Qualität der Aktionsforschung (USI 15)

UMWELT
SCHULINITLA
USI-Reihe Nt, 15
Qualität in der
Aktion s forschung
1
_i•
r5
.i ie fl Ii
e Gue,
hen mO ters11C
ra
den ku der
Unters
et'
-
0ßen
CÜbet St
0p7,ernefl prbe:
&t
ntetSU .
/g9seson
€Ot1ch
\
he0o\oe1\
dc e neuen
ibetfl g1eC0is
\e%ten Das tg
t 4-
benC es eine
ßerdem
pbet .
U Der
nd
e\e
tu :::1
ht t1gste
nehm
rbe
Herb ert Altrichter
ÜE(Ü
'4#'
It .
crzhr9
/
1
Qualitäts in der
Aktionsforschung
anzubieten, um diese professionellen
Fähigkeiten weiterzuentwickeln, zu
differenzieren und zu systematisieren;
"Unterrichtsstrategien verkörpern praktizielt
darauf ab, eine pädagogische
sche Theorien darüber, wie erzieherische
Diskussion zwischen Personen, die
Werte in konkreten Situationen realisiert
im Erziehungswesen arbeiten oder
werden können; und wenn sie in reflektiervon ihm betroffen sind, anzuregen
ter Weise verwirklicht werden, stellt das
und zu entwickeln,
eine Form von Aktionsforschung
erfolgt
in der Absicht, die erzieheridar"(ELLIOTT 1984, 74).
sche Praxis und das Wissen, das ihr
unterliegt, kritisch zu untersuchen
Aktionsforschung, so wie wir sie
und weiterzuentwickeln.
verstehen, stellt keine neue Erfindung dar. Vielmehr geschieht ähnliches jeden Tag in guter erzieheri- 2. Professionelle Praxis besteht
scher Praxis. Aktionsforschung ist nicht nur in der Anwendung allnur ein anderes Wort für reflektiergemeinen Wissens
te Praxis, und viele professio-nelle
PraktikerInnen betreiben täg-lich
Aktionsforschung, ohne das so zu Wie professionelle Praxis funktioniert,
nennen:
wird üblicherweise so erklärt: WissenIhre Arbeit orientiert sich an einem schafterInnen entwickeln allgemeines
persönlichen Verständnis von dem, Wissen durch Grundlagenforschung.
was pädagogisch wertvoll ist; sie PraktikerInnen lernen dieses Wissen
reflektieren ihre Praxis vor diesem während ihrer Ausbildung (je länger,
Hintergrund und versuchen sie desto besser). Wenn ein Problem in
weiterzuentwickeln. In ähnlicher ihrer professionellen Praxis auftritt,
Weise bauen die Methoden der wenden sie dieses allgemeine Wissen
Datensammlung und -analyse, die geschickt an, um das Problem zu lösen.
in der Aktionsforschung verwendet
werden, auf Fähigkeiten auf, die Donald SCHÖN (1983, 21) hat diese
auch PraktikerInnen im Alltag ver- Vorstellung als "Modell technischer
wenden, um die Qualität ihrer Rationalität" bezeichnet. Dieses Modell
Handlung zu überprüfen, z.B. Be- zieht eine Trennung und eine Hierarchiobachtung, Gespräche mit Schüle- sierung zwischen Grundlagenforschung,
rInnen und KollegInnen usw.
angewandter
Forschung,
Diagnosetechniken und Praxis (die als die
Anwendung von Produkten der Forschung
Aktionsforschung
angesehen wird) nach sich.
- baut auf den alltäglichen Fähig- Es spiegelt sich auch in der hierarchikeiten auf, mit Hilfe derer Prak- schen Arbeitsorganisation und im hietikerInnen ihre Tätigkeit beob- rarchischen Aufbau der Curricula in den
achten, interpretieren und wei- Ausbildungsinstitutionen wieder.
terentwickeln;
Wie SCHÖN (1983, 39ff) argumentiert
- versucht förderliche Rahmenbe- hat, setzt das Modell technischer Ratiodingungen und Unterstützung
nalität jedoch unzweifelhafte Ziele und
1. Aktionsforschung ist reflektierte professionelle Tätigkeit
Kompetente Praxis
als Anwendung
allgemeinen Wissens...
stabile instiutionelle Arbeitsbedingungen voraus. Diese Anforderungen mögen bei einfachen und repetitiven Aufgaben gegeben sein; die
Mehrzahl der Situationen professioneller Praxis, und gerade die wichtigen, sind jedoch im Gegenteil
komplex, ungewiß, mehrdeutig und
einzigartig.
In solchen Situationen kann professionelle Handlung nicht als instrumentelles Problemlösen verstanden
werden, weil das "Pro-blem" üblicherweise nicht eindeutig gegeben
ist. Vielmehr muß es erst durch
einen nicht-technischen Prozeß der
Problemdefinition konstruiert werden, der erst die Voraussetzungen
für das Wirksam-werden technischer Expertise schafft.
...oder als Forschung
im Kontext der Praxis
Ein Beispiel
reflektierender Praxis
3. Professionelle Praxis ist
"Forschung im Kontext der
Praxis" und ähnelt einem "reflektiven Gespräch mit
der Situation"
Donald SCHÖN hat Fallstudien
über professionelle Tätigkeit in
verschiedenen Berufen analysiert,
um eine "Epistemologie der Praxis"
zu formulieren.
Dies sind seine Ergebnisse:
Um in komplexen Situationen professioneller Praxis konstruktiv zu
handeln, können PraktikerInnen
nicht bloß allgemeines Wissen anwenden; vielmehr müssen sie auch
die Fähigkeit haben, 'lokales Wissen' zu entwickeln, die Fähigkeit zur
'Reflexion-in-der-Handlung.
Statt die Ergebnisse, die andere
ForscherInnen herausgefunden haben, bloß anzuwenden, werden sie
dabei selbst "ForscherInnen im Kontext
ihrer eigenen Praxis".
"Wenn jemand in der Handlung reflektiert, wird er zu einem Forscher im Kontext der Praxis. Er ist nicht von den
Kategorien etablierter Theorie und Technik
abhängig, sondern konstruiert eine neue Theorie
des spezifischen Falles. Sein Forschen beschränkt sich nicht darauf, Mittel zu überlegen,
die von einer vorhergehenden Überein-kunft
über Ziele abhängen. Er trennt Mittel und
Ziele nicht, sondern bestimmt sie interaktiv,
wenn er eine problematische Situation definiert.
Er trennt Denken nicht vom Tun, bahnt sich
nicht schlußfolgernd seinen Weg zu einer Entscheidung, die er dann in eine Handlung umformen muß. Da sein Experimentieren eine
Form praktischer Handlung ist, ist die Verwirklichung seiner Reflexionsergebnisse in seine
Forschung eingebaut" (SCHÖN 1983, 68f).
Den konkreten Verlauf einer Reflexionin-der-Handlung hat SCHÖN durch das
Bild einer "reflektierenden Konversation mit
der Situation" zu fassen versucht. Die
typischen Phasen eines solchen Gesprächs von PraktikerInnen mit der
Situation sollen an einem einfachen Beispiel dargestellt werden:
Während Lehrer A unterrichtet (z.B. etwas
erklärt), beobachtet er die Situation in der
Klasse. Besonders sorgfältig nimmt er das Verhalten einiger schwächerer Schüler wahr, u.a.
jenes von Hans, von dem er aufgrund früherer
Erfahrungen wenig Interesse erwartet. Es fällt
ihm z.B. auf, daß Hans ihn aufmerksam
ansieht und eine vernünftige Frage stellt (1).
Der Eindruck, den der Lehrer gewinnt, verdichtet sich und wird von Interpretationen und
Gefühlen begleitet: z.B. "Hans arbeitet mit";
"er dürfte heute seinen guten Tag haben"; "vielleicht habe ich ihn früher doch unterschätzt"
(2).
