Ganze Meldung - Krankenhaus Tabea

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DIE WELT
HAMBURG 41
SAMSTAG, 16. JULI 2016
as ehemalige Diakonissenkrankenhaus Tabea
liegt idyllisch in Blankenese oberhalb der Elbe.
Nach einer umfangreichen Sanierung hat es sich zur größten
Fachklinik für Venenmedizin in Hamburg entwickelt und gehört heute zum
Artemed Klinikverbund. Dessen geschäftsführender Direktor, Dr. Benjamin Behar, und der Chefarzt der Abteilung für Wirbelsäulen- und Neurochirurgie, Dr. Christian Möller-Karnick, arbeiten seit Jahren zusammen. Der eine
als Manager, der andere als Arzt. Ein
Gespräch über Operationsnavis, Spinalkanalstenosen und den neuen Typ
Chefarzt.
VOJTA FRAGT NACH
Gibt es ein Alleinstellungsmerkmal
bei Ihren Wirbelsäulenoperationen?
MÖLLER-KARNICK: Wir waren in
Hamburg die Ersten, die ein derartiges
Zentrum aufgebaut haben. Als ich
mich damals auf die Wirbelsäulenchirurgie spezialisiert habe, habe ich
rasch gesehen, dass ich als Neurochirurg die Wirbelsäule nur aus einer Perspektive sehe.
„Eile ist der Feind der Qualität“
Am Tabea-Krankenhaus in Blankenese hat sich in den vergangenen Jahren viel getan.
Ein Gespräch mit den Verantwortlichen über die Veränderungen und neuen Methoden
Was haben Sie daraus gefolgert?
MÖLLER-KARNICK: Ich habe mich daher bemüht, einen orthopädischen Mitstreiter zu gewinnen, um die Problematik Wirbelsäule und Mensch aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten.
Spielt das Gerät, auf dem Sie mit
Herrn Behar sitzen, dabei eine Rolle?
MÖLLER-KARNICK: Ja. Hiermit kann
man während der Operation dreidimensionale Bilder machen. Wir benutzen es
für die meisten Implantationen an der
Wirbelsäule, wenn wir Schrauben in die
sehr delikaten knöchernen Strukturen
drehen.
VON NORBERT VOJTA
DIE WELT: Herr Dr. Behar, Herr Dr.
Möller-Karnick, auf mich wirkt Tabea
wie eine Art Krankenhaushotel.
BENJAMIN BEHAR: Vielen Dank für das
Lob. Ich mag nur den Begriff Hotel
nicht so. Am Ende ist ja hier kein Patient, um Urlaub zu machen. Aber unser
Anspruch ist, dass unsere Patienten medizinisch optimal in einer Wohlfühlatmosphäre behandelt werden. Nur so
können sie schneller gesund werden.
Wir sehen uns nicht nur als Versorger,
sondern auch als medizinische Dienstleister der Patienten.
Das hilft Ihnen wirklich?
MÖLLER-KARNICK: Ja. Wir haben dazu
wie im Auto ein Navigationssystem. Wir
operieren zwar mit unseren Händen.
Wir können eine Schraube aber zuvor
virtuell in den Knochen hineinprojizieren und exakt die Zielrichtung bestimmen. Wir vermeiden dabei grobe
Schraubenfehler.
Würden Sie dem Tabea zwei oder fünf
Sterne geben?
BEHAR: Bei Klinikbewertungen werden
wir immer als Sechs-Sterne-Haus bezeichnet. Es ist die Kombination aus
medizinischer Leistung, aus Zuwendung und dann einer Atmosphäre, die
nicht an ein Krankenhaus erinnert.
Können Sie erklären, wie hoch Ihre
OP-Qualität ist?
MÖLLER-KARNICK: Ich würde mir erlauben zu sagen, dass sie sehr hoch ist.
Wir Operateure haben ja alle schon mal
in anderen Krankenhäusern gearbeitet
und kennen viele Kollegen unseres Faches. Wir kontrollieren vierteljährlich
unsere Komplikationsstatistik. Bei einer Verengung des Wirbelsäulenkanals,
der Spinalkanalstenose, liegt sie zum
Beispiel bei den Nervenverletzungen
bei 0,4 Prozent.
BEHAR: 93 Prozent unserer Patienten
sagen, sie würden das Tabea ohne weitere Vorbehalte weiterempfehlen. Da
sind wir immer unter den top drei.
