Medizin für Migranten

Einführung zum Thema
Internist 2016 · 57:401
DOI 10.1007/s00108-016-0061-7
Online publiziert: 27. April 2016
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
B. Salzberger1 · S. Schellong2
1
2
Stabsstelle Infektiologie, Universitätsklinikum Regensburg, Regensburg, Deutschland
II. Medizinische Klinik, Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt, Dresden, Deutschland
Medizin für Migranten
Die vorliegende Ausgabe von Der Internist gibt einen Überblick über Erkrankungen bei Flüchtlingen, Asylbewerbern
und Migranten und über deren medizinische Versorgung. Der Schwerpunkt
war schon weit im Vorfeld geplant. Mit
der Entwicklung in der zweiten Jahreshälfte 2015 konnte diese Planung dann
aber kaum mehr Schritt halten. Die Ausgabe erscheint dennoch in engem zeitlichem Zusammenhang zur Jahrestagung
der Deutschen Gesellschaft für Innere
Medizin (DGIM), auf der dieses Thema
ebenfalls zum Schwerpunkt geworden ist.
Deutschland ist kein klassisches Einwanderungsland wie die USA oder Kanada. Die gesetzlichen Regelungen für
die häufig notfallmäßige Versorgung waren den Handelnden häufig nicht sofort
geläufig und konnten auch nicht immer
rasch vor der notwendigen Behandlung
geklärt werden. Der Beitrag von P. Klein
bringt Licht in die gesetzlichen Versorgungsregeln. Die Autorin beschreibt
mögliche Versorgungsmodelle, die allerdings starke regionale Unterschiede
aufweisen.
Auch in der weiteren Versorgung stellen sich Fragen: Welche Infektionskrankheiten müssen vor der Unterbringung
in Gemeinschaftseinrichtungen abgeklärt werden? Wie soll das geschehen?
Das sind nur zwei Fragen von vielen.
Die wichtigsten Infektionskrankheiten
mit ihrem spezifischen geografischen
Hintergrund werden von A. Stich dargestellt, die spezifische Situation von
Kindern und Jugendlichen beleuchtet
M. Hufnagel.
Nach der notfallmäßigen Versorgung
der akuten Probleme und dem Screening
auf übertragbare Erkrankungen folgt die
Versorgung von chronischen und nicht
sofort behandlungsbedürftigen Erkran-
kungen. Hierzu gehören sowohl psychische Erkrankungen, denen traumatische
Erfahrungen im Heimatland oder auf der
Flucht zugrunde liegen können, als auch
Erkrankungen, die aufgrund der geografischen Herkunft bei Migranten häufiger
sind als in der einheimischen Bevölkerung, z. B. Thalassämien. Die Thematik
der psychischen Erkrankungen wird von
J. Schellong et al. dargestellt, genetische
Erkrankungen der Blutbildung im Beitrag von B. Zur.
im Verständnis
»vonUnterschiede
Gesundheit und Krankheit
die die Situation meistern halfen. Diese
häufig ehrenamtliche und freiwillige,
aber immer still und pragmatisch geleistete Hilfe droht im medialen Echo
und der politischen Debatte in den Hintergrund zu geraten. Dabei ist sie die
adäquate und professionelle Antwort
unserer Berufsgruppe auf die aktuelle
Herausforderung.
B. Salzberger
sind eine kulturelle Barriere
Diese beiden Erkrankungsgruppen sind
sicher nicht die einzigen, die in der nächsten Zeit in der medizinischen Versorgung von Flüchtlingen und Migranten
eine wichtige Rolle spielen. Nicht nur
Krankheiten selbst, auch das Verständnis
von Gesundheit und Krankheit ist kulturell geprägt, und Sprachschwierigkeiten
erhöhen diese kulturellen Barrieren noch
einmal. Hier müssen wir aufmerksam
bleiben und entsprechend adäquate und
niedrigschwellige Behandlungsangebote
schaffen – nur so kann die Gesundheit
dieser Menschen gesichert werden. Hierfür müssen wir auch eigene Regeln bzw.
Leitlinien entwickeln. C. Rauscher stellt
den Weg zu solchen Leitlinien am Beispiel von Publikationen der Kollegen aus
den USA und Kanada dar.
Die hohe Welle von Migranten und
Flüchtlingen in den letzten Monaten
hat unser Gesundheitssystem überrascht
und beansprucht, aber nicht überrollt.
Das ist dem raschen und intensiven
Einsatz von medizinischem Personal
und freiwilligen Helfern zu verdanken,
S. Schellong
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. med. B. Salzberger
Stabsstelle Infektiologie,
Universitätsklinikum
Regensburg
Franz-Josef-Strauß-Allee 11,
93042 Regensburg,
Deutschland
[email protected]
Prof. Dr. med. S. Schellong
II. Medizinische Klinik,
Krankenhaus DresdenFriedrichstadt
Friedrichstr. 41, 01067 Dresden, Deutschland
[email protected]
Interessenkonflikt. B. Salzberger und S. Schellong
geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Der Internist 5 · 2016
401
Schwerpunkt: Medizin für Migranten
Internist 2016 · 57:402–408
DOI 10.1007/s00108-016-0058-2
Online publiziert: 21. April 2016
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
Redaktion
S.M. Schellong, Dresden
B. Salzberger, Regensburg
Es gibt wohl keinen Arzt in Deutschland, der in den letzten zwölf Monaten nicht direkt mit der Versorgung
von Asylbewerbern konfrontiert war.
Die Informationen, die dazu im Internet bereitstehen, sind vielfältig
und oft so detailliert, dass eine wirkliche Orientierung nur mit einem
großen Zeitaufwand möglich ist. Im
vorliegenden Beitrag wird versucht,
aus den vorhandenen Quellen herauszufiltern, was der Autorin für die
tägliche Versorgungspraxis wichtig erscheint. Eingeflossen sind ihre
praktischen ehrenamtlichen Erfahrungen als Allgemeinmedizinerin,
aber auch die Absprachen und Vereinbarungen im Freistaat Sachsen,
die sie als ärztliche Geschäftsführerin der Landesärztekammer Sachsen
begleitet hat.
Praktisch alle Ärztekammern und Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) haben auf ihren Internetseiten Informationen zur medizinischen Versorgung von
Asylbewerbern bereitgestellt, die auf jeden Fall empfehlenswert sind. In der Regel wird man gezielt auf andere Seiten
geleitet, die weiteres relevantes Material
wie Anamnesebogen in vielen Sprachen,
Aufklärungsmaterial oder Piktogramme
zur Medikamenteneinnahme bereithalten und die Suche so vereinfachen.
Ankommen in Deutschland
Die meisten Flüchtlinge kommen über
die bayerische Außengrenze nach
Deutschland. Sie werden nach dem
sog. Königssteiner Schlüssel, der aus
den Steuereinnahmen und der Bevöl-
402
Der Internist 5 · 2016
P. Klein
Sächsische Landesärztekammer, Dresden, Deutschland
Asylbewerber und ihre
Versorgungssituation
kerungszahl berechnet wird, zunächst
auf die Erstaufnahmeeinrichtungen der
Bundesländer verteilt. Aus den Erstaufnahmeeinrichtungen werden die Flüchtlinge den Kommunen und kreisfreien
Städten zugeteilt. Sie sollen nicht länger
als 3 Monate in einer Erstaufnahmeeinrichtung bleiben. Familien mit kleinen
Kindern werden in der Regel schneller
einer Kommune oder einer kreisfreien
Stadt zugeteilt als alleinstehende Erwachsene.
Ein Drittel der Asylbewerber kam
2015 aus Syrien, im Januar 2016 war es
sogar mehr als die Hälfte. Weitere häufige
Herkunftsländer waren 2015 Albanien
(12,2 %), der Kosovo (7,6 %), Afghanistan (7,1 %), der Irak (6,7 %) und Serbien
(3,7 %). Zwei Drittel der Asylbewerber
in 2015 waren Männer, davon war die
Hälfte zwischen 19 und 35 Jahre alt. Ein
Drittel der Asylbewerber waren Kinder
unter 18 Jahre, nur 7 % waren älter als
45 Jahre (http://www.oecd-ilibrary.org/
content/datacollection/edu-data-en).
Verlässliche Daten zum
»Bildungsstatus
der Asylbewerber
gibt es derzeit nicht
Es gibt keine verlässlichen Daten zum Bildungsstatus der Asylbewerber. Erst seit
Oktober 2015 werden die Bildungsabschlüsse und beruflichen Qualifikationen in den Erstaufnahmeeinrichtungen
erfasst. Untersuchungen der Organisation für wissenschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zur Schulbildung in 81 Ländern haben jedoch ergeben, dass das Bildungsniveau gerade
in den Herkunftsländern Syrien und Al-
banien in keiner Weise mit Deutschland zu vergleichen ist. Dort kommen
jeweils nur um die 40 % über definierte
Grundkompetenzen hinaus, in Deutschland liegt diese Quote bei 84 %. Inwieweitdas Bildungsniveau vonFlüchtlingen
dem durchschnittlichen Niveau in ihren
Herkunftsländern entspricht, kann allerdings nicht sicher beurteilt werden.
Erstuntersuchung
Möglichst direkt bei ihrer Registrierung
oder in engem zeitlichem Bezug werden
die Flüchtlinge ärztlich untersucht. Der
Inhalt dieser Erstuntersuchung, die in
der Regel vom Gesundheitsamt durchgeführt wird, differiert in den verschiedenen Bundesländern etwas, konzentriert
sich aber immer auf den Ausschluss
von übertragbaren Erkrankungen. Neben einer Anamneseerhebung erfolgt
eine allgemeine ärztliche Untersuchung
zum Nachweis oder Ausschluss von
übertragbaren Krankheiten sowie von
Ausscheidertum. Dazu gehören eine
Röntgenuntersuchung der Lunge ab
dem 16. Lebensjahr, ein Tuberkulintest
bei Kindern und Schwangeren, den in
der Regel das Gesundheitsamt abliest,
und serologische Untersuchungen, die je
nach Bundesland variieren. Bei entsprechender Anamnese oder Symptomatik
sowie epidemiologischen Anhaltspunkten werden Stuhluntersuchungen oder
weitere serologische Untersuchungen
durchgeführt (s. auch Beitrag „Häufige
Infektionskrankheiten bei Migranten“
von Stich in dieser Ausgabe).
Problematisch ist, dass die weiterbehandelnden Ärzte (noch) nicht routinemäßig die Befunde der Erstuntersuchung
Hier steht eine Anzeige.
K
Schwerpunkt: Medizin für Migranten
einsehen können. Wenn es pathologische Ergebnisse gibt, die eine Weiterbehandlung erfordern bzw. infektiologisch relevant sind, benachrichtigt das
Gesundheitsamt die Wohneinrichtung,
und der Patient erhält einen Befund zur
Übermittlung an die weiterbehandelnden Ärzte. Das Gesundheitsamt spricht
dann in der Regel auch eine Verlegungssperre aus. Seit einigen Wochen erhalten
Flüchtlinge bei ihrer Registrierung einen
„Flüchtlingsausweis“, auf dem perspektivisch auch die Daten zur medizinischen
Untersuchung gespeichert werden sollen.
Über eine Datenbank sollen diese auch
für alle zuständigen öffentlichen Stellen
abrufbar sein.
Robert Koch-Institut
»siehtDasbisher
keine erhöhte
Infektionsgefahr für die Bevölkerung
Das Robert Koch-Institut (RKI) stellt auf
seiner Internetseite jeweils in der Mitte des Folgemonats die Monatsstatistik
der übertragbaren Erkrankungen von
Asylbewerbern bereit. Mit 428 Fällen
waren im Januar 2016 Varizelleninfekte
bei Asylbewerbern die häufigste meldepflichtige Erkrankung, gefolgt von
198 Tuberkulosefällen. Insgesamt wurden im Januar 1030 meldepflichtige
Infektionskrankheiten bei Flüchtlingen
berichtet.
Das RKI sieht bisher keine erhöhte Infektionsgefahr für die Bevölkerung,
wobei unkontrollierte Verlegungen von
Flüchtlingen aus Erstaufnahmeeinrichtungen in die Kommunen oder auch das
Untertauchen mancher Flüchtlinge das
Risiko regional erhöhen können.
Versorgung in Theorie und
Praxis
Die Versorgung von Flüchtlingen und
Asylbewerbern ist von Bundesland zu
Bundesland unterschiedlich. Es gibt
zum Beispiel Bundesländer, in denen die
Asylbewerber während ihrer Unterbringung in einer Erstaufnahmeeinrichtung
medizinisch durch neu aufgebaute Ver-
404
Der Internist 5 · 2016
sorgungsstrukturen versorgt werden
und nicht durch die üblichen Strukturen
der gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV). In anderen Bundesländern sollen
die Asylbewerber in die Regelversorgung
integriert werden. Man muss sich also
immer erkundigen, wie die Versorgung
regional organisiert ist.
Nur beispielhaft sollen die derzeitigen
Strukturen in Sachsen beschrieben werden, wo sich in den letzten Monaten ein
Mischsystem etabliert hat.
Stationäre Fälle werden in den Krankenhäusern versorgt. Viele Kliniken
bauen eigene Strukturen auf mit Flüchtlingslotsen, mehrsprachigen Informationsmaterialien oder Frühsprechstunden
für Notfälle aus Erstaufnahmeeinrichtungen. Die Patienten sind eine andere
Versorgung in Krankenhäusern gewohnt
als bei uns üblich. Oft bedarf es großer
praktischer Integrationsbemühungen.
Absprachen mit den Trägern der Erstaufnahmeeinrichtungen vor Ort haben
sich hier besonders bewährt, es gibt
in Sachsen sogar einige Kliniken, deren
Ärzte ehrenamtlich in Erstaufnahmeeinrichtungen regelmäßige Sprechstunden
abhalten. Ambulant mit minimalem
Aufwand gut behandelbare Erkrankungen wie Erkältungen, Hühneraugen
oder Gelenkbeschwerden müssen auf
diese Weise nicht in den Krankenhausambulanzen behandelt werden. Da in
den Erstaufnahmeeinrichtungen immer
Dolmetscher vor Ort sind, ist die Kommunikation mit den Patienten erheblich
einfacher als oft beim Notfallkontakt in
der Ambulanz.
Ambulante Fälle werden in Sachsen
in der vertragsärztlichen Versorgung
behandelt. In den drei großen Städten
Dresden, Leipzig und Chemnitz hat die
Kassenärztliche Vereinigung Sachsen
dazu jeweils eine Flüchtlingsambulanz
mit fest angestellten Ärzten eingerichtet,
die tagsüber die Flüchtlinge versorgen.
Unterstützt werden sie von den Sozialämtern und der Landesdirektion sowie
von professionellen Dolmetschern. Zunehmend etabliert sich eine geordnete
Zusammenarbeit mit Kliniken, niedergelassenen Fachärzten und Gesundheitsämtern.
Die Gesundheitsämter nehmen in der
Versorgung eine zentrale Stellung ein, da
sie u. a.
4 die Erstuntersuchung einschließlich
der Kontrollen durchführen,
4 die Unterbringungseinrichtungen
überwachen,
4 die Anträge auf Kostenübernahme
beurteilen und
4 teilweise die Impfungen der Flüchtlinge übernehmen.
Die Kommunen haben in den letzten Jahren sehr viel Personal in den Gesundheitsämtern abgebaut. Daher kommt es
zu erheblichen Belastungen, was man bei
der Kommunikation mit den dortigen
Kollegen berücksichtigen sollte.
In vielen Erstaufnahmeeinrichtungen gibt es ehrenamtliche Sprechstunden, wobei es sich bewährt hat, für je
100 Flüchtlinge etwa 3 h Sprechstunde
pro Woche vorzuhalten. Organisiert werden diese im Ehrenamt von niedergelassenen Kollegen, von Krankenhausärzten
oder auch von berenteten Kollegen. Ärzte ohne eigene Praxis dürfen in Sachsen
auf Grünen Rezepten Verordnungen tätigen. Die Medikamente werden kostenfrei
an den Asylbewerber abgegeben, und
die Landesdirektion bzw. das Sozialamt
übernimmt die Kosten. Voraussetzung
dafür ist jedoch zusätzlich immer eine
Vereinbarung zwischen der Landesdirektion und der abgebenden Apotheke,
die in der Regel in direkter Nähe der jeweiligen Erstaufnahmeeinrichtung liegt.
Das Asylbewerberleistungsgesetz
Entsprechend ihrem Stand im Asylverfahren unterscheidet man zwischen Asylsuchenden, Asylbewerbern, Asylberechtigten sowie Flüchtlingen mit subsidiärem Schutz. Bis auf Asylberechtigte ist
allen die Tatsache gemeinsam, dass sie
nicht in einer gesetzlichen Krankenkasse versichert sind, sondern nach den Regeln des Asylbewerberleistungsgesetzes
(AsylbLG) versorgt werden.
So lange Asylbewerber in einer Erstaufnahmeeinrichtung bzw. in Gemeinschaftsunterkünften der Kommunen
oder kreisfreien Städte untergebracht
sind, erhalten sie das, was sie für das täg-
Zusammenfassung · Abstract
liche Leben brauchen, als Sachleistung.
Dazu gehören
4 die sog. Grundleistungen:
j
Essen,
j
Unterkunft,
j
Kleidung,
j
Gesundheits- und Körperpflege,
j
Haushaltswaren;
4 ein Taschengeld (für Alleinstehende
z. B. maximal 135 € monatlich);
4 medizinische Leistungen und
4 weitere Leistungen im Einzelfall.
Während des Aufenthalts in einer Erstaufnahmeeinrichtung werden die entstehenden Kosten vom Land getragen, also
beispielsweise in Sachsen von der Landesdirektion. Eventuell notwendige Kostenzusagen müssen also bei der Landesdirektion beantragt werden. Ist ein
Flüchtling schon einer Kommune bzw.
einer kreisfreien Stadt zugewiesen worden, trägt die Kosten das zuständige Sozialamt, das dann auch für die Kostenzusagen zuständig ist. Die Liste mit den entsprechenden Kostenträgernummern findet man auf der Internetseite der jeweiligen Landes-KV. In manchen Bundesländern gibt es Vereinbarungen mit Krankenkassen zur Abwicklung der Abrechnung, auch diese findet man auf den KVSeiten.
Was an medizinischen Leistungen
übernommen wird, regeln §§ 4 und
6 AsylbLG:
§ 4 Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt
(1) Zur Behandlung akuter Erkrankungen
und Schmerzzustände sind die erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit
Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur
Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen zu
gewähren. Eine Versorgung mit Zahnersatz erfolgt nur, soweit dies im Einzelfall
aus medizinischen Gründen unaufschiebbar ist.
(2) Werdenden Müttern und Wöchnerinnen sind ärztliche und pflegerische Hilfe
und Betreuung, Hebammenhilfe, Arznei-,
Verband- und Heilmittel zu gewähren.
Internist 2016 · 57:402–408 DOI 10.1007/s00108-016-0058-2
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
P. Klein
Asylbewerber und ihre Versorgungssituation
Zusammenfassung
Die medizinische Versorgung von geflüchteten Menschen ist in Deutschland
gesetzlich stark reguliert. Die regional sehr
unterschiedliche Umsetzung stellt derzeit
aber eine große Herausforderung dar. Die
spezifischen lokalen Regelungen sind den
Handelnden oft nicht im Detail bekannt,
im Notfall können sie häufig nicht rasch
geklärt werden. Die medizinische Versorgung
während der Flüchtlingswelle im Sommer und
Herbst 2015 wäre ohne einen pragmatischen
und größtenteils ehrenamtlichen Einsatz von
medizinischem Personal gar nicht möglich
gewesen. Im vorliegenden Beitrag werden
die wichtigsten Formalien der Asylbewerberversorgung aufgezeigt. Im Fokus steht dabei
die medizinische Versorgung. Da jedoch das
Asylverfahren als solches die gesundheitliche
Situation der Flüchtlinge direkt oder indirekt
beeinflussen kann bzw. muss, wird auch
darauf kurz eingegangen.
Schlüsselwörter
Akute Erkrankung · Chronische Erkrankung ·
Schmerzbehandlung · Notfallversorgung ·
Flüchtlinge
Asylum seekers and the healthcare situation
Abstract
Medical healthcare for refugees is strictly
regulated by law in Germany but the great
regional variation in the implementation is
currently a huge challenge for healthcare
providers. Providers are often not familiar with
the specific local regulations and especially in
emergencies it is often not possible to clarify
open questions before treating patients. The
high influx of refugees in the summer and fall
of 2015 led to a situation that could only be
managed with the voluntary and pragmatic
help of all healthcare personnel involved. This
(3) Die zuständige Behörde stellt die
ärztliche und zahnärztliche Versorgung
einschließlich der amtlich empfohlenen
Schutzimpfungen und medizinisch gebotenen Vorsorgeuntersuchungen sicher. Soweit die Leistungen durch niedergelassene
Ärzte oder Zahnärzte erfolgen, richtet
sich die Vergütung nach den am Ort der
Niederlassung des Arztes oder Zahnarztes geltenden Verträgen nach § 72 Abs. 2
des Fünften Buches Sozialgesetzbuch. Die
zuständige Behörde bestimmt, welcher
Vertrag Anwendung findet.
§ 6 Sonstige Leistungen
(1) Sonstige Leistungen können insbesondere gewährt werden, wenn sie im
Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerlässlich,
article explains the most relevant regulations
covering medical healthcare for refugees and
asylum seekers. In addition, the procedure
for the approval of asylum status in itself can
have a direct or indirect impact on the health
status of these individuals; therefore, some
comments are made regarding this aspect.
Keywords
Acute disease · Chronic disease · Pain
management · Emergency treatment ·
Refugees
zur Deckung besonderer Bedürfnisse von
Kindern geboten oder zur Erfüllung einer verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflicht erforderlich sind. Die Leistungen
sind als Sachleistungen, bei Vorliegen besonderer Umstände als Geldleistung zu
gewähren.
(2) Personen, die eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 24 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes besitzen und die besondere Bedürfnisse haben, wie beispielsweise unbegleitete Minderjährige oder Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere
Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben, wird die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe
gewährt.
Der Internist 5 · 2016
405
Schwerpunkt: Medizin für Migranten
Weiterführende Informationen.
4 Die Bundesregierung stellt unter https://www.bundesregierung.de/Webs/Breg/DE/Themen/
4
4
4
4
4
4
4
4
Fluechtlings-Asylpolitik/4-FAQ/_node.html?id=GlossarEntry1671934 aktuelle Informationen
zur Flüchtlingssituation bereit.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stellt ebenfalls regelmäßig aktualisierte
Informationen bereit: http://www.bamf.de/DE/Migration/AsylFluechtlinge/Asylverfahren/
Asylbewerberleistungen/asylbewerberleistungen-node.html
Viele Informationen dieses Beitrags finden Sie auch unter http://www.asylinfo.sachsen.de/.
In jedem Bundesland gibt es einen Flüchtlingsrat, unter http://www.fluechtlingsrat.de finden
sich die Kontaktdaten.
Das Robert Koch-Institut hat Mindestanforderungen für die Erstaufnahmeuntersuchungen empfohlen, an die sich die Bundesländer halten: https://www.rki.de/DE/Content/
Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GesundAZ/Content/A/Asylsuchende/
Inhalt/Erstaufnahmeuntersuchung.pdf?__blob=publicationFile
Viele Inhalte dieses Beitrags und weitere praktische Instrumente, die für Ärzte relevant sind, hat
die Sächsische Landesärztekammer als FAQ-Liste ins Internet gestellt: http://www.slaek.de/de/
04/pressemitteilungen/2015/070-behandl_Asyl.php. Solche Informationsbereiche zum Thema
Asyl haben praktisch alle Landesärztekammern.
Da die ambulante Versorgung in den Bundesländern sehr stark differiert, stellen alle
Kassenärztlichen Vereinigungen gezielt Informationen dazu ins Internet. Exemplarisch sei hier
nur der Link der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen genannt, die auf ihrer Startseite
eine sehr straffe und informative FAQ-Liste zur Versorgung in Niedersachsen veröffentlicht hat:
http://www.kvn.de
Die Expertenkommission zur Neuausrichtung der Flüchtlingspolitik der Robert Bosch Stiftung
hat aktuell ein sehr interessantes Themendossier bereitgestellt. Es trägt den Titel „Zugang zu
Gesundheitsleistungen und Gesundheitsversorgung für Flüchtlinge und Asylbewerber: Von
der Erstversorgung bis zur psychosozialen Behandlung“ (http://www.bosch-stiftung.de, unter
„Publikationen“).
In der Onlinebibliothek MEDBOX (http://www.medbox.org) finden sich eine Vielzahl wichtiger
Dokumente und Informationen bezüglich weltweit relevanter Gesundheitsinformationen. In
der Toolbox „Refugees“ wurde eine Sammlung relevanter und mehrsprachiger Informationsund Unterstützungsmaterialien rund um das gesamte Thema der Flüchtlingsversorgung
zusammengestellt.
Konsequenzen aus den §§ 4
und 6 des Asylbewerberleistungsgesetzes
Mit diesen beiden Paragrafen ist der Arzt
in der Versorgung von Asylsuchenden
sowohl im Krankenhaus als auch in der
Arztpraxis und in ehrenamtlichen Einrichtungen weitgehend auf sich allein gestellt.
Einen breiten Konsens gibt es allerdings zu folgenden Aussagen:
4 Im akuten Notfall kann behandelt
werden.
4 Wenn der Patient Schmerzen hat,
kann er ebenfalls behandelt werden.
4 Schwangere und Wöchnerinnen
werden so versorgt, wie in der GKV
üblich.
Bei der Interpretation der beiden Paragrafen helfen am ehesten gesunder Menschenverstand und eine ärztlich-ethische
Grundeinstellung. Ob beides im Umgang
mit den Kostenträgern hilft, bleibt dahingestellt.
406
Der Internist 5 · 2016
Behandlungsscheine und
Kostenzusage
Eine Absicherung, dass eine Leistung erbracht werden darf, bietet außerhalb des
klassischen Notfalls nur eine schriftliche
Kostenzusage des Kostenträgers, also des
entsprechenden Sozialamts oder des Landes.
Kostenzusagen werden mit formlosen
Kurzberichten beantragt, wobei diese in
der Regel den Ärzten im Gesundheitsamt
vorgelegt und nicht auf Sachbearbeiterebene geprüft werden.
Interpretationshilfe zum
Asylbewerberleistungsgesetz
Divergierende Auslegungen und konkrete Anfragen von ärztlichen Kollegen,
ob beispielsweise Haartransplantationen
oder künstliche Befruchtungen nach
AsylbLG abgerechnet werden können,
haben zumindest in Sachsen dazu geführt, dass sich das Sozialministerium,
das Innenministerium, das Integrationsministerium, die Landesdirektion, die
Krankenhausgesellschaft, die KV und
die Landesärztekammer auf eine Interpretationshilfe verständigt haben. Basis
waren die Erfahrungen in der Flüchtlingsversorgung des zweiten Halbjahrs
2015. Im Weiteren wird auf diese Interpretationshilfe Bezug genommen.
Medikamentenverordnungen
Zu jeder Behandlung muss der Patient
einen Behandlungsschein mitbringen.
Nur im Notfall kann er ohne diesen
untersucht und therapiert werden, in
der Regel muss aber auch bei Notfällen nachträglich ein Behandlungsschein
angefordert werden. Werden Überweisungen notwendig, müssen weitere Behandlungsscheine ausgefüllt werden. In
der Regel werden die Behandlungsscheine von den Erstaufnahmeeinrichtungen
mitgegeben, oft ist das Personal dort
sogar autorisiert, diese auszufüllen.
Auch bei Vorliegen eines
»Behandlungsscheins
gelten die
Einschränkungen des AsylbLG
Behandlungsscheine sagen nichts darüber aus, welche Leistungen erbracht werden dürfen. Man bleibt immer an die Einschränkungen des AsylbLG gebunden.
Praktisch in allen Bundesländern wird
auch für Asylbewerber auf die Arzneimittelrichtlinie des gemeinsamen Bundesausschusses einschließlich ihrer Anlagen als Richtschnur für die Verordnungen verwiesen. Auch wenn diese Richtlinie streng genommen nur für GKVVersicherte gilt, ist es sinnvoll, ihre Regeln auch bei Asylbewerbern einzuhalten. Dies ist besonders für ehrenamtlich
tätige Ärzte aus Krankenhäusern wichtig,
da hier die Arzneimittelrichtlinie weitgehend unbekannt ist.
Heil- und Hilfsmittel
Im Nachgang zu Operationen bzw. stationären Aufenthalten ist die Verordnung
von Heil- und Hilfsmitteln unkompliziert möglich. In allen anderen Fällen
sollte eine Kostenzusage eingeholt werden, insbesondere bei Hörgeräten und
Brillen. In Sachsen gibt es die Absprache, dass die Verordnung von Massagen,
Bädern und Thermotherapien nicht vom
AsylbLG abgedeckt ist.
Chronische Erkrankungen
Das größte Problem ist die Frage, ob
und wenn ja wann chronische Erkrankungen behandelt werden dürfen. Die
Behandlung chronischer Erkrankungen,
die unbehandelt immer zu einem Notfall werden, ist durch § 4 AsylbLG abgedeckt. Insbesondere zu nennen sind
in diesem Zusammenhang die Hypertonie, die Niereninsuffizienz, der Diabetes
mellitus und die koronare Herzkrankheit. Bei diesen Erkrankungen ist immer
eine kontinuierliche Behandlung geboten. Eine Teilnahme an Disease-Management-Programmen oder eine präventive Diagnostik ist nur schwer mit dem
AsylbLG in Einklang zu bringen, hier
sollte man in jedem Fall entweder eine
Kostenzusage einholen oder abwarten,
bis das Asylverfahren abgeschlossen ist.
Hier steht eine Anzeige.
K
Stationäre Einweisungen
Notfallmäßige stationäre Einweisungen sind ohne vorherige Kostenzusage
möglich. Das aufnehmende Krankenhaus muss jedoch – wie auch bei GKVVersicherten – im Nachgang eine Kostenzusage einholen.
Elektive Einweisungen benötigen immer das vorherige Einholen einer Kostenzusage. Gerade bei elektiven Operationen (Struma, Cholezystolithiasis,
Herzkatheter) sollte in der Begründung
für die Behandlung ein Bezug zum
§ 4 AsylbLG (Akutfall oder Schmerzbehandlung) oder zu mindestens zum
§ 6 „Sonstige Leistungen, wenn sie im
Einzelfall zur Sicherung der Gesundheit
unerlässlich sind“ hergestellt werden.
Dolmetscher
Dolmetscherleistungen sind in § 6 Abs. 1
des AsylbLG eingeschlossen: „Sonstige
Leistungen können insbesondere gewährt werden, wenn sie im Einzelfall
zur Sicherung des Lebensunterhalts oder
der Gesundheit unerlässlich . . . sind.“
Sie sind ebenfalls beim Kostenträger
zu beantragen und müssen in der Regel als „unerlässlich zur Sicherung der
Gesundheit“ begründet werden.
Aufgrund des derzeitigen Dolmetschermangels gilt es von Fall zu Fall
abzuwägen, ob man einen Antrag stellen
muss oder ob man sich mit anderen Mitteln behelfen kann, so etwa mit Angehörigen, mehrsprachigen Anamnesebogen
oder Piktogrammen. Auch die Nutzung
von Internetdolmetscherdiensten hat
sich inzwischen vielerorts erfolgreich
etabliert.
Haftung
Für Ärzte, die beispielsweise in Erstaufnahmeeinrichtungen ehrenamtlich arbeiten, stellt sich immer wieder die Frage,
wer bei Behandlungsfehlern haftet. Diese
Frage hat das Gesundheitsministerium in
Nordrhein-Westfalen geklärt: Nach dessen Beurteilung ist eine primäre Haftung
Schwerpunkt: Medizin für Migranten
des Landes im Wege der Staatshaftung
gegeben. Nach Auswertung der aktuellen
Rechtsprechung kommt es dabei auf die
Zahlung einer Vergütung für die ärztliche Tätigkeit nicht an, wenn ansonsten
die Voraussetzungen der Amtshaftung
gegeben sind.