Der Lehrer ist sich aber nicht ganz sicher: "Ist
er wirklich bei der Sache? Oder tut er nur so?
Immerhin schreibt er nichts auf". Er möchte es
genauer wissen und stellt Hans eine Bankfrage,
die er beantworten können müßte, wenn er
wirklich zugehört hat (4). Hans kann die
Frage beantworten und der Lehrer wirft ihm
einen anerkennenden Blick zu (6).
(1) Reflexion-in-der-Handlung beginnt
mit dem Erleben einer Diskrepanz zwischen den Erwartungen, die man hinsichtlich des Ablaufs einer Situation
(ausgesprochen oder unausgesprochen)
hegt, und dem realen Ablauf dieser
Situation. Erst aufgrund einer Überraschung, einer Unzufriedenheit
oder eines Scheiterns wird eine Situation überhaupt als definitionswürdig, weil nicht routiniert lösbar,
angesehen.
In unserem Beispiel fällt dem Lehrer
etwas Unerwartetes auf: der anscheinend
anders eingeschätzte Hans stellt eine "vernünftige Frage".
rimentelle Prüfung (ein "Rahmenexperiment") dar. Bei dieser wird untersucht, ob auf der Basis der ersten Problemdefinition befriedigend gehandelt
werden kann oder neue Diskrepanzen
zwischen Erwartung und Realität auftreten.
Die Bankfrage, die der Lehrer unseres Beispiels
Hans stellt, kann als Experiment zur Überprüfung seiner Problemdefinition gedeutet werden.
(2) Die "erste Problemdefinition"
erfolgt durch Analogieschlüsse und
"Benennen". Die eigene Erfahrung
bietet dem Praktiker ein Reper-toire
an Beispielen, Bildern, Interpretationen und Handlungen. Beim Versuch der Problemdefinition sieht er
die neue Situation in Analogie zu
einer anderen, bereits bekannten; er
"benennt" sie dementsprechend
und versucht, die Konsequenzen,
die sich aus dieser Benennung des
Problems ergeben, zu ziehen.
In unserem Beispiel definiert der Lehrer
die aktuelle Situation als "Hans arbeitet
mit" und zieht augenscheinlich auch eine
längerfristige Definition des Schülers als
"schwächer und wenig interessiert" in
Zweifel (vgl. "vielleicht habe ich ihn früher
doch unterschätzt").
(5) Bei einem solchen Rahmenexperiment wird die hypothetische Definition
in konsequenter Weise der gegebenen
Situation übergestülpt. Gleichzeitig muß
der Handelnde aber auch für die unerwarteten Konsequenzen offen sein, die
sich aus seinem Experiment ergeben
können.
Er muß darauf hören, wie die Situation
auf seine Versuche, sie nach dem Bild
seiner Definition zu formen, antwortet.
In einem "doppelten Blick" verbindet er
für eine Zeitlang ein konsequentes Eintreten für seine Situationsdefinition einerseits mit ihrer kritischen Erforschung
auf der anderen Seite. "Stehe zu Deiner
Definition und stelle sie kritisch in Frage" lautet die Empfehlung, die
ARGYRIS et al. (1985, 258) dem forschend Handelnden auf seinen Weg
mitgeben.
"Der Forscher versucht, die Situation nach
seiner Definition zu formen, gleichzeitig muß er
sich aber für das Zurücksprechen der Situation
offen halten" (SCHÖN 1983, 164). "Durch
die unerwarteten Effekte der Handlung spricht
die Situation zurück" (a.a.O., 135).
Da dieser "doppelte Blick" eine Haltung ist,
die "hinter" Handlungen steht, kann ihr keine
konkrete Lehrertätigkeit unseres Beispieles
zugeordnet werden.
(3) Die nächsten Handlungsschritte
des reflektierenden Praktikers stellen nun eine Verwirklichung der ersten
Problemdefinition dar.
Diese Stufe ist in unserem obigen Fallbeispiel nicht explizit ausgedrückt. Man
kann sich jedoch vorstellen: Der Lehrer
behandelt Hans im folgenden als "Schüler, der mitarbeitet" und nicht als "schwächeren, wenig interessierten Schü-ler". Das
kann z.B. heißen, sein "Mit-arbeitsRundblick", den er hin und wieder durch
die Klasse streifen läßt, um die Beteiligung
der Schüler festzustellen, bleibt seltener auf
Hans hängen.
(4) Gleichzeitig stellt die handelnde
Verwirklichung der ersten Problemdefinition aber auch eine expe-
(6) Von den Ergebnissen derartiger Rahmenexperimente hängt die Bewertung der
Brauchbarkeit der Problemdefinition
und der aus ihr entwickelten praktischen
Handlungen ab. Läßt sich befriedigend
handeln, so gilt die problematische Situation als gelöst. In manchen Fällen wer-
den die Erfahrungen, die bei diesem
Prozeß
von
Reflexion-in-derHandlung gemacht werden, als
"Wissen des Praktikers" gespeichert. Tauchen neue Diskrepanzen
zwischen Erwartung und Realität
auf, so erfolgt der Einstieg in einen
neuen Prozeß von Reflexion-in-derHandlung.
Unser Fallbeispiel nimmt ein einfaches für die Zwecke dieser Erläuterung leider
fast zu einfaches - Ende: Die Antwort,
die Hans auf die Bankfrage gibt, wertet
der Lehrer als Bestätigung seiner Problemdefinition. Hätte der Schüler keine
Antwort gewußt oder wäre seine Entgegnung unerwartet scharfsinnig ausgefallen,
hätte der Lehrer möglicherweise ein weiteres "Diskrepanzerlebnis" gehabt und
wäre in einen neuen Prozeß von Reflexion-in-der-Handlung eingestiegen.
Klassenzimmer sind
Orte der Forschung,
nicht bloß der Anwendung
von Forschung
Qualitätsmerkmale
ergeben sich aus den
Charakteristika
professioneller Handlung ...
Um noch einmal zusammenzufassen: Professionelle Handlung ist
"Forschung im Kontext der Praxis"
(SCHÖN 1983, 68). Professionalität ist "die Fähigkeit zur autonomen
professionellen Weiterentwicklung
durch systematisches Studium der
eigenen Arbeit, durch Studium der
Arbeit anderer LehrerInnen und
durch die Überprüfung pädagogischer Ideen mittels praxisorientierter
Unterrichtsforschung"
(STENHOUSE 1975, 144). Klassenzimmer sind nicht Orte, an denen Resultate aus Forschungslaboratorien anzuwenden sind; sie
sind vielmehr selbst Forschungsstätten.
Wenn professionelle Handlung
"Forschung im Kontext der Praxis"
ist, gibt es auch keine strukturelle
Differenz zwischen reflektierter
professioneller Tätigkeit und Forschungstätigkeit.
Daher können wir auch sagen: Aktionsforschung ist ein Typ reflektierter professioneller Handlung.
Aktionsforschung setzt an bei und
basiert ausdrücklich auf alltäglicher
Reflexion und versucht Anregung und
praktische Hilfe für ihre Weiterentwicklung zu geben.
4. Die Sicherung der Qualität von
Aktionsforschungsvorhaben be steht darin, auf den Merkmalen
professioneller Handlung aufzubauen und sie weiterzuentwickeln
Wie kann die Qualität meines Aktionsforschungsvorhabens sichergestellt werden? An anderen Stellen (vgl. ALTRICHTER/POSCH 1989; ALTRICHTER 1990) haben wir argumentiert, daß
Qualität in der Aktionsforschung weder
durch Verwendung spezieller Methoden
und Forschungsinstrumente gesichert
werden kann, noch durch strikte Befolgung methodologischer Kriterien, die
aus anderen Forschungsansätzen, etwa
dem traditionell empirischen oder den
neueren qualitativen Methodologien,
entlehnt wurden.