Gut bezahlte Ärzte gleich gute Operationen?
MÖLLER-KARNICK: Nein. Ärzte müssen schon Zeit für ihre Medizin haben.
Richtig ist, die Eile ist der Feind der
Qualität. Sie können das aber nicht nur
finanziell sehen.
Woher bekommen Sie Ihre guten
Operateure?
MÖLLER-KARNICK: Die suchen wir lange. Meinen orthopädischer Mitstreiter
und Mit-Chef, Rolf Christophers, kenne
ich schon lange und bin absolut von der
Qualität seiner Arbeit überzeugt. Einen
Assistenzarzt haben wir als Oberarzt
ausgebildet.
Christian Möller-Karnick (l.) und
Benjamin Behar mit Autor Norbert Vojta
an einem „O-Arm“. Das Gerät stellt
dreidimensionale Röntgenbilder her
Zur
Person
BERTOLD FABRICIUS
Auf was für Behandlungsmethoden
haben Sie sich spezialisiert?
CHRISTIAN MÖLLER-KARNICK: Wir
bieten zwei große Fachbereiche. Einmal
die Gefäß- und Hautchirurgie, zum anderen die orthopädische Chirurgie. Darunter fällt der Bereich der klassischen
orthopädischen Operationen wie Hüftund Knieprothesen. Der zweite Komplex ist die Wirbelsäulen- und Neurochirurgie.
Was ist, wenn das Navi bei der OP
ausfällt?
MÖLLER-KARNICK: Das ist ein Problem, das wir besonders bei unserer
Ausbildung betrachten. Ich habe ohne
Navigation über 15 Jahre selbst operiert
und bringe allen meinen Assistenten
bei, dass sie bitte nicht nur auf den
Fernseher gucken möchten, sondern auf
den Patienten. Wenn du sicher bist,
dann kannst du wieder auf den Fernseher gucken.
Wie viele Geräte mit dem Navigationsarm gibt es davon in Hamburg?
BEHAR: Nur zwei. Weil das mit erheblichen Kosten verbunden ist. Das Gerät
kostet etwa eine Million Euro.
Benjam Behar wurde am 11. Mai 1979 in Berlin geboren. Der gelernte Bankkaufmann studierte BWL an der FU Berlin. Behar promovierte 2008 am Institut für Management der FU Berlin. 2009 wurde er kaufmännischer Leiter und 2010 Geschäftsführer des
Tabea Krankenhauses. Der Lehrbeauftragte für Gesundheitsmanagement an der Uni Hamburg ist seit 2012 Geschäftsführender Direktor der Artemed Klinken SE. Behar ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Ist das für Sie eine große Investition?
BEHAR: Das ist schon erheblich, aber
wir wollen dem Patienten die absolute
Sicherheit beim Operieren bieten.
Christian Möller-Karnick wurde am 23. Mai 1965 in Hamburg geboren. Er studierte von 1987 bis 1994 an der Uni Hamburg Humanmedizin. Der Facharzt für Neurochirurgie war von 2003 bis 2007 Oberarzt an der Endo-Klinik in Hamburg und ist seit 2009
Chefarzt für Wirbelsäulen- und Neurochirurgie am Tabea Krankenhaus. Möller-Karnick ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Ist das so wie beim Fußball, dass Ärzte weggekauft werden?
BEHAR: Ja, das ist so. Aber im Tabea ist
das noch nicht passiert. Jedenfalls
nicht, seitdem ich seit 2008 hier bin.
Aber wir haben zugekauft.
Warum kommen Ärzte zu Ihnen?
BEHAR: Ich glaube, dass es wichtig ist,
in welchem Umfeld und mit welcher
Aufmerksamkeit ich meine Patienten
versorgen kann. In wie vielen Gremien
sitze ich. Wie viel echte ärztliche Tätigkeit mache ich oder muss ich noch alles
Mögliche drum herum organisieren.
Wir bieten hier einen Ort, wo Ärzte sich
zu 100 Prozent auf Ihre Patienten konzentrieren können.
Was operieren Sie als Wirbelsäulenspezialist?
MÖLLER-KARNICK: Die Wirbelsäulenchirurgie ist ein sehr komplexes Feld.
Es geht von mikrochirurgischer Tumorchirurgie im Rückenmark bis hin zu
großen Aufrichtungsoperationen nach
Unfällen oder Formstörungen. Wenn
man über OP-Risiken spricht, muss
man genau hinschauen, was operiert
werden soll.