Eine Rückgriffsmöglichkeit des Landes auf den Arzt besteht nur bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz. Hier ist
dann die Berufshaftpflichtversicherung
des Arztes von Bedeutung. Daher sollte
jeder Arzt bei der eigenen Berufshaftpflichtversicherung nachfragen, ob dies
abgedeckt ist und auch die Behandlung
von Flüchtlingen beinhaltet. Da die Beurteilung des nordrhein-westfälischen Gesundheitsministeriums bundesweite Bedeutung hat, hat sie die Bundesärztekammer im Internet zur Verfügung gestellt.
Schwangerschaftsabbrüche
Auch wenn dies für Internisten eine Rarität sein wird, soll kurz darauf verwiesen
werden, dass der Schwangerschaftsabbruch einer anderen Gesetzgebung
unterliegt, nämlich dem Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG). Hier gibt
es eine spezielle Regelung für Asylbewerberinnen. Die Schwangere sollte
direkt zu einer Beratungsstelle geschickt
werden, denn die Beratungsstellen sind
bestens mit dem Verfahren vertraut. Die
Kosten eines Schwangerschaftsabbruchs
werden bei Asylbewerberinnen in der
Regel übernommen, auch dies ist im
SchKG festgelegt.
Behandlung von psychiatrischen
Erkrankungen
Gerade in Anbetracht von Vertreibung
und Flucht spielen psychiatrische Störungen wie Suchterkrankungen, das
posttraumatische Belastungssyndrom,
Depressionen und auch psychosomatische Erkrankungen eine große Rolle bei
Asylsuchenden (s. Beitrag von Schellong
in dieser Ausgabe). Eine Behandlung
ist ausgesprochen schwierig, da gerade
in der Anfangszeit die Unterbringung
in den Erstaufnahmeeinrichtungen eine
therapeutische Intervention erschwert.
Hinzu kommt die Tatsache, dass es
nur wenige muttersprachliche Thera-
408
Der Internist 5 · 2016
peuten gibt und die Einschaltung eines
Dolmetschers das therapeutische Setting beeinflusst. Wichtig ist immer eine
vorab einzuholende Kostenzusage. Die
Behandlung sollte möglichst in einer Einrichtung erfolgen, die auf traumatisierte
Asylbewerber spezialisiert ist.
Ausgeschlossene Leistungen
Es gibt selbstverständlich Leistungen, bei
denen man selbst mit viel ärztlicher Kreativität keinen Bezug zum AsylbLG finden kann – das AsylbLG deckt primär
nur eine Versorgung im Akutfall und
bei Schmerzen ab. Leistungen ohne Bezug reichen von Septumkorrekturen über
Lesebrillen und die Versorgung der Altersschwerhörigkeit mit einem Hörgerät bis zu Hormontherapien im Rahmen
der Fertilisationsbehandlung. Dies steht
im Gegensatz zu den Informationen, die
die Asylbewerber haben, nämlich dass
in Deutschland umstandslos alles bezahlt
wird. Es werden also Ärzte Kostenzusagen für Behandlungen beantragen und
andere Ärzte werden die Kostenzusage
eventuell ablehnen. Letztendlich wird es
auch hier sein wie bei den GKV-Versicherten: Erst der Gang vor das Sozialgericht kann klären, welche Leistungen
tatsächlich ausgeschlossen sind.
Fazit für die Praxis
4 Die wesentlichen Belange der medizi-
nischen Versorgung von Flüchtlingen
sind im Asylbewerberleistungsgesetz
geregelt.
4 Für die Gewährung einzelner Leistungen gibt es einen Interpretationsspielraum, der im Einzelfall mit
den jeweiligen Kostenträgern (Land,
Sozialamt) auszuloten ist.
4 Neben den bundeseinheitlichen
Regelungen gibt es einige für die
Bundesländer spezifische Regelungen, insbesondere bezüglich der
Versorgungsstrukturen und Zuständigkeiten. Darüber hinaus finden
sich regionale und lokale Besonderheiten in der Zusammenarbeit und
Netzwerkbildung.
4 Inzwischen existiert eine Fülle von
Hilfsmitteln für den alltäglichen
Gebrauch, die von den zuständi-
gen Institutionen oder von freien
Initiativen zur Verfügung gestellt
werden.
Korrespondenzadresse
Dr. P. Klein
Sächsische Landesärztekammer
Schützenhöhe 16, 01099 Dresden, Deutschland
[email protected]
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt. P. Klein gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine von den Autoren
durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren.
Schwerpunkt: Medizin für Migranten
Internist 2016 · 57:409–415
DOI 10.1007/s00108-016-0057-3
Online publiziert: 3. Mai 2016
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
Redaktion
S.M. Schellong, Dresden
B. Salzberger, Regensburg
Migranten in Deutschland –
eine Infektionsgefahr?
Flüchtlinge und Asylbewerber, oft auch
generell Fremde und Ausländer, werden
nicht selten als Bedrohung wahrgenommen, insbesondere was die Gefahr der
„Einschleppung gefährlicher Krankheiten“ angeht. Die entscheidende Erkenntnis all derjenigen, die auf dem Feld der
Migrantenmedizin tätig sind, lautet hingegen: Flüchtlinge sind nicht gefährlich,
sie sind gefährdet! Auch wenn in dieser Patientengruppe der Anteil an Infektionskrankheiten oder die Besiedlung
durch potenziell hochresistente Erreger
höher ist als in der durchschnittlichen
deutschen Bevölkerung, ist die Gefahr
einer Ansteckung für deutsche Mitbürger sehr gering [1].
Allerdings bedingen die Lebensbedingungen von Geflüchteten, die hygienisch
oftmals zweifelhaften Not- und Massenunterkünfte, der geringe Lebensraum
für Familien, der schlechtere Zugang zu
einer präventiven und kurativen medizinischen Versorgung sowie ein anderes
Risikoverständnis für die Gefahren von
Infektionen ein erhöhtes Krankheitsrisiko. Wird Gesundheitsfürsorge im
richtigen Sinne verstanden, erzwingt sie
deshalb ein Umdenken: weg von einer
Politik des Screenings und Abschirmens
hin zur Verbesserung des niederschwelligen Zugangs zu einer umfassenden, den
jeweiligen Bedürfnissen angepassten
Gesundheitsversorgung. Die Realisierung erweist sich schon jetzt als eine
der größten Herausforderungen für unser Gesundheitssystem in den nächsten
Jahren.
A. Stich
Tropenmedizinische Abteilung, Missionsärztliche Klinik, Würzburg, Deutschland
Häufige Infektionskrankheiten
bei Migranten
Erstkontakt mit Flüchtlingen
Ektoparasiten
Flüchtlinge kommen auf vielen Wegen
nach Deutschland. Das Asylverfahrensgesetz und Asylbewerberleistungsgesetz sowie deren regional unterschiedlichen Durchführungsbestimmungen sehen verschiedene Kontaktmöglichkeiten
zwischen Flüchtlingen und dem medizinischen Versorgungssystem vor. Beim
ersten Kontakt soll sofort eine medizinische Inaugenscheinnahme bzw. Erstsichtung erfolgen, bei der akut behandlungsbedürftige Gesundheitsprobleme
erkannt werden sollen. Sie wird nicht
zwangsläufig von Ärzten vorgenommen,
auch Mitarbeiter der Rettungsdienste
und medizinisches Fachpersonal gelten
als geeignet.
Ein besonderes Augenmerk liegt bereits
zu diesem frühen Zeitpunkt auf der Erkennung von Ektoparasiten, da die Betroffenen anschließend in aller Regel in
eine Massenunterkunft überstellt werden
sollen. Immer wieder werden Kopfläuse (Pediculus humanus capitis) entdeckt,
nachgewiesen werden sie meist anhand
der weißlichen, nicht abstreifbaren Nissen am Haaransatz und anhand der typischen Kratzspuren am Hinterhaupt und
retroaurikulär. Die Therapie besteht in
der Gabe von insektizidhaltigen Externa.
Der Befall mit der 0,3–0,5 mm großen
Krätzmilbe Sarcoptes scabiei variatio hominis ist inzwischen eine sehr häufige
Diagnose bei neu in Deutschland angekommenen Flüchtlingen – ein Resultat
ihrer desolaten Unterbringung auf den
verschiedenen Fluchtrouten. Die Übertragung erfolgt durch engen direkten
Körperkontakt. Die indirekte Übertragung über Textilien spielt nur eine
unwesentliche Rolle.
Leitsymptome sind heftiger Juckreiz,
der sich unter der warmen Bettdecke
in der Nacht verstärkt, und stecknadelgroße Vesikel, erythematöse Papeln
und Pusteln an den Prädilektionsstellen:
den Interdigitalfalten, Axillarregionen,
Brustwarzenhöfen, dem Nabel, Penisschaft und der Perianalregion (. Abb. 1).
Durch Kratzeffekte, Verkrustung und
Impetiginisierung entsteht ein vielfältiges morphologisches Bild, das diverse
Hauterkrankungen imitieren kann. Besteht eine Skabies über längere Zeit,
können Primär- und Sekundäreffloreszenzen nebeneinander vorhanden sein.
Der Erstkontakt mit neu
»ankommenden
Flüchtlingen
erfordert hygienische
Basismaßnahmen
Vielfach besteht bereits hier große Unsicherheit und manchmal auch eine große
Sorge der Beteiligten vor ansteckenden
Krankheiten. Der Erstkontakt mit neu
ankommenden Flüchtlingen erfordert
keine spezielle Schutzkleidung, wohl
aber die Beachtung hygienischer Basismaßnahmen. Patienten mit Fieber,
Ausschlag (insbesondere Windpocken
und Masern) und schweren Behinderungen sollen so früh wie möglich erkannt
und sofort einer Behandlung sowie ggf.
Isolation zugeführt werden.
Der Internist 5 · 2016
409
Schwerpunkt: Medizin für Migranten
Abb. 1 8 Skabies mit typischem interdigitalem Befallsmuster
Abb. 2 8 Klassischer Befund bei Lymphknotentuberkulose
Die Therapie der Skabies kann topisch
oder systemisch erfolgen. Eine international akzeptierte einheitliche Therapieempfehlung existiert nicht [2]. Therapeutikum der Wahl ist 5 %ige Permethrin-Creme. Mit Ausnahme des Kopfs
wird die Creme sorgfältig auf dem gesamten Integument verteilt. Optimal ist
die abendliche Auftragung, am nächsten
Morgen wird die Creme dann mit Seife
abgewaschen. Schleimhäute an Körperöffnungen müssen sorgfältig ausgespart
werden. Meist ist eine einmalige Applikation ausreichend. Bestehen 2 Wochen
nach der Erstapplikation noch klinische
Zeichen einer aktiven Infestation, z. B.
neue Papeln oder neu entdeckte Milbengänge, sollte die Behandlung wiederholt
werden.
international einheit»licheEineTherapieempfehlung
in
Bezug auf Skabies existiert nicht
Eine Alternative ist die systemische
Therapie mit Ivermectin in einer Dosierung von 200 μg/kgKG. Ivermectin ist
ein Breitspektrumanthelminthikum, das
auch auf humanpathogene Insekten und
Milben wirkt. Eine Kontraindikation
besteht bei Schwangeren sowie bei Kindern mit einem Körpergewicht < 15 kg.
Die Therapie sollte nach 7–10 Tagen
wiederholt werden. Ivermectin ist in
Deutschland noch nicht zugelassen und
muss durch eine Apotheke aus dem
Ausland importiert werden.
410
Der Internist 5 · 2016
Die Kontrolle von Krätzeepidemien
in Not- und Gemeinschaftsunterkünften ist eine erhebliche Herausforderung.
Manchmal lässt sie sich nur bewältigen,
wenn alle Betroffenen einer Wohngemeinschaft oder Unterkunft zeitgleich
behandelt werden (Massenchemotherapie mit Ivermectin).
geteilt. Oft gehen Befunde im Rahmen
der Umverteilungen von Flüchtlingen
verloren. Ein einheitliches Dokumentationssystem existiert nicht. Eine individualmedizinische Untersuchung oder
gar die Durchführung von Impfungen
ist nicht Bestandteil des Verfahrens.
Tuberkulose
„Seuchenschutzuntersuchung“
Bei allen in Deutschland registrierten
Flüchtlingen ist nach § 62 des Asylverfahrensgesetzes eine medizinische Untersuchung in den ersten 3 Tagen vorgesehen.
Ihr Ziel ist die Erkennung ansteckender Krankheiten. Die Durchführung
obliegt den örtlichen Gesundheitsbehörden und ist in jedem Bundesland
unterschiedlich geregelt. Im Vordergrund steht überall die Erstellung eines
Röntgenbilds des Thorax, oft erfolgt ergänzend eine Blut-, manchmal auch eine
Stuhluntersuchung. In Bayern wird ein
umfangreiches Programm abgewickelt,
das einen Human-immunodeficiencyvirus(HIV)-Test, eine Hepatitis- und
Luesserologie sowie eine mikrobiologische Stuhluntersuchung umfasst; bis vor
Kurzem war auch eine parasitologische
Stuhluntersuchung inbegriffen. In den
nördlichen Bundesländern wird dagegen auf all diese Labortests komplett
verzichtet.
Das Ergebnis der Untersuchungen
wird zwar zentral erfasst, den Betroffenen aber – wenn überhaupt – nur im
Falle von pathologischen Werten mit-
In den letzten Jahren ist die Zahl neu
registrierter Tuberkuloseerkrankungen
in Deutschland nach Jahren des steten
Rückgangs wieder gestiegen. Einziger
Grund ist die Zuwanderung. Hierzulande haben inzwischen deutlich über 50 %
der Patienten mit neu diagnostizierter
Tuberkulose einen Migrationshintergrund [3].
Die Tuberkulose ist bei ausländischen
Patienten also viel häufiger zu erwarten
als bei deutschen. Als besondere Risikogruppe gelten generell Flüchtlinge, die
deshalb zwingend einer Screeninguntersuchung unterworfen werden müssen.
Die rasche Durchführung einer Thoraxröntgenaufnahme soll der frühzeitigen Erfassung einer offenen Lungentuberkulose dienen, bei Schwangeren und
Personen unter 16 Jahren wird alternativ der Tuberkulinhauttest (THT) oder
ein immunologisches Verfahren („interferon-γ release assay“ [IGRA]) eingesetzt. Dieses Vorgehen erfasst aber nur
einen Teil der behandlungsbedürftigen
Tuberkuloseerkrankungen und wird deshalb in seiner Bedeutung allgemein überschätzt. Folgende Probleme tauchen auf:
Zusammenfassung · Abstract
4 Es gibt nicht den Röntgenbefund, der
4
4
4
4
beweisend für eine Lungentuberkulose wäre. Die Tuberkulose hat viele
Gesichter. Umgekehrt schließt auch
eine unauffällige Röntgenaufnahme
des Thorax eine ansteckungsfähige Tuberkulose nicht aus, z. B. bei
Larynx- oder Bronchialtuberkulose.
THT und IGRA können eine große
Zahl von falsch-negativen und falschpositiven Ergebnissen liefern. Abgesehen von methodischen Fehlern,
die bei beiden Testmethoden relativ häufig vorkommen, gibt das
Testresultat lediglich Hinweise auf
die Stärke der immunologischen
Auseinandersetzung mit dem Tuberkulinantigen. Immunsupprimierte
Patienten können trotz einer hochfloriden Tuberkuloseerkrankung einen
negativen Befund aufweisen, ebenso können Gesunde nach BacillusCalmette-Guérin(BCG)-Impfung
oder Kontakt mit nichttuberkulösen
Mykobakterien positiv reagieren.
Ein positives Testergebnis kann also
lediglich als Hinweis auf eine latente
Tuberkulose gewertet werden, die
mit einem je nach Grundstatus des
Patienten unterschiedlichen Risiko der späteren Entwicklung einer
Tuberkuloseerkrankung assoziiert ist.
Einem Screening, dass sich nur auf
die pulmonale Tuberkulose konzentriert, entgehen alle extrapulmonalen
Formen, die bei Migranten etwa die
Hälfte aller Tuberkuloseerkrankungen ausmachen (. Abb. 2; [4]).
Eine sog. Screeninguntersuchung
kann immer nur eine Momentaufnahme sein. Wenn die Tuberkuloseinfektion in den erbärmlichen
Massenunterkünften vor den Grenzblockaden am Balkan erfolgte, kann
die Ansteckung im Zeitfenster der
folgenden 4–6 Wochen nicht detektiert werden.
Die Gesamtheit der Flüchtlinge ist
heterogen. Syrer haben in ihrem
Heimatland eine Inzidenz der Tuberkulose, die sich nur gering von
der in Deutschland unterscheidet
[5]. Dagegen kommen Somalis aus
einem Land, in dem die Inzidenz
mehr als hundert Mal höher liegt als
hierzulande. Die zugrunde liegende
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A. Stich
Häufige Infektionskrankheiten bei Migranten
Zusammenfassung
Durch den aktuellen Zustrom von Flüchtlingen nach Europa und den bereits hohen Anteil
an Menschen mit Migrationshintergrund
steigt die Bedeutung von Infektionskrankheiten. Diese werden im Rahmen einer
Erstsichtung neu ankommender Flüchtlinge,
bei systematischen Screeninguntersuchungen oder im Rahmen der allgemeinen
medizinischen Versorgung erkannt. Ihre
Diagnostik und Therapie erfordern spezielle
Kenntnisse, gegebenenfalls auch spezifische
Schutzmaßnahmen. Das Spektrum der
Infektionen wird dabei vor allem durch
die Heimatregionen der Migranten und
die Umstände der Flucht bestimmt. Im
vorliegenden Beitrag werden die wichtigsten
Infektionskrankheiten und ihre Behandlung
dargestellt. Flüchtlinge und Migranten sind
in Bezug auf Infektionen keine Gefahr für
die allgemeine Bevölkerung, sie stellen aber
selbst eine höchst gefährdete Gruppe dar.
Schlüsselwörter
Flüchtlinge · Tuberkulose · Malaria ·
Infektionskrankheiten · Screening · Asyl
Frequent infectious diseases in migrants
Abstract
The current influx of refugees and the high
rate of immigration increase the rate and
impact of infectious diseases in Europe.
Infections can be detected at the initial
examination of arriving refugees as a result of
systematic screening or within the framework
of general medical care. Diagnosis and
treatment require special expertise and in
some cases special precautions. The spectrum
of infections is determined by the country
of origin of migrants and the conditions
Prävalenz kann als Grundlage für
den prädiktiven Wert aller Diagnoseverfahren hergenommen werden. Je
geringer die Prävalenz in der Gruppe
der Untersuchten, umso höher der
Anteil falsch-positiver Befunde.
Daraus ergibt sich die Konsequenz, dass
kein Screeningverfahren eine individualmedizinische Versorgung ersetzen
kann. Will man in der Risikogruppe der
Flüchtlinge und Migranten die Tuberkulose bekämpfen, ist Screening nicht die
alleinige Antwort. Vor allem muss man
den Zugang zur Gesundheitsversorgung
so niederschwellig wie möglich gestalten
und eine kontinuierliche medizinische
Betreuung von guter Qualität aufbauen.
Die sehr unterschiedlichen klinischen
Bilder der Tuberkulose sind vielen Ärzten in Praxis und Klinik erstaunlich wenig bekannt. Bei Patienten mit Migra-
experienced on fleeing to Germany. In this
article the diagnostics and treatment of the
most important infections are presented. As
far as infections are concerned refugees and
migrants do not represent a threat to the
general population but instead have to be
perceived as a highly vulnerable group.
Keywords
Refugees · Tuberculosis · Malaria · Infectious
diseases · Screening · Asylum
tionshintergrund, besonders solchen aus
Hochprävalenzländern, ist bei jedem unklaren Organbefund zunächst auch an
eine Tuberkulose zu denken. Wichtige
Beispiele sind in . Tab. 1 aufgeführt.
»kannDaseineTuberkulosescreening
individualmedizinische
Versorgung nicht ersetzen
Von entscheidender Bedeutung für das
weitere klinische Management ist eine
zielgerichtete Diagnostik, sobald der Verdacht auf eine Organtuberkulose besteht.
Leider wird er oft erst nach einer histologischen Untersuchung verdächtiger
Gewebe geäußert, wenn diese den typischen Befund einer Entzündung mit epitheloidzellhaltigen Granulomen, oftmals
mit zentraler Nekrose (Verkäsung), aufweisen. Wichtig ist, bei jeder ProbengeDer Internist 5 · 2016
411
Schwerpunkt: Medizin für Migranten
Tab. 1 Beispiele für unterschiedliche Erscheinungsbilder der extrapulmonalen Tuberkulose
Befund
Diagnose
Nachweis
Vergrößerte und entzündlich
veränderte Lymphknoten (zervikal, axillär, mediastinal, retroperitoneal)
Lymphknotentuberkulose
Mykobakterien im Lymphknotenpunktat oder Aspirat von
Eiter
Aszites
Peritonealtuberkulose
Mykobakterien im Aszitespunktat
Kavernöse Raumforderung in
der Niere
Nierentuberkulose
„Sterile“ Leukozyturie; Mykobakterien im Morgenurin
Perikarderguss;
Perikardverkalkungen
Tuberkulöse Perikarditis
Mykobakterien im Perikardpunktat
Pleuraerguss
Tuberkulöse Pleuritis
Mykobakterien im Pleurapunktat
Raumforderung im Knochen
Knochentuberkulose
Punktion für histologische Untersuchung und Mykobakterienkultur
krankungen bei ausländischen Patienten
deutlich höher, was die zentrale Bedeutung der kulturellen Erregeranzucht in
der Therapieplanung unterstreicht. Fast
alle in Deutschland registrierten Patienten mit multiresistenter (MDR) oder
extensiv resistenter (XDR) Tuberkulose
sind Ausländer. Bei MDR-Tuberkulose
ist der Erreger gegen die Standardmedikamente Isoniazid und Rifampicin resistent, bei extensiv resistenten Formen
auch gegen zahlreiche Ausweichmedikamente.
Akut behandlungsbedürftige
Infektionskrankheiten
Malaria
Tab. 2 Therapie der Malaria im Überblick
Erkrankung
Erreger
Therapie
Malaria tropica
Plasmodium falciparum
Artemether/Lumefantrin;
Atovaquon/Proguanil;
in schweren Fällen Artesunat i. v. oder
Chinin
Malaria tertiana
Plasmodium vivax, P. ovale
Wie bei P. falciparum,
nach Ausschluss eines Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangels zusätzlich Primaquin
Malaria quartana
Plasmodium malariae
Chloroquin
Die seltene „fünfte Malaria“ durch Plasmodium knowlesi ist auf Südostasien beschränkt und spielt
in der Migrantenmedizin derzeit keine Rolle
winnung neben der histopathologischen
oder zytologischen auch die mikrobiologische Diagnostik anzufordern. Dies
bedeutet die Gewinnung nativer, d. h.
nicht formalinfixierter Proben. Außerdem muss den Mikrobiologen aktiv mitgeteilt werden, wonach sie suchen sollen.
Enthält die Anforderung nur die Formulierung „Bakterien Standard“, wird das
Material routinemäßig zwar auf grampositive und gramnegative Erreger untersucht, Mykobakterien entgehen dann
aber der Diagnostik.
Wichtig ist das mehrstufige Aufbereiten des Untersuchungsmaterials, ganz
gleich, ob es sich dabei um Sputum, Flüssigkeit einer bronchoalveolären Lavage,
Abszesspunktat oder solides Material
einer Probenexzision handelt. Zunächst
wird ein nach Ziehl-Neelsen gefärbter
Ausstrich mikroskopisch auf säurefeste Stäbchen untersucht. Danach erfolgt
eine molekularbiologische Analyse auf
Mykobakterien, die bereits unter Ver-
412
Der Internist 5 · 2016
wendung entsprechender Primer erste
Aussagen über mögliche antimikrobielle
Resistenzen zulässt. Gleichzeitig wird
das Material auch auf spezielle Nährmedien verbracht, um einen kulturellen
Nachweis mit Resistogramm zu versuchen, was aber bei Mykobakterien
immer mehrere Wochen dauert. Die
Sensitivität der Methoden steigt von
der Mikroskopie über die PolymeraseKettenreaktion (PCR) zur Kultur jeweils
um den Faktor 10 [6].
Die Therapie der Tuberkulose erfordert eine mindestens 6-monatige Kombinationstherapie mit Tuberkulostatika [7],
von denen das jüngste bereits über 50 Jahre alt ist. Ein Heilungserfolg setzt eine
lückenlose Therapietreue des Patienten
voraus, was ein hohes Maß an Kommunikation und Führung durch den Behandler erfordert. Weiterhin müssen die Erreger der Infektion medikamentensensibel
sein. Im Vergleich zu deutschen Patienten
liegt die Rate resistenter Tuberkuloseer-
Die Malaria gilt als die wichtigste tropische Infektionskrankheit. Pro Jahr
erkranken Hunderte Millionen Menschen, mehrere Hunderttausend sterben
[8]. Der gefährlichste Erreger ist Plasmodium falciparum. Eine große Gruppe
der in Deutschland behandelten Patienten mit Malaria sind Afrikaner, die auf
Besuch bei ihrer Familie im Heimatland
waren und meist keine ausreichende
Expositions- und Chemoprophylaxe betrieben haben [9]. Obwohl man bei den
meisten auf eine Semiimmunität und
damit einen milderen klinischen Verlauf
hoffen kann, darf man sich im Einzelfall
nie darauf verlassen und muss jeden
Patienten mit P.-falciparum-Malaria als
infektiologischen Notfall behandeln.
Eine Malaria tropica wird bei
»Flüchtlingen
in Deutschland nur
selten gefunden
Die Malaria tropica durch P. falciparum
hat eine Inkubationszeit von 6 Tagen bis
wenigen Wochen. Flüchtlinge sind meist
viel länger unterwegs, bis sie in Deutschland ankommen, sodass eine P.-falciparum-Infektion bei dieser Patientengruppe kaum gesehen wird. Häufig hingegen waren in den vergangenen Monaten
Flüchtlinge aus Eritrea oder Äthiopien,
die viele Monate nach ihrer Ankunft in
Deutschland eine schwere fieberhafte Erkrankung entwickelten. Hier handelt es
sich um eine Infektion mit Plasmodium
Abb. 3 8 Giemsa-gefärbter Blutausstrich bei Infektion mit Plasmodium vivax (Malaria tertiana)
Abb. 4 8 Borrelia recurrentis im peripheren Blutausstrich (Giemsa-Färbung)
laufversagen nach Beginn der Antibiose,
weswegen zu Beginn eine einschleichende Therapie mit Doxycyclin oder Penicillinen unter Steroidschutz und Monitorüberwachung empfohlen wird [11].
Chronische Infektionskrankheiten
Abb. 5 9 Zystische
Echinokokkose
vivax (. Abb. 3), dem wichtigsten Erreger der Malaria tertiana. Grund des lange verzögerten Auftretens der Symptome ist die Reaktivierung von Parasiten
aus persistierenden Leberformen (Hypnozoiten), die noch jahrelang Ursache
eines Malariarückfalls sein können.
Diagnostik und Behandlung der Malaria sind in den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin
und Internationale Gesundheit (DTG)
beschrieben [10]. Die wichtigsten Informationen fasst . Tab. 2 zusammen.
Insbesondere bei schweren Verläufen,
schwangeren Patientinnen oder Kindern sollte frühzeitig Rücksprache mit
erfahrenen Tropenmedizinern gehalten
werden.
Läuserückfallfieber
Seit 2015 werden gehäuft Fälle einer bis
dato in Deutschland extrem seltenen Infektionskrankheit beobachtet, des Läuserückfallfiebers. Es handelt sich um eine
besonders in Äthiopien und Eritrea endemische Infektionskrankheit, die durch
den bakteriellen Erreger Borrelia recurrentis hervorgerufen und durch Kleiderläuse von Mensch zu Mensch übertragen wird. Klinisch ähnelt der Verlauf
mit remittierenden Fieberschüben einer
schweren Malaria, im Blutausstrich findet man allerdings nicht die intraerythrozytär gelegenen Plasmodien, sondern extrazellulär korkenzieherartig gewundene
fadenförmige Spirochäten (. Abb. 4).
Gefährlich wird das Läuserückfallfieber besonders durch eine plötzlich einsetzende Herxheimer-Reaktion mit Kreis-
Bei vielen Flüchtlingen und Migranten bestehen chronische Infektionen,
die erst allmählich entdeckt werden,
entweder zufällig oder im Rahmen von
Untersuchungen bei unklaren Beschwerden. Auch viele Jahre nach Ankunft in
Deutschland sollte man bei Patienten
mit Migrationshintergrund die differenzialdiagnostischen Überlegungen um
die Palette seltener Infektionen erweitern. Wichtige Beispiele sind in . Tab. 3
zusammengefasst.
Besiedlung durch multiresistente Erreger
Bisher gibt es widersprüchliche Daten
und Erfahrungen zur Frage, wie häufig
PatientenmitMigrationshintergrund mit
multiresistenten Erregern (MRE) kolonisiert sind. Besonderes Augenmerk liegt
dabei auf methicillinresistenten Staphylokokken (MRSA) und multiresistenten
gramnegativen Erregern (mit Resistenz
gegen 3 oder 4 von 4 Antibiotikagruppen). Es kann als wahrscheinlich gelten,
dass bei ausländischen Patienten das Risiko einer Besiedlung durch MRE höher
ist als in der deutschen Normalbevölkerung, da die Betroffenen
Der Internist 5 · 2016
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Schwerpunkt: Medizin für Migranten
Tab. 3 Seltene chronische Infektionskrankheiten bei Flüchtlingen und Migranten
Erkrankung
Erreger
Vorkommen
Nachweis
Therapie
Natriumstiboglukonat, Miltefosin,
liposomales Amphotericin B [14]
Hautleishmaniose Leishmania
major, L. tropica,
L. infantum
Vor allem
im Mittleren
Osten bis
Afghanistan
Mikroskopischer
Erregernachweis
in der Läsion, PCR
zur Artdiagnose
Giardiasis
Giardia intestinalis (Lamblien)
Ubiquitär
Parasitennachweis Metronidazol,
eventuell Paromoim Stuhl (mimycin
kroskopisch,
Koproantigentest,
PCR)
Amöbiasis
Entamoeba
histolytica
Tropen und
Subtropen
Parasitennachweis Metronidazol,
eventuell Paromoim Stuhl (mimycin [15]
kroskopisch,
Koproantigentest,
PCR)
Apathogene
Schleimhautamöben
Endolimax nana,
Entamoeba
coli, Entamoeba
dispar u. v. a.
Tropen und
Subtropen
Nebenbefund in
der Stuhlmikroskopie
Keine
Strongyloidiasis
Strongyloides
stercoralis
(Zwergfadenwurm)
Tropen und
Subtropen
Serologisch, Larvennachweis im
Stuhl (Mikroskopie, PCR, Kultur)
Ivermectin (nicht
zugelassen), Albendazol
Schistosomiasis
Schistosoma
mansoni, S. haematobium u. a.