Forschende PraktikerInnen erhöhen die
Qualität ihrer Forschung vielmehr dadurch, daß sie auf den Merkmalen reflektierter professioneller Handlung (die im Kontext
der Praxis der Handlung Qualität verleihen)
auch in ihrer Forschung aufbauen und sie weiterentwickeln. Wir meinen also: was gut
für die Praxis ist, ist auch gut für Forschung.
Meine Argumentation hat sich bisher
auf Qualität des Erkennens und Handelns
bezogen. Daneben gibt es jedoch zwei
weitere, in gleicher Weise wichtige Quellen für Qualität in der Aktionsforschung: Ethik und Praktikabilität der
Forschung.
Bei der Aktionsforschung heiligt der
Zweck nicht die Mittel. Forschung ist
ein Eingriff in soziale Situationen; viele
Untersuchungsinstrumente sind "reaktiv" (d.h. sie veranlassen die untersuchten Personen zu Handlungen, die sie
sonst nicht getan hätten); die Forschungssituation ist selbst eine Lernsituation.
Daher legen forschende LehrerInnen großen Wert darauf, daß ihre
Forschungstätigkeit auch ethischen
Güte-kriterien entspricht. Dieser Gedanke läßt
sich auf zwei Ebenen erläutern:
- Zunächst soll das Forschen mit
den pädagogischen Zielen der untersuchten Situation verträglich sein,
darf ihnen nicht entgegenarbeiten. Sie sollen womöglich nicht
nur langfristig, sondern auch aktuell durch die Forschungsaktivitäten gefördert werden.
Beispielsweise wäre eine Datensammlung mit Leistungstests, die auf individueller Konkurrenz basieren, mit einem Unterrricht unverträglich, der sich
gerade bemüht, kooperatives Verhalten von SchülerInnen aufzubauen.
In ähnlicher Weise würde verdeckte
Unterrichtsbeobachtung dem Ziel, offene Kommunikation zwischen LehrerInnen und SchülerInnen zu fördern,
widersprechen.
- Aktionsforschung geht davon
aus, daß eine tiefergehende und
nachhaltige Veränderung von
Praxis letztlich nur in Zusammenarbeit der von dieser Praxis
Betroffenen und nicht gegen ihren Willen geschehen darf. Insoferne soll die Forschungsstrategie selbst auf demokratischen und
kooperativen menschlichen Beziehungen aufbauen und zu ihrer Weiterentwicklung beitragen.
AktionsforscherInnen
versuchen
diesen Kriterien dadurch gerecht zu
werden, indem sie ihre Arbeit ethischen Codes unterwerfen, die am Beginn einer Zusammenarbeit ausgehandelt werden; auch in deren weiterem Verlauf werden die ethischen
Codes fallweise modifiziert werden,
wenn ihre Bedeutung aus Anlaß
konkreter Fälle klarer gemacht werden muß.
Die Prinzipien des 'Aushandelns' (vgl.
Abschnitt 4.1), der 'Kontrolle durch die
Betroffenen' (vgl. Abschnitt 4.5) und der
Vertraulichkeit ( vgl. Abschnitt 4.6 )
haben eine zentrale Stellung in diesen
ethi-schen Codes.
Ethische Überlegungen werden von
manchen als für die heutige Wissenschaft höchst notwendig, von anderen
als ungerechtfertigte Hindernisse für
den Fortschritt erachtet. Von den meisten aber werden sie als unabhängig von
den auf Erkenntnis gerichteten Bestrebungen der Wissenschaft angesehen.
Hier wird eine deutlich abweichende
Meinung vertreten.
Zumindest für einen Wissenschaftstyp
wie Aktionsforschung, der den Weg von
einem praktischen Problem über dessen
Analyse bis zur verändernden Handlung
in einem einheitlichen Prozeß integrieren will, sind forschungsethische Erwägungen
auch höchst praktisch und förderlich für den
Fortschritt der Erkenntnis.
Ich will dieses Argument durch ein Beispiel erläutern: ARGYRIS und SCHÖN
(1974, 68ff. und 87ff.) unterscheiden
zwei idealtypische "Verhaltenswelten":
In "Modell I" wird dem Spiel von "mystery and mastery" (etwa: Täu-schung,
Geheimniskrämerei und Überlegenheit)
gefrönt.
Die AkteurInnen versuchen jeweils einseitig, die Kontrolle und Initiative über
die Situation zu behalten und enthalten
ihren PartnerInnen 'sicherheitshalber'
Informationen vor.
"Modell II" sieht hingegen Handeln und
Problemlösen als eine gemeinsame Aufgabe der Betroffenen an, bei der alle
Partner Einfluß auf die Entwicklung der
Situation nehmen können und Zugang
zu allen benötigten Informationen bekommen. Forschung basiert auf der
Zugänglichkeit von Informationen und
kann sich dort nicht entwickeln, wo
wichtige Daten vorenthalten oder verfälscht werden.
Spielen ForscherInnen selbst das Spiel
von "mystery and mastery", so fördern
sie diese Haltung auch bei den Partne-
...aus ethischen
Erwägungen ...
rInnen, was auf lange Sicht seiner
Forschung abträglich ist. Insoferne
trägt eine ethische Gestaltung der
Forschung auch dazu bei, daß ihre
Grundlagen nicht zerstört werden.
Man kann also sagen, daß ethische
Forderungen gleichzeitig dem Erkenntnisprozeß dienen.
...und aus Praktikabilitätserwägungen
Fallbeispiel
das ethische Prinzip 'Aushandelung mit
den Betrof-fenen' (vgl. Abschnitt 4.1) zu
umgehen.
In den folgenden Abschnitten möchte
ich die wichtigsten Quali-tätsmerkmale
von Aktionsforschung, wie sie vom
Konzept der 'reflektierten praktischen
Tätigkeit' abgeleitet werden können,
etwas genauer darstellen und dies mit
Pragmatische Qualitätskriterien prüfen einem Fallbeispiel (ELLIOTT 1986)
nun, ob die Forschungsstrategie einleiten.
und die einzelnen Forschungsinstrumente praktikabel und pragma- Das Humanities Curriculum Project (HCP)
tisch-zeitökonomisch mit dem Un- sollte 14-16jährigen SchülerInnen kontroverterricht und den Arbeitsbedingun- sielle Themen aus dem Bereich der Humangen von LehrerInnen verträglich und Sozialwissenschaften (wie z.B. Krieg und
sind (in dem Sinn, daß sie für Leh- Frieden, Beziehungen zwischen verschiedenen
rerInnen ohne aufwendige zusätzli- Rassen, Wohnen usw.) nahebringen. Die Unche Einschulungen nutzbar sind, terrichtsstrategie, die innerhalb dieses Projekts
daß sie keinen hohen Aufwand an erprobt werden sollte, bestand aus zwei zentraZeit, Material oder sonstigen len Ideen:
Hilfsmitteln erfordern usw.).
- LehrerInnen sollten von ihrer Rolle als
Auf den ersten Blick wirken derarInformationsgeber entlastet werden und als
tige Praktikabilitätskriterien, als
"neutrale Diskussionsleiter" die SchülerInstünden sie in keinem Zusammennen bei ihren Diskussionen unterstützen.
hang mit ethischen und Erkennt- - Ausschnitte aus Fachliteratur, Belletristik,
niskriterien. Beim zweiten Blick
Zeitungen usw. sollten verschiedene Positiowird einem allerdings bewußt, daß
nen illustrieren und die SchülerInnen zu
sich pragmatische, ethische und
Diskussionen anregen.
Erkenntniskriterien in spezifischen Eines Tages wurde John ELLIOTT, der
und manchmal spannungsvollen Mitarbeiter in diesem Projekt war, in eine
Beziehungen innerhalb jeder For- Schule gerufen: Es gäbe Probleme mit den
schungshandlung befinden.
