ktuelle Predigt (lesen) vom 24.07.2016

„Derr Dienst der Seelsorge“ / 1. Thessalonicher 5, 11 – 15
In der Bibel gibt es das Wort Seelsorge nicht, aber was Seelsorge ist,
beschreibt dieser Text:
V. 11 a „ermahnt euch untereinander“
Das ist zunächst einmal der Auftrag für alle Christen. Diese Aufgabe
gehört zur Gemeinschaft der Glieder am Leib (vgl. Eph. 4, 15 + 16!)
Hier steht im Griechischen das berühmte und wunderbare Wort
parakaleo = ermahnen, ermutigen, trösten, fürsprechen.
Der Heilige Geist ist der Paraklet, der Ermahner, Ermutiger, Tröster und
Fürsprecher (s. Joh. 14, 16 + 26)
Gerade hat Paulus den Thessalonichern gesagt, was es heißt, als Kinder
des Lichts zu leben. Nun klar, sie müssen einander dazu helfen!
Immer geht es darum mitzuhelfen, dass ein Mensch wieder eine geistliche
Perspektive bekommt, wieder von Jesus etwas erwartet, es wagt, zu
beten und zu hoffen und so der Gnade Gottes in seinem Leben Raum zu
geben.
Übrigens: Das deutsche Wort „Trost“ hat mit Trauen und Treue zu tun.
Trösten lassen wir uns nur von jemand, dem wir trauen können, weil er in
seiner Zuwendung zu uns treu ist!
Gott ist so. Und wir sollen auch so sein!
V. 11 b „einer erbaue den andern – wie ihr auch tut“
Es geht nicht um „Erbaulichkeit“, sondern um den Aufbau des geistlichen
Lebens, um das geistliche Haus, um den Tempel des Heiligen Geistes, der
wir sind. (vgl. 1.Petrus 2, 1 ff. u. 1. Korinther 3, 16 + 6, 19)
Und dann ist plötzlich von denen die Rede, die in besonderer Weise von
Gott beauftragt sind, beim Aufbau der Gemeinde Verantwortung zu
übernehmen und beim Aufbau des Einzelnen voranzugehen.
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Zunächst spricht Paulus aber nicht sie an, sondern die, die ihnen
anbefohlen sind: Er sagt: (das griechische Wort „Brüder“ meint je nach
Zusammenhang mal bestimmte Leute und mal die ganze Gemeinde!):
V. 12 + 13 „Wir bitten euch aber, liebe Brüder, erkennt an, die an euch
arbeiten und euch vorstehen in dem Herrn und euch ermahnen
(zurechtweisen), habt sie umso lieber um ihres Werkes willen. Haltet
Frieden untereinander!“
Am vergangenen Sonntag hat Stefan Vatter uns als Gemeinde bei der
Ordination von unserem zweiten Pastor Ole Schumann gefragt:
„Seid Ihr bereit, den Dienst Eures Pastors vertrauensvoll anzunehmen,
ihn in Fürsorge und Fürbitte zu begleiten und ihn in geschwisterlicher
Liebe zu unterstützen, dann antwortet mit Ja.“
Als Stefan uns in dem Vorgespräch für den Gottesdienst diese Frage
schon einmal vorlas, habe ich halb scherzhaft, halb ernst gefragt, ob er
die Frage nicht erweitern könnte und das die Gemeinde auch im Blick auf
meinen Dienst und im Blick auf den Dienst der Ältesten und der
Gemeindeleitung insgesamt noch einmal fragen könnte.
Ich erinnere auch noch einmal, wie Stefan „geschwisterliche Liebe“
definiert hat:
Achtung haben, Wertschätzung ausdrücken, Interesse zeigen!
Nein, ich will mich nicht beklagen – ich und wir erfahren viel Anerkennung
und Liebe in unserer Gemeinde!
Aber eines ist auch
Gemeindewirklichkeit:
klar
–
und
gehört
auch
zu
unserer
Wo diese Anerkennung fehlt und Lieblosigkeit in Gedanken, Worten oder
Haltungen sich breit macht, wird der Dienst der Ermahnung und des
Zurechtweisens schwer und der Friede als Schutzmantel um unser Herz
und unsere Beziehungen wird löchrig!
Und jetzt wird in unserem Text im Einzelnen beschrieben, wie der Dienst
derer, „die euch vorstehen“, konkret aussieht.
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Sie werden nun noch einmal besonders angesprochen, denn diesmal sind
mit „liebe Brüder“ meiner Erkenntnis nach vor allem die Leiter gemeint
und alle, die einen besonderen Auftrag zur Seelsorge haben:
V. 14 a „Weist die Unordentlichen zurecht“
- Wer ist schon einmal zurechtgewiesen worden. Wie ging es euch
dabei?
- Wer hat schon einmal jemand zurechtgewiesen? Wie ging es euch
dabei?
Die Unordentlichen sind die ataktous, die „aus dem Takt Geratenen“.
Sie haben ihren geistlichen Lebensrhythmus verloren, sie treten beim
Lebenstanz anderen „auf die Füße“ oder sorgen für Misstöne im
Orchester der Gemeinde.
Hier wird ein starkes Wort für „Zurechtweisen“ gebraucht: noutheteo.
Da gilt es, nicht schamhaft um den heißen Brei herum zu reden, sondern
klare Linien zu ziehen und deutliche Worte zu gebrauchen.
