Clemens Weißenberger, Frankfurt hr 1-Zuspruch am Donnerstag, 21. Juli 2016 Wasser wird zu Wein Von Goethe stammt die Textzeile: „Oh welch ein Glück, geliebt zu werden, und lieben, Götter, welch ein Glück!“ Er beschreibt sein Gefühl nach einem Treffen mit seiner Geliebten, der Pfarrerstochter Friedericke Brion. Doch trotz aller Schwüre hielt diese Liebe nicht lang. Eine Erfahrung, die ich zu gut von Beziehungen und Freundschaften meiner Schülerinnen und Schüler kenne. Paare, die sich das Ja-Wort geben, die kennen das: Ein Gefühl von tiefer, innerer Verbundenheit. Eine „Hoch-Zeit“, in der die Liebe ewig und unzerstörbar scheint. Doch leider trägt dieses Gefühl bei vielen kein Leben lang. Kann man da überhaupt ein JA zueinander sprechen, wie es beim feierlichen Ritual der Hochzeit geschieht? Einen Bund fürs Leben eingehen, der auf gegenseitiger Liebe gründet? Sind Lebensabschnittspartnerschaften nicht realistischer? In der Bibel gibt es eine Geschichte zu einer Hochzeitsfeier, der sogenannten Hochzeit von Kana. Da passiert etwas ziemlich Peinliches, was man auch symbolisch deuten kann: Der Wein geht aus. Was für eine Schande! Und auch dazu noch ein schlechtes Omen für das junge Glück! Jesus sagt zu den Dienern: Füllt die leeren Krüge mit Wasser. Ein seltsamer Auftrag. Wer will schon Wasser auf einer Hochzeit trinken? Nachdem in der Bibel die Diener die sechs Krüge mit Wasser gefüllt haben, bringen sie wie damals üblich das Wasser zum Vorkoster. Und auf einmal ist aus dem Wasser Wein geworden. Ein Wunder der Verwandlung. Das Wasser, aus dem der Hochzeitswein wird, was für ein schönes Bild. Der Wein steht für das Gefühl der überfließenden und wunderbaren gegenseitigen Liebe, man fühlt sich zum anderen hingezogen und von ihm verstanden und hat sein Wohl selbstverständlich im Blick. Bei vielen Paaren ist doch heute auch die Gefahr, dass dieser Wein oft schnell zur Neige oder ausgeht. Dann bleiben oft nur Streit und Enttäuschung, Resignation, innere oder sogar äußere Trennung. Dann will Jesus Wasser. Ich verstehe es so: Das Wasser, das sind im Eheleben die vielen kleinen alltäglichen Dinge, die Eheleute füreinander tun können. Ein freundliches Wort, eine zärtliche Geste, ein offenes Gespräch, auch über gegenseitige Gefühle, über den Alltag und wie er bewältigt werden kann, aber auch die Gespräche über Belastungen und Entlastungen. Das scheint manchmal wenig und ist doch so viel. Sich immer die Liebe zu zeigen, die ich einmal versprochen habe. Ich finde das eine tolle Idee: Wenn es gelingt, im Alltag die Liebe zu entdecken und sie zu erhalten, dann wird aus schalem Wasser köstlicher Wein.
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