Materialien. Die SchülerInnen würden diese
Beispielsweise ist eine Datenanaly- Materialien zwar lesen, es käme aber keine
setechnik, die wegen ihrer hohen Diskussion zustande. Der Lehrer vermutete,
Zeiterfordernisse für LehrerInnen daß die Texte zu schwierig seien. Die Schülepragmatisch problematisch ist, auch rInnen, so seine Diagnose, könnten diese Texte
erkenntnismäßig problematisch:
einfach nicht verstehen.
die Möglichkeiten, durch sie Ein- Um diesem Problem abzuhelfen, war der Lehsichten zu gewinnen, diese zu über- rer nach und nach von der Unterrichtsstrategie
prüfen und zu kritisieren, können des Humanities Curriculum Project ab- und
wegen Zeitproblemen nur in einem dazu übergegangen, den SchülerInnen den Ingeringen Maße realisiert werden.
halt der Materialien durch Kurzvorträge zu
Zusätzlich besteht die Gefahr, daß erklären. Als ELLIOTT der Sachverhalt
sie auch ethisch problematisch mitgeteilt worden war, schlug er dem Lehrer
wird:
vor, noch zusätzliche Informationen zu samwenn andere betroffene Personen meln, um diese Situation besser verstehen zu
die Ergebnisse dieser Analysetech- können. Der Lehrer suchte sechs seiner Schülenik nicht ohne großen Energie- und rInnen aus, mit denen ELLIOTT folgendes
Zeitaufwand verstehen können, Interview führte:
wird dadurch ein Anreiz geschaffen,
Interviewer (I): Was haltet ihr eigentlich
von dieser neuen Art Unterricht?
SchülerInnen (S): Mögen wir nicht!
I: Und was gefällt euch daran nicht?
S: Diese Arbeitsblätter, diese Materialien mögen wir nicht. Die gefallen uns
überhaupt nicht!
I: Sind sie zu schwer? Und was gefällt
euch dabei nicht?
S: Nein, nein, wir verstehen sie schon.
I: Könnt ihr sie wirklich alle verstehen?
S: (etwas indigniert) Natürlich!
I: Und wo liegt dann die Schwierigkeit?
S: Die Schwierigkeit ist, daß wir überhaupt nicht mit dem übereinstimmen,
was in den Papieren steht.
I: So, ihr seid also anderer Meinung.
Aber dann könnt ihr das in der Klasse ja sagen, daß ihr anderer Mei-nung
seid.
S: Oh nein, das kann man nicht.
I: Warum nicht?
S: Der Lehrer würde das nicht wollen.
I: Warum das?
S: Weil der Lehrer dieselbe Meinung hat
wie diese Papiere.
I: Wie wißt ihr das eigentlich, welche
Meinung der Lehrer hat?
S: (die SchülerInnen schauen ganz verwundert ob dieser Frage) Der Lehrer
würde uns diese Papiere doch nicht geben, wenn er nicht mit dem übereinstimmte, was da drin steht, nicht
wahr?
"Theorie":
"Die Unterrichtsstrategie funktio-niert
nicht, weil die Arbeitspapiere zu schwierig sind".
Und zweitens illustriert die kurze Geschichte auch, daß praktische Theorien,
die nicht die Interpretationen aller durch
die Situation betroffenen AkteurInnen
in Betracht ziehen, Gefahr laufen, zu
einseitigen Erklärungen zu führen, aus
denen wiederum problematische "Problem-lösungen" abgeleitet werden; so
geht die Lehrstrategie "Kurzvorträge,
um die Arbeitspapiere zu erklären"
fälschlicherweise davon aus, daß die
Situations-wahrnehmung der SchülerInnen mit jener der LehrerInnen identisch
ist.
Hätte der Lehrer diese Handlungsstrategie verwirklicht, wäre die Annahme der SchülerInnen, daß der Leh-rer
mit den Inhalten der Arbeitspapiere
übereinstimmt,
höchstwahrscheinlich
weiter verstärkt worden.
Das hätte nicht nur zu keiner Intensivierung der Schülerdiskussionen geführt,
sondern es für alle beteiligten Parteien
noch schwieriger gemacht, zu verstehen,
was sich eigentlich in dieser Situation
abspielt.
Allgemein gesagt: Aktionsforschung erkennt an, daß soziale Realität durch die
Beiträge verschiedener AkteurInnen
konstruiert wird, die alle - manchmal
unterschiedliche - Interpretationen eines
4.1 Aktionsforschung ist durch Geschehens entwickeln. Wenn PraktiKonfrontation von Daten aus kerInnen eine praktische Theorie über
einen Aspekt ihrer Praxis formulieren,
verschiedenen Perspektiven
dann ist diese - ausdrücklich oder implicharakterisiert
zit - auch eine "Theorie über Theorien"
(d.h. eine Theorie, die auch die SichtWas können wir aus dieser kurzen weisen verschiedener AkteurInnen
Geschichte lernen? Erstens, daß wir beinhalten und erklären muß).
als PraktikerInnen in alltäglichen
Problemsituationen ohnehin "theo- In der Praxis versuchen Aktionsforscheretisieren". Mit einem Problem (ei- rInnen, diesem Phänomen durch folner Diskrepanz zwischen ihren gende Strategien gerecht zu werden:
Erwartungen und der Realität) konfrontiert, reagieren Leh-rerInnen * Sammlung und Berücksichtigung auch andemit einer "Erklärung", mit einer rer Sichtweisen als der eigenen:
„Theoretisieren“
im Alltag
Praktische
Umsetzung
Durch das SchülerInneninterview
in unserem Beispiel wird die praktische Theorie zur Erklärung der
Situation umfassender und die
Chance erhöht sich, daß eine konstruktive Handlungsstrategie aus ihr
abgeleitet werden kann. Die Berücksichtigung der Sichtweisen von
Personen oder Personengruppen,
die durch die erforschte Situation direkt betroffen
werden, verbessert also die Qualität
einer praktischen Theorie. Manchmal kann man allerdings erst durch
die Forschung selbst herausfinden,
wer direkt durch die erforschte Situation betroffen ist.
der Lehrperson (wie sie beispielsweise
durch ein Interview oder durch eine
Tagebucheintragung der Lehrperson
selbst doku-mentiert ist), die Sichtweise
der SchülerInnen (die z.B. durch Interviews zugänglich wird) und die Wahrnehmung einer dritten Person (z.B. eine
Unterrichtsbeobachtung durch eine/n
BeobachterIn, wel-che/r von der Lehrperson einge-laden wurde).
Abb. 1: Die drei Ecken der Triangulation
Perspektive des "Dritten"
Lehrer-Perspektive
* Konfrontation unterschiedlicher Perspektiven und Verwendung von "Diskrepanzen" als Ausgangspunkt für Weiterentwicklung:
Schüler-Perspektive
Triangulation
als Methode
Die Diskrepanz zwischen den
Wahrnehmungen der SchülerInnen
und des Lehrers macht in unserem
Beispiel die Entwicklung einer
Handlungsstrategie notwendig, die
diese Wahrnehmungen - auf einer
höheren Ebene - versöhnt; sonst
wäre es unmöglich, mit der HCPLehrstrategie erfolgreich zu unterrichten (jeder produktive Unterricht
verlangt ein einigermaßen gemeinsames Verständnis dessen, welche
Bedeutung eine gegebene Situation
hat.
Daher ist es auch ein sehr praktisches Problem für LehrerInnen, zu
einer in etwa übereinstimmen-den
Wahrnehmung des Unterrichtsgeschehens beizutragen).
Die Bedeutung, die Aktionsforschung der Konfrontation unterschiedlicher Perspektiven zumißt,
kommt im Verfahren der Triangulation zum Ausdruck, das manche als
typisch für diesen Forschungsansatz
ansehen.
Dabei werden Daten aus drei Quellen konfrontiert, z.B. die Sichtweise
"Jede Ecke des Dreiecks befindet sich in einer
einzigartigen epistemologischen Position in Hinblick auf den Zugang zu relevanten Informationen über die Unterrichtssituation. Die Lehrperson ist am besten in der Lage, Zugang zu
ihren eigenen Intentionen und Zielen in der
Situation (durch Introspektion) zu erlangen.
