf den Stücklohn zu zahlen ist, steht
einem Anspruch des Klägers nicht entgegen. Mit Wirkung zum 01.01.2015 ist das Stundenentgelt des Klägers kraft
Gesetzes höher als der für Januar 2015 vertraglich zu zahlende und in Stundenlohn umgerechnete Stücklohn. Damit
erhöht sich entsprechend die Bemessungsgrundlage für den vertraglich vereinbarten Nachtarbeitszuschlag
(zutreffend LAG Berlin-Brandenburg vom 12.01.2016 - 19 Sa 1851/15, juris Rn. 144).
bb)
24.07.2016 20:24
Rechtsprechung der niedersächsischen Justiz
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http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndp...
Die Beklagte hat den Anspruch des Klägers auf Nachtarbeitszuschläge für Januar 2015 bislang nicht vollständig
erfüllt. Unstreitig hat der Kläger im Januar 2015 28,51 Stunden Nachtarbeit geleistet. Der Zuschlag je Stunde beträgt
25 % des gemäß § 24 Abs. 2 MiLoG abgesenkten Mindestlohns, mithin 1,59 € brutto je Stunde. Es errechnet sich ein
Nachtarbeitszuschlag von insgesamt 45,33 €. Gezahlt hat die Beklagte hierauf ausweislich der Abrechnung für
Januar 2015 insgesamt 39,41 € mit der Folge, dass ein offener Betrag von 5,92 € verbleibt.
2.
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In gleicher Weise wie für Januar 2015 hat die Beklagte Grundlohnansprüche des Klägers für die Monate Februar bis
Mai 2015 unter Berücksichtigung von § 24 Abs. 2 MiLoG erfüllt.
68
Hinsichtlich der Nachtarbeitszuschläge ergeben sich wiederum Differenzbeträge zu Gunsten des Klägers in Höhe
von 3,45 € für Februar, 7,81 € für März, 7,55 € für April und 6,63 € für Mai 2015.
3.
69
Die Zinsentscheidung folgt aus den §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Die Vergütungszahlungen waren jeweils
zum 15. des Folgemonats fällig.
II.
70
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
III.
71
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.
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24.07.2016 20:24