Vergleichsweise
häufig bei
Migranten
aus dem
tropischen
Afrika
Serologisch,
Nachweis von
Eiern im Stuhl
und/oder Urin
Praziquantel [16]
Hymenolepiasis
Hymenolepis
nana (Zwergbandwurm)
Tropen und
Subtropen
Mikroskopischer
Einachweis im
Stuhl
Praziquantel
Zystische Echinokokkose
(. Abb. 5)
Echinococcus
granulosus
(Hundebandwurm)
Regionen mit
Schafzucht
Zystische Läsion
in Leber, selten in
Lunge, Milz und
anderen Organen
Albendazol, operative Resektion
(cave Ruptur), PAIR
in erfahrenen Zentren
Zystizerkose
Larvenstadium
von Taenia
solium (Schweinebandwurm)
Regionen mit
Schweinezucht
Kleine zystische
Läsionen, v. a.
in Zentralnervensystem und
Muskulatur
Albendazol,
Steroide
PAIR Punktion, Aspiration, Instillation, Reaspiration, PCR Polymerase-Kettenreaktion
4 aus Ländern kommen, wo ein un-
kontrollierter Zugang zu Antibiotika
besteht, deren Verschreibung nicht
einer ärztlichen Indikationsstellung
unterliegt,
4 unter hygienischen Bedingungen
leben mussten, die eine fäkal-orale
Transmission oder Schmierinfektion von Erregern und damit einen
höheren Durchseuchungsgrad begünstigen,
4 häufig in Ländern unterwegs waren,
wo bereits eine erhöhte Prävalenz von
MRE bekannt ist (z. B. Griechenland).
414
Der Internist 5 · 2016
Daraus ergibt sich aber nicht zwangsläufig die Empfehlung, alle Patienten mit
Migrationshintergrund bei Krankenhausaufnahme zu screenen und bis zum
Erhalt des Ergebnisses prophylaktisch zu
isolieren. Das Robert Koch-Institut hat
zu dieser Thematik eine differenzierte
Stellungnahme erarbeitet, die eine Beurteilung im Einzelfall mit Abschätzung
individueller Risikokriterien für eine
MRE-Besiedlung einer standardisierten
Isolierung vorzieht [12].
Präventivmaßnahmen bei
Flüchtlingen
Flüchtlinge sind eine höchst vulnerable
Gruppe, die besondere Maßnahmen des
Infektionsschutzes benötigt. Die meisten
Flüchtlinge haben keinen Nachweis zurückliegender Impfungen bei sich, obwohl sie oft aus Ländern mit einem ehemals funktionierenden Impfprogramm
stammen, z. B. aus Syrien. Impfungen
sollten deshalb möglichst früh aktiv angeboten werden. Nur wenn bereits bei Eintritt in eine Massenunterkunft Impfungen durchgeführt und regelmäßig wiederholt werden, lassen sich Ausbrüche
vermeiden, die mit der Gefährdung vieler
Menschen und dem Aufwand der dann
notwendigen Riegelungsimpfungen einhergehen.
Besonderen Vorrang haben die Kombinationsimpfungen gegen Tetanus,
Diphtherie, Pertussis und Poliomyelitis,
Masern, Mumps, Röteln und Varizellen sowie die Influenzaimpfung. Andere
Impfungen können gemäß den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission
(STIKO) bald nachgeschaltet werden,
wobei die Indikation für einen Hepatitis-A- und Hepatitis-B-Schutz sowie
die tetravalente Meningokokkenimpfung ebenfalls großzügig gestellt werden
sollte [13]. Inwieweit eine jeweilige Titerbestimmung vor dem Angebot einer
Impfung epidemiologisch und logistisch
sinnvoll ist, muss wohl einer Einzelfallentscheidung unterliegen.
Ebenso wichtig ist es, Basismaßnahmen der Hygiene vorzuhalten:
4 Ausreichende sanitäre Anlagen
4 Regelmäßige Reinigung der Gebäude
4 Möglichkeiten der Händedesinfektion
Dies bedeutet natürlich auch, die Betroffenen in die Durchführung einzubeziehen, was nicht von den fremdsprachigen Sicherheitsdiensten der Flüchtlingsunterkünfte geleistet werden kann.
Infektionsschutz für Helfer und
medizinisches Personal
Die große Zahl von Flüchtlingen, die
seit 2015 in Deutschland zu versorgen
ist, hat eine außergewöhnliche Welle der
Hilfsbereitschaft bei vielen ehrenamtlichen Helfern und Mitarbeitern professioneller Gesundheitsdienste ausgelöst. Es
ist eine Verpflichtung aller Organisationen und Organisatoren der Flüchtlingshilfe, bei den eigenen Mitarbeitern auf
einen ausreichenden Infektionsschutz zu
achten – das gilt für haupt- wie ehrenamtliche Helfer gleichermaßen. Die Maßnahmen umfassen die folgende Trias:
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. A. Stich
Tropenmedizinische
Abteilung, Missionsärztliche
Klinik
Salvatorstr. 7, 97074 Würzburg, Deutschland
[email protected]
Einhaltung ethischer Richtlinien
Angebot (oder gar Auflage?) von Schutzimpfungen. Bei allen Mitarbeitern muss
auf einen ausreichenden Schutz gegen
Masern, Mumps, Röteln, Varizellen, Tetanus, Diphtherie und Polio geachtet
werden. Erste Priorität haben Influenza,
Hepatitis A und B sowie eventuell die
tetravalente Meningokokkenimpfung.
Beachtung sinnvoller Hygienemaßnahmen. Möglichkeiten zum Händewaschen
und eventuell zur Händedesinfektion
müssen gegeben sein. Handschuhe und
eventuell ein Mundschutz sind nur bei
Maßnahmen mit engem Kontakt nötig.
Schutzkleidung ist nicht erforderlich.
Angebot zu medizinischen Untersuchungen. Mit den Mitarbeitern sollten
Aufklärungsgespräche zu tatsächlichen
Infektionsrisiken geführt werden. Serologische Basisuntersuchungen sollten
erfolgen, bei engem regelmäßigem Kontakt auch ein IGRA.
Fazit für die Praxis
4 Flüchtlinge und Migranten gefähr-
den nicht die Bevölkerung, sind
aber selbst eine höchst gefährdete
Gruppe.
4 Mit Erstsichtung und Screeninguntersuchungen kann nur ein Teil der
Infektionsprobleme erkannt werden, gerade auch in Bezug auf die
Tuberkulose.
4 Deshalb ist es von großer Bedeutung, möglichst flächendeckend
einen niederschwelligen Zugang
zu einer adäquaten medizinischen
Versorgung sicherzustellen.
4 Präventive Maßnahmen wie das rasche Angebot von Schutzimpfungen
und die Einführung einer Basishygiene sind von großer Bedeutung.
Interessenkonflikt. A. Stich gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
14. Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin und
Internationale Gesundheit Leitlinie: Diagnostik
und Therapie der kutanen und mukokutanen Leishmaniasis in Deutschland. http://www.dtg.org/
uploads/media/Leitlinie_Kutane_Leishmaniasis.
pdf. Zugegriffen: 04. März 2016
15. Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin und
Internationale Gesundheit Leitlinie: Diagnostik
und Therapie der Amöbenruhr. http://www.dtg.
org/uploads/media/Leitlinie_Amoebenruhr.pdf.
Zugegriffen: 04. März 2016
16. Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin und
Internationale Gesundheit Leitlinie: Diagnostik
und Therapie der Schistosomiasis (Bilharziose).
http://www.dtg.org/uploads/media/Leitlinie_
Schistosomiasis.pdf. Zugegriffen: 04. März 2016
Dieser Beitrag beinhaltet keine vom Autor durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren.
Literatur
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wichtige Infektionskrankheiten. Dtsch Arztebl
112(42):A 1717
2. AWMF Leitlinie Scabies. http://www.derma.de/
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pdf. Zugegriffen: 04. März 2016
3. Robert Koch-Institut (2014) Bericht zur Epidemiologie der Tuberkulose in Deutschland für
2014, Berlin 2015, ISBN 978-3-89606-264-2.
doi:10.17886/rkipubl-2015-005
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surveillance and monitoring in Europe 2015 (ISSN
2443-5538)
5. WHO (2015) Global Tb Report, Geneva.
WHO/HTM/TB/2015.22
6. Lawn SD, Zumla AI (2011) Tuberculosis.
Lancet 378(9785):57–72. doi:10.1016/S01406736(10)62173-3
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8. WHO (2015) World Malaria Report 2015, Geneva.
ISBN 978-92-4-156515-8
9. RKI (2015) Malaria. Epidemiol Bull 17:140–144
10. AWMF Leitlinie Malaria: 2015-10. http://www.
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11. ECDC: Rapid Risk Assessment Louse-borne
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europa.eu/en/publications/Publications/louseborne-relapsing-fever-netherlands-rapidriskassessment.pdf. Zugegriffen: 20. August 2015
12. Robert Koch-Institut Stellungnahme des
Robert Koch -Instituts zu Frage des
Screenings von Asylsuchenden auf Multiresistente Erreger (MRE). http://www.
rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/
Gesundheitsberichterstattung/GesundAZ/
Content/A/Asylsuchende/Inhalt/MRE-Screening_
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13. Pfeil J et al (2015) Empfehlungen zur infektiologischen Versorgung von Flüchtlingen im Kindesund Jugendalter in Deutschland. Monatsschr Kinderheilkd 163:1269–1286. doi:10.1007/s00112015-0003-9
Der Internist 5 · 2016
415
Schwerpunkt: Medizin für Migranten
Internist 2016 · 57:416–433
DOI 10.1007/s00108-016-0040-z
Online publiziert: 2. Mai 2016
© Die Autor(en) 2016
Redaktion
S. M. Schellong, Dresden
B. Salzberger, Regensburg
J. Pfeil1 · R. Kobbe2 · S. Trapp3 · C. Kitz4 · M. Hufnagel5
1
Kinderheilkunde I, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Heidelberg,
Heidelberg, Deutschland
2
Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf,
Hamburg, Deutschland
3
Bremen, Deutschland
Kinder- und Jugendmedizin, Missionsärztliche Klinik, Würzburg, Deutschland
5
Sektion Pädiatrische Infektiologie und Rheumatologie, Klinik I, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin,
Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg, Deutschland
4
Empfehlungen zur
infektiologischen Versorgung
von Flüchtlingen im Kindes- und
Jugendalter in Deutschland
Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft
für Pädiatrische Infektiologie, der
Gesellschaft für Tropenpädiatrie und
Internationale Kindergesundheit und des
Berufsverbandes der Kinder- und
Jugendärzte
Hintergrund
Deutschland und Europa erleben momentan eine zahlenmäßig unabsehbare
Zuwanderung von Flüchtlingen aus dem
Nahen und Mittleren Osten (v. a. Syrien,
Afghanistan, Irakund Pakistan), denafrikanischen Staaten (v. a. Eritrea, Nigeria),
sowie dem westlichen Balkan (v. a. Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo,
Mazedonien und Serbien – bei zuletzt abnehmenden Zahlen) und der Ukraine [5].
Mindestens jeder vierte Asylbewerber ist
ein Kind oder Jugendlicher [9]. Bürgerkriege, Katastrophen und zunehmende
Armut zwingen viele Menschen zur entbehrungsreichen Flucht in die Länder
West- und Nord-Europas. Hieraus resulDieser Beitrag erschien ursprünglich in der
Zeitschrift Monatsschrift Kinderheilkunde 2015,
136:1269–1286. DOI 10.1007/s00112-0150003-9.
416
Der Internist 5 · 2016
tiert auch ein relevant erhöhter medizinischer Bedarf bei der medizinischen Versorgung vieler Flüchtlinge in Deutschland.
Die Grundhaltung zur ärztlichen
Versorgung von minderjährigen Flüchtlingen leitet sich aus dem Artikel 24
[Gesundheitsvorsorge] der UN-Kinderrechtskonvention von 1989 her. Die Vertragsstaaten erkennen das Recht des
Kindes auf das erreichbare Höchstmaß
an Gesundheit an. Flüchtlinge sind auf
dem gleichen medizinischen Niveau zu
versorgen wie die einheimische Wohnbevölkerung. Dies gilt für akute oder chronische Erkrankungen ebenso wie für alle
Maßnahmen der medizinischen Prävention. In der aktuellen Ausnahmesituation
mit dem plötzlichen massenhaften Auftreten von Leistungssuchenden können
die Versorgungskapazitäten überfordert
sein. Mögliche Versorgungslücken soll-
ten dann in der weiteren medizinischen
Betreuung geschlossen werden.
Eine aktuelle Querschnittserhebung
unter 100 syrischen Flüchtlingskindern
in einer Münchner Erstaufnahmestelle
ergab, dass 80 % der Kinder unter somatischen(v. a. Atemwegserkrankungen)und
40 % unter psychischen/psychiatrischen
Beschwerden (v. a. posttraumatische Belastungsstörungen) litten. Unter den somatischen Beschwerden fanden sich in
10 % infektiöse/parasitäre Erkrankungen
(in erster Linie Hautinfektionen), weiterhin wiesen 40 % der Kinder, die Impfdokumente hatten, einen unvollständigen
Impfstatus auf [7]. Häufig sind die Informationen zur medizinischen Anamnese und zum Impfstatus aufgrund der
Sprachbarriere schwer zu erheben, fragmentarisch oder sie fehlen ganz.
Flüchtlinge und Asylsuchende sind
eine besonders vulnerable Gruppe in
unserer Gesellschaft. Dies gilt insbe-
Information
Diese Stellungnahme wurde von den
beteiligten Autoren im Auftrag der jeweiligen
Fachgesellschaften erarbeitet:
Für die Deutsche Gesellschaft für
Pädiatrische Infektiologie (DGPI e. V):
Dr. Johannes Pfeil, Heidelberg
PD Dr. Markus Hufnagel, Freiburg
Für die Gesellschaft für Tropenpädiatrie und
Internationale Kindergesundheit (GTP e. V.):
PD Dr. Robin Kobbe, Hamburg
Dr. Christa Kitz, Würzburg
Für den Berufsverband der Kinder- und
Jugendärzte (BVKJ e. V.):
Dr. Stefan Trapp, Bremen
Mitarbeit
An der Erarbeitung der Stellungnahme waren
Vertreter der folgenden Fachgesellschaften
und Organisationen beteiligt:
4 Deutsche Akademie für Kinder- und
Jugendmedizin, Kommission für Infektionskrankheiten und Impffragen
(DAKJ),
4 Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie
und Geburtshilfe (DGGG),
4 Deutsche Gesellschaft für Kinder- und
Jugendmedizin (DGKJ),
4 Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin
und Internationale Gesundheit (DTG),
Folgende Personen haben an der Erarbeitung
der Stellungnahme mitgewirkt:
4 Prof. Dr. Ralf Bialek (Infektionsdiagnostik;
DGPI),
4 Prof. Ulrich Heininger (Impfungen;
Sprecher der Kommission für Infektionskrankheiten und Impffragen der DAKJ,
DGPI),
4 Prof. Dr. Hans-Iko Huppertz (Gesamtkonzept; DAKJ, DGPI),
4 Prof. Dr. Thomas Junghanss (Tropenmedizinische Aspekte; DTG),
4 Dr. Carsten Krüger (Gesamtkonzept; GTP),
4 Dr. Mirjam Kunze (Schwangerenvorsorge;
DGGG),
4 Prof. Dr. Johannes Liese (Gesamtkonzept,
MRE-Screening; DGPI, DGKJ),
4 PD Dr. Nicole Ritz, PhD (Tuberkulose;
DGPI – Ausschuss typische und atypische
Mykobakteriosen),
4 PD Dr. Erika Sievers, MPH (Aspekte
öffentlicher Kinder- und Jugendgesundheitsdienst; Fachausschuss Kinder- und
Jugendgesundheitsdienst),
4 Prof. Dr. Arne Simon (MRE-Screening;
DGPI),
4 Prof. Dr. August Stich (Gesamtkonzept,
tropenmedizinische Aspekte; DTG).
sondere für Kinder und Jugendliche,
die teilweise auch unbegleitet kommen,
und für Schwangere. Sie benötigen eine
angemessene und niederschwellige medizinische Versorgung, die an die individuelle Situation angepasst sein muss. Es
ist eine professionelle, soziale und ethische Herausforderung, die medizinische
Versorgung von Flüchtlingen adäquat zu
organisieren und durchzuführen.
Infektiologische Fragen oder Beschwerden nehmen einen besonderen
Stellenwert bei der Betreuung von Flüchtlingen ein [7, 15]. Die vorliegende Empfehlung konzentriert sich bewusst auf
die Infektionsdiagnostik und Infektionsprävention, wohl wissend, dass Kindergesundheit weit darüber hinausgeht.
Weitere Handlungsempfehlungen von
Behörden und anderen Fachgesellschaften, die sich mit anderen gesundheitsbezogenen Aspekten und der psychosozialen Betreuung von Kindern und
Jugendlichen befassen, die als Flüchtlinge nach Deutschland kommen, sind
bereits publiziert [1, 15, 19] oder werden
folgen.
Die vorliegenden Empfehlungen sollen Ärzte und medizinisches Personal
in der medizinischen Versorgung von
Flüchtlingen im Kindes- und Jugendalter
unterstützen mit dem Ziel,
1. einen unvollständigen Impfschutz
frühzeitig zu erkennen und rasch zu
vervollständigen – zum individuellen
Schutz und um Ausbreitungen von
Infektionen zu verhindern,
2. übliche Infektionskrankheiten im
Kindes- und Jugendalter, auch vor
dem Hintergrund von Sammelunterkünften, Sprachbarrieren und
unterschiedlichen kulturellen Auffassungen, zu diagnostizieren und zu
behandeln und
3. in Deutschland seltene Infektionskrankheiten (z. B. Tuberkulose,
Malaria, Dengue-Fieber, kutane
Leishmaniose) frühzeitig zu erkennen und zu therapieren.
Der Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), die Deutsche GesellschaftfürPädiatrische Infektiologie (DGPI) und die Gesellschaft für Tropenpädiatrie und Internationale Kindergesundheit
(GTP) wollen mit dieser Stellungnah-
me Hilfestellung leisten, welche RoutineMaßnahmen in der Infektionsdiagnostik
und Infektionsprävention bei der medizinischen Versorgung von Flüchtlingen im
Kindes- und Jugendalter sinnvoll sind.
Die Stellungnahme beinhaltet keine
Empfehlungen zum individuellen Umgang akuter infektiologischer Probleme.
Hierzu wird auf Empfehlungen und
Leitlinien der Fachgesellschaften (z. B.
DGPI-Handbuch – Infektionen bei Kindern und Jugendlichen [6] oder RKI
– Infektionskrankheiten von A–Z [17])
verwiesen. Das Robert Koch-Institut hat
in einer aktuellen Publikation eine Liste
mit den häufigsten ungewöhnlichen Infektionskrankheiten zusammengefasst,
die bei der aktuellen Flüchtlingspopulation zu erwarten sind [15]. In . Tab. 1
sind die häufigsten Leitsymptome, ihre
wichtigsten infektiologischen Differenzialdiagnosen und eine Basisdiagnostik
tabellarisch zusammengefasst. Sollte die
Basisdiagnostik keinen wegweisenden
Befund erbringen, ist die Kontaktaufnahme zu einem pädiatrischen Infektiologen/einer pädiatrischen Infektiologin
oder einem Tropenmediziner/einer Tropenmedizinerin empfohlen.
Wichtig ist jedoch, zu betonen, dass
„klassische“ Infektionskrankheiten, z. B.
akute respiratorische Infekte, MagenDarm-Infektionen und pyogene Hautund Weichteilinfektionen bei Flüchtlingen häufiger sind als die in unseren
Breiten seltenen importierten Infektionskrankheiten. Ebenso wichtig ist die
Einschätzung, dass von Flüchtlingen weder für die Allgemeinbevölkerung noch
für ihre Helfer ein generelles erhöhtes Infektionsrisiko ausgeht. Flüchtlinge
sind aus infektiologischer Sicht keine
gefährliche, sondern aufgrund der besonderen Lebensumstände eine gefährdete Gruppe. Den Mitarbeitern in den
Gemeinschaftseinrichtungen für Flüchtlinge, auch den ehrenamtlich Tätigen
sowie der ansässigen Bevölkerung, sollte
in diesem Zusammenhang nochmals die
Bedeutung von Impfungen kommuniziert und ihnen ein Impfschutz nach
den Empfehlungen der STIKO – wann
immer möglich – angeboten werden.
Diese Stellungnahme basiert auf praktischen Erfahrungen von Experten der
pädiatrischen Infektiologie und der inDer Internist 5 · 2016
417
Zusammenfassung · Abstract
Internist 2016 · 57:416–433
© Die Autor(en) 2016
DOI 10.1007/s00108-016-0040-z
J. Pfeil · R. Kobbe · S. Trapp · C. Kitz · M. Hufnagel
Empfehlungen zur infektiologischen Versorgung von Flüchtlingen im Kindes- und Jugendalter in
Deutschland. Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie, der
Gesellschaft für Tropenpädiatrie und Internationale Kindergesundheit und des Berufsverbandes der
Kinder- und Jugendärzte
Zusammenfassung
Minderjährige Flüchtlinge in Deutschland
bilden eine besonders vulnerable Gruppe
in unserer Gesellschaft. Dabei spielen
Infektionskrankheiten eine wesentliche
Rolle bei der medizinischen Versorgung. Aus
infektiologischer Sicht sind Flüchtlinge keine
gefährliche, sondern aufgrund der besonderen
Lebensumstände eine gefährdete Gruppe.
Auch in Krisensituationen erfordern ethische
und ärztliche Verpflichtungen, ein Höchstmaß
an medizinischer Versorgung zu erreichen.
Die hier dargestellten Empfehlungen zur
Infektionsdiagnostik und -prävention von
Flüchtlingen im Kindes- und Jugendalter
dienen dazu, den Impfschutz zu optimieren
und Infektionskrankheiten, auch vor dem
Hintergrund von Sammelunterkünften,
Sprachbarrieren und unterschiedlichen
kulturellen Auffassungen, zu diagnostizieren,
zu behandeln und deren Weiterverbreitung zu
verhindern.
In den Erstaufnahmestellen sollen durch ein
Kurzscreening (besser durch eine frühzeitige
Basisuntersuchung) akute medizinische
Probleme, potenziell übertragbare Infektionen
(inkl. Tuberkulose), spezifische Impflücken,
aber auch andere behandlungsbedürftige
Erkrankungen erkannt und behandelt
werden. Die Dokumentation aller Befunde
ist essenziell, um Doppeluntersuchungen zu
vermeiden und die weitere Behandlung zu
optimieren. Hierfür ist eine funktionierende
Kommunikationsstruktur zu schaffen.
Nach Verteilung der Flüchtlinge auf die Kommunen sollen im Rahmen der ambulanten
und evtl. stationären Versorgung die von
der STIKO empfohlenen Standardimpfungen
vervollständigt und Flüchtlinge in allen
medizinischen Bereichen mit dem gleichen
medizinischen Niveau versorgt werden wie
die einheimische Bevölkerung. Wegen einer
höheren Prävalenz von multiresistenten
Erregern (MRE) in den Herkunftsländern ist
bei stationären Aufnahmen in vielen Fällen ein
MRE-Screening empfohlen.
Schlüsselwörter
Übertragbare Krankheiten · Stationär
behandelte Patienten · Prävention und
Kontrolle · Tuberkulose · Impfungen
Recommendations for the diagnosis and prevention of infectious diseases in pediatric and adolescent
refugees in Germany. Statement of the German Society of Pediatric Infectious Diseases, the Society of
Tropical Pediatrics and International Child Health, and the Professional Association of Pediatricians
Abstract
Child and adolescent refugees in Germany
represent a particularly vulnerable social
group and treating infectious diseases forms
a crucial part of providing their medical care.
From an infectious diseases perspective,
refugees themselves, as a result of their
difficult personal circumstances, are the
ones at highest risk. Even in crisis situations,
medical practitioners are medically and
ethically obliged to provide a high standard
of care. The guidelines presented here
propose recommendations for diagnosing
and preventing infectious diseases among
refugees under 18 in Germany. The guidelines
are intended to assist in optimizing vaccine
protection and treatment of diseases while
taking into consideration factors such as
ternationalen Gesundheit im Kindesund Jugendalter in Deutschland. Frühere Empfehlungen der Kommission
für Infektionskrankheiten und Impffragen der Deutschen Akademie für
Kinder- und Jugendmedizin (DAKJ;
zuletzt aktualisiert im Jahr 2013 [19])
bzw. der American Academy for Pedia-
418
Der Internist 5 · 2016
refugees’ challenging living conditions,
cultural differences and potential language
barriers.
Upon refugees’ arrival at the first housing
sites, it is recommended that a basic
clinical screening (and not just a brief visual
inspection) be provided in order to identify
and initiate treatment for acute medical
problems and potentially contagious diseases
(including tuberculosis), as well as to close
gaps in vaccination coverage. Documentation
of the clinical findings is critical, both to avoid
redundant investigations and to optimize
individual medical care. For this, an effective
communication system must be established.
Once refugees have been transferred into
their destination community, outpatient and
inpatient care providers should collaborate to
bring refugees up-to-date with all vaccines
recommended by STIKO (German Standing
Committee on Vaccination). The same high
standard of medical care should be delivered
to refugees as would be to the general
population. Due to the high prevalence
of multi-resistant organisms (MRO) in the
refugees’ countries of origin, MRO screening
is recommended for most patients receiving
inpatient care.
trics (zuletzt aktualisiert im Jahr 2012
[1]) und der US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention
(vom August 2012 [25]) wurden in der
Erstellung zum Teil berücksichtigt.
Die Empfehlungen der DAKJ [19] unterscheiden sich von dieser Stellungnahme, da zum einen die umfassende me-
dizinische Versorgung (nicht fokussiert
auf infektiologische Aspekte) abgehandelt ist und die Empfehlungen für „einzelne“ Immigranten/internationale Adoptivkinder gedacht sind. Die große Anzahl
der Flüchtlinge in Deutschland zwingt
neben der „bestmöglichen“ Versorgung
des Einzelnen, zusätzlich Kosten- und
Keywords
Communicable diseases · Inpatients ·
Prevention & control · Tuberculosis ·
Vaccination
Tab. 1 Symptom- und befundorientierte regionenspezifische infektiologische/tropenmedizinische Differentialdiagnosen bei Flüchtlingen im
Kindes- und Jugendalter
Leitsymptom/Leitbefund
Infektiologische/tropenmedizinische Erstdiagnostik bzw. Differentialdiagnostik
Akute Dysenterie (blutiger Stuhl,
Fieber, Bauchschmerzen)
Stuhluntersuchung auf pathogene Bakterien (Kultur) auf enteroinvasive bakterielle Infektionen (A–E)
Stuhluntersuchung auf Amoeben (Entamoeba histolytica) und Amoeben-Serologie bei V. a. Amoeben-Colitis (A–E)
Chronische Diarrhoe
(> 14 Tage)
Stuhluntersuchung auf Giardia lamblia (PCR/Antigen/Mikroskopie) (D–E)
Serologie auf HIV, insbesondere D, E
häufige DD: Laktoseintoleranz (inbesondere B, C, E)
Periodisches Fieber und Bauchschmer- Überweisung an Zentrum mit Fragestellung Familiäres Mittelmeerfieber (insbesondere Mittelmeeranraizen mit Erhöhung von Leukozyten, CRP nerstaaten)
und BSG
Fieber und Raumforderung Leber
Blutkultur
Amoebenserologie (DD Amoeben-Leberabszess; A–E) – Vorsicht: bei Patienten aus Endemiegebieten
kann eine positive Amoeben-Serologie auch eine serologische Narbe einer früheren Infektion darstellen
Zystische Raumforderung insbesondere Leber und/oder Lunge
Überweisung an Zentrum mit Fragestellung zystische Echinokokkose (A–E)
(Online-Anfrage über www.tropenmedizin-heidelberg.de– „Konsiliaranfrage Echinokokkose“)
Gedeihstörung, Pulmonale Symptomatik, pathologische Lymphknoten,
Aszites, Pleura-, Perikarderguss und
weitere Organmanifestationen extrapulmonaler Tuberkulose
THT und/oder IGRA, Bildgebung und mykobakterielle Diagnostik: pulmonale und extrapulmonale Tuberkulose (A–E)
Serologie auf HIV (insbesondere D, E)
Fieber ohne klinischen Fokus
Dicker Tropfen und dünner Blutausstrich, ggfls. ergänzend Schnelltest bis 1 Jahr nach Ankunft in Deutschland bei Malaria (Verdacht bereits medizinischer NOTFALL) (C, E)
Blutkultur (u. a. Salmonella typhi) bei u. a. Typhus abdominalis (A–E)
Leishmanien-Antikörper (insbesondere bei Hepatosplenomegalie und Panzytopenie) bei viszeraler Leishmaniasis (A–E)
Zerebraler Krampfanfall
Bildgebung (DD Neurozystizerkose; A–E)
Eosinophilie (> 500/nl)
Stuhl auf Wurmeier (3 Stuhlproben von verschiedenen Tagen) auf intestinale Helminthen (Wurmeier im
Stuhl sind oft erst verzögert nachweisbar, da Eosinophilie erst während der Gewebspassage ausgeprägt
ist)
Strongyloides-Serologie bzw. Strongyloides-PCR im Stuhl
Falls negativ,
umfangreiches Gewebshelminthen-Screening in Absprache mit pädiatrisch-infektiologischem/
tropenmedizinischem Zentrum
Transaminasenerhöhung
Serologie auf Hepatitis A, B, C und E, EBV, CMV (A–E)
Splenomegalie, ultrasonographische
Überweisung an pädiatrisch-infektiologisches/tropenmedizinisches Zentrum (DD gastrointestinale
Zeichen einer Leberfibrose, Zeichen der Schistosomiasis, insbesondere E)
portalen Hypertension
Rezidivierende Harnwegsinfekte,
ultrasonographische Zeichen von Blasenwandveränderungen, Harnabflussstörungen
Überweisung an pädiatrisch-infektiologisches/tropenmedizinisches Zentrum (DD urogenitale Schistosomiasis, insbesondere E)
Unklare Hautläsion – mit Juckreiz
Frage nach nächtlichem Juckreiz, Hautinspektion auf Kratzspuren und skabies-typische Prädilektionsstellen (intertriginös, Genitalbereich) zur DD Skabies
Unklare (chronische) Hautulzera
Überweisung an pädiatrisch-infektiologisches/tropenmedizinisches Zentrum (DD kutane Leishmaniose,
insbesondere B, C)
Die Tabelle gibt nur eine Orientierung über wichtige regionenspezifische Differenzialdiagnosen häufiger Leitsymptome und -befunde. Die Auswahl der
Regionen orientiert sich an der derzeitigen Häufigkeitsverteilung der Flüchtlingspopulationen in Deutschland:
A Westlicher Balkan, B Syrien, Irak, C Pakistan, Afghanistan, D Russische Föderation, Georgien, E Afrika südlich der Sahara.
Wird eine regionenspezifische infektiologische/tropenspezifische Verdachtsdiagnose gestellt, sollte sofort mit einem pädiatrisch-infektiologischen/
tropenmedizinischen Zentrum Kontakt aufgenommen werden – je nach Akutheit und insbesondere bei Verdacht auf Malaria am gleichen Tag.
Wird keine Verdachtsdiagnose gestellt und persistieren die Symptome und Befunde, die zur Abklärung geführt haben, ist ebenfalls eine Kontaktaufnahme
mit einem Zentrum für pädiatrische Infektiologie/Tropenmedizin empfohlen.
Der Internist 5 · 2016
419
Schwerpunkt: Medizin für Migranten
Praktikabilitätsaspekte zu berücksichtigen.
Gesundheitssystem und
gesetzliche Vorschriften
Kontakt zum deutschen Gesundheitssystem haben Flüchtlinge auf verschiedene
Arten.
Kurzscreening in den Erstaufnahmestellen
Ziel des Kurzscreenings (der „Inaugenscheinnahme“) ist
1. die Früherkennung von potenziell
übertragbaren Erkrankungen und
2. die Entscheidung, ob der neu angekommene Flüchtling in der Erstaufnahmestelle verbleiben kann
oder sich akut in medizinische Behandlung (ambulant oder stationär)
begeben muss.