Die SchülerInnen können am besten erklären,
wie die LehrerInnen-handlungen die Art beeinflussen, wie sie in der Situation reagieren.
Teilnehmende BeobachterInnen sind in der
besten Position, um Daten über die beobachtbaren Züge der Interaktion zwischen LehrerInnen und SchülerInnen zu sammeln.
Durch den Vergleich eigener Daten mit Daten
von den anderen zwei Standpunkten hat eine
Person an einem Eckpunkt des Dreiecks die
Möglichkeit, ihren eigenen Standpunkt zu
überprüfen und vielleicht auf der Basis umfassenderer Informationen zu revidieren"
(ELLIOTT 1976, 22f).
* Entwicklung des Vorhabens zu einem 'gemeinsamen Projekt der Betroffenen':
Wenn soziale Realität durch die unterschiedlichen Beiträge verschiedener
Handelnder konstituiert wird, dann darf
der Versuch, diese soziale Realität
konstruktiv
weiterzuentwickeln,
nicht (wie wohlmeinend auch immer) diese Handelnden umgehen,
sondern muß letzt-endlich zu einer
gemeinsamen Aufgabe der Betroffenen werden.
Die Konfrontation und nachfolgende Aufeinander-Zuentwicklung
verschie-dener Perspektiven ist für
AktionsforscherInnen so wichtig,
daß sie in einem Prinzip der ethischen Codes wieder auftaucht.
"Ethische Codes" oder explizit ausgehandelte Verträge zwischen den
verschiedenen Beteiligten eines
Aktionsforschungsvorhabens sollen
akzeptable Formen der Forschungsgestaltung öffentlich machen und der Praxis der Forschung
als Orientierung dienen.
Aktionsforschung wird dann als
"ethisch" angesehen, wenn Forschungsdesign und die Interpretationen mit allen Personen und Personengruppen, die direkt durch die
erforschte Situation betroffen wurden, ausgehandelt wurden.
LehrerInnen haben zwar als beruflich in der Schule Tätige eine führende Rolle bei der Initiierung von
Aktionsforschung; das längerfristige
Ziel besteht jedoch darin, SchülerInnen und andere betrof-fene Personen in die Forschung miteinzubeziehen und diese schließ-lich zu
einer "kooperativen Forschung" zu
machen.
Ein Wort der Warnung: Ein Problem alltäglicher Berufspraxis besteht darin, daß Entscheidungen oft
auf der Basis weniger Informationen getroffen werden.
AktionsforscherInnen, sobald sie
sich einmal mit verschiedenen Methoden der Datensammlung vertraut gemacht haben, erleben dagegen oft das Phänomen der "Überflutung mit Daten".
Es ist daher wichtig, die gesammel-
ten Informationen laufend zu analysieren und zu verarbeiten und nicht alle
möglichen Daten, die irgendwie interessant erscheinen, einmal zu sammeln und
für später aufzuheben.
Laufende Analyse macht auch klarer,
welche Datenquellen lohnende Informationen erbringen und auf welche man
ohne Schaden verzichten kann; laufende
Analyse schärft zudem die eigene Sichtweise der Situation, was wiederum als
Orientierung für die nachfolgende Datensammlung dient.
4.2 Aktionsforschung besteht in
einer engen und iterativen Verbindung von Reflexion und Aktion
Anders als viele andere Forschungs- und
Entwicklungsansätze will Aktionsforschung nicht das Denken von Alltagsmenschen durch ExpertInnenwissen
ersetzen, sondern zielt darauf ab, auf
ihm aufzubauen und es zu unterstützen.
So kommen auch in dem Fallbeispiel
aus dem HCP keine externen ExpertInnen, um den Praktiker darüber aufzuklären, "wie man es macht" (sie können das
gar nicht, weil ihnen das "lokale Wissen"
zur produktiven Bearbeitung komplizierter Praxissituationen fehlt).
Stattdessen unterstützen "Externe"
PraktikerInnen bei deren Reflexion der
Situation, z.B. indem sie helfen, Zugang
zu zusätzlichen Aspekten der Situation
(wie z.B. zur Schülerwahrnehmung) zu
gewinnen.
Die SchülerInnenwahrnehmungen waren auch keine "neuen Informationen",
die von außen in die Situation hineingebracht wurden; vielmehr waren sie im
Prinzip in der Situation verfügbar, doch
war der Zugang zu ihnen im normalen
Handlungsablauf schwierig oder sie
wurden zu wenig beachtet.
Das ethische
Prinzip
„Aushandlung“
„data overload“
praktische
Umsetzung
Ein Charakteristikum traditioneller
empirischer Forschung besteht
darin, daß Reflexion und Aktion
sowohl institutionell als auch personell getrennt sind.
Untersuchungsanordnungen werden in den
Zentren der Wissenschaft entworfen; sie werden dann durch Praktiker in Praxisinstitutionen realisiert,
wobei durch Emissäre der Wissenschaft beobachtet wird, ob dies
getreu den Intentionen erfolgt. Die
Daten darüber werden von WissenschafterInnen gesammelt und in die
Institutionen der Wissenschaft zurückgebracht, wo sie analysiert werden. Im Vergleich zum Nachdenken im Alltag sind Praxis und Reflexion darüber auf seltsame Weise
fragmentiert. Diese Trennung
bringt einige Vorteile:
- Die Bühne der Praxis zu verlassen, befreit vom Druck, weitere
praktische Handlungen zu setzen, und erkauft damit Zeit für
die Analyse;
- die Trennung zwischen den
Aufgaben des Handelns und des
Reflektierens erlaubt den Reflexionsspezialisten eine gewisse
Distanzierung von den Motiven
und Loyalitäten der untersuchten Praxis, was ihren Handlungsspielraum erweitert.
Diesen Vorteilen stehen jedoch
Probleme gegenüber:
- Die Bühne der Praxis zu verlassen, befreit nicht nur vom
Handlungsdruck, sondern auch
von der Möglichkeit (oder dem
Zwang), die Ergebnisse eigenen
Nachdenkens laufend in nachfolgender Handlung zu überprüfen: PraktikerInnen sind gezwungen, auf der Grundlage
früherer Reflexionen zu handeln
und spüren etwaige "Reflexionsfehler" als Handlungsprobleme
am eigenen Leib;
- Die Trennung der Rollen von Handlung und Reflexion distanziert die
ReflexionsspezialistInnen zwar von
den Motiven und Loyalitäten im Praxissystem, aber es be- traditionelle Trennung
freit sie nicht von al- von
len Motiven und Aktion und Reflexion
Loyalitäten, bindet sie
vielmehr an das System institutionalisierter Wissenschaft.
Das ist zunächst einmal verständlich,
doch liegt darin auch die Gefahr, daß
"Wissenschaft ihre eigenen Wege
geht", die sich gelegentlich recht weit
von den Wünschen der Alltagspraxis
entfernen.
Die Notwendigkeiten professionellen
Handelns sind nicht nur Belastung,
sondern bieten auch einen Rahmen,
der hilft, die eigene Forschung auf
wichtige Fragestellungen zu lenken
und die Brauchbarkeit ihrer Resultate
zu überprüfen.
Aktionsforschung nimmt also eindeutig
gegen die methodologische Trennung
von Handlung und Reflexion Stellung.
Daraus folgt, daß sie auch forschungspraktisch eine enge Verbindung von
Reflexion und Aktion anstrebt. Eine
Forschungsstrategie soll ein Ausdruck
des "Zirkels von Aktion und Reflexion"
(vgl. Abb. 2) sein.