Was sind die Hauptoperationen?
MÖLLER-KARNICK: Das sind die Bandscheibenvorfälle und die Spinalkanalstenose, eine knöcherne Einengung der
Wirbelsäule. Ernsthafte Komplikationen, wie die gefürchtete Querschnittlähmung, sind hierbei Raritäten.
War das früher anders?
MÖLLER-KARNICK: In den Achtzigerjahren hielt die Mikrochirurgie Einzug.
Dadurch wurden Raten der neurologischen Komplikation deutlich geringer.
Heute reden wir kaum noch über diese
Problematik.
Sondern?
MÖLLER-KARNICK: Wir sprechen heu-
te über die Verringerung des Muskeltraumas beim Zugang zur Wirbelsäule.
Stetig arbeiten wir daran, uns weiter zu
perfektionieren und die Risiken zu verringern. Zum Beispiel haben wir eigene
Instrumente mitentwickelt, die schonendere Zugänge ermöglichen.
Was ist ein Muskeltrauma?
MÖLLER-KARNICK: Wenn sie die Wirbelsäule mit großen Instrumenten bearbeiten, was man manchmal zweifellos machen muss, und sie dabei die
Muskulatur von der Wirbelsäule ablösen.
Was kann dabei passieren?
BEHAR: Sie könnten die Muskulatur beschädigen und machen einen Teil ihres
Erfolges und ihrer Arbeit, nämlich die
Rückenschmerzen zu behandeln, erst
mal zunichte. Die Patienten müssen
lange Monate mit dem Aufarbeiten des
Muskeltraumas leben.
Wer ist betroffen, die Jüngeren oder
die Alten?
MÖLLER-KARNICK: Bei den verschleißbedingten Erkrankungen der Wirbelsäule haben wir zwei Gipfel. Einmal die
um das vierzigste Lebensjahr mit den
klassischen Bandscheibenvorfällen. Ab
dem sechszigsten bis achtzigsten Jahr
die knöcherne Einengung der Wirbelsäule.
Behandeln Sie auch Tumore?
MÖLLER-KARNICK: Ja. Überwiegend
solche, die von den Nerven bzw. dem
Rückenmark ausgehen. Die sind überwiegend gutartig und operativ gut
zu behandeln. Die bösartigen Tumore
siedeln sich eher an der Wirbelsäule
an.
Wie viele Wirbelsäulenoperationen
haben Sie in den vergangenen Jahren
gemacht?
MÖLLER-KARNICK: Wir führen im Tabea derzeit etwa 600-700 Wirbelsäuleneingriffe im Jahr durch. Als ich zuletzt
vor vier Jahren meine eigenen Operationen für eine Zertifizierung zählen
musste, kam ich auf gut 2500 WS-Operationen.
Herr Behar, würden Sie sich von
Herrn Möller-Karnick an der Wirbelsäule operieren lassen?
BEHAR: Sofort. Ich würde auch meine
Mutter hier operieren lassen. Ich bin
fest überzeugt, dass Herr Möller-Karnick von seiner Meinung und wie er
denkt, was der beste Weg für den
Patienten ist, null abrückt. Er operiert
nicht des Operierens wegen. Es
gibt auch in Hamburg sehr wenig Wirbelsäulenchirurgen, die das so lange
machen.
T Norbert Vojta ist Journalist und
Honorarprofessor an der Hochschule
für Musik und Theater Hamburg.
Sein nächstes Interview erscheint
am 31. Juli in der „Welt am Sonntag“.
Digitales und Analoges liegen manchmal ganz dicht beieinander
Z
Bürgermeister Olaf Scholz fühlt sich in den auf sehr traditionelle Weise neuen PricewaterhouseCoopers-Büros am Alsterufer schnell zu Hause
VON OLAF DITTMANN
So war es am Freitagvormittag.
Scholz, gerade aus Singapur zurückgekehrt, sprach am Alsterufer mit leuchtenden Augen von der bereisten Stadt,
die auf gleicher Fläche dreimal mehr
Menschen beherbergt als Hamburg: „Da
geht noch was“, meinte er. Zudem war
es die Heimspiel-Atmosphäre, die den
sonst so steifen Scholz auflockerte.