Eine „Inaugenscheinnahme“ findet unmittelbar nach Ankunft der Flüchtlinge
in der Erstaufnahmestelle statt. Hier spielen Durchfallerkrankungen, exanthematöse Erkrankungen und andere Erkrankungen mit hohem Übertragungsrisiko
(insbesondere die Tuberkulose) eine entscheidende Rolle.
Die Tuberkulose ist in den Herkunftsländern der Flüchtlinge häufiger
als in Deutschland. Flucht, unzureichende medizinische Versorgung und
beengte sowie unhygienische Lebensbedingungen bergen ein zusätzliches
Risiko, eine Tuberkulose zu erwerben
oder zu reaktivieren. Gemäß § 36, Abs. 4
des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) soll
vor oder unverzüglich nach Aufnahme in eine Gemeinschaftsunterkunft/
Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge oder Asylbewerber das Vorliegen
einer ansteckungsfähigen Lungentuberkulose ausgeschlossen werden. Dafür
sieht der Gesetzgeber die Ausstellung
einer medizinischen Bescheinigung vor.
Gesetzliche Vorgaben, wie dieser Ausschluss zu führen ist, existieren nur für
Erwachsene und Jugendliche ab 15 Jahre. Für diesen Personenkreis muss sich
die medizinische Bescheinigung (mit
Ausnahme von Schwangeren) auf eine
Röntgenaufnahme der Lunge stützen.
420
Der Internist 5 · 2016
Für alle asylsuchenden Kinder und Jugendliche < 15 Jahren empfiehlt die
Arbeitsgruppe „AWMF-Leitlinie Diagnostik, Prävention und Therapie der
Tuberkulose im Kindes- und Jugendalter“ ein immundiagnostisches Tuberkulose-Screening mittels TuberkulinHauttest (THT) oder Interferon-gamma
Release Assay (IGRA) [2]. Bei positivem
Testergebnis sollen weitere Abklärungen
und eine Therapie gemäß bestehenden
nationalen Empfehlungen erfolgen [6].
Die praktische Umsetzbarkeit eines
solchen allgemeinen Tuberkulosescreenings erfordert personelle und logistische
Unterstützung für die vor Ort Tätigen
durch Politik und Geldgeber. Ohne eine
solche Unterstützung wird ein flächendeckendes, zeitnahes Screening nicht
möglich sein. Für die infektionshygienische Überwachung ist nach § 36 (1)
IfSG der Öffentliche Gesundheitsdienst
(ÖGD) verantwortlich.
Der Umfang des Kurzscreenings ist
gesetzlich nicht vorgegeben.
Die Autoren dieser Stellungnahme
unterstützen das Kölner Statement zur
medizinischen Versorgung von Flüchtlingen vom 23.9.2015 [11], in dem es
heißt, dass die reine (ärztliche) „Inaugenscheinnahme“ – neben einer möglichen
Traumatisierung des Flüchtlings – eine
Vergeudung von wertvollen Ressourcen
ist, da für die Identifikation von vermeintlichen Ansteckungsgefahren eine
strukturierte Anamnese und eine gezielte Untersuchung notwendig sind. Als
bessere Alternative soll geschultes medizinisches Fachpersonal wie z. B. Gesundheits- und (Kinder-)Krankenpfleger und
-pflegerinnen, medizinische Fachangestellte/Arzthelfer und Arzthelferinnen
oder Sanitäter und Sanitäterinnen in ausreichender Zahl und mit ausreichendem
Zeitdeputat in allen Erstaufnahmestellen als Ansprechpartner für alltägliche
gesundheitliche Fragestellungen vorgehalten werden. Bei Notwendigkeit
einer ärztlichen Expertise sollen die
Flüchtlinge dann ärztlichem Personal
vorgestellt werden. Idealerweise sollen
Kurzscreening und Basisuntersuchung
zusammengefasst werden.
Während die „Inaugenscheinnahme“
grundsätzlich zeitnah und ganztägig bei
Ankunft der Personen erfolgen sollte, er-
folgt die Basisuntersuchung zu festgelegten geordneten Sprechstundenzeiten im
Tagesrhythmus der Einrichtung – möglichst innerhalb von 24 Stunden nach
Ankunft in der Erstaufnahmestelle.
Basisuntersuchung in den
Erstaufnahmestellen
Die Basisuntersuchung („Gesundheitscheck“) sollte bei Flüchtlingen im Kindes- und Jugendalter idealerweise von
einem Kinder- und Jugendarzt durchgeführt werden. Ziel dieser Untersuchung
ist das Erkennen von
1. potenziell übertragbaren Erkrankungen und von
2. akut behandlungsbedürftigen, (auch)
nicht infektiologischen Grunderkrankungen.
Diese Untersuchung soll zeitnah nach der
Erstaufnahme stattfinden, sie erfolgt ohne Behandlungsschein und wird von den
Behörden, die für die Erstaufnahmestellen zuständig sind, organisiert und finanziert.
Der § 62 des Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) legt fest, dass zum
Erkennen von kontagiösen Erkrankungen bestimmte Untersuchungen vom
Flüchtling bzw. vom Asylbewerber/von
der Asylbewerberin geduldet werden
müssen. Hierzu können z. B. auch eine
Blutentnahme, eine Stuhluntersuchung
und ein Röntgenbild des Thorax gehören.
Der Umfang der Basisuntersuchung
ist gesetzlich nicht vorgegeben.
Die Dokumentation der Befunde der
Basisuntersuchung ist essenziell, um
nachfolgenden medizinischen Einrichtungen die Informationen zur Verfügung
zu stellen und Doppeluntersuchungen zu
vermeiden! Ein Dokument über die Basisuntersuchung soll dem Flüchtling/dem
Asylsuchenden mitgegeben werden, entweder in Papierform oder elektronisch
(als digitales Medium könnten z. B. auch
Fotoaufnahmen von Papierdokumenten
mit den Smartphones der Flüchtlinge
benutzt werden, in dessen Besitz viele
Flüchtlinge sind). Ein entsprechendes
Papierdokument ist z. B. in Bremen als
„Bremer Gesundheitsheft“ entwickelt
worden1. Zusätzlich sollte eine elektronische, zentrale Dokumentation und
Abb. 1 9 Inhalte der infektiologischen Versorgung
von Flüchtlingen im Kindes- und Jugendalter in
Deutschland
Übermittlung der Befunde angestrebt
werden, auf die nachfolgende Untersuchungsstellen zurückgreifen können.
Ambulante Vorstellung bei
niedergelassenen Ärzten/
Ärztinnen
Eine Vorstellung bei den niedergelassenen Kollegen und Kolleginnen, die Kinder und Jugendliche versorgen, kann zur
Basisuntersuchung (falls diese nicht in
den Erstaufnahmestellen geleistet wird)
oder bei akuten Erkrankungen erfolgen.
Im letzteren Fall sollten die Flüchtlinge –
je nach landesrechtlicher Regelung – im
Besitz einer Gesundheitskarte oder eines
Behandlungsscheins sein, der nach Einzelantrag vom für sie zuständigen Sozialamt oder der Regierungsbehörde ausgestellt wird. In manchen Bundesländern,
wie z. B. Nordrhein-Westfalen, reicht ein
von der Erstaufnahmestelle vergebener
Behandlungsschein zur ambulanten Weiterbehandlung aus. In Ländern wie Bre1
Das Dokument kann unter www.bvkj.de/
mitglieder/medien-und-materialien als pdf-Datei heruntergeladen werden.
men und Hamburg erhalten Flüchtlinge
nach ihrer Registrierung eine Gesundheitskarte. Mit dieser fallen Einzelanträge
auf Behandlungsscheine weg und erleichtern die medizinische Versorgung (mit
reduziertem Leistungsanspruch gemäß
AsylbLG). Entsprechende Versichertenkarten sollten in allen Bundesländern ausgestellt werden.
Stationäre Vorstellung in den
Kinderkliniken bei akuten
Erkrankungen
Auch für diese Behandlung sollte eine
Gesundheitskarte bzw. ein Behandlungsschein des zuständigen Sozialamtes oder
der Regierungsbehörde vorliegen, über
den die Übernahme der Behandlungskosten gesichert ist. Notfallbehandlungen sind immer ohne Behandlungsschein
zu leisten.
Praktisches Vorgehen
BVKJ, DGPI und GTP schlagen folgendes Untersuchungsprogramm bei
Flüchtlingen im Kindes- und Jugendalter nach Ankunft in Deutschland für
die Erkennung und Prävention von
Infektionskrankheiten vor (zusammenfassende Darstellung in . Abb. 1). Dabei
sollte zur optimalen Nutzung ärztlicher
Ressourcen das Kurzscreening mit der
Basisuntersuchung kombiniert werden.
Wichtig ist die Verfügbarkeit von Dolmetschern, wenn keine ausreichenden
Deutschkenntnisse bei den Flüchtlingen vorhanden sind. Die Autoren der
Stellungnahme befürworten eine Finanzierung von Dolmetschern über die
gesetzlichen Krankenkassen.
Basisuntersuchung in den
Erstaufnahmestellen
Ziel der Basisuntersuchung ist der Ausschluss von übertragbaren Infektionskrankheiten, akut behandlungsbedürftigen Erkrankungen und die Erhebung
des Impfstatus. Das Untersuchungsprogramm umfasst Routineuntersuchungen, die obligat alle Flüchtlinge
erhalten sollen, sowie spezielle Untersuchungen, die fakultativ bei bestimmten
anamnestischen Hinweisen, Symptomen
oder Befunden ergriffen werden sollen.
Der Internist 5 · 2016
421
Schwerpunkt: Medizin für Migranten
Letztere sind unter Punkt „Ambulante
Vorstellung“ dargestellt.
Empfohlene Routineuntersuchungen von Kindern und
Flüchtlingen
Anamnese
1. Aktuelle Beschwerden und Vorerkrankungen
j
Hinweise auf übertragbare Erkrankungen, insbesondere exanthematöse Haut-, Durchfall- und
Atemwegserkrankungen (inklusive
Tuberkulose)
j
Akut behandlungsbedürftige Erkrankungen
j
Akut psychische Dekompensationsrisiken2
2. Familienanamnese und Begleitpersonen
j
Wer sind die Begleitpersonen? (Mit
Dokumentation der Telefonnummer(n) der Begleitpersonen)
j
Ansteckende Erkrankungen der
Begleitpersonen (insbesondere
Tuberkulose)
3. Überprüfen der vorhandenen Dokumentation bekannter TuberkulinHauttest-Ergebnisse oder Bluttests
für Tuberkulose
Erfragen des Impfstatus3
4 Nur Impfpässe oder Arztbriefe zählen
als offizielle Impfdokumente4
Klinische Untersuchung
4 Gewicht, Länge
4 Körperliche Untersuchung mit spezieller Beachtung von
j
Haut: Hinweise auf Infektionen
(u. a. Erkennen von Skabies, Läusebefall, Pyodermie, Masern,
Varizellen), Verletzungen
2
Ein Screening auf posttraumatische Belastungsstörungen (engl. posttraumatic stress
disorder, PTSD) ist prinzipiell sinnvoll, sollte
jedoch nur dann angeboten werden, wenn
auch eine psychologische Nachbetreuung im
Fall eines positiven Ergebnisses gewährleistet
ist. Andernfalls wird eine erneute Traumatisierung durch die Befragung, die nicht adäquat
behandelt werden kann, riskiert.
3 Infos über ausländische Impfpläne: http://
apps.who.int/immunization_monitoring/
globalsummary/schedules
422
Der Internist 5 · 2016
j
Lymphknoten (insbesondere tu-
berkulöse Lymphadenitis als häufigste extrapulmonale Manifestation)
j
Herz, Lunge, Abdomen
Erklärungen bzw. Begründungen des Untersuchungsprogramms:
1. Grundlage für die Erkennung von
behandlungsbedürftigen Infektionskrankheiten sind die Anamnese sowie
die körperliche Untersuchung. Aus
logistischen Überlegungen werden
diese im Rahmen einer Basisuntersuchung knapper und fokussierter
gehalten, mit dem Ziel, schwere sowie
hoch ansteckende Infektionskrankheiten zu erkennen.
2. Die Impfanamnese stellt einen wichtigen Teil der Basisuntersuchung dar.
Hierdurch können Impflücken sicher
erkannt werden und die notwendigen
Nachholimpfungen zeitnah veranlasst werden, was insbesondere vor
dem Hintergrund von Sammelunterkünften mit hohem Infektionsrisiko
wichtig ist.
3. Kontrovers diskutiert werden können die Notwendigkeit und der
Umfang einer Blutentnahme im
Rahmen der Basisuntersuchung.
Gerade bei Kindern bedeutet die
Blutentnahme einen hohen logistischen Aufwand. Demgegenüber
ist die frühzeitige Erkennung mit
Einleitung adäquater Therapie- und
4 In einer aktuellen Stellungnahme des Robert Koch-Instituts vom 5.10.2015 [16] können
bei Flüchtlingen ausnahmsweise mündliche
Angaben zu erfolgten Impfungen auch ohne
Impfdokumente Berücksichtigung finden, sofern sie als glaubwürdig eingeschätzt werden.
Eine solche Ausnahme kann bei Flüchtlingen
aus Syrien gemacht werden,die vor 2010 geimpft
worden sind. Syrien hatte vor dem Ausbruch
des Bürgerkriegs ein effizientes Impfprogramm
mit exzellenten Impfraten. Wenn die Eltern
oder der/die Jugendliche glaubhaft versichern
können, dass vor Ausbruch des Bürgerkriegs
eine vollständige Immunisierung nach dem
syrischen Impfplan erfolgte, kann auf die
Durchführung von vielen Nachholimpfungen
verzichtet werden (Ausnahmen: Varizellen und
Meningokokken Gruppe C bzw. ACWY Konjugatimpfstoff, da diese in Syrien nicht im
Impfprogramm enthalten sind). Bleiben Zweifel, gilt das empfohlene Vorgehen bei den
Nachholimpfungen.
Präventionsmaßnahmen bei einigen
Infektionskrankheiten nur durch
Laboruntersuchungen möglich. Beispielsweise ist die Prävalenz der
Hepatitis B in den Ursprungsländern
der Flüchtlinge deutlich höher als
in Deutschland (Balkanstaaten und
Naher Osten im Bereich von je 2–4 %,
in afrikanischen Ländern südlich der
Sahara 5 bis > 8 % [22]). Auf Hepatitis B wird in diesen Ländern während
der Schwangerschaft üblicherweise
nicht gescreent.
4. Die routinemäßige Durchführung
eines Tuberkulose-Screenings ist aufgrund der Vielzahl von Flüchtlingen
eine Herausforderung für die praktische Umsetzung. Begründet wird die
medizinische Notwendigkeit eines
routinemäßigen Screenings mit der
erhöhten Prävalenz der Tuberkulose
innerhalb von Risikopopulationen
wie Flüchtlingen [2]. Zuverlässige Daten zur Prävalenz der Tuberkulose bei
Flüchtlingen in Deutschland fehlen.
Die Prävalenz dürfte aber mindestens
so hoch liegen wie im jeweiligen
Herkunftsland der Flüchtlinge. Herkunftsländer von Flüchtlingen mit
sehr hoher Tuberkuloseinzidenz
(d. h. > 100 pro 100.000) sind: Afghanistan, Eritrea, Nigeria, Pakistan und
die Ukraine [24]. Allerdings ist bekannt, dass Prävalenzdaten aufgrund
der vielfältigen Expositionsrisiken in
Krisengebieten ohne ausreichende
medizinische Versorgung und während der Flucht unzuverlässig sind. In
einem systemischen Review, der die
nationalen Prävalenzdaten mit jenen
in Krisenregionen verglich, konnte
gezeigt werden, dass die Raten in
Krisenregionen 2- bis 20-fach erhöht
sind [13]. In die Abwägung eines routinemäßigen Tuberkulosescreenings
muss letztendlich auch mit einbezogen werden, dass das Risiko einer
Tuberkuloseübertragung, das von
Kindern ausgeht, deutlich geringer
ist als bei Erwachsenen (auch wenn
Ansteckungen durch Sputum-negative Kinder und durch Säuglinge
beschrieben sind).
Falls ein routinemäßiges Tuberkulosescreening mit THT oder IGRA
personell und organisatorisch nicht
bei allen Kindern und Jugendlichen in den Erstaufnahmestellen
umsetzbar ist, sollte das Screening
zeitlich prioritär im Rahmen der
Basisuntersuchung bei Vorliegen
eines der folgenden Kriterien [10]
durchgeführt werden: (1) bekannter
Tuberkulose-Kontakt, (2a) Gewichtsstagnation oder Gewichtsverlust, (b) Husten > 2 Wochen Dauer,
(c) unerklärtes Fieber > 1 Woche,
(d) persistierende Müdigkeit, oder
(3) Herkunft aus einem Land mit
hoher Tuberkuloseinzidenz (> 100
pro 100.000 Bewohner). Das fehlende Tuberkulosescreening soll unter
Angaben der Gründe dokumentiert
und zeitnah bei allen Kindern und
Jugendlichen nachgeholt werden.
5. Eine routinemäßige Röntgenuntersuchung des Thorax zum Ausschluss
einer Lungentuberkulose, wie sie bei
erwachsenen Flüchtlingen Standard
ist, ist bei Kindern und Jugendlichen unter 15 Jahren aufgrund der
niedrigen Sensitivität bei relevanter Strahlenbelastung abzulehnen.
Bei Jugendlichen ab 15 Jahren ist
nach IfSG eine Röntgen-ThoraxUntersuchung vorgeschrieben, um
das Nichtvorliegen einer infektiösen
Lungentuberkulose bescheinigen zu
können [18].
Wichtig wäre zum Zeitpunkt der Basisuntersuchung bereits die Erkennung
akuter und chronischer behandelbarer
Erkrankungen. Zeitliche Limitationen
und Kommunikationsschwierigkeiten
im Rahmen der Basisuntersuchung erschweren oder verhindern einen solchen
Anspruch. Die Diagnostik muss dann auf
die ambulante Versorgung nach Verteilung der Flüchtlinge auf die Kommunen
verschoben werden.
Da die Erfahrungen im Umgang mit
einer großen Anzahl an Flüchtlingen bisher beschränkt sind, müssen die Empfehlungen dieser Stellungnahme im Verlauf
an neue Erkenntnisse angepasst werden
(„work in progress“).
Empfohlene Impfungen in
Erstaufnahmestellen
Frühzeitige Impfungen der Flüchtlinge
nach Ankunft in Deutschland sollen
1. den individuellen Schutz des Flüchtlings sicherstellen und
2. Ausbrüche impfpräventabler Infektionserkrankungen verhindern oder
begrenzen.
Um zeitnah eine hohe Impfquote sicherzustellen, sind Impfangebote so früh als
möglich nach Ankunft in den Räumlichkeiten der Aufnahmeeinrichtungen empfohlen (sogenannte Kohortenimpfung).
Dazu sollen alle Flüchtlinge einen vollständigen Impfschutz bzw. eine Erstimpfung nach den aktuellen STIKO-Empfehlungenzur„Umsetzung frühzeitigerImpfungen bei Asylsuchenden nach Ankunft
in Deutschland“ aufweisen bzw. erhalten
[16].
Im Fokus der Verhinderung von
Ausbrüchen steht ein möglichst rascher
Impfschutz gegen Masern, Mumps, Röteln und Varizellen. Unter Berücksichtigung von Kontraindikationen (z. B.
Schwangerschaft, schwere Immunsuppression) haben Lebendimpfungen gegen diese Viruserkrankungen bei Nichtgeimpften in den Gemeinschaftseinrichtungen die höchste Priorität5 . Auf
eine Varizellenimpfung kann verzichtet
werden, wenn durch die Eltern eine
Varizellenerkrankung in der Anamnese
des Kindes glaubhaft angegeben wird.
Darüber hinaus sind in Gemeinschaftseinrichtungen Ausbrüche von
invasiven Meningokokkenerkrankungen
(wie Meningitis, Sepsis), Pertussis und
Influenza gefürchtet, weshalb diese Impfungen zusätzlich zu den Standardimpfungen allen Flüchtlingen im Kindesund Jugendalter in Erstaufnahmeeinrichtungen angeboten werden sollen.
Die Standardimpfung gegen Rotaviren soll jungen Säuglingen STIKO-kon5 Um Ausbrüche ausreichend sicher vermeiden
zu können, ist eine einmalige MMR+V-Impfung
zunächst ausreichend. Die 1. Impfdosis sollte
im Alter von 9 Monaten (bis zu einem Alter
von 6 Jahren) aufgrund eines möglicherweise
höheren Fieberkrampfrisikos als getrennte
MMR+V-Impfung verabreicht werden [14], kann
aber aus medizinischen oder organisatorischen
Gründen auch als MMRV-Vierfachimpfung
verabreicht werden [16]. Die 2. MMRV-Impfung
(bevorzugt als Vierfachimpfstoff) soll zu Beginn
des 2. Lebensjahres [14] nachgeholt werden.
Hinweis: Der Vierfachimpfstoff Priorix Tetra® ist
nur bis zu einem Alter von 12 Jahren zugelassen.
form verabreicht werden. Dadurch kann
das Risiko für Rotavirusausbrüche in den
Einrichtungen reduziert werden.
Auch Hepatitis A kann prinzipiell zu
Ausbrüchen in Gemeinschaftseinrichtungen führen, allerdings ist derzeit die
Ausprägung des Risikos nicht bekannt,
weshalb zum jetzigen Zeitpunkt eine
routinemäßige Hepatitis-A-Impfung in
Erstaufnahmestellen nicht empfohlen
werden kann.
Aufgrund des Ausbreitungspotentials
von Varizellen-Infektionen in Gemeinschaftseinrichtungen soll die erste Impfung – als MMR + V-Impfung – ab dem
Alter von neun Lebensmonaten vorgezogen werden. Die 2. MMRV-Impfung
sollte zu Beginn des 2. Lebensjahres gegeben werden, um einen optimalen Schutz
vor Masern zu haben. Dabei muss ein
Mindestabstand von 4–6 Wochen zur
1. MMRV-Impfung beachtet werden. Da
die Impftiter bei einer so frühen Immunisierung niedriger ausfallen, ist eine
3. MMRV-Impfung zwischen dem Alter von 15 und 23 Monaten (mindestens
3 Monate Abstand zur 2. MMRV-Impfung) empfohlen.
Bei bestehendem fehlenden Impfschutz gegen Pertussis soll diese Impfung – je nach Alter des Flüchtlings und
Impfstatus – mit Diphtherie, Tetanus,
Poliomyelitis, ggf. auch mit Hepatitis B
und H. influenzae Typ b kombiniert
werden. Siehe dazu die aktuellen Impfempfehlungen der STIKO [14].
Bei der Rotavirusimpfung ist zu beachten, dass möglicherweise ein geringfügig
erhöhtes Risiko für Darminvaginationen
(ca. 1–2 Fälle pro 100.000 geimpfte Kinder) innerhalb der 1. Woche nach der
1. Rotavirusimpfung besteht. Dieses Risiko nimmt mit dem Alter der Impflinge zu.
Daher empfiehlt die STIKO dringend, die
Impfserie frühzeitig – spätestens bis zum
Alter von 12 Wochen – zu beginnen und
vorzugsweise bis zum Alter von 16 Wochen (Rotarix® ) bzw. von 20–22 Wochen
(RotaTeq®) abzuschließen. Die Impfserie
muss für Rotarix® auf jeden Fall bis zum
Alter von 24 Wochen und für RotaTeq® bis
zum Alter von 32 Wochen abgeschlossen
sein. Die Sorgeberechtigten müssen über
die klinischen Symptome einer Invagination aufgeklärt werden können (cave:
Sprachbarriere) und auch kurzfristig eine
Der Internist 5 · 2016
423
Schwerpunkt: Medizin für Migranten
Bestehende Impflücken gegen
Masern, Mumps, Pertussis, Röteln
und Varizellen sollen bei der
Erstuntersuchung erkannt und
durch entsprechende Impfungen
möglichst zeitnah geschlossen
werden [16].
1. Dabei haben der Impfschutz gegen
Masern, Mumps, Röteln und Varizellen aus
Sicht des Patienten und der Gemeinschaft
die höchste Priorität.6
2. Danach folgt in der Dringlichkeit der
Individualschutz gegen Tetanus sowie
der Schutz vor Diphtherie, Poliomyelitis
und Pertussis (der auch aus der Sicht
der Gemeinschaft zu fordern ist, um
Ausbrüche zu verhindern).
3. Die Impfung aller Flüchtlinge im Kindesund Jugendalter in Gemeinschaftseinrichtungen gegen Influenza, Meningokokken
der Serogruppe C7 und bei Säuglingen unter 3 Monaten gegen Rotaviren (Abschluss
der Impfung vorzugsweise bis zum Alter
von 16–22 Wochen) ist zur Vermeidung
der Ausbreitung von Ausbrüchen sinnvoll.
4. Auch die Standardimpfungen gegen
Pneumokokken und humane Papillomaviren sollen zeitnah verabreicht werden,
möglichst bevor die Flüchtlinge auf die
Kommunen verteilt werden.
6
Um Ausbrüche ausreichend sicher vermeiden
zu können, ist eine einmalige MMRV-Impfung
zunächst ausreichend. Die 2. MMRV-Impfung
kann zu einem späteren Zeitpunkt (d. h. zu
Beginn des 2. Lebensjahres [14]) nachgeholt
werden.
7 Statt der in Deutschland empfohlenen Standardimpfung gegen Meningokokken der SerogruppeCistbeiFlüchtlingenausdenderzeitigen
Regionen die Impfung mit einem tetravalenten MenACWY-Konjugatimpfstoff alternativ zu
erwägen, da die Flüchtlinge aus Ländern mit
höherer Prävalenz von Meningokokken der
Serogruppen A, W, Y kommen, deshalb mit
diesen Erregern besiedelt sein können (was zu
Ausbrüchen führen kann) und möglicherweise
zu einem späteren Zeitpunkt Reisen in ihre Heimatländer (als sogenannte „Visiting Friends and
Relatives“ (VFR)) unternehmen. Aufgrund des
vergleichbaren Preises der MenACWY-Konjugatimpfstoffe mit den MenC-Impfstoffen fallen bei
VerwendungvonMenACWYkeine wesentlichen
Zusatzkosten an.
424
Der Internist 5 · 2016
medizinische Vorstellung gewährleistet
sein, falls ein Säugling symptomatisch
wird.
Zu den empfohlenen Impfungen von
medizinischem Personal und (ehrenamtlichen) Helfern wird auf die Anlage 4
der STIKO-Empfehlung vom 5. Oktober 2015 verwiesen [16].
Ambulante Vorstellung
Ambulante Vorstellungen bei Ärzten und
Ärztinnen, die Kinder und Jugendliche
versorgen, können zur Basisuntersuchung oder bei behandlungsbedürftigen
akuten oder chronischen Erkrankungen
erfolgen. Im Erkrankungsfall muss das
Untersuchungsprogramm symptomorientiert individuell bestimmt werden. Bei
Verdacht auf eine importierte Infektionskrankheit oder bei positiven Screeningbefunden soll frühzeitig Kontakt mit
einem pädiatrischen Infektiologen/einer
pädiatrischen Infektiologin oder einem
Tropenmediziner/einer Tropenmedizinerin aufgenommen werden.
Anamnese und klinischer
Untersuchungsbefund
Neben Anamnese und klinischer Untersuchung (siehe . Tab. 2 und 3) sollen
ein Basislabor bei allen Flüchtlingen abgenommen werden und ein Tuberkulosescreening durchgeführt werden, wenn
dieses noch nicht in den Erstaufnahmestellen gemacht wurde.
Zur Weitergabe bereits erhobener medizinischer Befunde ist eine Kommunikationsstruktur/-kultur zwischen der lokalen Erstaufnahmestelle und den lokalen Praxisärzten und -ärztinnen notwendig. Eine solche Struktur existiert derzeit nicht flächendeckend und sollte aufgebaut werden. Hierbei sollten – außer
bei akuter Notwendigkeit – die Untersuchungen möglichst dort zugeordnet werden, wo die strukturellen Bedingungen
für die erforderliche Compliance und
mögliche Therapie angenommen werden
kann. Dies ist eher erst in der aufnehmenden Kommune der Fall. Selbstverständlich kann aufgrund von Befunden aus
der Anamnese und/oder der klinischen
Untersuchung des Kindes/Jugendlichen
eine Erweiterung dieses Basislabors medizinisch indiziert sein.
Blutentnahme
Als Basislaboruntersuchungen werden
Blutbild und Differenzialblutbild bestimmt. Weitere routinemäßige Blutentnahmen werden nur bei Flüchtlingen
aus bestimmten Hochprävalenzgebieten8
für ausgewählte Infektionskrankheiten
empfohlen:
4 Serologien auf HIV9 (idealerweise
kombinierter Antigen-Antikörpertest),
4 Hepatitis B (HBs-Antigen).
Erklärungen bzw. Begründungen des Untersuchungsprogramms:
1. Die Prävalenz einer Anämie, in
erster Linie einer EisenmangelAnämie (aber auch Hämoglobinopathien), ist bei Flüchtlingen hoch
[1, 25] und kann jedoch auch auf
eine chronische Infektion (z. B. HIV,
Tuberkulose) hinweisen. Über das
Differenzialblutbild kann außerdem
eine Eosinophilie erkannt werden,
die auf eine parasitäre Infektionserkrankung hinweisen und eine weitere
Abklärung erfordern kann.
2. Die Auswahl der serologischen
Testungen beschränkt sich auf chronische Infektionserkrankungen, die
auch bei asymptomatischen Patienten entweder eine Therapie (HIV, ggf.
Hepatitis B) erfordern oder ein wesentliches Übertragungsrisiko (HIV,
Hepatitis B) aufweisen. Eine Testung
auf Hepatitis C wird derzeit nicht
empfohlen, da bisher für die Pädiatrie
keine allgemein akzeptierte Therapie existiert und keine spezifische
Prophylaxe möglich ist.
Eine Untersuchung von Antikörpern
gegen spezielle tropische Infektionserreger wird bei anamnestischen und
klinischen Hinweisen regionenspezifisch neben anderen Nachweisverfahren durchgeführt, in der Regel jedoch
durch Tropenmediziner und -medizinerinnen. Es wird in nächster Zeit
8
Als Hochprävalenzländer gelten Länder mit
einer Erkrankungsprävalenz von ≥ 1 % für HIV
(d. h.derzeit nurinLänderninSub-Sahara Afrika;
nicht Naher und Mittlerer Osten, z. B. Syrien) [23]
bzw. ≥ 8 % für Hepatitis B (d. h. derzeit nur in
Ländern in Sub-Sahara Afrika; nicht Naher und
Mittlerer Osten, z. B. Syrien) [22].