* Enge Verbindung von Reflexion und Aktion:
Auf die eigene Praxis zurückblickend
versucht man, eine Erklärung der abgelaufenen Situation, d.h. eine "prak-tische
Theorie", zu entwickeln (im Beispiel:
"Die SchülerInnen diskutieren nicht,
weil die Arbeitspapiere zu schwierig
sind"; und später: "Die Schü-lerInnen
diskutieren nicht, weil sie glauben, daß
die Arbeitspapiere der Meinung des
Lehrers entsprechen, und weil sie den
Lehrer nicht herausfordern wollen").
Von jeder praktischen Theorie kann
man aber auch nach vorne schauen und
Ideen für nachfolgende Handlungen
entwickeln (z.B. "Den Inhalt der Ar-
beitspapiere durch Kurzvorträge
erklä-ren"; und später: "Die Wahrnehmung der Unterrichtsstrategie
durch die Schü-lerInnen verändern").
* Die laufende wechselseitige Überprüfung
von Aktion und Reflexion (Iterativität
der Forschung):
Der Zirkel von Aktion und Reflexion endet nicht damit, daß neue
Aktions-ideen entwickelt wurden.
PraktikerInnen stehen in der Regel
unter Handlungsdruck und werden
daher diese Aktionsideen in die Tat
umsetzen müssen. Und sie werden
direkt die Auswirkungen ihrer
Handlungen (die indirekt ja auch
die Auswirkungen ihrer Reflexion,
ihrer praktischen Theorien sind), zu
spüren bekommen:
dies sollte ein guter Grund für die
Fortsetzung der Reflexion sein und
für die Weiterentwicklung der ursprünglichen praktischen Theorie.
Gerade die Tatsache, daß die Reflexion von PraktikerInnen in ihren
alltäglichen Handlungen wurzelt,
erlaubt es, eine praktische Theorie
einer Serie von Überprüfungen
auszusetzen und sie dabei gleichzeitig weiterzuentwickeln und zu verfeinern (durch einige "Aktionsforschungszyklen).
Durch diese charakteristische "Iterativität" von Handlung und Reflexion werden Zwischenergebnisse
einer Serie von Überprüfungen
ausgesetzt.
Dies ist auch die Grundlage für die
Behauptung von AktionsforscherInnen, daß ihre Ergebnisse keineswegs "beliebig", sondern in einer systematischen Forschungsstrategie gewonnen wurden.
fenen Personen berücksichtigen und auf
ihnen aufbauen, indem z.B. Fragestellungen ausgewählt werden, die für die
Handelnden wirklich bedeutsam sind.
In der Anfangsphase der Forschung ist
es wichtig, ein zunächst einmal vielleicht
bestehendes glo-bales gemeinsames
Interesse zu einer explizit geteilten gemeinsamen Fragestellung zu entwickeln
sowie über eine Vorgehensweise der
kooperativen
Forschung
übereinzukommen, die von den be-troffenen
Personen akzeptiert werden kann. Inhaltliche und prozeßbezogene Übereinkünfte sollten als Kontrakt oder ethischer Code explizit gemacht werden.
Reflexion der Aktion
praktische
Theorie
Aktion
Aktionsideen
Abb. 2: Der Zirkel von Aktion und
Reflexion
Die Entwicklung einer gemeinsamen
Forschungsmotivation der Betroffenen
sollte auch die Chance erhöhen, zu bedeutungsvollen und ehrlichen Informationen zu kommen.
4.3 Aktionsforschung umfaßt die
Reflexion und Weiterentwicklung
pädagogischer Wertvorstellungen
Der Lehrer im HCP-Beispiel hatte den
Eindruck, daß seine Unterrichtsstrategie
* Auf der Motivation der AkteurInnen nicht wirkungsvoll war. Er versuchte,
aufbauen:
seine praktische Theorie solcherart weiDie Forschungsstrategie sollte be- terzuentwickeln, daß sie ihm neue Einstehende Motivationen der betrof- sichten und die Ableitung einer effektive-
instrumentelle und
intentionale Fragen
aufeinander beziehen
ren Handlungsstrategie ermöglichte.
Damit ist die berufliche Aufgabe
eines reflektierenden Praktikers
allerdings erst zur Hälfte erfüllt.
Auch wenn sich seine neue Unterrichtsstrategie als effektiver herausgestellt hätte, bliebe noch eine zweite Kategorie von Fragen zu stellen:
Was hat das für Auswirkungen auf
meine ursprünglichen pädagogischen
Zielvorstellungen (die mich ja dazu
gebracht haben, die Ideen des HCP
zu erproben)?
Welche erzieherischen Werte fördere ich mit meiner neuen Handlungsstrategie?
Stimmen diese Werte mit meinen
pädagogischen Anschauungen überein?
Aktionsforschung sieht Unterrichtsstrategien als Versuche an,
pädagogische Ideen in eine konkrete interaktionelle Gestalt zu übersetzen.
Da pädagogische Ideen immer auch
Vorstellungen über erzieherische
Werte und Ziele umfassen, ist es
nicht sinnvoll, instrumentelle Fragen (Wie kann ich Lernen fördern?)
von intentionalen (Welche Art von
Lernen fördere ich damit?) zu trennen. Bei der Erforschung einer Fragestellung aus der Praxis untersuchen wir daher sowohl die Effektivität als auch die zugrundeliegenden
Wertvorstellungen der verwendeten
Unterrichtsstrategien.
Nebenwirkungen
beachten
4.4 Aktionsforschung hat einen ganzheitlichen Charakter
Anders als viele experimentelle ForscherInnen können sich reflektierende PraktikerInnen nicht damit
zufrieden geben, zu überprüfen, wie
effektiv ihre Handlungen bei der
Verwirklichung jener Ziele waren,
die sie zu Beginn im Auge hatten.
Sie dürfen auch die unerwarteten
Nebeneffekte ihrer Handlungen
nicht übersehen.
Hätte beispielsweise der HCP-Lehrer
mit seiner Handlungsstrategie "Kurzvorträge" weitergemacht, so wäre sehr
wahrscheinlich die Schülerwahrnehmung "Der Lehrer ist (zumindestens er
glaubt, daß er es ist) im Besitz der
Wahrheit, die nicht angezweifelt werden
darf" weiter verstärkt worden. Diese
Nebenwirkung steht ganz offensichtlich
in einem Widerspruch zur beabsichtigten Hauptwirkung des Humanities Curriculum.
Reflektierende PraktikerInnen hinterfragen ihre praktischen Handlungen also
nicht nur durch die Frage "Haben wir
die Ziele, die wir uns gesetzt haben,
erreicht?", sondern auch durch die
scheinbar vagere Frage "Sind wir mit
dem zufrieden, was wir bekommen haben?"
Wie ARGYRIS et al. (1985, 218f) argumentiert haben, wird in dieser breiteren
Frage anerkannt, daß PraktikerInnen
eine professionelle Verantwortung für
die gesamte Situation haben und daher
die Nebenwirkungen, die sie in ihren
theoretischen Erwartungen nicht vorhergesehen haben, nicht ignorieren dürfen.
Der Versuch, der Komplexität der Praxis gerecht zu werden, bringt jedoch
auch Probleme mit sich: die Theorien
werden komplexer und komplizierter.
Einige ForscherInnen versuchen diese
Schwierigkeiten zu umgehen, indem sie
ihre Theorien nicht als explizite Hypothesen, sondern auf andere Weise darstellen, z.B. als Fallgeschichten oder
Metaphern, in denen ein weites Bedeutungsfeld in Bildern kondensiert wird.
4.5 Aktionsforschung umfaßt die
Erforschung und Weiterentwicklung der eigenen Kompetenz und
des Selbstkonzepts
In unserem Beispiel findet der Lehrer
heraus, daß er die Situation zunächst
falsch eingeschätzt hat. Vielleicht erfor-
dert seine neue praktische Theorie
("Die SchülerInnen verstehen die
Ar-beitspapiere, aber sie wollen die
darin ausgedrückten Meinungen
nicht diskutieren, weil sie sie für
meine halten") auch Unterrichtsstrategien, über die er nicht ohne
weiteres in seinem Routinerepertoire verfügen kann.