Entscheidend aber ist die Frage beim Zurechtweisen der Unordentlichen:
In wessen Namen geschieht die Zurechtweisung? Nach wessen Takt? In
welchen Rhythmus? Auf welche Linie soll jemand gebracht werden?
Wichtig für Seelsorger ist dabei, sich selbst und die eigenen Stärken und
Schwächen zu kennen, um das Eigene unterscheiden zu können von dem,
was „des Herrn“ ist!
Typisches Beispiel:
Falsches Zitieren von 1. Korinther 14, 33 „Gott ist nicht ein Gott der
Unordnung, sondern...“ (nicht der Ordnung, sondern „des Friedens!“)
V. 14 b „tröstet die Kleinmütigen“ (hier für trösten ein anderes Wort)
Kleinmut hat dort eine Chance, wo nicht der Geist Gottes regieren kann
(der Geist der Kraft und der Liebe und der Selbstbeherrschung –
2.Timotheus 1, 7), sondern wo anderes herrscht, z.B. Menschenfurcht,
Selbstmitleid, gekränkter Stolz.
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Wie tröstet man Kleinmütige? Man muss sie bedauern, oder? Viele
denken und fühlen so und wünschen sich das auch von den anderen.
Aber durch Bedauern dauert der Kleinmut oft nur immer noch länger.
Viele Menschen, die Opfer von kränkenden und entmutigenden
Erfahrungen geworden sind, hängen in ihrer Opferrolle fest und bedauern
sich ständig selbst und erwarten das auch von ihrer Umgebung.
Kleinmütige aber brauchen das ganze Paket von Seelsorge:
Ja, sie brauchen Mitgefühl und Umarmung und tröstende Nähe, aber
dann brauchen sie auch Ermahnung: „Hör auf, Dich ständig um Dich
selbst zu drehen und Deine Wunden zu lecken und vor dem Spiegel zu
stehen und Dich zu bedauern. Das ist verkappte Selbstverliebtheit und
purer Egoismus. Sei nicht Du der Mittelpunkt Deines Denkens und
Fühlens und beklage Deine gekränkte Ehre, sondern lass Gott Mittelpunkt
Deines Lebens und Denkens und Fühlens sein – dann wird Deine Seele
heil, dann nimmt Dein Lebenskarussell wieder Fahrt auf und eiert nicht.“
Kleinmütige brauchen die Ermutigung im Sinne von „Anfeuern“, sie
brauchen das „Mut machende Auffordern“, Schritte zu wagen,
Änderungen vorzunehmen, Neues zu probieren, Aufzustehen und
Loszugehen.
Und sie brauchen den Zuspruch, dass Gott sie auf diesem Weg nicht allein
lässt, sondern begleitet und nicht als Prüfer jeden Fehler bestraft,
sondern als Vater jeden Erfolg mitfeiert!
V. 14 c „tragt die Schwachen“
„Um die Schwachen zu tragen, muss man oft tief runter!“
Und manchmal muss man ein Dach abdecken: Markus 2, 1 ff. – die vier
Freunde des Gelähmten.
Vom ehemaligen Bundeskanzler Helmut Kohl stammt das Zitat: „Die
Menschlichkeit einer Gesellschaft zeigt sich nicht zuletzt daran, wie sie
mit den schwächsten Mitgliedern umgeht.“ (Quelle: Bonn, 15.5.1998)
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Wer bereit ist, den Schwachen zu tragen, der wird ihn dort aufsuchen, wo
er ist, und nicht dort, wo er ihn gerne schon hätte!
V. 14 d „seid geduldig gegen jedermann“
„Erkläre mir mal, was Geduld ist!“ – „Wie bitte?“ – „Erkläre mir mal, was
Geduld ist?“ – „Wie bitte?“ – „Erkläre mir mal, was Geduld ist? –
„Moment, ich muss mal mein Hörgerät anschalten. – Wie bitte?“
Geduld ist, darauf zu warten, dass der andere sein Hörgerät anschaltet.
Geduld kann warten, gräbt auch nach drei vergeblichen Jahren noch ein
Jahr um! (s. Lukas 13, 6 – 9)
V. 15 a „Seht zu, dass keiner dem anderen Böses mit Bösem vergelte“
Seelsorger werden versuchen, Menschen dazu zu bewegen, dass sie nicht
Reagieren als Antwort auf das, was der andere getan hat, sondern
Agieren, also Handeln, als Gesandte im Namen Christi! (s.a. Röm. 12, 21!)
V. 15 b „jagt allezeit dem Guten nach untereinander und gegen
jedermann“
Seelsorger sollen Jäger und Sammler des Guten sein – allezeit und
gegenüber jedermann ohne Ausnahme!
Darum werden Seelsorger auch bei den schwierigsten Fällen Ausschau
halten nach dem, was Gott im Leben eines Menschen schon gewirkt hat,
und das dankbar benennen.
Darum werden sie sich nicht entmutigen lassen – auch wenn ihr Dienst
missachtet oder ausgenutzt wurde.
Sie werden selbst an der Quelle leben und mit dem in Verbindung
bleiben, der alleine gut ist, nämlich Gott, und damit rechnen und darum
bitten, dass Er sie zum Guten befähigt!
Schluss:
Text noch einmal lesen!
Volkmar Glöckner 2016