9
Ein informiertes Einverständnis wird benötigt
Tab. 2 Anamnese bei Flüchtlingen im Kindes- und Jugendalter
Unterlagen zu Schwangerschaft und Geburt (falls zugänglich; v. a. bei Kindern < 6 Jahren)
– Mütterliche Risikofaktoren vor/während der Schwangerschaft (z. B. Hepatitis-B-, Hepatitis-C-,
HIV-, Lues-Status, mütterliche Medikamente, Drogen, Alkohol, Nikotin)
– Schwangerschaftswoche, Geburtsmodus, Geburtsgewicht, Geburtslänge, Kopfumfang bei
Geburt, APGAR-Werte
– Geburts- oder postnatale Komplikationen
– Ergebnisse des Neugeborenen-Stoffwechselscreenings bzw. -Hörscreenings
Perzentilenkurven inkl. Kopfumfang (internationale WHO-Kurvena verwenden)
Vernachlässigung, Missbrauch, Gewaltanwendungb
Ernährung (v. a. Eisen, Kalzium, Vitamin D, Iod)
Meilensteine der Entwicklung
Verhaltensauffälligkeiten
Labor- oder bildgebende Vorbefunde
Impfstatusc
Tuberkulin-Hauttest- oder IGRA-Ergebnisse
Vorerkrankungenc (v. a. Hinweise auf chronische Erkrankungen)
Allergien
Medikamenteneinnahme
Arztberichte
Familienanamnese
Umweltrisiken (z. B. Blei-, Nikotin-Exposition)
Institutionalisierung
Aktuelle Beschwerdenc (insbesondere Fragen nach Husten, Fieber, Gewichtsverlust, Nachtschweiß, Hauterscheinungen, Juckreiz, Durchfall, Erbrechen, akute Schmerzen)
. Tab. 2 und 3 sind als Orientierungshilfe gedacht, an welche anamnestischen und klinischen
Befunde bei der medizinischen Versorgung von Flüchtlingen im Kindes- und Jugendalter gedacht
werden soll.
a
Zusätzlich internationale WHO-Kurven (www.who.int/childgrowth/en) verwenden.
b
Ein Screening auf posttraumatische Belastungsstörungen (engl. posttraumatic stress disorder, PTSD)
ist prinzipiell sinnvoll, sollte jedoch nur dann angeboten werden, wenn auch eine psychologische
Nachbetreuung im Fall eines positiven Ergebnisses gewährleistet ist. Andernfalls wird eine erneute
Traumatisierung durch die Befragung, die nicht adäquat behandelt werden kann, riskiert.
c
Mindestanforderungen an Anamnese und Untersuchung im Rahmen einer Basisuntersuchung.
noch zu diskutieren sein, ob nicht
regionenspezifisch ein Screening
z. B. bzgl. Schistosomiasis sinnvoll
ist, da chronische Infektionen lange
asymptomatisch (und ohne Eosinophilie) verlaufen und zu schweren,
irreversiblen Schäden führen können.
3. Eine routinemäßige Untersuchung
von Urin oder Stuhl ist ohne entsprechende Symptomatik nicht sinnvoll
[25]. Bevor ein Stuhlscreening allgemein empfohlen werden kann,
sind regionenspezifische Daten zur
Prävalenz von Darmparasitosen unter den Flüchtlingen im Kindes- und
Jugendalter in Deutschland notwendig. Erst wenn diese Daten vorliegen,
kann über die empirische Gabe
von luminalen Antihelmintika (z. B.
Mebendazol) als Alternative [20]
zum Stuhlscreening oder gar keiner
Maßnahme entschieden werden.
Eventuell muss ein immundiagnostisches
Tuberkulosescreening mittels Tuberkulin-Hauttest (THT) oder Interferongamma Release Assay (IGRA)10 nachgeholt werden, falls ein solches nicht in der
Erstaufnahmeeinrichtung stattgefunden
hat.Ein Tuberkulosescreening soll nach
denVorgabenderArbeitsgruppe „AWMFLeitlinie Diagnostik, Prävention und
Therapie der Tuberkulose im Kindes10
Der IGRA hat den Vorteil gegenüber dem
THT, dass keine zweite Vorstellung zum Ablesen
des Testergebnisses notwendig ist und keine
falsch-positiven Screening-Ergebnisse bei Z. n.
BCG-Impfung erfasst werden. Dafür ist der Test
teurer als der THT und die Test-Performance bei
Kindern unter 5 Jahren ist nicht ausreichend
evaluiert.
und Jugendalter“ bei allen asylsuchenden
Kindern und Jugendlichen < 15 Jahren
unabhängig von der Tuberkuloseinzidenz des Herkunftslandes durchgeführt
werden [2]. Bei positivem Testergebnis sollen weitere Abklärungen und die
Therapie gemäß bestehenden nationalen
Empfehlungen erfolgen. Wenn die Infektion weniger als 8 Wochen zurückliegt
oder eine Miliartuberkulose vorliegt,
können beide Teste negativ sein.
4 Wahl des Testverfahrens bei Kindern
< 5 Jahren:
In dieser Altersgruppe soll in erster
Linie ein Tuberkulin-Hauttest (THT)
angelegt werden.
Bei eingeschränkter Verfügbarkeit
von PPD RT-23 kann auch bei Kindern < 5 Jahren ein IGRA verwendet
werden.
4 Wahl des Testverfahrens bei Kindern
und Jugendlichen ≥ 5–15 Jahren:
Bei Kindern ab 5 Jahren kann ein
Tuberkulin-Hauttest (THT) oder
ein Interferon-gamma Release Assay
(IGRA) verwendet werden.
4 Interpretation des THT:
Die Interpretation des THT-Ergebnisses muss unter Berücksichtigung
des BCG-Impfstatus (evtl. falschpositiv) und des Ernährungs- bzw.
Krankheitsstatus (falsch-negativ bei
schwerer Malnutrition oder nach
Masernerkrankung) erfolgen. Eine
Induration von ≥ 10 mm ist eine Indikation zur weiteren Untersuchung
unabhängig vom BCG-Impfstatus.
4 Interaktion THT/IGRA und Maserninfektion/-impfung:
4 Eine Masernimpfung oder -infektion kann zu einer temporären
Suppression der zellvermittelten Immunantwort und damit zu einem
falsch-negativen THT- oder IGRATestergebnis führen [21]. Das immunodiagnostische Screening sollte
deshalb zeitgleich oder vor einer
MMR(V)-Impfung durchgeführt
werden. Falls eine Masernimpfung
kürzlich verabreicht wurde oder eine
Masernerkrankung vorliegt, sollten
4–6 Wochen Abstand zur Masernimpfung/-infektion für die Testung
eingehalten werden [21].
Der Internist 5 · 2016
425
Schwerpunkt: Medizin für Migranten
Tab. 3 Klinische Untersuchung bei Flüchtlingen im Kindes- und Jugendaltera
Vitalzeichena: Körpertemperatur, Herzfrequenz, Atemfrequenz, evtl. Blutdruck
Gewichta, Längea, Kopfumfang (mit Anlegen einer Perzentilenkurve; internationale WHO-Kurvenb
verwenden), BMI
Komplette körperliche Untersuchung mit spezieller Beachtung von:
– Hauta: Hinweise auf Infektionen (u. a. Erkennen von Skabies, Läusebefall, Pyodermie, Masern,
Varizellen), angeborene Hauterkrankungen, Verletzungen
– Lymphknoten
– Herza, Lungea, Abdomena
– Genitalien: Hinweise auf Infektionen, sexueller Missbrauch, Mutilationen
– Neurologie: Entwicklungsstand
– HNO- und Zahnstatus
. Tab. 2 und 3 sind als Orientierungshilfe gedacht, an welche anamnestischen und klinischen
Befunde bei der medizinischen Versorgung von Flüchtlingen im Kindes- und Jugendalter gedacht
werden soll.
a
Mindestanforderungen an Anamnese und Untersuchung im Rahmen einer Basisuntersuchung.
b
Zusätzlich internationale WHO-Kurven (www.who.int/childgrowth/en) verwenden.
Bei gesicherter Exposition und initial negativem THT oder IGRA muss der Test
nach 3 Monaten wiederholt werden. Bei
Kindern < 5 Jahren soll in dieser Situation
bis zum wiederholten Test eine Chemoprophylaxe mit Isoniazid gegeben werden [6].
Bei folgenden anamnestischen Hinweisen, Symptomen oder Befunden muss
eine weiterführende Diagnostik eingeleitet werden und die Patienten sollen frühzeitig an einen pädiatrischen Infektiologen/eine pädiatrische Infektiologin oder
einen Tropenmediziner/eine Tropenmedizinerin überwiesen werden:
4 Durchfall (v. a. wenn blutig-schleimig, mit hohem Fieber oder chronisch [d. h. > 2 Wochen bestehend]),
4 Splenomegalie,
4 Verdacht auf sexuellen Missbrauch
(u. a. zum Ausschluss einer sexuell
übertragbaren Erkrankung; Absprache zwischen pädiatrischen
Infektiologen/Tropenmediziner und
Jugendgynäkologen empfohlen),
4 Normozytäre Anämie (u. a. zum Ausschluss einer chronischen Infektion),
4 Eosinophilie (bei Werten > 500/μl).
Empfohlene Nachholimpfungen
im Rahmen der ambulanten
Versorgung
Neben der ambulanten Versorgung von
akuten oder chronischen Erkrankungen sollen im Rahmen der ambulanten
Versorgung der Flüchtlinge (nach Verteilung der Flüchtlinge auf die Kommunen oder bei längeren Aufenthalten in
426
Der Internist 5 · 2016
Erstaufnahmeeinrichtungen) bestehende
Impflücken geschlossen werden.
Bei den Nachholimpfungen gelten folgende Prinzipien [14]:
4 Nur dokumentierte Impfungen sind
applizierte Impfungen4.
4 Jede dokumentierte Impfung zählt,
egal wie lange sie her ist, das Immunsystem „vergisst nicht“.
4 Jede Nachimpfung soll in einem
Impfausweis dokumentiert werden11.
4 Auffrischen oder Vervollständigen
von Standardimpfungen, falls weniger Impfungen als von der STIKO
aktuell empfohlen [14] dokumentiert sind und wenn der Patient
die folgenden Alterskriterien erfüllt
(. Tab. 4).
Die STIKO hat seit dem Jahr 2012 Tabellen für verschiedene Altersgruppen
publiziert,12 die als Anhaltspunkte für
eine individuelle Planung von Nachholimpfungen zu verwenden sind und seitdem jährlich aktualisiert werden [14].
Da die meisten Flüchtlinge nach der
Verteilung auf die Kommunen weiter in
Gemeinschaftseinrichtungen (z. B. Asylbewerberheime) wohnen werden, ist dort
die Infektionsgefährdung für Flüchtlinge
höher als in der Allgemeinbevölkerung.
11
Ein Muster für ein Ersatzformular zur Dokumentation durchgeführter Impfungen (bei
fehlendem Impfpass) findet sich in der STIKOPublikation [16].
12
Abzurufen unter http://www.rki.de/DE/
Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2012/Ausgaben/30_12.pdf?__blob=publicationFile.
Der in dieser Stellungnahme empfohlene Impfkalender geht wegen der potenziell besseren medizinischen Versorgung
in den Kommunen und dem längeren
Aufenthalt der Flüchtlinge in den Gemeinschaftseinrichtungen (im Vergleich
zu den Erstaufnahmestellen) über das
Mindest-Impfangebot hinaus, dass das
Robert Koch-Institut – in Abstimmung
mit der STIKO – für Flüchtlinge in Erstaufnahmestellen veröffentlicht hat [16].
In dieser vorliegenden Stellungnahme
werden Impfempfehlungen aufgrund der
speziellen Lebenssituation in einer Gemeinschaftseinrichtung (in . Tab. 4 kursiv gedruckt) mit den Standardimpfempfehlungen der STIKO [14] kombiniert.
Manche Impfzeitpunkte sind aufgrund
der Dringlichkeit eines Immunschutzes
bei Unterkunft in einer Gemeinschaftseinrichtung (in Analogie zu den STIKOEmpfehlungenfürErstaufnahmeeinrichtungen [16]) vorgezogen (in . Tab. 5 mit j
gekennzeichnet).
Müssen Flüchtlinge aus logistischen,
administrativen oder politischen Gründen länger in Erstaufnahmeeinrichtungen verbleiben (> 4–6 Wochen), sollte auch diese Population sämtliche in
. Tab. 5 angeführten Nachholimpfungen
erhalten.
Abstriche, die dem Nachweis einer
Besiedelung mit multiresistenten Erregern (MRE) dienen (sogenanntes Kolonisationsscreening) sind bei Flüchtlingen
und Asylbewerbern im Kindes- und Jugendalter im ambulanten Setting routinemäßig nicht empfohlen.
Anstelle eines routinemäßigen MREScreenings ist im ambulanten Bereich die
sorgfältige Beachtung der Basishygiene
[12] zielführend für den Umgang mit allen Patienten. Bei bekannter Besiedelung
mit MRE sind spezielle Hygienemaßnahmen im ambulanten wie im stationären
Setting zu ergreifen [8].
Die Frage der Notwendigkeit einer
Dekolonisierung bei Nachweis einer Besiedelung mit MRSA bei einem ansonsten
gesundenKind istGegenstand einersorgfältigen individualmedizinischen Risikoanalyse des behandelnden Kinder- und
Jugendarztes. Im Falle einer MRSA-Infektion sollte parallel zur Behandlung
eine Dekolonisation des Kindes angestrebt werden.
Hier steht eine Anzeige.
K
Schwerpunkt: Medizin für Migranten
Tab. 4 Empfohlene Altersgruppe und Anzahl der Impfstoffdosen bzw. Impfsequenz der empfohlenen Nachholimpfungen für Flüchtlinge im Kindes- und Jugendalter [14]
Impfung
Empfohlene AltersAnzahl Impfstoffdosen bzw. Impfsequenz
gruppe
MMR
1–17 Jahre
nach 1.1.1970 Geborene
0–1 Monat
einmalig MMR
Varizellen
1–17 Jahre
0–1 Monat
Diphtherie
Immer
0–1–6 Monate
Tetanus
Immer
0–1–6 Monate
Poliomyelitis
Immer
0–1–6 Monate
Pertussis
Immer
Altersabhängig 1–4 Dosen (siehe STIKO-Empfehlungen [14])
H. influenzae
Typ b
< 5 Jahre
Altersabhängig 1–4 Dosen (siehe STIKO-Empfehlungen [14])
Hepatitis Ba
0–17 Jahre
0–1–6 Monate; bei Impfungen von Säuglingen mit
6-fachem Kombinationsimpfstoff sind 4 Impfdosen notwendig
Pneumokokken
< 2 Jahre
Alters- und gestationsaltersabhängig 1–4 Dosen
(siehe STIKO-Empfehlungen [14])
Rotavirus
6–12 Wochenb (Beginn 2 oder 3 Impfdosen (im 4-Wochen-Abstand; siehe
der Impfserie)
STIKO-Empfehlungen [14])
Meningokokken
ACWY bzw. Cc
1–17 Jahre
Einmalige Impfung
Influenza
(saisonal)d
Immer (ab einem
Alter von 6 Monaten
möglich)
1 oder 2 Impfdosen (2 Impfdosen im 4-Wochen-Abstand bei erster Influenzaimpfung im
Leben des Impflings, sonst reicht eine Einzeldosis)
HPV
9–17 Jahre
2 oder 3 Impfdosen (0–1–6 Monate)e (siehe STIKOEmpfehlungen [14])
a
In Gemeinschaftseinrichtungen bevorzugt mit Hepatitis A kombinieren.
Das Mindestalter der 1. Dosis ist 6 Lebenswochen. Das Höchstalter der 1. Dosis Rotateq® ist 12 Lebenswochen (keine Altersangabe für Rotarix® ). Das Höchstalter bei letzter Dosis ist 24 Lebenswochen
(bei Rotarix®) bzw. 32 Lebenswochen (bei Rotateq®).
c
Vorzugsweise als MenACWY-Impfung.
d
Der lebend-attenuierte Influenza-Impfstoff (LAIV; intranasale Applikation) ist der bevorzugte Impfstoff im Kindesalter und kann bei Kindern im Alter von 2–17 Jahren verwendet werden. Nach den
STIKO-Empfehlungen ist er bevorzugt im Alter von 2–6 Jahren einzusetzen [14]. Für Säuglinge und
Kinder unter 2 Jahre können nur parenterale inaktivierte Influenza-Totimpfstoffe (TIV) verwendet
werden.
e
Bei Immunisierungsbeinn bis zum Alter von 13 Jahren (mit Gardasil®) bzw. bis zum Alter von 14 Jahren (d. h. bis ein Tag vor dem 15. Geburtstag) (mit Cervarix®) muss nur 2-malig im Abstand von
6 Monaten geimpft werden (dann Mindestabstand für Cervarix® 5 Monate).
holten Kontakt mit Einrichtungen des
Gesundheitssystem hatte oder
2. eine bekannte frühere Kolonisierung
oder Infektion mit MRE hatte oder
3. chronische Wunden/Hautläsionen
aufweist.
Darüber hinaus sollte ein MRE-Screening erfolgen, wenn der Patient in der Klinik Kontakte zu potenziell gefährdeten
Risikopatienten, z.B. aus den Bereichen
Intensivtherapie, Onkologie oder Transplantation hat und
1. eine Flüchtlingsanamnese in den
letzten 3 Monaten13 hatte oder
2. in einer Gemeinschaftseinrichtung
untergebracht ist.
Zum Screening benötigte Proben werden
von folgenden Körperstellen abgenommen:
4 beide Nasenvorhöfe und Rachen
(MRSA) – 2 Tupfer,
4 beide Leisten (MRSA) – ein Tupfer
für beide Stellen ausreichend,
4 Rektalabstrich (multiresistente gramnegative Bakterien; MRGN) – ein
Tupfer ausreichend, Durchtritt durch
den Analsphinkter notwendig!
b
Bis zum Erhalt der MRE-Screeningergebnisse ist bei stationären Patienten eine
prophylaktische Isolierung empfohlen
(soweit dies die baulichen Bedingungen
zulassen).
Untersuchungsprogramm für
schwangere Flüchtlinge bei
Erstvorstellung
4 Frage nach Husten, Fieber, Gewichts-
Stationäre Vorstellung in den
Kinderkliniken
Die Vorstellung in einer Kinderklinik
wird meist bei akuten Erkrankungen erfolgen. Neben dem symptomorientierten
individuellen Untersuchungsprogramm
soll die Vorstellung in einer Kinderklinik
genutzt werden, um eventuell noch fehlende Untersuchungen aus dem Umfang
der Basisuntersuchung zu ergänzen. Dazu ist entweder eine Dokumentation der
Basisuntersuchung notwendig (z. B. Einlegeblatt mit den Ergebnissen der Basisuntersuchung im U-Heft oder Impfaus-
428
Der Internist 5 · 2016
weis) oder eine Kommunikationsstruktur mit der lokalen Erstaufnahmestelle
bzw. den lokalen Praxisärzten und -ärztinnen notwendig. Eine solche Struktur
existiert derzeit nicht und sollte aufgebaut werden.
Zusätzlich zur eventuellen Komplettierung der Basisuntersuchung soll bei
Flüchtlingen ein MRE-Screening vor/bei
jeder stationären Aufnahme erfolgen,
wenn der Patient
1. innerhalb der letzten 12 Monate im
Herkunftsland bzw. im Transit einen
Krankenhausaufenthalt oder wieder-
verlust, Nachtschweiß,
4 Impfstatus erheben,
4 Messung von Körpertemperatur,
Atemfrequenz, Herzfrequenz, Blutdruck, Körpergewicht,
4 körperliche Untersuchung von Lunge,
Abdomen (inkl. Nieren).
Schwangere sollen danach bzw. nach
Feststellung einer Schwangerschaft einer
13
Die Grenze von 3 Monaten ist arbiträr
gewählt,da es keine DatenzurMRE-Besiedelung
bei Flüchtlingen gibt. Bei neuen Erkenntnissen
muss die Zeitangabe ggf. revidiert werden.
Tab. 5 Empfohlener Impfkalender für Flüchtlinge im Kindes- und Jugendalter in Gemeinschaftseinrichtungen (nach Verteilung auf die Kommunen,
gültig für Flüchtlinge, die das Stadium des Aufenthaltes in Erstaufnahmestellen bereits hinter sich haben, oder bei längeren Aufenthalten in Erstaufnahmeeinrichtungen)
Impfungen
Kombination mit Vorsorgeuntersuchung
Vgl. zu STIKO-Empfehlungen [14]
2 Monate: DTaP-IPV-HepB-Hib + PCV + RVa
Dito
b
3 Monate: DTaP-IPV-HepB-Hib + (PCV ) + RV
Bei U4
4 Monate: DTaP-IPV-HepB-Hib + PCV + (RVc)
j
j
Dito
d
9 Monate: MMR + V + TIV (Impfung ab 6 Monate möglich)
Spätestens bei U6
12 Monate: MMRVj + MenC oder MenACWYe + HAVf
Bei U6
13 Monate: DTaP-IPV-HepB-Hib + PCV
Nein (ab 12 Monate für MMR + V)
Nein (für MenACWY)
Dito (11–14 Mo)
15–23 Monate: evtl. Nachholimpfungen + MMRVg + HAVh
ab 24 Monate: LAIV
Dito
Bei U7
MMRVj
Bei U9
Dito
d
Nein
5–6 Jahre: Tdap
9–17 Jahre: Tdap-IPV
Dito
9–14 Jahre: HPVi für Mädchen
Spätestens bei J1
Dito
a
Rotavirus(RV)-Infektionsausbrüche in Flüchtlingslagern werden beschrieben, unklar, ob relevant unter der derzeitigen Situation in den deutschen Gemeinschaftsunterkünften.
b
Pneumokokken-Konjugat-Impfung (PCV) nur für Frühgeborene; bei Reifgeborenen 2+1-Schema.
c
Bei Rotarix® zwei Impfdosen, bei Rotateq® drei Impfdosen. Zulassung nur für das Alter von 6 bis 24 Wochen (Rotarix®) bzw. 6 bis 32 Wochen (Rotateq®).
d
Im Alter von 6 Monaten bis 8 Jahren sollen Kinder, die noch nie eine Influenza-Impfung (IV) erhalten haben, zwei Impfdosen im Abstand von mindestens
4 Wochen erhalten (TIV tri- oder tetravalente inaktivierte Influenza-Impfstoffe zur parenteralen Applikation; LAIV lebend-attenuierte Influenza-Impfstoffe zur
intranasalen Applikation).
e
Der Preis der tetravalenten MenACWY-Konjugatimpfstoffe ist vergleichbar mit dem der monovalenten MenC-Impfstoffe.
f
Bei Aufenthalt in Gemeinschaftseinrichtungen empfohlen.
g
Bei Erstimpfung mit MMRV vor dem 12. Lebensmonat und Zweitimpfung nach 4–6 Wochen ist eine 3. MMRV-Impfung notwendig (Mindestabstand zur 2.
MMRV-Impfung von 3 Monaten).
h
Abstand zur ersten HAV-Impfung: 6–12 Monate.
i
Impfschema: 0–6 Monate für Mädchen im Alter von 9 bis 13 Jahren (Gardasil® ) bzw. im Alter von 9 bis 14 Jahren (Cervarix®), 0–1(–2)–6 Monate für Mädchen
ab einem Alter von 14 Jahren (Gardasil® ) bzw. 15 Jahren (Cervarix®). Bis zum 18. Lebensjahr nachholen, falls vorher keine HPV-Impfung erfolgt ist.
j
vorgezogen
niedergelassenen Frauenärztin14 vorgestellt werden. Dort sind folgende zusätzliche Untersuchungen – nach den
„Mutterschafts-Richtlinien“ – empfohlen:
4 Urin-Status auf Eiweiß,
4 kapilläres/venöses Blutbild zur Hämoglobin-Kontrolle,
4 serologische Untersuchungen auf Hepatitis B (HBs-Antigen; idealerweise
nach der 32. Schwangerschaftswoche,
möglichst nahe am errechneten Geburtstermin), HIV (anti-HIV; nach
entsprechender Aufklärung), Lues
(TPPA/TPHA/ELISA), Röteln (falls
keine zwei Röteln-Impfungen erfolgt
sind),
4 Ein Rektovaginalabstrich zwischen
der 34. und 37. Schwangerschaftswoche auf Gruppe-B-Streptokokken
und multiresistente gram-negative
Erreger (MRGN) sollte aufgrund der
14
Aus kulturellen Gründen sollte eine Vorstellung bei einer Frauenärztin bevorzugt werden
4
4
4
4
zu erwartenden höheren Inzidenz
einer Besiedelung in der Flüchtlingspopulation durchgeführt werden,
Abstriche auf multiresistente Erreger (MRE) sind bei schwangeren
Flüchtlingen im Jugendalter im ambulanten Setting routinemäßig nicht
zu fordern. Die Testung macht jedoch Sinn bei allen Schwangeren in
der Spätschwangerschaft (z. B. mit
einem GBS-Screening kombiniert),
spätestens bei stationärer Aufnahme zur Geburt oder bei vorzeitiger
Wehentätigkeit,
Influenza-Impfung mit InfluenzaTotimpfstoffen sind zu empfehlen (ab
der 20. Schwangerschaftswoche),
bei negativer Röteln-Serologie Aufklärung über Verhalten bei RötelnExposition und aktive Röteln-Impfung nach der Entbindung empfehlen;
dann kombiniert als MMR-Impfung
(ggf. zusätzliche Varizellenimpfung),
Totimpfstoffe wie Tdap-Impfstoffe
können in der Schwangerschaft ge-
geben werden, sodass bestehende
Impflücken ggf. auch in der Schwangerschaft geschlossen werden können. Impfungen sollten jedoch nicht
vor dem 2. Trimenon durchgeführt
werden.
Finanzierungsaspekte
Die Finanzierung von medizinischen
Leistungen bei Flüchtlingen ist nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG)
geregelt. Flüchtlinge erhalten – über
den Umweg einer Einzelbeantragung bei
den Behörden – einen Krankenbehandlungsschein (oder Versichertenkarte – ja
nach Bundesland) mit eingeschränktem
Leistungsanspruch. In einigen Bundesländern (z. B. Hamburg, Bremen) wurde
dieses Verfahren durch Gesundheitskarten ersetzt. Kosten werden erstattet für
Behandlungen von
1. akut notwendigen, nicht aufschiebbaren Erkrankungen,
2. Schmerzen,
Der Internist 5 · 2016
429
Schwerpunkt: Medizin für Migranten
3. Mutterschaftsvorsorgeleistungen,
4. Früherkennungsuntersuchungen U1
bis U9,
5. Gesundheitsuntersuchung J1,
6. Schutzimpfungen.
Leistungen für vorbestehende chronische Erkrankungen müssen nicht vergütet werden. In diesen Fällen muss
laut Gesetzeslage immer eine Kostenzusage vor der Behandlung eingeholt
werden. Diese restriktive Haltung wurde
vom 118. Deutschen Ärztetag in Frankfurt/M. kritisiert und als ethisch fragwürdig angesehen [3]. Die Einschränkung
von medizinischen Leistungen ist auch
ökonomisch nicht sinnvoll, da höhere Folgekosten damit verbunden sind
[4]. So lagen in einer Studie die ProKopf-Ausgaben für die eingeschränkte
medizinische Versorgung um ca. 40 %
höher als bei Asylsuchenden mit regulärem Anspruch auf kassenärztliche
Leistungen [4]. Zusätzlich ist der Verwaltungsaufwand für Einzelbegutachtungen von Leistungsanträgen erheblich
und verursacht zusätzliche Kosten für
die zuständigen Ämter.
Kostenträger im Rahmen des Asylbewerberleistungsgesetzes ist die jeweilige
Kommune, in Einzelfällen das Bundesland. Die Abwicklung erfolgt über das
örtlich zuständige Sozialamt.
Nach Gewährung von Asyl oder nach
15 Monaten Aufenthalt in Deutschland
– bei noch nicht abgeschlossenem Asylverfahren – hat der Asylbewerber einen
Anspruch auf eine Vollversicherung
über eine gesetzliche Krankenkasse.
Einige bundesdeutsche Länder (z. B.
Hamburg und Bremen) stellen bereits
nach Antrag auf Asyl eine Gesundheitskarte aus, über die Asylbewerber bei
einer gesetzlichen Krankenversicherung
mit den vorgenannten Einschränkungen
versichert sind und sich direkt bei einem
Arzt mit Kassenzulassung vorstellen
können. Nordrhein-Westfalen hat im
August 2015 mit Krankenkassen eine
Rahmenvereinbarung zur Einführung
der Gesundheitskarte beschlossen, in
einigen Ländern ist dies geplant.15 Die
Delegierten des 118. Deutschen Ärztetag
in Frankfurt/M. fordern für alle Flüchtlinge in Deutschland die Einführung
einer Versichertenkarte [3].
430
Der Internist 5 · 2016
Im Gegensatz zu Kindern, die gemeinsam mit ihren Eltern nach Deutschland
flüchten und nach dem AsylbLG einen
eingeschränkten Leistungsanspruch auf
medizinische Versorgung haben, erhalten unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF), die in die Obhut des Jugendamtes genommen werden, ab diesem Moment die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung.
Die Versorgung der Flüchtlinge insbesondere im stationären Bereich mit
schweren Erkrankungen, eingreifenden
Therapien einschließlich Operationen
und unterschiedlicher Prognose erfordert erhebliche zusätzliche Ressourcen.
Es müssen Dolmetscher gefunden und
bezahlt werden. Alle Untersuchungen,
Aufklärungen, Therapien und Visiten
dauern meist ein Mehrfaches der bei
deutschen Patienten aufzuwendenden
Zeit. Die problematische Unterkunft
in den Heimen macht es notwendig,
Kinder aufzunehmen, die bei Vorhandensein einer intakten Wohnung zu
Hause gepflegt werden könnten. Kinder können aus dem gleichen Grund
nicht nach Hause entlassen werden,
wenn eine häusliche Nachbehandlung
nicht gewährleistet ist. Deshalb müssen
zusätzliche Mittel für die Versorgung
dieser Kinder bereitgestellt werden, z. B.
in Form einer Zusatz-DRG, deren Wert
auszuhandeln ist.
Die Delegierten des 118. Deutschen
Ärztetag in Frankfurt/M. beschlossen:
„Alle Flüchtlinge müssen vollen Zugang zu allen Gesundheitsleistungen
der gesetzlichen Krankenkassen bekommen“ [3]. Die Delegierten berufen
sich dabei auf die UN-Kinderrechtskonvention (Art. 24, Abs. 1), die „das
erreichbare Höchstmaß an Gesundheit“ als ein Grundrecht jedes Kindes
nennt. Neben dem Zugang zu optimaler gesundheitlicher Versorgung fordert
die UN-Kinderrechtskonvention auch
einen Zugang zu Bildung und zu sozialer Teilhabe aller Flüchtlingskinder. Die
Autoren der Stellungnahme unterstützen
die Forderung nach Einführung einer
elektronischen Gesundheitskarte und
Zugang zu Leistungen der gesetzlichen
Krankenversicherung für alle Flüchtlinge
in Deutschland.
Fazit für die Praxis
4 Die Sicherstellung einer adäqua-
4
4
4
4
15
Der Stand zur Einführung von Gesundheitskarten für Flüchtlinge in den
einzelnen Bundesländern kann hier nachgelesen werden: www.aerztezeitung.de/
politik_gesellschaft/gp_specials/fluechtlinge/
default.aspx?sid=896098&cm_mmc=Newsletter-_-Newsletter-C-_-20151013-_-Flüchtling.
4
ten medizinischen Versorgung von
Flüchtlingen im Kindes- und Jugendalter stellt eine große Herausforderung dar.
Bei Kindern und Jugendlichen soll
frühzeitig nach Ankunft in einer
Erstaufnahmestelle eine ärztliche
Basisuntersuchung mit fokussierter
Anamnese, klinischer Untersuchung
und Erfassung des Impfstatus erfolgen.
Ein generelles Tuberkulosescreening
(mit Tuberkulin-Hauttest [0-14 Jahre] oder Interferon-gamma Release
Assay [5-14 Jahre]) ist bei allen Flüchtlingen im Kindes- und Jugendalter in
den Erstaufnahmestellen empfohlen,
wird dort aber erfahrungsgemäß personell und organisatorisch an seine
Grenzen stoßen. Ist ein generelles
Tuberkulosescreening nicht umsetzbar, soll zunächst ein risikobasiertes
Tuberkulosescreening erfolgen.
Das Screeningergebnis bzw. ein
nichtdurchgeführtes Screening ist
entsprechend zu dokumentieren.
Bestehende Impflücken sollen in
der Erstaufnahmestelle sobald wie
möglich geschlossen werden. Dabei
haben Impfungen gegen Masern,
Mumps, Röteln, Varizellen die höchste Priorität, gefolgt von Diphtherie,
Tetanus, Pertussis, Poliomyelitis,
sowie saisonale Influenza.