Anders als traditionelle ForscherInnen untersuchen AktionsforscherInnen nicht die Praxis anderer
Personen, sondern ihre eigene. Da
sie eine Situation untersuchen, in
die sie selbst "verwik-kelt" sind,
erforschen sie damit auch ihren
eigenen Beitrag zu dieser Situation
und folglich ihre eigenen Fähigkeiten und ihr Selbstkonzept (was ja
nur ein anderer Name für die Theorie ist, die man über sich selbst hat).
Dadurch wird der Aktionsforschung eine Ernsthaftigkeit und
"Strenge" in einem viel weitergehenden Sinn verliehen, als üblicherweise verstanden wird:
AktionsforscherInnen untersuchen
und entwickeln auch sich selbst; sie
müssen mit den Auswirkungen
ihrer Theorien und Experimente
leben und verspüren sie am eigenen
Leibe. Darin liegt auch eine Erklärung der Beobachtung, daß in der
Aktionsforschung manchmal Phasen auftreten, die durch Angst oder
das Gefühl, "sich überhaupt nicht
mehr auszukennen" oder "überhaupt nichts mehr zu können",
gekennzeichnet sind.
"Die Teilnahme an naturalistischer Forschung erfordert von LehrerInnen, sich von
einem intuitiven zu einem reflektierten
Modus von Praxis zu bewegen. Während
der Übergangsphase haben sie die Erfahrung, 'dequalifiziert' zu werden. An diesem Punkt benötigen LehrerInnen alle
Unterstützung, die seine Institution geben
kann" (ELLIOTT 1981, 23).
Folgende praktische Merkmale von Aktionsforschung können Gefühle der
Dequalifikation vermeiden oder vermindern helfen:
* Zusammenarbeit mit KollegInnen, Beratung
durch "kritische Freunde":
Im Rahmen von Aktionsforschungsprojekten soll durch die Zusammenarbeit in
der Gruppe und durch die Beratung
durch Externe ein unterstützendes Klima hergestellt werden.
In Gruppengesprächen können die ForscherInnen herausfinden, ob ihre Anliegen auch anderen KollegInnen wichtig
sind, und stellen manchmal fest, daß,
was zunächst als individuelle Unzulänglichkeit erschien, weithin auftretende
Probleme sind. Manchmal ziehen die
ForscherInnen externe BeraterInnen
hinzu, die als "kritische
FreundInnen" sowohl einfühlsame als
auch konstruktiv - kritische Rückmeldung in Hinblick auf ihre Handlungen
und Reflexionen geben sollen.
* Das ethische Prinzip "Kontrolle der Forschung durch die Personen, die direkt von der
erforschten Situation betroffen sind":
Dieses ethische Prinzip soll sicherstellen, daß die Aktionsforschung nicht von
Externen "gekapert" wird. Lawrence
STENHOUSE (1975) hat überzeugend
argumentiert, daß die Verantwortung für
und die Kontrolle des Verlaufs praxisorientierter Forschung bei jenen Personen liegen sollte, die direkt von ihr betroffen sind und die mit ihren Auswirkungen im Alltag zu leben haben.
Das Prinzip der "Kontrolle" verpflichtet
externe BeraterInnen (die ja oft über
mehr Erfahrung in der Forschung verfügen und daher schneller methodische
Vorschläge und theoretische Erklärungen anbieten können) darauf, ihre Arbeit
den Überlegungen und Entscheidungen
der direkt Betroffenen unterzuordnen.
* Überschaubarer Beginn und schrittweise
Entwicklung der Forschung:
Das ethische Prinzip
„ Kontrolle „
Stufen des Vertrautwerdens mit
Forschungsmethoden
Ein kluger Leitsatz aus der Umweltbewegung lautet "Global denken und lokal handeln". Ich meine,
daß er auch Teil jeder Aktionsforschungsstrategie sein soll.
Auch wenn man sich mehr und
mehr der Komplexität der untersuchten Situ-ation bewußt wird, ist
es dennoch ver-nünftig, eine wichtige, aber relativ überschaubare und
bearbeitbare Fragestellung aus dem
endlosen Meer aller jener Dinge, die
eigentlich getan werden sollten,
auszuwählen.
Es ist empfehlenswert, klein anzufangen; wenn man es dennoch
schafft, dabei "global zu denken"
(in dem Sinn, daß man sich die
komplexeren Verbindungen und
Rückwirkungen innerhalb der gewählten Fragestellung bewußt hält),
so wird das helfen, schrittweise die
eigene Forschung weiterzuentwickeln.
Eine solche schrittweise entwickelnde und aufbauende Annäherung ist auch in Hinblick auf die
verwendeten Forschungsmethoden
sinnvoll:
ELLIOTT (1978) hält es für vernünftig, mit Forschungsdesigns zu
beginnen, die weniger bedrohliche
Elemente enthalten; idealtypisch
schlägt er folgende Stufen des Vertrautwerdens mit Forschungsmethoden vor:
Auf Stufe 1 stehen jene Methoden,
die vor allem die Selbstreflexion
von LehrerInnen unterstützen, z.B.
Tagebuch schreiben, eine Aufnahme eigenen Unterrichts anhören,
einen laufenden Kommentar auf
der Basis eigener Beobachtungen
schreiben.
Stufe 2 führt externe Beobachtung
durch "kritische FreundInnen" ein,
die durch die jeweilige Lehrperson
ausgewählt und eingeladen werden.
Auf dieser Stufe können z.B. sowohl LehrerIn als auch BeobachterIn Tagebuchnotizen in Hin-
blick auf dieselbe Unter- Praktische Umsetzung
richtsstunde
verfassen
und ihre Eintragungen
vergleichen;
LehrerIn
und Beob-achterIn könnten einer Unterrichts-aufnahme zuhören
und sie kommentieren; kritische FreundInnen können eine "Musteranalyse"
(vgl. ALTRICHTER/POSCH 1994,
168ff) anhand ihrer Beobachtungsnotizen durchführen; sie können einen laufenden Kommentar schreiben oder Fotografien aufnehmen. In jedem Fall sollten sie sich eher auf beschreibende denn
auf beurteilende Rückmeldungen konzentrieren.
Die Erfahrung zeigt (vgl. EL-LIOTT
1978), daß Rückmeldung durch KollegeInnen bedrohlicher ist als Rückmeldung durch SchülerInnen, welche ihrerseits wieder bedrohlicher ist als Feedback von (externen) Personen, die im
Schulsystem nicht verankert sind.
Wahrnehmungen von SchülerInnen
werden daher erst auf Stufe 3 zusätzlich
in den Reflexionsprozeß der forschenden Lehrperson eingebracht. Anfänglich
können Schüler-Innenmeinungen indirekt durch Interviews von „kritischen
FreundInnen“ gesammelt werden, später auch in direkten Gesprächen zwischen LehrerInnen und SchülerInnen.
Außerdem können die Kommentare der
BeobachterInnen in dem Maße pointierter werden, in dem sich die Fähigkeit der
AktionsforscherInnen entwickelt, Urteile der BeobachterInnen kritisch zu bewerten und, wenn notwendig, zurückzuweisen.
Stufe 4 führt schließlich das Element der
kollegialen Diskussion über Handlungsstrategien und Reflexionen ein. Wenn
sich eine verständnisvolle und kritische
KollegInnengruppe gebildet hat, werden
externe „kritische FreundInnen“ überflüssig.