Schließlich stimmen die Wirtschaftsprüfer von PricewaterhouseCoopers
(PwC), die am Freitag ihre neuen Büroräume einweihten, gerne zu, wenn der
Bürgermeister seine Ideen einer wachsenden Stadt, einer globalisierten Stadt
und einer digitalisierten Stadt ausbreitet. Oder wenn er von Stapel-GewerbeBauten, mehr Ausbildungsplätzen für
die digitale Wirtschaft und „Möglichkeiten für Wohlstand“ schwärmt.
Und so lobten sich Scholz und PwCVorstandssprecher Norbert Winkeljohann gegenseitig, indem sie betonten,
wie wichtig gute Beratung für die vielen
Mittelständler der Hansestadt sei und
wie vorausschauend der Senat agiere.
Nach Köln sei Hamburg die „digitalste
Stadt“ Deutschlands, so Winkeljohann.
Dass Digitales und Analoges in dem
Neubau des Architekten Moritz Schneider am Alsterufer 1-3 äußerst span-
nungsreich aufeinander treffen, schien
die Redner nicht zu stören. So gibt es
natürlich auf jedem Flur Gemeinschafts-Arbeitsplätze, an denen sich die
Mitarbeiter mit ihren Laptops spontan
einstöpseln können, viele „kommunikative Elemente“ in Form von Sesselgruppen sowie unzählige Bildschirme, die
nur auf die nächste Präsentation warten. Das Interieur allerdings ist so gediegen wie die dunklen Anzüge, die einem hier überall über den Weg laufen.
Helles und dunkles Holz, graue Teppiche, viel Glas und vom siebten Stock ein
Blick auf von Bäumen umrahmte Alsterboote. Hauptkirchen, Rathaus, Elbphilharmonie – alles im Blick.
Der Traditionseindruck hat seinen
Grund, wie Architekt Schneider erläuterte: Auf dem Gelände, das einst ein
Segelhafen, also Wasserfläche war, habe
seit den 1930er-Jahren ein Bürohaus mit
Denkmalschutz gestanden, das man eigentlich erhalten wollte, das sich aber
+
als zu marode herausgestellt habe. Ein
Teil des neuen Komplexes ist nun also
ein „Ersatzbau“ für das ehemalige Hamburg-Mannheimer-Haus, dessen Gestalt
sich am Vorgänger orientiert. Schneider
betont, der Vorteil sei, dass es statt ei-
nes hohen Sockelgeschosses nun ein offenes Erdgeschoss gebe.
Dort ist beispielsweise der Schanzenbäcker bereits eingezogen. Es folgen
noch das Fitnessstudio Elbgym, der
Einrichter Bornhold, das Restaurant
JUERGEN JOOST
u den beeindruckenden, aber
auch etwas irritierenden Merkmalen von Bürgermeister Olaf
Scholz (SPD) gehört sein Durchhaltevermögen. Während sich der durchschnittliche Fernreisende nach Rückkehr in die Heimat gerne ein wenig ausruht, sprudelt der Regierungschef dann
nur so vor neuen Eindrücken. Keine Augenringe und auch kein Scholzomat
sind erkennbar – nur die Lust, seine
Mitmenschen gleich wieder mit in die
Ferne zu nehmen. Zumindest in Gedanken.
Claus Brandt (PwC Hamburg), Bürgermeister Olaf Scholz und Norbert Winkeljohann (PwC-Vorstandssprecher) im Innenhof des Neubaus am Alsterufer
„Basil und Mars“, und auch Fernsehkoch Tim Mälzer will ein kleines Lokal
eröffnen. Von 27.500 Quadratmetern
Bürofläche auf acht Geschossen haben
die 900 Hamburger PwC-Mitarbeiter
16.000 belegt.
Statt City Nord, dem einstigen PwCSitz, nun also City-Zentrum samt direkt
angeschlossener Joggingstrecke. Am
Alsterufer befindet sich nun bereits die
vierte große deutsche Niederlassung,
die ein neues Gebäude in der Innenstadt bezieht.
„Damit unterstreichen wir unseren
Anspruch, auch in Zukunft einer der beliebtesten Arbeitgeber in der Region
Hamburg zu sein“, sagte Claus Brandt,
Leiter des Hamburger Standortes. Arbeitsplätze, weltweites Netzwerk, maritime Kompetenz – das hörte der reisende Bürgermeister gern. Und wenn ihm
das lokale Polit-Kleinklein zu viel wird,
joggt er einfach ganz analog am Alsterufer entlang.