Im Rahmen einer ambulanten Weiterbehandlung ist die Bestimmung
eines Differenzialblutbildes, bei Herkunft aus Hochprävalenzländern
(nicht Syrien) auch eine serologische
Untersuchung auf HIV und Hepatitis B
empfohlen.
Bei der stationären Aufnahme in
Kinderkliniken sollte ein Screening
auf multiresistente Erreger durchgeführt werden, insbesondere wenn
Hier steht eine Anzeige.
K
Schwerpunkt: Medizin für Migranten
Hinweise auf einen früheren Krankenhausaufenthalt bestehen.
4 Unabdingbar, und derzeit vielerorts
unzureichend, ist die Dokumentation
und Weitergabe medizinischer Befunde an den Schnittstellen zwischen
Erstaufnahmestelle sowie ambulanter und stationärer Versorgung.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt. J. Pfeil, R. Kobbe, S. Trapp, C. Kitz
und M. Hufnagel geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen
oder Tieren.
Literatur
Korrespondenzadresse
PD Dr. M. Hufnagel
Sektion Pädiatrische
Infektiologie und
Rheumatologie, Klinik I,
Zentrum für Kinderund Jugendmedizin,
Universitätsklinikum Freiburg
Mathildenstr. 1, 79106 Freiburg, Deutschland
[email protected]
Danksagung. Die Autoren danken zusätzlich
folgenden Kollegen und Kolleginnen, die mit Ihren
Kommentaren bzw. Beiträgen an der Fertigstellung
der Stellungnahme beigetragen haben: Dr. Monika
Engel (Kinder- und Jugendärztin aus Karlsruhe), Dr.
Roland Fressle (Kinder- und Jugendarzt aus Freiburg,
Landesverbandsvorsitzender des BVKJ BadenWürttemberg), Prof. Dr. Walter Haas (Fachgebiet
„Respiratorisch übertragbare Erkrankungen“ der
Abteilung für Infektionsepidemiologie am Robert
Koch-Institut; Ausschuss typische und atypische
Mykobakteriosen der DGPI), Dr. Ulrike Horacek, MPH
(Gesundheitsamt Recklinghausen), Dr. Axel Iseke,
MPH (Gesundheitsamt Münster), Dr. Martina Sappa
und Dr. Torsten Spranger (Autoren des „Bremer
Gesundheitsheftes“), sowie Dr. Miriam Wiese-Posselt,
MPH (Robert Koch-Institut – Fachgebiet
Impfprävention).
432
Der Internist 5 · 2016
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Gefährlicher triple-negativer
Brustkrebs
Neue Zielmoleküle für die Behandlung
Etwa 15% aller Brustkrebspatientinnen leiden unter dem triple-negativen Brustkrebs
(TNBC). Betroffen sind etwa 11.000 Frauen in Deutschland pro Jahr, die Neuerkrankungsrate nimmt zu. Als Behandlung steht
bisher außer der Operation nur die ungerichtete Chemotherapie zur Verfügung. Sie
schädigt auch gesunde Zellen und ist daher
für die Patientinnen sehr belastend. Trotz
Behandlung sterben daher viele Patientinnen innerhalb von drei Jahren nach der Diagnose.
Bei dieser gefährlichen Variante des Brustkrebses fehlen den entarteten Zellen bestimmte Andockstellen für Hormone und
Botenstoffe, die bei anderen Brustkrebsvarianten vorkommen. Konkret handelt
es sich dabei um den Östrogenrezeptor
(ER), den Progesteronrezeptor (PR) und den
Wachstumsfaktorrezeptor 2 (HER2).
Allerdings sind genau diese 3 Andockstellen der Angriffspunkt von Medikamenten, mit denen Brustkrebs zielgerecht behandelt wird – biologische und chemische
Wirkstoffe, die die kranken Zellen über diese Rezeptoren attackieren. Fehlen diese Rezeptoren, können auch die Medikamente
nicht mehr eingesetzt werden, denn sie gelangen gar nicht erst in die Tumorzellen, um
dort zu wirken.
Eine Forschergruppe an der TU München
unter der Leitung von Manfred Schmitt sowie am Helmholtz Zentrum München unter der Leitung von Michaela Aubele hat
sich nun auf einen anderen Rezeptor konzentriert, der insbesondere auch bei wandernden Tumorzellen und Metastasen in
anderen Organen vorliegt: der sog. uPA-Rezeptor und damit verbundene Protein, das
uPAR-Interactom.
Den Wissenschaftlern war aufgefallen, dass
einzelne Mitglieder des uPAR-Interactoms
beim triple-negativen Brustkrebs auffallend häufig in hoher Zahl vorkommen. Sie
sind für die Zellteilung sowie für die Ausbreitung und die Ansiedlung von TNBC-Tumorzellen in anderen Organen wichtig.
Dies hatten die beiden Teams zuvor durch
Untersuchungen gezeigt, in denen sie im
Labor mit genetischen Veränderungen an
einzelnen Brustkrebszellen die Wirksamkeit
von uPAR unterbrochen hatten. Die Folge
war, dass die Krebszellen sich kaum noch
teilten und ihre Aggressivität verloren.
Danach untersuchten das Team rund 300
Gewebeproben von TNBC-Patientinnen
aus der Gewebebank des Klinikums rechts
der Isar. Dort werden seit Jahren Proben aus
verschiedenen Tumoren gesammelt, um
das Gewebe mit neuen Methoden erforschen zu können. Mit Hilfe dieser Tumorproben wollte die Gruppe die vielfältigen
Interaktionen, die uPAR offensichtlich auch
mit anderen Botenstoffen und Signalsubstanzen von Zellen hat, aufklären.
Das Team bereitete die Zellen aus Turmorgewebe und aus TNBC-positiven Brustkrebstumorzellen so auf, dass auf molekular-biologischem Weg über 30 verschiedene Proteine und Botenstoffe nachgewiesen
werden konnten, die mit uPAR in Wechselwirkung stehen. Darunter befanden sich
auch verschiedene Zellwachstumshormone sowie Rezeptoren für das Verdauungshormon Insulin, das Nahrung in die Zellen
bringt.
So gelang es den Forschern, auch einige
wichtige und bislang in diesem Zusammenhang noch nicht bekannte Proteine
wie zum Beispiel Cyr61 und YB1 zu identifizieren.
Anschließend wertete das Team die in der
Gewebedatenbank ebenfalls gespeicherten Patienten- und Krankheitsdaten aus.
Dabei zeigte sich, dass zwischen den neu
identifizierten Proteinen und der metastasenfreien Überlebensdauer von Frauen
mit TNBC tatsächlich ein signifikanter Zusammenhang besteht. Damit ist klar, dass
genau diese Proteine Angriffsstellen sein
könnten, um die Tumorzellen zu vernichten. Die Entwicklung eines biologisch wirksamen Medikaments und klinische Studien
stehen noch aus.
Ein praktisches Ergebnis der umfangreichen Auswertung der Gewebedatenbank
liegt jedoch schon vor: In Zukunft können
Ärzte bessere Aussagen über den Verlauf
der TNBC-Erkrankung und der damit verbundenen Lebenserwartung machen und
die Patientinnen besser aufklären und beraten.
Quelle: Informationsdienst
Wissenschaft (idw)
Pressemitteilung
Wilhelm Sander-Stiftung
Der Internist 5 · 2016
433
Schwerpunkt: Medizin für Migranten
Internist 2016 · 57:434–443
DOI 10.1007/s00108-016-0055-5
Online publiziert: 22. April 2016
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
J. Schellong · F. Epple · K. Weidner
Redaktion
S.M. Schellong, Dresden
B. Salzberger, Regensburg
Psychosomatik und
Psychotraumatologie bei
Geflüchteten und Migranten
Klinik und Poliklinik für Psychotherapie und Psychosomatik, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus,
TU Dresden, Dresden, Deutschland
Herausforderungen für den Internisten
Deutschland steht vor der Herausforderung, eine gesundheitliche Versorgung
für Flüchtlinge zu gewährleisten, die auch
psychische Vulnerabilitäten berücksichtigt. Erschütterungen durch Erlebnisse
im Herkunftsland, während des Migrationsprozesses, bei Ankunft ebenso wie
im weiteren Verlauf beeinflussen die
psychische Gesundheit. Die häufigsten
psychischen Störungen rund um Migrationserfahrungen sind nach klinischer
Erfahrung Depressionen, Angststörungen, psychosomatische Beschwerdenund
posttraumatische Belastungsstörungen.
Dem medizinischen Erstkontakt kommt
hier eine wichtige Funktion als Weichensteller zu. Screeninginstrumente,
das Wissen um Besonderheiten der
traumainformierten und der dolmetschergestützen Kommunikation sowie
Kenntnisse zu Vermittlungsmöglichkeiten in eine adäquate Behandlung helfen,
dieser Aufgabe gerecht zu werden.
Prävalenz psychischer
Störungen
Wie viele der Ankommenden tatsächlich
unter psychischen Beschwerden leiden,
lässt sich aktuell noch nicht ausreichend
abschätzen. Zu unterschiedlich sind die
Bedingungen, unterdenenepidemiologische Untersuchungen an Menschen mit
Migrationshintergrund bisher durchgeführt wurden [5, 24]. Eine bevölkerungsrepräsentative Befragung in Deutschland
ergab, dass ein Migrationshintergrund an
sich noch keine erhöhte Prävalenz für
434
Der Internist 5 · 2016
psychische Störungen bedeuten muss –
insbesondere bei Migranten, die gut integriert sind und die deutsche Sprache beherrschen [15]. Auch in der Metaanalyse
von Lindert [25] zeigt sich bei Arbeitsmigranten keine Erhöhung der Prävalenz
im Vergleich zur Normalbevölkerung.
Bei traumatisierten Flüchtlingen wird
dies allerdings anders gesehen: So findet
man bei Flüchtlingen eine teils deutlich
erhöhte Prävalenz psychischer Störungen
[25, 37], die auch während des Aufenthalts in einem sicheren Land über viele
Jahre erhalten bleibt [37]. Auch in anderen Studien finden sich Hinweise auf den
engen Zusammenhang zwischen Traumatisierungen und psychischer Gesundheit bei Flüchtlingen [36].
Traumatisierung und
Traumafolgestörungen
Traumatisierung im Herkunftsland,
auf der Flucht, im Aufnahmeland
Viele Flüchtlinge waren möglicherweise
wiederholt schweren traumatischen Ereignissen ausgesetzt, z. B. Folter, Haft,
der Zeugenschaft von Zerstörung und
Gewalt, einer eigenen Lebensbedrohung
oder dem traumatischen Verlust von Angehörigen. Wenig wissen wir über die
Belastungen im Kindesalter oder psychische bzw. psychosomatische Vorerkrankungen. Auch die Bedingungen während
der Flucht können zur Traumatisierung
geführt haben, etwa durch lange Aufenthalte in unterversorgten Flüchtlingsla-
gern oder durch psychosoziale Belastungen und Stress aufgrund von Gewalt oder
Trennung von der Familie. Diese meist
von Menschen zugefügten „sequenziellen“ Traumatisierungen werden in der
Literatur auch als traumatische Erlebnisse von Typ II bezeichnet und vom TypI-Trauma abgegrenzt, einem nur einmaligen Ereignis.
Auch die Umstände im
»Aufnahmeland
beeinflussen
die körperliche und psychische
Gesundheit
Die Umstände im Aufnahmeland sofort
nach der Einwanderung wie auch später
im Migrationsverlauf haben zusätzlich
einen wesentlichen Einfluss auf die körperliche und psychische Gesundheit. Das
bestätigen Untersuchungen einer niederländischen Arbeitsgruppe [20]. Wichtige Faktoren direkt nach der Einwanderung sind Fremdheitsgefühl, Diskriminierung und Rassismus, Sprach-und Verständigungsprobleme, spätere Faktoren
sind u. a. hochgradige Verunsicherung
und eine ungünstige soziale Integration. Die Bedingungen in den Gemeinschaftsunterkünften in Verbindung mit
der Unsicherheit, wo der nächste Unterbringungsort sein wird, die Sorge um
die Zurückgebliebenen oder die Angst
vor einer Abschiebung sind manchmal
so verunsichernd, dass sie die psychische
Hier steht eine Anzeige.
K
Schwerpunkt: Medizin für Migranten
Gesundheit zusätzlich stark beeinträchtigen können [20, 35].
Nach schwerwiegenden Belastungen
können sich psychische Störungen entwickeln, die gemeinhin zunächst als
Traumafolgestörungen bezeichnet werden. Nicht jeder entwickelt im Anschluss
an ein potenziell traumatisierendes Erlebnis eine Traumafolgestörung. Prägende Vorerfahrungen, soziale Bedingungen
sowie die Art, Anzahl und das Ausmaß
der Traumatisierungen haben Einfluss
darauf, ob und wie jemand erkrankt [6,
18, 27].
Posttraumatische Belastungsstörung
Die posttraumatische Belastungsstörung
(PTBS) ist in den medizinischen Klassifikationssystemen erst seit 1980 erfasst.
Diese Erkrankung stellt eine der möglichen Traumafolgestörungen dar. Sie kann
sich als Folge einer existenziellen Bedrohung oder nach Zeugenschaft einer solchen Situation entwickeln. Als potenziell
traumatisch gilt nach der International
Statistical Classification of Diseases and
Related Health Problems (ICD-10) ein
kurz oder lang anhaltendes Ereignis oder
Geschehen von außergewöhnlicher Bedrohung oder mit katastrophalem Ausmaß, das nahezu bei jedem eine tiefgreifende Verzweiflung auslösen würde [10].
InderUS-amerikanischenKlassifikation,
dem Diagnostic and Statistical Manual of
Mental Disorders (DSM-5; [2]), werden
die auslösenden Stressereignisse konkret
benannt: Exposition mit tatsächlichem
oder drohendem Tod, schwerer Verletzung oder sexueller Gewalt, die direkt
selbst oder als Zeuge erlebt wird.
Die PTBS ist die „klassische“ Traumafolgestörung. Bei diesem Störungsbild
sind nach Erleben einer potenziell traumatischen Situation folgende Hauptsymptome prägend [1, 2, 10]:
4 Wiedererleben des traumatischen
Ereignisses in Form von unkontrollierten Gedanken und Bildern, aufdringlichen Nachhallerinnerungen
und Träumen, den sog. Intrusionen
oder Flashbacks
4 Vermeiden von traumanahen Reizen
im Handeln und im Denken. Dieses
Vermeidungsverhalten neigt zu
436
Der Internist 5 · 2016
Generalisierung und Ausbreitung auf
Reize, die bisher noch nicht mit dem
Trauma verknüpft waren.
4 Gefühl des Betäubtseins („numbing“), Unfähigkeit, die eigenen
Gefühle wahrzunehmen, eventuell
auch einige wichtige Aspekte der
Belastung zu erinnern, emotionale
Starre
4 Übererregung (Hyperarousal), z. B.
Schlafstörungen, Reizbarkeit, Hypervigilanz oder Konzentrationsschwierigkeiten, Schreckhaftigkeit,
Schlafstörungen. Körperliche Symptome von Übererregung (Zittern,
Schwitzen, Herzrasen)
4 Im Kindesalter teilweise veränderte Symptomausprägungen (z. B.
wiederholtes Durchspielen des
traumatischen Erlebens, Verhaltensauffälligkeiten, z. T. aggressive
Verhaltensmuster)
Die Symptomatik dauert mindestens
einen Monat und tritt innerhalb von
6 Monaten nach dem traumatischen
Geschehen auf, gelegentlich aber auch
erst später (verzögerte PTBS).
In der deutschen Allgemeinbevölkerung beträgt die 1-Monats-Prävalenz der
PTBS 1–3 %. Sie ist abhängig von Geschlecht und Alter: Frauen sind häufiger betroffen als Männer, Menschen über
60 Jahre häufiger als die jüngeren [26].
Die 12-Monats-Prävalenz beträgt 2,3 %
[17].
ist die
»RateBeianFlüchtlingen
PTBS im Vergleich zur
Allgemeinbevölkerung deutlich
erhöht
In Bevölkerungsgruppen, die häufiger in
Kontakt mit potenziell traumatischen Ereignissen sind, ist die Prävalenz deutlich
erhöht – so z. B. bei deutschen Soldaten
nach dem Afghanistaneinsatz [21]. Auch
bei Flüchtlingen und Asylbewerbern ist
die Rate an PTBS im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung deutlich erhöht [12]
– ebenfalls, weil sie häufiger von potenziell traumatischen Erlebnissen betroffen sind. Einige Studien im deutschen
Sprachraum weisen auf Prävalenzen von
20 bis 40 % bei den Ankommenden hin
[14, 19, 25].
Über verschiedene Flüchtlingsgruppen, Herkunfts- und Ankunftsländer
hinweg wurde in einer Metaanalyse
eine PTBS-Prävalenz von etwa 30 % für
Flüchtlinge aus Kriegsgebieten gefunden
[36].
Traumafolgestörung nach
Mehrfachtraumatisierung
Nach Typ-II-Traumata, also nach mehrfachen und lang andauernden traumatischen Erlebnissen sowie sexuellen Gewalterfahrungen, entwickeltsichhäufiger
ein Subtyp der PTBS mit dissoziativen
Symptomen oder auch eine sog. komplexe Traumafolgestörung [11, 33, 40].
Dieses Beschwerdebild ist zusätzlich
zu den Symptomen einer PTBS durch
eine Vielfalt an psychischen, körperlichen und sozialen bzw. zwischenmenschlichen Beeinträchtigungen gekennzeichnet. Dazu zählen
4 Veränderungen in der Gefühlswelt,
4 körperliche Beschwerden (Schmerzen, Verdauungsprobleme u. a.)
ohne (ausreichendes) körperliches
Korrelat,
4 dissoziative Symptome wie
j
die Abspaltung von Teilen des
Erlebten aus dem Bewusstsein,
j
Erstarrungszustände,
j
Derealisation (Gefühl des Unwirklichen) und
j
Depersonalisation (Selbstentfremdung oder Entfremdung gegenüber
der Umwelt),
4 Selbstschädigung/Selbstverletzung,
4 Suizidgedanken bzw. -impulse,
4 Veränderungen in der Selbstwahrnehmung und
4 Veränderungen in Sexualität und
Beziehungsgestaltung.
Andere traumaassoziierte
Störungen und Komorbidität
Die PTBS ist bei Weitem nicht die einzige Störungsform, die als Folge einer
Traumatisierung zu verstehen ist. Zum
einen wirken sich traumatische Erlebnisse meist auch auf psychosozialer Ebene
aus. Zum Zweiten sind komorbide Störungsbilder wie affektive und somato-
Zusammenfassung · Abstract
forme Störungen, Abhängigkeitserkrankungen und Essstörungen häufig (etwa
80 %; [18]). Zum Dritten kommen diese manchmal auch traumaassoziiert genannten Störungsbilder auch eigenständig vor.
Psychotische Episoden mit Halluzinationen von dissoziativen Phänomenen
oder Flashback-Erleben im Rahmen
einer PTBS abzugrenzen, kann insbesondere bei sprachlichen Einschränkungen Probleme bereiten. Klärung
kann manchmal erst eine Vorstellung
bei psychiatrisch oder traumaspezifisch
ausgebildeten Fachkollegen bringen.
Sicher scheint, dass bei Flüchtlingen
nicht nur die PTBS, sondern die Anzahl
aller psychischen Störungen im Vergleich
zur Allgemeinbevölkerung deutlich erhöht ist. Dies gilt auch für die Zahl der
oft unbehandelten körperlichen Erkrankungen. Insbesondere Kopfschmerzen,
Schmerzen im Abdomen oder in den Extremitäten werden sehr häufig berichtet
[7].
Anpassungsstörung
Bei einer Anpassungsstörung [4] treten
Symptome wie Angst, Traurigkeit, Sorgen und Anspannung innerhalb eines
Monats nach einem belastenden Lebensereignis oder einer besonderen Lebensveränderung auf, z. B. nach schwerer
Erkrankung, Trennung, einem Verlust
oder Schwierigkeiten am Arbeitsplatz.
Die Symptome können mehrere Monate
bis maximal 2 Jahre anhalten. Auslöser
ist zwar eine nachvollziehbare, schwere
Belastung, aber kein „traumatisches“ Erlebnis im engeren oben beschriebenen
Sinn. Eingeordnet werden hier beispielsweise eine prolongierte Trauer nach dem
Verlust eines Angehörigen oder intensive
psychische Reaktionen auf Integrationsprobleme werden z. B. hier . Von einer
„subsyndromalen“ PTBS wird gesprochen, wenn nach einem traumatischen
Erlebnis einige, aber nicht ausreichend
viele Symptome einer PTBS vorhanden
sind.
Internist 2016 · 57:434–443 DOI 10.1007/s00108-016-0055-5
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
J. Schellong · F. Epple · K. Weidner
Psychosomatik und Psychotraumatologie bei Geflüchteten und
Migranten. Herausforderungen für den Internisten
Zusammenfassung
Viele Geflüchtete müssen im Herkunftsland,
auf der Flucht und gelegentlich auch im
Ankunftsland schwer belastende Ereignisse
erleben. Die individuellen Reaktionen darauf
beeinflussen nicht nur die psychische,
sondern auch die somatische Gesundheit.
Zudem wirken sich traumatische Erlebnisse
meist auf psychosozialer Ebene aus. Die
sozialen Verhältnisse und Bedingungen, unter
denen eine Integration erfolgt, tragen das
Ihre zur psychischen Stabilität bei. Die Gesundheitsversorgung von Geflüchteten darf
daher psychosomatische und psychotraumatologische Aspekte nicht vernachlässigen.
Dem medizinischen Erstkontakt kommt hier
eine wichtige Funktion als Weichensteller
zu. Screeninginstrumente, das Wissen um
Besonderheiten der traumainformierten und
der dolmetschergestützen Kommunikation
sowie Kenntnisse der Vermittlung in eine
adäquate Behandlung helfen, dieser Aufgabe
gerecht zu werden.
Schlüsselwörter
Migration · Psychische Gesundheit ·
Psychische Störungen · Posttraumatische
Belastungsstörungen · Traumainformierte
Gesprächsführung
Psychosomatics and psychotraumatology of refugees and
migrants. A Challenge for the Internist
Abstract
Many refugees experience severely stressful
events in their home countries, during
migration and occasionally even after
arrival in the country of destination. The
individual reactions not only influence
the mental health but also somatic well
being. Traumatic events may have an
essential impact on psychosocial functioning;
moreover, the social circumstances during
the integration process influence mental
stability. Physicians play an important role
in identifying possible traumatization and
Psychotraumatologie und
internistische Praxis
In . Abb. 1 sind verschiedene Aspekte veranschaulicht, die in der internistischen Praxis berücksichtigt werden sollten, um Flüchtlingen mit psychischen Belastungen gerecht zu werden. Die einzelnen Punkte werden im Text aufgegriffen
und erläutert.
Der erste Zugang zum Patienten
Schlüsselsymptome
Da die Darstellung und Bedeutung psychischer und psychosomatischer Symptome und Beeinträchtigungen zwischen
den Kulturen generell divergiert und sich
subsequently guiding towards adequate
treatment; hence, the healthcare of refugees
should regularly include psychosomatic and
psychotraumatological aspects. Knowledge
of screening instruments, trauma-informed
care and interpreter-assisted communication
are necessary to meet required standards.
Keywords
Migration · Mental health · Mental disorders ·
Posttraumatic stress disorder · Traumainformed care
auch innerhalb der Herkunftsländer unterscheidet, gelingt es gerade Geflüchteten in ihrem anhaltenden Stresserleben
nicht, somatisch begründete Beschwerden von psychischen oder psychosomatischenBeschwerdenzu differenzierenund
zu äußern. Insbesondere bei Äußerung
der in . Infobox 1 aufgeführten Symptome sollten Behandelnde aufmerksam
werden und gegebenenfalls eine Weiterbehandlung initiieren.
Screening: PROTECT oder PHQ-9
Grundvoraussetzung ist zunächst eine
empathische Kontaktaufnahme, sensible
Beobachtung und Untersuchung – soweit
sprachlich möglich zudem eine neutrale Gesprächsführung ohne vorschnelle
Der Internist 5 · 2016
437
Schwerpunkt: Medizin für Migranten
Abb. 1 9 Psychotraumatologische Aspekte bei der
Behandlung von Flüchtlingen
Zuordnung der Symptome. Zur Identifizierung von traumatisierten Flüchtlingen steht mit PROTECT auch ein
europaweit entwickelter, pragmatischer
Screeningfragebogen zur Verfügung.
Konzipiert wurde er für Interviewer
in Ausländerbehörden, um eine erste
Abschätzung bezüglich des Vorliegens
einer Traumatisierung vornehmen zu
können. Zusätzlich zu Fragen nach
Schmerzen beinhaltet der Fragebogen
einige Fragen nach Schlafstörungen,
Albträumen, Erinnerungen an schmerzhafte Ereignisse, Angst, Vergesslichkeit
oder Konzentrationsstörungen und Interesselosigkeit. Dieser Kurzfragebogen
mit 10 Fragen findet sich in zahlreichen
Sprachen unter http://www.protect-able.
eu/resources. Die Website bietet auch
hilfreiche Erläuterungen. Er ist durchaus
auch zum Screening in der ärztlichen
Praxis nutzbar.
PROTECT ist ein Screening»fragebogen
zur Identifizierung
traumatisierter Flüchtlinge
Da depressive Symptome wesentlich
häufiger auftreten als „klassische“ PTBSSymptome, sei hier auch der Screeningfragebogen Patient Health Ques-
438
Der Internist 5 · 2016
tionnaire 9 (PHQ-9) genannt [22, 39].
Dies ist ein psychodiagnostischer Selbstauskunftsfragebogen, der in vielen
Sprachen verfügbar ist (http://www.
phqscreeners.com). Er erleichtert das
Screening und die Messung des Schweregrads depressiver Symptome. Der
PHQ-9 ist frei erhältlich und kann gebührenfrei angewendet werden.
Traumainformierte Gesprächsführung
In der medizinischen Behandlung von
Flüchtlingen sind traumabezogene Themen nicht selten mit der Krankheitsgeschichte verwoben. Eine traumainformierte Gesprächsführung kann mit
einfühlsamen und ressourcenorientierten Fragen eine achtungsvolle Begegnung
ermöglichen, die wichtige Weichen für
den weiteren Heilungsverlauf stellt. Im
dolmetschergestützten Gespräch wird
dies zur Anforderung für alle drei Gesprächspartner.
Traumatisierte Menschen können
durch die Erinnerung an ihre Erlebnisse in körperliche und seelische Ausnahmezustände (Flashbacks) geraten.
Wichtig ist daher, die Gesprächsführung
entsprechend anzupassen und „traumainformiert“ vorzugehen (. Infobox 2).
Traumatisierung ist mit Gefühlen von
Ohnmacht und Ausgeliefertsein verbunden. Einerseits sollten die Patienten
nicht erneut diesem Gefühl ausgesetzt
werden, andererseits sollte man sich trauen, achtungsvolle Fragen nach erlebten
traumatischen Situationen zu stellen.
Die Grundsätze der Gesprächsführung sind geprägt von
4 Normalität (normale Reaktion auf
katastrophales Ereignis),
4 dem Vertrauen in die Selbstbestimmung (Transparenz) und
4 der Beachtung der Individualität (jeder und jede Reaktion ist einzigartig).
Die Abschätzung, ob ein Patient behandlungsbedürftig ist, erfordert keine detaillierte Exploration der belastenden Ereignisse. Hier hat sich bewährt, nach groben Umständen zu fragen, um zu verstehen, ohne aufzuwühlen. Sollte ein Patient dennoch stark emotional reagieren,
helfen kleine stressreduzierende Übungen, so kann er beispielsweise bewusst
darauf achten, dass die Ausatmung länger dauert als die Einatmung, oder er
orientiert sich in der Gegenwart, indem
er Rechenaufgaben löst oder Gegenstände mit einer bestimmten Farbe im Raum
sucht. Zu viele Reize verwirren und ängstigen zusätzlich. Ein sachlicher, aber dennoch einfühlsamer Ton hilft, einer sich
Hier steht eine Anzeige.
K
Schwerpunkt: Medizin für Migranten
Infobox 1 Schlüsselsymptome,
die auf eine Traumafolgestörung
hinweisen. (Adaptiert nach [8])
Infobox 2 Kernelemente der
traumainformierten Gesprächsführung. (Adaptiert nach [34])
4
4
4
4
4 Grundvoraussetzung: geschützte,
4
4
4
4
4
4
4
Schreckhaftigkeit und Angst
Starke Nervosität und Herzrasen
Schlafstörungen und Albträume
Gefühl der Sinnlosigkeit, Hoffnungslosigkeit
Erinnerungslücken, Konzentrationsprobleme
Quälende Erinnerungen oder Bilder, die
sich aufdrängen
Appetitlosigkeit
Starke Müdigkeit
Verstärktes Bedürfnis nach Alkohol oder
Beruhigungsmitteln
Generalisierte Schmerzen
Beunruhigende Körperwahrnehmungen
anbahnenden Dissoziation gegenzusteuern. Bereits die kurze Reorientierung im
Raum, eingestreute Fragen mit Gegenwartsbezug oder auch nur das Anbieten
eines Schlucks Wasser können antidissoziativ wirken [34].
Besonderheiten der dolmetschergestützten Gesprächsführung bei
Asylsuchenden und Geflüchteten
In aller Regel wird es schwierig sein, mit
Geflüchteten auf Deutsch über so komplexe Themen wie die psychische Befindlichkeit zu sprechen. Teilweise ist es möglich, auf Englisch miteinander ins Gespräch zu kommen – abhängig von den
Sprachkenntnissen bei Geflüchteten und
Behandelnden. Istdies nichtderFall, wird
sinnvollerweise ein Dolmetscher hinzugezogen.
Im dolmetschergestützten Gespräch
sind einige Hinweise zu beachten [28]:
4 Machen Sie sich in einem kurzen
Vorgespräch mit dem Dolmetscher
vertraut.
4 Nutzen Sie zum Dolmetschen keine
Verwandten oder gar Kinder der
Betroffenen. Gerade bei traumabezogenen Inhalten entsteht hier sehr
schnell eine massive Überforderung.
4 Versuchen Sie auf eine wortwörtliche
Eins-zu-eins-Übersetzung hinzuwirken, ohne den Dolmetschenden dazu
zu drängen.
4 Verwenden Sie einfache Wörter
und möglichst wenige Fachbegriffe.
Eine kurze, präzise Ausdrucksweise
erleichtert den Übersetzungsprozess.
440
Der Internist 5 · 2016
störungsfreie Gesprächssituation
4 Kommunikation:
j
Transparente Erklärung aller Schritte
(Gefühl des Ausgeliefertseins vermeiden!)
j
Wissen um mögliche Stressreaktionen,
Normalisierung
j
Sachlicher, aber einfühlsamer Ton
j
Beachtung psychischer Zustände
und Anpassen der Kommunikation
(antidissoziativ)
j
Bestätigung der Wahrnehmung der
Betroffenen und Ernstnehmen von
Gefühlen
j
Ängste der Betroffenen bedenken
j
Ressourcenorientiertes Fragen,
Beachtung, dass die Tat ein endliches
Ereignis gewesen ist (z. B.: Wie sind Sie
aus der Situation gekommen?)
j
Keine Zusagen, die nicht haltbar sind
(nur Dinge versprechen, über die man
selbst Kontrolle hat)
4 Abschluss: Mitgeben schriftlicher
Informationen, z. B. Broschüren (möglichst
in der Landessprache)
4 Halten Sie trotz des Dolmetschers
Blickkontakt mit dem Patienten.
4 Bei allem nötigen Verständnis für
fremde Lebenswelten gibt es Grenzverletzungen, die über alle kulturspezifischen Besonderheiten hinweg als
solche zu betrachten sind und krank
machen (insbesondere Gewalt).