4.6 Aktionsforschung bringt Ebenso erhalte ich dadurch die Geleindividuelle Einsichten in eine genheit, Verbindungen zwi-schen meinen Einsichten und den Erkenntnissen
professionelle Diskussion ein
Weiter oben habe ich die Bedeutung unterschiedlicher Perspektiven
im Forschungsprozeß betont. Zusammenfassend könnte man formulieren:
Die Qualität professioneller Theorien und professioneller Praxis wird
dadurch gefördert, daß die Sichtweisen anderer betroffener Personen berücksichtigt und daß sie in
die Gestaltung und Weiterentwicklung professioneller Pra-xis miteinbezogen werden. Es gibt allerdings
zwei mögliche Interpretationen des
Begriffs "Personen, die durch die
Handlungen professioneller PraktikerInnen betroffen sind":
a) Personen, mit denen PraktikerInnen
direkt interagieren (auf diese Interpretation hat sich das Argument 4.1
gestützt);
b) die weitere Öffentlichkeit, z.B. Eltern, Verwaltung, Anstellungsträger,
Gewerkschaften,
PolitikerInnen
usw.
Auch sie sind meist indirekt von
der Qualität der professionellen
Arbeit betroffen.
Aktionsforschung ermutigt PraktikerInnen, ihre Erfahrungen und
ihr praktisches Wissen zu formulieren, um es mit KollegInnen und
einer interessierten Öffentlichkeit
be-sprechbar zu machen. Dafür
gibt es drei Gründe:
* Die Teilnahme an einer professionellen Diskussion ist ein Mittel,
um individuelle Einsichten auf ihre
Brauchbarkeit und ihren Gültigkeitsbereich zu überprüfen und sie weiterzuentwickeln. Indem ich meine Praxis und
meine praktische Theorie einer öffentlichen Diskussion aussetze,
erhöhe ich die Chance, auf Fehler
meiner Reflexion aufmerksam zu
werden.
anderer Personen herzustellen sowie
Anerkennung für meine Arbeit zu bekommen.
* Individuelle Einsichten in eine professionelle Diskussion einzu-bringen,
macht mein praktisches Wissen auch
KollegInnen zugäng-lich und verbreitert
damit die Wissensbasis des Lehrberufs. Damit
trage ich auch zu einer Art kollegialer
Leh-rerfortbildung bei.
* Schließlich drückt die Teilnahme an
öffentlichen Diskussionen auch eine
wichtige bildungspolitische Idee aus: Für
eine konstruktive Weiterentwicklung des
Bildungssys-tems ist es notwendig,
- daß PraktikerInnen bei Diskussionen über
die zukünftige Entwicklung des Bildungswesens stärker berücksichtigt werden (eine
Voraussetzung dafür ist, daß sie ihre
Ansichten und ihr Wissen öffentlich
zum Ausdruck bringen sowie verständliche, gut begründete Argumente und Beispiele aus ihrer Praxis anbieten) und
- daß PraktikerInnen den Fragen und Anliegen der Öffentlichkeit gegenüber offen und
darauf vorbereitet sind, befriedigende
Rechenschaft über ihre und ihrer Institution Arbeit zu legen.
Das Bemühen, die eigene Arbeit weiterzuentwickeln und zu dokumentieren und diese Erfahrung dazu zu benützen, der Öffentlichkeit vorzuführen, was schon geleistet wird und was
in Zukunft noch erforderlich ist,
stellt auch einen wichtigen Beitrag
zur Verbreitung von Innovationen
im Schulwesen dar.
Praktisch bedeutet dies z.B., daß im
Rahmen von Aktionsforschungsprojekten Seminare organisiert werden, die die
Gelegenheit geben, die Forschungsarbeiten von anderen LehrerInnen zu
lesen, sie kritisch zu diskutieren, ihre
Ergebnisse in Beziehung zu setzen und
sie nach Überschneidungen und Widersprüchen abzusuchen, um die Reichwei-
Gründe für
Veröffentlichung
Praktische
Umsetzung
te und die Bedingungen ihrer
Brauchbarkeit herauszufinden.
Außerdem versuchen wir Gelegenheiten zu schaffen, daß PraktikerInnen ihre Forschungsarbeiten
veröffentlichen (vgl. z.B. die Broschüren der Reihe „Umwelt und
Schulinitiativen“ der ARGE Umwelterziehung) bzw. daß sie in Lehrerfortbildungskursen ihre Erfahrungen KollegInnen zugänglich
machen.
Das ethische Prinzip
Vertraulichkeit
Bei der Veröffentlichung von Forschungserfahrungen muß das ethische Prinzip der 'Vertraulichkeit'
beachtet werden: Daten sind zunächst einmal 'Besitz' der Personen,
die sie zur Verfügung gestellt haben. Sie dürfen nicht ohne Zustimmung der 'BesitzerInnen' dritten Personen zugänglich gemacht
werden.
Forschungsberichte und Fallstudien
dürfen nicht veröffentlicht werden,
ohne den betroffenen Personen die
Gelegenheit zu einer Stellungnahme
gegeben zu haben. Wenn Personen in
einem Bericht identifizierbar sind, müssen die ForscherInnen deren Zustimmung zur Veröffentlichung einholen.
Bei der Untersuchung konkreter Fälle
genügt eine bloße Anonymisierung der
Daten üblicherweise nicht.
Während sich die ForscherInnen dadurch absichern, werden Personen, die
die genaueren Umstände der untersuchten Situation kennen keine Schwierigkeiten haben, die AkteurInnen trotz ihrer
'Pseudonyme' zu erkennen (vgl. WALKER 1985, 24).
Diese ethischen Prinzipien nicht zubeachten, beeinträchtigt gleichzeitig
auch, die Erkenntnismöglichkeiten der
Forschenden: Andere Personen werden
kaum mehr Sinn darin sehen, weitere
Kraft in die Untersuchung und Weiterentwicklung einer Situation zu investieren, wenn die ForscherInnen das 'Spiel
von Täuschung, Geheimniskrämerei
und Überlegenheit' spielt.
Literaturverzeichnis
ALTRICHTER, H.: Ist das noch
Wissenschaft? Darstellung und
wissenschaftstheoretische Argumentation einer von Lehrern
betriebenen Aktionsforschung.
Profil: München 1990.
ALTRICHTER, H./POSCH, P.:
Does the 'Grounded Theory'
Approach offer a Guiding Paradigm for Teacher Research? In:
Camb.J.Ed. 19(1989)1, 21-31.
ALTRICHTER, H./POSCH, P.:
Lehrer erforschen ihren Unterricht. Eine Einführung in die
Methoden
der
Aktionsforschung. Klinkhardt: Bad Heilbrunn 1994.
ARGYRIS, C./PUTNAM, R./
McLAIN SMITH, D.: Action
Science. Concepts, Methods, and
Skills
for
Research
and
Intervention. Jossey-Bass: San
Francisco 1985.
ARGYRIS, C./SCHÖN, D.A.:
Theory in Practice: Increasing
Professional Effectiveness.
Jossey-Bass: San Francisco 1974.
ELLIOTT, J.: Developing Hypotheses about Classrooms from
Teachers' Practical Constructs.
North Dakota Study Group on
Evaluation-series.
University of North Dakota: Grand
Forks 1976.
ELLIOTT, J.: The self-assessment of
teacher performance. In: CARNBulletin (1978)2, 18-20.
ELLIOTT, J.: Action-research: A
framework for self-evaluation in
schools. TIQL-Working paper No. 1.
Cambridge 1981.
ELLIOTT, J.: Improving the Quality of
Teaching Through Action Research.
In: FORUM 26(1984)3, 74-77.
ELLIOTT, J.: Action Research and
Inservice Training of Teachers.
Lecture given at the University of
Salzburg, May 1986.
POSCH,P.: Rahmenbedingungen für
Innovationen an der Schule. In:
ALTRICHTER,H./POSCH,P.:
Mikropolitik der Schulentwicklung.
Studienverlag : Innsbruck 1996, 170206.
SCHÖN, D.A.: The Reflective Practitioner. Temple Smith: London 1983.
SCHÖN, D.A.: Educating the Reflective Practitioner. Jossey-Bass: San
Francisco 1987.
STENHOUSE, L.: An introduction to
curriculum research and developmen.
Heinemann: London 1975.
WALKER, R.: Doing Research. Methuen: London 1985