4 Haben Sie Verständnis für die „doppelte Sprachlosigkeit“. (Gemeint
ist hier zum einen die Unmöglichkeit, das Erlebte aufgrund hohen
Schamgefühls überhaupt in Worte zu
fassen, zum anderen die besondere
Schwierigkeit, dies auch noch in einer
fremden Sprache zu tun.)
4 Verabschieden Sie sich auch vom
Dolmetscher und erkundigen Sie
sich, ob auch für ihn wieder genügend Abstand zum Gesprächsinhalt
hergestellt ist.
Behandlung
Die Behandlung psychischer Erkrankungen bei Geflüchteten ist nicht nur
eine humanitäre Aufgabe. Sie sorgt auch
dafür, dass alle anderen (Integrations-)
Maßnahmen nicht ins Leere laufen. Ziel
ist zunächst die Stabilisierung, medizinische Versorgung und Krisenbehandlung,
zudem die Verhinderung einer psychischen Dekompensation mit Symptomausweitung und psychosozialen Folgen
sowie schließlich die kurative Therapie.
Krisenintervention bei psychischer
Dekompensation
Suizidale Krisen, ausgeprägte dissoziative
Zustände, eine massive depressive Entgleisung oder Angstzustände bedürfen
der Akutbehandlung. Nach Ausschluss
einer Selbst- oder Fremdgefährdung
kann ein psychoedukativ klärendes Gespräch bereits viel Linderung bringen.
Explizit für traumatisierte Flüchtlinge
entwickelte Text- und Audiovorschläge
zur Psychoedukation und auch therapeutische Übungen zur Stabilisierung
in verschiedenen Sprachen finden sich
zum Beispiel unter http://www.wiki.pszduesseldorf.de/NAWA.
Gerade in Gemeinschaftsunterkünften sollte auch ein eventuelles aktuelles
Gewalterleben beachtet werden, so etwa häusliche, sexuelle oder rechtsradikale Gewalt. Spezifische Beratungseinrichtungen stehen hier zur Verfügung. Informationen und Hilfsmöglichkeiten in
vielen Sprachen für Betroffene und für
Fachkräfte finden sich unter der Nummer des bundesweiten Hilfetelefons „Gewalt gegen Frauen“ (+49 8000 116016;
http://www.hilfetelefon.de). Vertraulich,
kostenfrei und rund um die Uhr werden Hilfe und Unterstützung auch für
Fachkräfte angeboten.
Traumaspezifische Psychotherapie
Traumafolgestörungen sind durch Psychotherapie gut behandelbar, sofern
traumaspezifische Techniken angewendet werden und keine Chronifizierung
der Symptome eingetreten ist [3, 13].
Insbesondere die Behandlung der klassischen Form der PTBS, einer Folgestörung
nach einzelnem Typ-I-Trauma, zeigt bei
Anwendung eines der folgenden Verfahren gute bis sehr gute Ergebnisse
[12]:
4 Intensive Exposition in der Erinnerung („prolonged exposure in
sensu“)
4 „Eye movement desensitization
reprocessing therapy“ nach Shapiro
4 Kognitive Verhaltenstherapie
PTBS in mehreren Studien als regelrecht
kontraproduktiv erwiesen [9, 16, 23].
Weitervermittlung
Es gibt einige vielversprechende Belege
für die Wirksamkeit der psychotherapeutischen Behandlung von Flüchtlingen
mit Traumafolgestörungen [29, 30, 31].
Die Studienlage ist aber nach wie vor
nicht befriedigend, zumal die Teilnehmerzahlen oft gering und die Umstände
sowie die Populationen sehr heterogen
waren [7]. Eine kulturspezifische Anpassung der Therapiemanuale wird dringend
empfohlen, steht aber zum jetzigen Zeitpunkt noch am Anfang [9].
Psychopharmakotherapie
Sicherlich stellt sich in einigen Fällen die Frage nach der Notwendigkeit
einer Medikation. Eine befriedigende
medikamentöse Behandlung ist für die
PTBS noch nicht gefunden. Psychotherapie bleibt auch bei traumatisierten
Geflüchteten die bevorzugte Behandlungsmethode. Verschiedene Studien
belegen eine gewisse Wirksamkeit von
selektiven Serotoninwiederaufnahmehemmern [32, 38] wie Paroxetin und
Sertralin sowie des Noradrenalin-Serotonin-Wiederaufnahmehemmers Venlafaxin. Einzelne Hinweise auf positive
Effekte finden sich für die Neuroleptika Olanzapin und Risperidon oder
für Antikonvulsiva wie Topiramat. Für
die Indikation PTBS zugelassen sind
in Deutschland lediglich Paroxetin und
Sertralin.
Bei Schlafstörungen und Überwiegen
der depressiven Stimmung hat sich Mirtazapin bewährt. Als spannungslösend
werden beispielsweise niedrig potente
Neuroleptika wie Quetiapin oder Prothazin empfohlen.
Abgesehenvom EinsatzbeiakuterSuizidalität ist von Benzodiazepinen abzuraten. Nicht zu unterschätzen ist zum
einen deren hohes Abhängigkeitspotenzial, zum anderen scheinen sie die Entwicklung dissoziativer Phänomene zu begünstigen, das Nachlassen von PTBSSymptomen zu verzögern und psychotherapeutische Techniken in ihrer Wirkung zu beeinträchtigen. Der Einsatz dieser Medikamentengruppe hat sich bei der
An vielen Orten haben sich Netzwerke zur medizinischen Versorgung von
Flüchtlingen gebildet, in die auch psychosoziale Beratungsstellen sowie ärztliche
und psychologische Psychotherapeuten
eingebunden sind. Gerade die Behandlung von Flüchtlingen in ihrer Komplexität und unter sich ständig verändernden
Bedingungen erfordert ein gut funktionierendes Netzwerk mit hoher Transparenz und guter Absprachemöglichkeit.
Ein internistischer Erstkontakt kann
zusätzlich zur somatischen Erstversorgung eine wesentliche Weichenstellung
sein, um Geflüchtete in spezifische Behandlungssettings zur gezielten psychosozialen Intervention weiterzuvermitteln.
Die Versorgungsumstände, d. h. die
Unterbringung in einer Erstaufnahmeeinrichtung, in der Gemeinschaftsunterkunft einer Kommune oder in dezentralen Wohnungen bzw. das eigenständige
Leben als anerkannter Flüchtling, beeinflussen die Möglichkeiten einer fachspezifischen Versorgung.
Sind Patienten noch ohne gesicherten Aufenthaltsstatus, haben sie nach
§ 4 des Asylbewerberleistungsgesetzes
grundsätzlich lediglich Anspruch auf die
Behandlung akuter Erkrankungen und
Schmerzzustände. „Sonstige Leistungen“ – z. B. Psychotherapie – können im
Einzelfall übernommen werden, wenn
sie für die Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerlässlich
sind und die Betroffenen besondere
Bedürfnisse haben (§ 6 Asylbewerberleistungsgesetz). Dies gilt beispielsweise
für unbegleitete Minderjährige oder Personen mit schweren Gewalterfahrungen
(Folter, Vergewaltigung oder sonstige
schwere Formen psychischer, physischer
oder sexueller Gewalt). In diesen Fällen
ist eine gesonderte Beantragung von
Leistungen erforderlich, die auch Fahrtund Dolmetscherkosten beinhaltet.
Haben Patienten einen gesicherten
Aufenthaltsstatus, so sind sie bei einer
Krankenkasse versichert und haben Anspruch auf alle Krankenkassenleistungen
und damit auch auf psychotherapeutische Leistungen, soweit diese indiziert
sind. Allerdings werden in diesem Fall die
Dolmetscherkosten von Krankenkassen
bisher nicht übernommen.
Spannungsfeld Begutachtung
Die Realität der Flüchtlingssituation
ist die Hoffnung auf Anerkennung als
Flüchtling und die Angst vor Ausweisung. Der Wunsch nach einer Bescheinigung der Ausreiseunfähigkeit wird
verständlicherweise in der Behandlung
oft thematisiert. Andererseits bitten
Behörden um Unterstützung. Um der
Gefahr einer Instrumentalisierung zu
entgehen, sollte auch in diesem Kontext
die Trennung von Gutachtensituation
und Behandlung wesentlicher Grundsatz bleiben [41].
Die Beurteilung der Reisefähigkeit
wird meist vom Öffentlichen Gesundheitsdienst oder von Ärzten bzw. anderen Gutachtern übernommen, die die
Ausländerbehörde beauftragt. In der Zusammenarbeit hat sich eine transparente
Auftrags- und Rollendifferenzierung
bewährt. Unkritisch ist dagegen die
Ausstellung von Befundberichten. Diese
können ihrerseits von späteren Gutachtern in ihre Einschätzung einbezogen
werden.
Die Begutachtung reaktiver psychischer Störungen nach dem aufenthaltsrechtlichen Verfahren gehört in die Hände erfahrener Gutachter. Spezialisierte
psychotraumatologische Kenntnisse sind
Grundlage für die qualifizierte Begutachtung von Menschen mit Traumafolgestörungen. Die Deutschsprachige Gesellschaft für Psychotraumatologie (DeGPT)
definiert Standards für eine Qualifikation
und führt eine Liste zertifizierter Gutachter (http://www.degpt.de).
Fazit für die Praxis
4 Traumatisierende Erlebnisse im Her-
kunftsland, auf der Flucht und im
Ankunftsland können die Gesundheit
von Geflüchteten stark beeinträchtigen.
4 Internisten können Weichensteller
für eine gezielte Psychotherapie oder
Der Internist 5 · 2016
441
Schwerpunkt: Medizin für Migranten
für die Vermittlung in Unterstützungsnetzwerke sein.
4 Grundfertigkeiten in dolmetschergestützter und traumasensibler
Gesprächsführung helfen diese Weichenstellerfunktion wahrzunehmen.
4 Für die Detektion von Flüchtlingen
mit Traumafolgesymptomatik stehen
Kurzfragebogen zur Verfügung.
4 Stellungnahmen und Begutachtungen bezüglich der Reisefähigkeit
sollten von der Behandlung getrennt
werden.
Korrespondenzadresse
Dr. med. univ. J. Schellong
Klinik und Poliklinik
für Psychotherapie
und Psychosomatik,
Universitätsklinikum Carl
Gustav Carus, TU Dresden
Fetscherstr. 74, 01307 Dresden, Deutschland
[email protected]
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt. J. Schellong, F. EppleundK. Weidner geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine von den Autoren
durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren.
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Fachnachrichten
Praxis ohne Grenzen
Wenn Patienten durchs Netz fallen
Ohne Versicherungsschutz
In Deutschland gilt seit dem 1. Januar 2009
eine allgemeine Krankenversicherungspflicht.
Dennoch leben hierzulande Schätzungen zufolge zwischen 200.000 und 500.000 Menschen
ohne Versicherungsschutz: Selbstständige,
die in Insolvenz geraten sind und sich den
Krankenkassenbeitrag nicht leisten können,
Obdachlose, Asylsuchende, Flüchtlinge ohne
Aufenthaltsstatus und EU-Bürger aus Osteuropa,
die noch keine sozialversicherungspflichtige
Arbeit in Deutschland gefunden haben.
Das Leben ohne Krankenversicherung hat für
Betroffene oft katastrophale Folgen: Krankheiten werden verschleppt, Wunden nicht adäquat
versorgt, die Patienten bleiben, da sich ihr
Gesundheitszustand zusehends verschlechtert,
daheim und verlieren jeden Anschluss, weshalb
viele am Ende auch noch psychisch erkranken –
ein Teufelskreis.
Professor Peter C. Ostendorf, ehemaliger
Chefarzt des Zentrums für Innere Medizin im
Hamburger Marienkrankenhaus, startete im
Frühjahr 2014 eine Initiative, um die als unerträglich empfundene Situation der Betroffenen
zu verbessern. Gemeinsam mit Kollegen eröffnete er in drei Räumen, die ihm die Gesellschaft
„Pflegen & Wohnen“ im Senioren Centrum Horn
unentgeltlich zur Verfügung stellte, die erste
Hamburger „Praxis ohne Grenzen“.
Das Mobiliar stammte aus der ausgemusterten
Intensivstation des Marienkrankenhauses, wo
Ostendorf sogar die Seifenspender abmontierte. Mehrere Stiftungen unterstützten die
Anschaffung der medizinischen Geräte, auf
die viele Hersteller zudem großzügige Rabatte
gewährten. Im ersten Jahr kamen insgesamt
1280 Patienten in die Sprechstunde, zu der die
„Praxis ohne Grenzen“ jeden Mittwoch von
15 bis 18 Uhr einlädt.
Der ständig steigenden Nachfrage wegen
sah man sich bald gezwungen, sowohl die
Räumlichkeiten als auch das Angebot zu erweitern. Die notwendig gewordenen Umbauten
finanzierte die Reimund C. Reich-Stiftung.
Inzwischen verfügt die „Praxis ohne Grenzen“ in
Hamburg-Horn über zwölf Räume, verteilt auf
320 Quadratmeter.
Kostenlose Sprechstunden
Waren in der Ambulanz zunächst nur
Internisten, Dermatologen, Gynäkologen und
Pädiater tätig, so laden heute auch Zahnärzte,
Augenärzte, HNO-Ärzte, Chirurgen und Orthopäden in die kostenlose Sprechstunde, wo sich
Patienten auf Wunsch auch anonym behandeln
lassen können. Ergänzt wird das medizinische
Angebot durch eine Sozialberatung.
Mittlerweile arbeiten 41 Ärzte, zwölf Krankenschwestern und Medizinisch-technische
Assistentinnen sowie zwei Dolmetscher und
eine Bürokraft in der Hamburger Einrichtung,
die sich vor allem durch Spenden finanziert.
Künftig rechnet Ostendorf mit bis zu 2500
Patienten pro Jahr, nicht zuletzt der steigenden Flüchtlingszahlen wegen. Finanzielle
Engpässe ergäben sich mitunter durch teure
Medikamente, Operationen und aufwendige
Therapiekonzepte.
Das mit dem CharityAward verbundene
Preisgeld von 20.000 Euro, sagte der 77-jährige
Internist bei der Preisverleihung in Berlin, „gibt
uns eine Reserve für Notfälle, Operationen oder
Chemotherapien“.
Mit dem Medienpaket in Höhe von
100.000 Euro, unterstützt von Springer Medizin
und dem TV-Wartezimmer aus Freising, will
der ehemalige Chefarzt den Bekanntheitsgrad
seiner Initiative erhöhen und auf diese Weise
weitere Spenden generieren. (Smi)
Quelle: Ärzte Zeitung vom 29. 1. 2016
www.aerztezeitung.de
© Praxis ohne Grenzen
Eine 65-jährige Frau aus Ghana reist im Sommer
nach Hamburg, um ihren Sohn und ihr Enkelkind zu besuchen. Während ihres Aufenthaltes
erkrankt sie an hohem Fieber.
Ihr Visum läuft ab, an eine Rückreise ist nicht
mehr zu denken. Die Patientin hat keinen
Versicherungsschutz – was soll sie tun? Ihr Sohn
bringt sie in die „Praxis ohne Grenzen“. Dort
diagnostizieren die Ärzte eine Malaria tropica
und eine ausgeprägte Herzschwäche.
Sie vermitteln die Patientin ans UKE, dessen
Spezialisten schwere Schädigungen ihrer
Herzklappen und Koronararterien feststellen.
Die Ghanaerin benötigt einen 4- fachen Bypass.
Kosten: 27.000 Euro. Die „Praxis ohne Grenzen“
gibt eine Übernahmegarantie. Inzwischen
befindet sich die 65-Jährige in der Rehaphase –
es geht ihr gut.
Ähnliche Schicksale erfahren die Mitarbeiter
der „Praxis ohne Grenzen“ Woche für Woche
und tun alles dafür, das Leid ihrer Patienten zu
lindern. Für ihren ehrenamtlichen Einsatz hat
die Hamburger Einrichtung im vergangenen
Herbst den 1. Preis des von Springer Medizin
vergebenen CharityAwards 2015 erhalten.
8 Engagiert für Menschen ohne Krankenversicherung: Professor Peter C. Ostendorf
Schwerpunkt: Medizin für Migranten
Internist 2016 · 57:444–451
DOI 10.1007/s00108-016-0030-1
Online publiziert: 22. Februar 2016
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
Redaktion
S.M. Schellong, Dresden
B. Salzberger, Regensburg
Aufgrund von Migration sind die genetisch determinierten Hämoglobinopathien, Hämoglobin(Hb)-Strukturdefekte
und der Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase(G6PDH)-Mangel in Deutschland
keine seltenen Erkrankungen mehr. Wegen der aktuellen Flüchtlingsbewegungen aus dem Nahen und Mittleren Osten
sowie aus afrikanischen Gebieten wird
die Zahl der Betroffenen deutlich zunehmen. Entsprechend nimmt die Herausforderung in der Differenzialdiagnose der Anämien zu. Viele Migranten und
Flüchtlinge kommen aus Gebieten, in denen Thalassämien, Sichelzellerkrankungen und der G6PDH-Mangel endemisch
sind.
Der vorliegenden Arbeit wurden aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamts
auf Basis des Mikrozensus zu Migration, Asyl und Bevölkerungsanteilen zugrunde gelegt. Die Prävalenz hereditärer
Hb-Defekte und des G6PDH-Mangels in
den Nationen, aus denen ein Großteil der
Migranten und Flüchtlinge in Deutschland stammt, wurde durch intensive Literaturrecherche in verschiedenen wissenschaftlichen und medizinischen Datenbanken ermittelt. Die Daten waren
teils sehr lückenhaft, daher ist nur eine
ungefähre Abschätzung der Betroffenen
möglich. Ein weiteres Ziel dieser Arbeit
ist es, Kenntnisse über die pathophysiologischen Mechanismen zu vermitteln
und die diagnostischen sowie therapeutischen Konsequenzen aufzuzeigen. Die
hereditären Anämien sind in der medizinischen Ausbildung teilweise unterrepräsentiert und finden in der Differenzialdiagnostik häufig nicht die nötige
Aufmerksamkeit.
444
Der Internist 5 · 2016
B. Zur
Institut für Klinische Chemie und Klinische Pharmakologie, Universitätsklinik Bonn, Bonn, Deutschland
Zunahme genetisch
determinierter Anämien durch
Migration in Deutschland
Hämoglobin
Hb ist ein tetrameres Protein mit jeweils
2 α- und 2 β-Globinketten und der Hämgruppe, bestehend aus einem Porphyrinring mit einem zentralen Eisenatom für
die Sauerstoffbindung. Das Hb eines Erwachsenen besteht bis zu etwa 97 % aus
HbA (mit jeweils 2 α- und 2 β-Globinen),
bis zu etwa 3,5 % aus HbA2 (mit 2 α- und
2 δ-Globinen) und bis zu 1 % aus HbF
(mit 2 α- und 2 γ-Globinen). Neugeborene haben einen hohen HbF-Anteil, der
sich individuell unterschiedlich schnell
auf rund 1 % reduziert. Im gleichen Maße, wie der HbF-Anteil abfällt, steigt der
HbA-Anteil, der ca. im sechsten Lebensmonat Erwachsenenwerte erreicht. Auf
dem Chromosom 16 codieren 2 Gene
das α-Globin, α-1 wird zu ca. 30 % exprimiert, α-2 zu ca. 70 %. Auf dem Chromosom 11 codiert jeweils ein Gen das
β-Globin und δ-Globin und 2 Gene das
γ-Globin [1].
α-Thalassämie-Syndrome
Mutationen im α-Globin führen aufgrund der 2-fachen Codierung des Peptids seltener zu ausgeprägten Störungen.
Die Vererbung ist autosomal-rezessiv.
Der Pathomechanismus beruht auf einer
Imbalance der Bildung von funktionsfähigen Globinen. Der molekulare Defekt
wird überwiegend durch Deletionen des
Gens verursacht.
Die Inaktivierung von nur einem Gen
führt zur α+ -Thalassämie (-α/αα), die klinisch meist stumm verläuft. Die Inaktivierung von 2 Genen wird als α0-Thalassämie bezeichnet und kann heterozygot
oder homozygot sein (--/αα oder -α/-α).
Klinisch zeigt sich eine milde mikrozytäre Anämie. Bei Verlust von 3 α-GlobinGenensprichtmanvonderHbH-Erkrankung, die sich klinisch durch eine mikrozytäre hämolytische Anämie äußert. Die
Ausprägung ist bei 2 inaktivierten α2-Genen stärker und kann zur gelegentlichen
Transfusionsbedürftigkeit führen. HbH,
ein instabiles insuffizientes β-Tetramer,
kann eine Konzentration von bis zu 20 %
erreichen. HbH-Innenkörper präzipitieren und verursachen periphere Hämolysen. Beim Ausfall von allen α-Genen
entsteht bis zu 90 % Hb Barts (γ-Tetramer), das intrauterin einen Hydrops fetalis verursacht. Die Mutationen, häufig
Deletionen beim Crossing-over, führen
zu einer reduzierten Synthese von α-Globinen [2].
Verlust von 3 α-Globin»GenenDeräußert
sich in einer
mikrozytären hämolytischen
Anämie
Das nichtdeletionale Hb Constant Spring
(αCS) entsteht durch eine Mutation im
Stoppcodon. Es ist sehr häufig in Südostasien anzutreffen. Die Kombination
mit einer α-Thalassämie verursacht häufig schwerere HbH-Erkrankungen [3].
β-Thalassämie-Syndrome
Das β-Globin wird von einem Gen auf
Chromosom 11 codiert. Deletionen eines
Gens sind selten. Meist liegen Punktmutationen vor, die die Transkription
Tab. 1
Typ
Klinische Einteilung des Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangels
Enzymaktivität
Defizienz
Symptome
(%)
1
<1
Schwer
Chronische hämolytische Anämie
2
1–10
Schwer
Intermittierende Hämolyse
3
10–60
Mäßig
Induzierte intermittierende Hämolyse
4
60–100
Nein
Keine
5
> 110
Nein
Keine
durch Beeinträchtigung der mRNAReifung vermindern. Eine heterozygote
β-Thalassämie, die nicht in Kombination mit anderen Hb-Varianten auftritt,
ist klinisch stumm. Teilweise ist sie an
erhöhten Erythrozytenzahlen und einer Mikrozytose mit und ohne Anämie
erkennbar, was sich in der Bezeichnung Thalassaemia minima und minor
niederschlägt.
Eine heterozygote
»β-Thalassämie
ist für sich
genommen klinisch stumm
Patienten mit homozygoter β-Thalassämie sind schwer erkrankt, sie zeigen
eine ineffektive Erythropoese und eine
Knochenmarkshyperplasie. Die Ausprägung kann aufgrund der Restaktivität
der β-Globinketten-Synthese sehr unterschiedlich sein. Der völlige Ausfall
der β-Globinketten-Synthese (β0) verursacht schwerere Krankheitsbilder, als
wenn noch eine Restbildung der β-Globinkette von bis zu 20 % (β+) oder > 20 %
(β++) besteht. Klinische Erscheinungsbilder einer homozygoten Anlage sind
die Thalassaemia intermedia und major
[4].
HbE (β26, Glu → Lys) ist eine Strukturanomalie, die in Asien weitverbreitet
ist. Eine modifizierte β-mRNA bewirkt
die verminderte Bildung des mutierten
β-Globins. Daher wird HbE auch zu den
thalassämischen Varianten gezählt. Homozygot zeigt sich gelegentlich nur eine
leichte hypochrome Anämie, in Kombination mit einer heterozygoten β-Thalassämie jedoch ein ausgeprägtes thalassämisches Krankheitsbild [5].
Hb Lepore entsteht durch ein nichthomologes Crossing-over während der
Meiose, das zur Bildung eines Fusionsprodukts aus δ- und β-Globin führt.
Es kommt zu einer verminderten Bildung von mRNA und damit zu einer
verminderten Transkription. Hb Lepore
ist daher den β-Thalassämien zugehörig
[6].
Sichelzellerkrankung
HbS (β6, Glu → Val) ist eine weitverbreitete Mutation in Afrika, in den arabischen
Ländern, in den Mittelmeergebieten und
in den südlicheren Gebieten Asiens. Der
Pathomechanismus der homozygoten
Sichelzellerkankung ist sehr komplex.
Durch Veränderungen von Sauerstoffgehalt, pH-Wert und Temperatur kommt
es zur Polymerbildung des Hb und daraufhin zur Sichelung der Erythrozyten.
Diese unflexiblen Erythrozyten verursachen in den sauerstoffärmeren Venolen
eine mikrovaskuläre Stase und heften
sich an die Endothelzellen. Durch eine
niedrige Argininkonzentration wird die
Stickstoffmonoxidsynthese vermindert,
was zusätzlich eine Vasokonstriktion bewirkt. Erhöhte Granulozytenzahlen bei
Infektionen tragen zusätzlich zu einem
Gefäßverschluss bei. Die Folge können
u. a. Schlaganfälle, Schmerzkrisen, ein
akutes Thoraxsyndrom, eine Milzsequestration und aseptische Nekrosen
sein.
Patienten mit Sichelzellerkrankung
haben eine gut kompensierte Anämie
mit Hb-Werten zwischen 6 und 9 g/dl.
Höhere Werte durch Bluttransfusion
können bei ihnen zu Gefäßverschlüssen
führen. Eine wichtige Rolle spielt der
protektive Effekt der HbF-Konzentration.
Eine Sichelzellerkrankung zeigt sich
auch bei heterozygoter Anlage in Kombination mit anderen heterozygoten Varianten. Die Kombination mit einer heterozygoten β0-Thalassämie verursacht ein
Krankheitsbild entsprechend der homo-
Hier steht eine Anzeige.
K
Zusammenfassung · Abstract
zygoten Erkrankung. Die Kombination
miteiner β+-Thalassämie verläuftwesentlich milder. Die Kombinationen mit HbC,
HbD, HbE und anderen β-Globin-GenMutationen sind ebenfalls mit einer Sichelzellerkrankung assoziiert. Die Ausprägung unterscheidet sich individuell,
meist ist sie weniger stark. Die Kombination einer homozygoten Sichelzellerkrankung mit einer α-Thalassämie hat
dagegen einen positiven Effekt [7, 8].
Andere häufige Varianten
Bei der HbC-Anomalie können sich HbKristalle bilden, die die Verformbarkeit
der Erythrozyten beeinflussen. Die Kristallbildung wird im Gegensatz zu HbS
durch Oxygenierung verursacht und
nimmt bei zunehmender Deoxygenierung ab. Die HbC-Erythrozyten werden
aufgrund der dadurch bedingten Membrandefekte in der Milz entfernt. Dies
erklärt, warum homozygote Patienten
nicht an einer Sichelzellerkrankung leiden, sondern eher an einer leichten
hämolytischen Anämie. In Kombination
mit einer heterozygoten β-Thalassämie
ergibt sich ein schwerers thalassämisches
Krankheitsbild oder mit einer Sichelzellanomalie eine weniger stark ausgeprägte
Sichelzellerkrankung [9].
HbD kommt weltweit vor. Teilweise
sehr hohe Prävalenzen finden sich in Indien und China. HbD hat mehrere Strukturvarianten mit sehr unterschiedlichen
Mutationsorten des β-Globin-Gens. Die
verbreitetsten sind HbD Punjab/Los Angeles und HbD Iran. HbD ist homozygot nicht mit einer Erkrankung assoziiert
[10]. HbO Arab wird in heterozygoter
Form nicht klinisch manifest, homozygot zeigt sich maximal eine leichte hämolytische Anämie. Diese Variante ist
ebenfalls weitverbreitet. Jede der oben
aufgelisteten Varianten kann schließlich
in Kombination mit einer heterozygoten
β-Thalassämie oder Sichelzellanlage zu
schweren Erkrankungen führen [11].
Glukose-6-PhosphatDehydrogenase-Mangel
Der G6PDH-Mangel wird durch Mutationen des G6PDH-Gens auf Abschnitt q28 des X-Chromosoms verur-
446
Der Internist 5 · 2016
Internist 2016 · 57:444–451 DOI 10.1007/s00108-016-0030-1
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
B. Zur
Zunahme genetisch determinierter Anämien durch Migration in
Deutschland
Zusammenfassung
Hintergrund. Aufgrund von Migration
und Flucht sind Hämoglobinopathien und
der Glukose-6-Phosphat-DehydrogenaseMangel in Deutschland keine seltenen
Erkrankungen mehr. Durch die aktuellen
Flüchtlingsbewegungen werden diese
genetisch determinierten Erkrankungen an
Bedeutung gewinnen.
Methoden. Auf Basis einer Literaturrecherche
wurden die Prävalenzen von genetisch determinierten Anämien in den ursprünglichen
Endemiegebieten zusammengestellt. Die
gewonnenen Daten wurden mit Statistiken
zur Bevölkerungszusammensetzung in Bezug
auf Migration, Ausländer und Asylsuchende
in Deutschland verglichen.
Ergebnisse. Die Endemiegebiete weisen für
den Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-
Mangel und für Hämoglobinopathien
teilweise Prävalenzen von 40 % und mehr
auf. Der Anteil der Personen aus den
Endemiegebieten nimmt rapide zu.
Schlussfolgerung. Durch die hohe Zahl
an Flüchtlingen aus asiatischen und
afrikanischen Gebieten wird die Bedeutung
der genetisch determinierten Erythrozytendefekte in der Differenzialdiagnose der
Anämien zunehmen. Die Vermittlung von
Kenntnissen über Gefahren, Diagnostik und
Therapie muss in der medizinischen Aus- und
Fortbildung besser organisiert werden.
Schlüsselwörter
Flüchtlinge · Hämoglobinopathien · Glukose6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel ·
Sichelzellenanämie · Thalassämie
Increase in genetically determined anemia as a result of migration
in Germany
Abstract
Background. Due to the increasing numbers
of migrants and asylum seekers, hemoglobinopathies and glucose-6-phosphate
dehydrogenase deficiency are no longer rare
diseases in Germany. As a result of the current
migration movements these genetically
determined diseases will gain in importance.
Methods. Following a literature search
the prevalence of the original endemic
regions was compiled and compared to the
population composition based on statistical
data on migrants, foreign residents and
asylum seekers in Germany.
Results. In the endemic regions a prevalence
of 40 % and sometimes higher have been
found for glucose-6-phosphate dehydrogen-
sacht. Bisher sind etwa 150 verschiedene Mutationen bekannt, es handelt
sich überwiegend um Punktmutationen.
G6PDH ist in den Erythrozyten das
Schlüsselenzym des Pentosephosphatwegs. Durch den Pentosephosphatweg
werden letztendlich für weitere Stoffwechselvorgänge Pentosephosphate und
NADPH bereitgestellt. NADPH dient als
Kofaktor für das Enzym Glutathionreduktase, das oxidiertes Glutathion wieder
reduziert. Glutathion ist essenziell für
ase deficiency and hemoglobinopathies. The
number of people arriving in Germany from
these endemic regions is rapidly increasing.
Conclusion. Due to the high number of
asylum seekers arriving from Asian and
African regions, genetic erythrocyte defects
will gain importance in the differential
diagnosis of anemia; therefore, medical
education and training must incorporate
heightened awareness of risks, diagnostics
and therapy of these disease patterns.
Keywords
Refugees · Hemoglobinopathies · Glucose 6
phosphate dehydrogenase deficiency ·
Anemia, sickle cell · Thalassemia
den Oxidationsschutz des Erythrozyten,
da stetig Peroxide anfallen. Wird zu wenig Glutathion bereitgestellt, kommt es
zu oxidativen Schäden des Erythrozyten
und dadurch zur Hämolyse.
Häufiges erstes Kennzeichen eines
G6PDH-Mangels ist ein Neugeborenenikterus. Es werden 5 Typen unterschieden (. Tab. 1). Die spezifischen
G6PDH-Mutationen finden sich gehäuft
innerhalb bestimmter ethnischer Gruppierungen. Der sog. afrikanische Typ A
Polen
Italien
Syrien
Griechenland
Albanien
Kosovo
22 %
22 %
8%
23 %
2%
2%
Serbien
2%
4%
Mazedonien
4%
4%
2%
7%
1%
Afghanistan
15 %
5%
4%
4%
Eritrea
Pakistan
13 %
8%
Russland/Ukraine
6%
13 %
4%
20 %
Naher/Mittlerer Osten
Süd-/Südostasien
Afrika
Nigeria
a
Bulgarien
Westbalkan
Türkei
Irak
5%
Rumänien
b
Übrige
China
Übrige
Griechenland
Italien
21 %
2%
Westbalkan
5%
5%
Polen
10 %
4%
Rumänien
Russland/Ukraine
Türkei
11 %
6%
9%
5% 4%
Afrika
Süd-/Südostasien
18 %
Kasachstan
Naher/Mittlerer Osten
c
Übrige
Abb. 1 8 Verteilung der Nationalitäten unter Asylsuchenden (a) und Ausländern (b) sowie in der Bevölkerung mit Migrationshintergrund (c). (Daten aus [14])
Differenzialdiagnose
Hämoglobindefekt, G6PDH-Mangel, Eisenmangel
Familienanamnese, Medikamentenanamnese, Verwandschaftsverhältnisse?
Anämie?
Mikrozytose, Hypochromie
Normozytose, Normochromie
β-Thalassämie
Eisenmangel
α-Thalassämie
HbE
Erythrozytenzahl↑
Retikulozyten↑
(Hämolysezeichen)
Ferritin↓
Retikulozyten↓
Keine Hämolyse
(Hämolysezeichen)
(Hämolysezeichen)
HPLC oder
Elektrophorese
Ggf. löslicher
Transferrinrezeptor ↑
Genetische Analyse
HPLC oder
Elektrophorese
Genetische Analyse
bei stummer
β-Thalassämie
HbS, HbC, HbD
G6PDH-Mangel
Hämolysezeichen
Retikulozyten↑
Coombs-Test negativ
HPLC oder
Elektrophorese
Enzymaktivität +
genetische Analyse
HPLC/Elektrophorese
bei HbH, Hb Barts
Blutausstrich: HbHEinschlusskörper
Seltene Hämoglobinvarianten: genetische Analyse, Gensequenzierung
Abb. 2 8 Stufendiagnostik der mikro- und normozytären Anämien. Im Einzelfall muss die Diagnostik auf autoimmune und
neoplastische Ursachen erweitert werden. G6PDH Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase; Hb Hämoglobin; HPLC „high-performance liquid chromatography“ (Hochleistungsflüssigkeitschromatographie)
und die in Südostasien vorkommende
Mahidol-Variante weisen noch relativ
hohe Restaktivitäten auf. Bei der im
Mittelmeergebiet sowie im Nahen und
Mittleren Osten vorkommenden medi-
terranen Variante ist keine Restaktivität
nachweisbar. Die G6PDH-Aktivitäten
sind bei jungen Erythrozyten viel höher
als bei alten. Retikulozyten besitzen die
höchste Aktivität. Beim männlichen Ge-
schlecht tritt die Erkrankung hemizygot
in voller Ausprägung in Erscheinung,
beim weiblichen Geschlecht nur bei
Homozygotie [12, 13].
Der Internist 5 · 2016
447
Schwerpunkt: Medizin für Migranten
Tab. 2
dern
Prävalenz der genetischen Disposition für Hämoglobinopathien und einenGlukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel in endemischen LänG6PDH-Mangel
(%)
α-Thalassämie
(%)
β-Thalassämie (%)
HbS
Gehäuft auftretende
Varianten
Türkei
1,3–6,9
3–7,5
2,5–10,2
2,3–10
HbO/HbD/HbE/Hb Lepore
Italien
0,1–23,1
4,1–12,6
< 1–19
< 1–13
Hb Lepore
Griechenland
2,9–11,7
7a
7,5–10
1a
Hb Lepore
Spanien
0,4–0,9
–
–
–
Rumänien
1,9
–
0,5
–
Bulgarien
3,3
0,5–1,6
< 1–19,9
–
Westbalkan
0,4–11,9
–
0,5–10
–
Israel
3,6
2
10
–
Jordanien
12,6
2,3–3,5
3–5,9
0,4–4,4
Europa
HbO/Hb Lepore
Naher Osten
Libanon
2,1–3,1
Syrien
3,0b
b
Irak
8,6
Iran
0,6–7,6
Golfstaaten
1,9–31,3
Jemen
5,9
<1
2–3
<1
< 1–5
5
< 1–24
HbO, HbD
3,7–4,6
2,5–16
HbO
1,4–8,3
HbD
1–18,1
HbD, HbO
1
b
HbO
a
a
4,6–58,3
2–8,9
8,6
2,4–4,4
Etwa 1
11–15
5–13
2a
a
Asien
Pakistan
1,8–2,6b
HbE, HbD
Indien/Bangladesch
3,4–22,6
11–80
< 1–15
11,1–30
HbE bis 66,7, HbD bis 59,9
Südostasienc
3,1–28,5
Bis 80
1–11
< 1–17,2
HbE 6–60, Hb Constant Spring
China
1,6–9,0
Bis 17,5
0,7–6,4
–
HbE bis 55,6
Nord
1–5,9b
< 1–9,3
1,5–10
< 1–22,2
Hb Lepore/HbD
West
6,6–30,7
28–32,6
0,8
1–34
HbC bis 40
a
–
1–21
–a
2–38
Afrika
d
Zentral
11,6–25,1
Bis 42
Ost
10,6–21,4
51–60d
Süd
2,7
a
Keine weiteren Studien vorhanden
Nur männliche
c
Thailand/Vietnam/Kambodscha/Laos/Indonesien/Philippinen
d
Sichelzellscreening
G6PDH Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase; Hb Hämoglobin
b
Migrantenanteile in
Deutschland
Die Definition eines Migrationshintergrunds lautet im Mikrozensus wie folgt:
„alle nach 1949 auf das heutige Gebiet der
Bundesrepublik Deutschland Zugewanderten, sowie alle in Deutschland geborenen Ausländer und alle in Deutschland
als Deutsche Geborenen mit zumindest
einem zugewanderten oder als Ausländer
in Deutschland geborenen Elternteil“. Im
Jahr 2014 hatten 20,3 % (16,4 Mio.) der
Bevölkerung Deutschlands einen Migra-
448
Der Internist 5 · 2016
tionshintergrund [14]. Die Einbürgerungen für 2013 zeigen, dass nach wie vor
viele Türken und Osteuropäer eingebürgert werden, zunehmend sind es jedoch
Personen aus Afrika, Nahost und China
[15].
Im Jahr 2014 lebten in Deutschland
8,153 Mio. Ausländer. Türken sind mit
über 1,5 Mio. weiterhin die stärkste Gruppe, jedoch steigt der Anteil von Personen
aus Rumänien, Polen, Italien und Griechenland. Einen immer höheren Anteil
haben auch Personen aus Asien und Afrika [16].
Das Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge hat im August 2015 die aktuellen Zahlen zum Asyl herausgegeben.
Hier wurden nur Asylanträge ausgewertet – von Januar bis August 2015 waren
es 303.443 (. Abb. 1). Die weitere Entwicklung der Flüchtlingszahlen ist derzeit nicht absehbar. Nach dem Bericht
stellen Syrer die größte Gruppe dar, gefolgt von Albanern und Afghanen [17].
Tab. 3 Medikamente und Substanzen, die
bei einem Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel eine Hämolyse auslösen können (Kurzfassung)
Risiko
Substanzen
Hohes Risiko
Sulfonamid
Cotrimoxazol
Dapson
Metamizol
Naphthalin inhalativ
Nitrofurantoin
Sulfacetamid
Hautkontakt mit Henna
Favabohnen
Unkalkulierbares Chloroquin
Risiko
Ciprofloxacin
Hydroxychloroquinsulfat
Mefloquin
Phenazon
Propyphenazon
Sulfadiazin
Sulfasalazin
Sultiam
Toloniumchlorid
Geringes Risiko
Acetylsalicylsäure
Chinin
Mesalazin
Probenecid
Hoch dosiertes Vitamin C
Endemiegebiete
Hämoglobinopathien und der G6PDHMangel sind genetische Veränderungen
des Erythrozyten, die auch bei heterozygoter Anlage einen gewissen Schutz
vor Malaria bieten. Daher ist die Zahl
der Betroffenen in Malariagebieten oder
ehemaligen Malariagebieten besonders
hoch. Die Häufigkeiten der Hb-Defekte
und des G6PDH-Mangels in verschiedenen Ländern variieren in der Literatur,
da die Studien an sehr unterschiedlichen
Populationen durchgeführt wurden und
sehr uneinheitliche Probandenzahlen
umfassten. Zudem kamen unterschiedliche Testmethoden zur Anwendung.
Hierbei ist nicht die Nationalitätszugehörigkeit entscheidend, sondern die
ethnische Zugehörigkeit der Personen.
Die Grenzen vieler Länder auf dem
afrikanischen und asiatischen Kontinent
sind in der Nachkolonialzeit gezogen
worden. Ursprünglich ethnisch zusammenhängende
Bevölkerungsgruppen
wurden so in unterschiedliche Nationalitäten aufgeteilt [18]. Eine weitere
Ursache für Häufungen in bestimmten
Gebieten sind konsanguine Ehen zwi-
schen Cousin und Cousine [19]. Daher
kann man bezüglich der Prävalenz und
Verteilung innerhalb einer Nation nur
Schätzungen abgeben.
Die α- und β-Thalassämie-Mutationsarten haben ebenso einen ethnischen und
topografischen Bezug. Bestimmte Mutationen des β-Globin-Gens sind eher im
Mittelmeergebiet anzutreffen, wohingegen andere eher im asiatischen Raum vorherrschen. Dies trifft auch für die α-Thalassämie zu, die allerdings überzählig in
den afrikanischen und asiatischen Gebieten vorkommt [20, 21].
Der G6PDH-Mangel hat die stärkste
Ausbreitung und Prävalenz in den ehemaligen und aktuellen Malariagebieten.
Hierbesteht, wie obenbeschrieben, ebenfalls ein enger Bezug zwischen den Mutationsorten und der Zugehörigkeit zu
ethnischen Gruppen [22].
Die HbC-Anomalie ist in
»Westafrika
endemisch
HbE ist besonders in Süd- und Südostasien verbreitet. In einigen Gebieten
sind über 50 % der Bevölkerung betroffen [23]. Die Sichelzellerkrankung ist in
den Subsahararegionen Afrikas, in einigen Mittelmeerregionen (Sardinien, Zypern) und in Süd- sowie Südostasien
weitverbreitet [20]. Die HbC-Anomalie
ist in Westafrika endemisch [9].
Die Prävalenzen der genetischen Anlagen des G6PDH-Mangels und der
Hämoglobinopathien sind in . Tab. 2
dargestellt [20–25]. Die Prävalenzen des
G6PDH-Mangels in Deutschland sind
unbekannt. Eine retrospektive Langzeitauswertung eines spezialisierten Einsendelabors für Erythrozytendefekte ergab
bei 34 % der eingesendeten Proben
eine Hämoglobinopathie. Eine kürzlich durchgeführte Studie an ghanaischen Migranten in Deutschland ergab
Prävalenzen für G6PDH-Mangel und
Hämoglobinopathien von bis zu 20 %.
Diese Daten weisen auf eine relativ hohe
Verbreitung hin [26, 27].
Diagnostik
Die Diagnostik von Hb-Defekten und eines G6PDH-Mangels sollte in einem spe-
zialisierten Labor durchgeführt werden,
das nötige Entscheidungen für eine Stufendiagnostik selbstständig treffen kann,
um einen korrekten Befund zu erstellen. Der Laborarzt sollte die klinischen
Symptome, Konsequenzen und Therapien gut kennen. Vor allem sollte auch eine
genetische Beratung angeboten werden.
Die Erfahrung des Untersuchers mit bestimmten Untersuchungsverfahren spielt
hier eine große Rolle. Es ist unbedingt
notwendig, die Untersuchungsverfahren
bis zur Diagnosefindung genau aufzulisten.
HbH-Erkrankungen
»gehenDiehäufig
mit einer
hämolytischen Anämie einher
Eine heterozygote β-Thalassämie ist häufig durch eine milde mikrozytäre, hypochrome Anämie gekennzeichnet, eine
wichtige Differenzialdiagnose der Eisenmangelanämie. Daher sollte man immer
ein Blutbild mit Retikulozytenzahlen, Serumferritin und Serumhaptoglobin bestimmen. Eine Unterscheidung von der
Eisenmangelanämie ist oft auf der Basis relativ hoher Erythrozytenzahlen und
einer leichten Retikulozytose möglich.
Beides fehlt bei der Eisenmangelanämie.
Die α-Thalassaemia minima oder minor
ist selten im Blutbild zu erkennen. Die
HbH-Erkrankungen gehen jedoch häufig mit einer hämolytischen Anämie einher. Eine heterozygote Sichelzellanomalie lässt sich im Regelfall nicht allein anhand des Blutbilds erkennen. Die HbChromatographie und die Hb-Elektrophorese sind für die Hb-Defekt-Diagnostik unerlässlich. Diese Untersuchungen liefern gute Ergebnisse bei der Erkennung von β-Thalassämien, Sichelzellerkrankungen, HbC-, HbD- und HbEAnomalien sowie kombinierten Heterozygotien. Bei α-Thalassämien sind diese Methoden nicht zielführend, bestenfalls kann man damit HbH-Fraktionen
detektieren. Hier sollten genetische Untersuchungen durchgeführt werden. So
gibt es etwa kommerzielle Panels für die
genetische Untersuchung der häufigsten
Mutationen [28].
Der G6PDH-Mangel zeichnet sich
durch eine normozytäre, normochrome
Der Internist 5 · 2016
449
Schwerpunkt: Medizin für Migranten
hämolytische Anämie aus. Die Diagnose basiert häufig auf der quantitativen
spektrophotometrischen Bestimmung
der Enzymaktivität. Eine Tüpfelanalyse
für das Neugeborenenscreening ist erhältlich. Differenzialdiagnostisch sollten
Hämoglobinopathien und autoimmunhämolytische Anämien ausgeschlossen
werden. Die Sphärozytose ist als Membrandefekt in den Endemiegebieten
selten, Elliptozytosen kommen dagegen
in einigen arabischen Regionen vor. Die
genetische Diagnostik der Mutationen
sollte jedoch zusätzlich erfolgen, da sich
bestimmte Mutationen phänotypisch
unterschiedlich verhalten. Hier sollte
die Diagnostik von einem Spezialisten
durchgeführt werden (. Abb. 2; [12]).
Man muss immer bedenken, dass bei
den genetisch determinierten Erythrozytendefekten die Erythrozytenüberlebenszeiten verkürzt sind und der HbA1cWert kein verlässlicher Parameter zur
Diagnose und Therapiesteuerung des
Diabetes mellitus ist [29].
Therapie
Heterozygote Personen bzw. Anlageträger für Hämoglobinopathien oder HbStrukturanomalien sind in aller Regel gesund und bedürfen keiner Therapie, sie
weisen aber die häufigste Differenzialdiagnose zur Eisenmangelanämie auf. Auch
im Falle eines Kinderwunschs sollte die
Anlage immer abgeklärt werden.
Die homozygote β-Thalassämie ist
eine äußerst schwere Erkrankung. Sie
erfordert regelmäßige Bluttransfusionen mit gleichzeitiger Chelattherapie
zur Vermeidung einer Eisenüberladung.
Ebenso kann die HbH-Erkrankung gelegentlich Bluttransfusionen erforderlich
machen. Bei der Sichelzellerkrankung
muss ein strenges Präventionsprogramm
zur Vermeidung von Sichelzellkrisen
durchgeführt werden. Bei Sichelzellkrisen können Patienten intensivpflichtig
werden. Eine Dauertherapie mit Hydroxycarbamid ist teilweise erforderlich.
Durch Hämoglobinopathien kommt es
zu einem erhöhten Zellumsatz; die regelmäßige Gabe von Vitamin B12 und
Folsäure ist häufig sinnvoll.
Bei ausgeprägten hämolytischen Krisen durch einen G6PDH-Mangel besteht
450
Der Internist 5 · 2016
die Therapie in Bluttransfusionen. Hier
hat die Vermeidung der Noxen den
höchsten Stellenwert. Mittlerweile sind
mehr als 100 Substanzen bekannt, die
hämolytische Krisen auslösen können
(. Tab. 3). Auch fieberhafte Infektionen
können Krisen auslösen. In vielen Fällen
ist der G6PDH-Mangel jedoch gering
ausgeprägt, sodass eine Therapie nicht
erforderlich ist. Man sollte aber bedenken, dass nicht nur Männer betroffen
sind, sondern auch Frauen im seltenen
Fall einer Homozygotie [30].
Diagnostik und Therapiesteuerung
des Diabetes mellitus herangezogen
werden.
Korrespondenzadresse
PD Dr. med. B. Zur
Institut für Klinische Chemie und Klinische
Pharmakologie, Universitätsklinik Bonn
Sigmund-Freud-Str. 25, 53127 Bonn,
Deutschland
[email protected]
Einhaltung ethischer Richtlinien
Resümee
In Anbetracht der Bevölkerungszusammensetzung müssen bei der Differenzialdiagnose von Anämien die früher endemischen genetisch vererbten Anämien stärkere Berücksichtigung finden. Insbesondere bei männlichen Personen aus
bestimmten Herkunftsländern sollte die
Möglichkeit eines G6PDH-Mangels in
Betracht gezogen werden, da eine Reihe
von Substanzen und Infektionen hämolytische Krisen auslösen kann.
Fazit für die Praxis
4 Der Anteil an Migranten und Flücht-
4
4
4
4
lingen aus Endemiegebieten für
einen G6PDH-Mangel oder Hämoglobinopathien ist relativ hoch und
nimmt weiter zu.
Der G6PDH-Mangel ist weitverbreitet. Eine Hämolyse kann durch
oxidierende Substanzen und Infektionen ausgelöst werden und sollte
bei der Therapie anderer Grunderkrankungen berücksichtigt werden.
Die Erkrankungsschwere ist variabel,
aber meist mild.
Hämoglobinopathien sind in der
Differenzialdiagnose mikrozytärer
Anämien eine Ursache mit zunehmendem Gewicht. Das Risiko für
homozygot Betroffene wird steigen.
Sichelzellerkrankungen aufgrund
von Homozygotie oder kombiniert
mit heterozygoten Hb-Anomalien
stellen für die Diagnostik und Therapie eine Herausforderung dar.
HbA1c kann bei Personen mit genetisch determinierten Erythrozytendefekten im Allgemeinen nicht für die
Interessenkonflikt. B. Zur gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine vom Autor durchgeführte Studien an Menschen oder Tieren.
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Zika-Verdacht: Empfehlungen
zur Diagnostik
Zika-Virus-Infektionen wurden mittlerweile auch bei Reiserückkehrern in Deutschland festgestellt (20 Fälle, Stand: 15. Februar). Angesichts der unspezifischen Symptome stellt sich die Frage, wen man einem
Labortest unterziehen soll. Empfehlungen
für die Diagnostik hat jetzt das Hamburger
Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) gegeben. Aufmerksam werden
sollte man als Arzt vor allem bei erkrankten Rückkehrern aus tropischen Regionen
Süd- und Mittelamerikas, aber auch aus der
Karibik; diese gelten derzeit als Endemiegebiete. Das Zika-Virus kommt zudem endemisch in Afrika, Südostasien und auch auf
verschiedenen pazifischen Inseln vor.
Bei Rückkehrern aus solchen Gebieten rät
das BNITM zu einer Laboruntersuchung auf
eine Zika-Virus-Infektion, wenn sich innerhalb von drei Wochen Symptome entwickeln. Besondere Aufmerksamkeit sollte
schwangeren Reiserückkehrerinnen zukommen: Bei diesen ist eine serologische
Untersuchung mit IgM- und IgG-Nachweis
auch dann sinnvoll, wenn sie nicht erkrankt
sind. Das Gleiche gilt für männliche Rückkehrer mit schwangerer Partnerin. Frauen,
die sich nicht sicher sind, ob sie schwanger
sein könnten, sollten einen Schwangerschaftstest durchführen.
Symptome, die auf das Zika-Fieber hindeuten, sind Fieber, Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit, Muskel- und Gelenkschmerzen, Hautausschlag sowie eine nicht eitrige Bindehautentzündung. Damit ähnelt
das Krankheitsbild einem grippalen Infekt,
aber auch anderen mückenübertragenen
Infektionen wie dem Dengue-Fieber. Die
Infektion mit Zika-Viren kann aber auch
nur mit wenigen der genannten Symptome oder gänzlich symptomfrei verlaufen. In
den meisten Fällen sei von einer Krankheitsdauer von 3 bis 7 Tagen und einer Spontanheilung auszugehen, heißt es in der Mitteilung des Instituts. Eine Infektion mit dem
Zika-Virus verläuft in der großen Mehrzahl
der Fälle milde. Vorerkrankungen könnten
ein Risiko für einen schwereren Verlauf darstellen. Allerdings wurden gleichzeitig mit
der jüngsten Epidemie in Lateinamerika
häufiger als zuvor Schäden an ungeborenen Kindern (Mikrozephalie) und bei Er-
wachsenen das seltene Guillian-Barré-Syndrom beobachtet, das auch bei vielen anderen Infektionskrankheiten auftreten kann.
Von einer Zika-Infektion Betroffene werden
symptomatisch behandelt mit schmerzund fiebersenkenden Medikamenten, viel
Ruhe und ausreichend Flüssigkeit. Vorrangig wird empfohlen, bei jedem Rückkehrer
aus einem tropischen Gebiet, der mit entsprechenden Symptomen in die Arztpraxis
kommt, zunächst Malaria auszuschließen.
Quelle: Bernhard-Nocht-Institut für
Tropenmedizin, www.bnitm.de
Der Internist 5 · 2016
451
Schwerpunkt: Medizin für Migranten
Internist 2016 · 57:452–456
DOI 10.1007/s00108-016-0056-4
Online publiziert: 25. April 2016
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
Redaktion
S.M. Schellong, Dresden
B. Salzberger, Regensburg
C. Rauscher1 · B. Salzberger2
1
2
Lehr- und Forschungsstelle Allgemeinmedizin, Universität Regensburg, Regensburg, Deutschland
Stabstelle Infektiologie, Universitätsklinikum Regensburg, Regensburg, Deutschland
Erstuntersuchung und Screening
von Migranten
Was ist sinnvoll, was ist evidenzbasiert?
Die Aufgaben in der medizinischen Versorgung von Migranten sind vielfältig.
Sie reichen von der sofortigen Versorgung akuter Erkrankungen oder Verletzungen bei der Ankunft über die Untersuchung auf übertragbare Krankheiten (vor der Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft nach § 62 Asylgesetz) bis zur anschließenden medizinischen Betreuung nach den individuellen Bedürfnissen [1]. Diese Aufgaben
stellen alle Beteiligten vor große Herausforderungen – aktuell wegen der hohen
Zahl von Migranten, aber auch wegen der
Komplexität der spezifischen Aufgaben
und ihrer Organisation.
Die Gesundheitsprobleme von Migranten bzw. Flüchtlingen sind vielfältig.
Viele der mitgebrachten Gesundheits-
probleme sind hierzulande seltener und
uns damit weniger vertraut. Dazu kommen sprachliche und kulturelle Barrieren
aufseiten der Migranten, die die Nutzung
der Angebote erschweren [2–4].
Viele der mitgebrachten
»Gesundheitsprobleme
sind
hierzulande seltener
Gerade die initiale Versorgung spielt eine
entscheidende Rolle in der langfristigen
Sicherung der Gesundheit, bei Infektionskrankheiten ebenso wie bei chronischen somatischen oder psychischen Erkrankungen.
Von den drei aufgeführten Teilaufgaben ist die Akutbehandlung bei der An-
kunft sicher am klarsten definiert. Umfang und Art der Angebote zu Punkt zwei
und drei sind weniger gut dargestellt und
fixiert. Klare und einheitliche gesetzliche
Grundlagen für eine umfassende Erstuntersuchung bzw. -behandlung liegen im
deutschsprachigen Raum bisher ebenso
wenig vor wie Leitlinien. Der vorliegende
Beitrag analysiert die internationale Literatur bezüglich der Erfahrungen und
Leitlinien zur speziellen Gesundheitsfürsorge von Migranten und fasst diese zusammen.
Methodik
In der PubMed-Datenbank erfolgte eine
Literaturrecherche mit folgendem Suchterm: (guideline OR evidence) AND
Tab. 1 Untersuchungs- und Behandlungsempfehlungen bei Migranten nach den Leitlinien der Centers for Disease Control and Prevention (CDC) und
der Canadian Collaboration for Immigrant and Refugee Health (CCIRH)
CDC
CCIRH
452
Tuberkulosescreening
Für alle:
bei positivem Haut- oder IGRA-Test Röntgenaufnahme des Thorax;
Behandlung von aktiver und latenter Tuberkulose
Bei Herkunft aus Hochprävalenzland:
Screening mittels Hauttest, bei positivem Ergebnis Röntgenaufnahme des Thorax;
Behandlung von aktiver und latenter Tuberkulose
HIV-Screening
Für alle im Alter von 13 bis 64 Jahren:
Screening empfohlen
Für alle Adoleszenten und Erwachsenen aus Ländern mit einer Prävalenz > 1 %:
Screening empfohlen;
Anbindung der Therapie bei HIV-Positivität
Hepatitisscreening
Für alle aus Regionen mit einer Prävalenz von ≥ 2 %:
HBsAg-Screening
Bei Herkunft aus Ländern mit niedriger Prävalenz:
Screening bei zusätzlichen Risikofaktoren
Hepatitis C:
Routinescreening für alle aus den Geburtsjahrgängen 1945–1965, ansonsten nach Risikofaktoren
Kein Routinescreening auf Hepatitis A und E
Für alle aus Regionen mit einer Prävalenz von ≥ 2 %:
HBsAg-Screening
Bei chronischer Hepatitis-B-Infektion:
Anbindung zur Therapie
Bei negativen Markern:
Impfung
Hepatitis C:
Screening für alle aus Regionen mit einer Prävalenz von ≥ 3 %
Bei Positivität:
Anbindung der Therapie
Der Internist 5 · 2016
Tab. 1 Untersuchungs- und Behandlungsempfehlungen bei Migranten nach den Leitlinien der Centers for Disease Control and Prevention (CDC) und
der Canadian Collaboration for Immigrant and Refugee Health (CCIRH) (Fortsetzung)
CDC
CCIRH
Screening auf intestinale Parasiten
Für alle aus Endemieländern:
Für alle aus Endemieregionen (Afrika, Asien u. a.):
serologische Untersuchung auf Strongyloides stercoralis und Schispräsumtive Behandlung bereits im Herkunftsland,
alternativ bei Ankunft für erdassoziierte Helminthen, tosomiasis nach Herkunftsland, Therapie nur nach Ergebnis
Strongyloides, Schistosomiasis und ggf. Loa loa (nach
Endemizität);
im Blutbild Untersuchung auf Eosinophile, ggf. weitere Untersuchungen
Malaria
Alle Personen mit mehr als 5 kg Körpergewicht, ohne
Schwangerschaft und ohne Stillen aus Afrika südlich
der Sahara:
präsumtive Therapie
Ansonsten:
Therapie nach Testung, präferenziell mittels PCR
Sexuell übertragbare
Infektionen
Syphilis als wichtiges Item benannt, in Leitlinie nicht adressiert
Syphilis:
serologische Untersuchung mittels VDRL bzw. für alle
ab 15 Jahren Screening auf Syphilis mittels RPR oder
VDRL
Chlamydia trachomatis:
bei asymptomatischen sexuell aktiven Frauen bis
25 Jahre Screening mittels PCR, ansonsten nach
Symptomen bzw. Anamnese
Gonorrhö:
Screening nach Symptomatik
Screening auf alle sexuell übertragbaren Erkrankungen
nach sexuellem Missbrauch
Screening auf Bleibelastung
Für alle Kinder zwischen 6 Monaten und 16 Jahren:
Screening auf Bleibelastung durch Blutspiegelbestimmung
Multivitaminpräparate und Eisen für alle Kinder von
6 Monaten bis 6 Jahren
Kein Routinescreening;
Testung nach Herkunftsland, Anamnese und Klinik mittels dickem
Tropfen oder Schnelltest;
keine Routinetherapie
Nicht adressiert
Screening bezüglich Er- Bei der körperlichen Untersuchung sollte das Augennährung und Wachstum merk auf Proteinmangelernährung bzw. spezifische
Ernährungsstörungen (Vitamin B12 u. a.) gerichtet
sein.
Für alle:
kleines Blutbild, ggf. Ergänzungsuntersuchungen
Für Frauen im reproduktionsfähigen Alter und Kinder (1–4 Jahre):
Screening auf Eisenmangelanämie mit kleinem Blutbild
Erst- und Auffrischungsimpfungen
Erst- und Auffrischungsimpfung nach dem aktuellen
Schema des Advisory Committee on Immunization
Practices (ACIP)
Erst- und Auffrischungsimpfung nach dem aktuellen Schema (im
Einzelnen spezifiziert);
spezifisch auch HPV-Impfung bei Frauen zwischen 9 und 26 Jahren
Probleme der psychischen Gesundheit
Kein Routinescreening
Screening auf Depression nur, wenn auch Behandlungsangebot
vorhanden ist;
kein Routinescreening auf posttraumatische Belastungsstörung
und andere Erkrankungen
Sonstiges
Diabetes:
Screening auf Diabetes mit Nüchternblutzucker bei allen Patienten ab 35 Jahren aus Regionen mit hoher Prävalenz von Diabetes
mellitus Typ 2 (Lateinamerika, Afrika)
Kontrazeption:
Beratung von Frauen im reproduktionsfähigen Alter bezüglich
offener Fragen der Kontrazeption
Screening mittels Zytologie auf Veränderungen des Zervixepithels
HBsAg Hepatitis-B-Virus-Oberflächenantigen; HIV „human immunodeficiency virus“; HPV humane Papillomviren; IGRA „interferon-γ release assay“; PCR
Polymerase-Kettenreaktion; RPR „rapid plasma reagin“; VDRL „venereal disease research laboratory“
Der Internist 5 · 2016
453
Zusammenfassung · Abstract
(health exam OR screening) AND (immigration OR migrant OR refugee OR
asylum-seeker). Da nicht alle Dokumente
zur Untersuchung von Migranten als wissenschaftliche Publikationen vorhanden
sind (z. B. gesetzliche Regelungen), wurde zusätzlich im Internet nach Empfehlungen bzw. gesetzlichen Bestimmungen
für die Staaten Australien, Kanada, Großbritannien, Frankreich und Deutschland
sowie für den gesamten europäischen
Raum gesucht. Als Suchmaschine wurde Google verwendet, jeweils mit dem
Term „health exam screening migrant
refugee“ plus der spezifischen Landesoder Regionsbezeichnung.
Die Recherche mit PubMed ergab insgesamt 458 Treffer, die individuell durchsucht wurden, zusätzliche Informationen
wurden über die Websites der Weltgesundheitsorganisation (WHO), des International Office for Migration, der Centers for Disease Control and Prevention
(CDC) und des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) gesucht. Sämtliche Treffer wurden von den
Autoren einzeln analysiert und danach
kategorisiert, ob Empfehlungen für spezifische Untersuchungen oder Behandlungen ausgesprochen wurden.
Ergebnisse
Insgesamt erbrachte die Suche 47 Dokumente, die sämtlich nach 1999 publiziert worden sind. Insgesamt 6 Publikationen hatten explizit die Erstuntersuchung zum Thema, teils auf einzelne
Aspekte, teils integrativ auf alle Aspekte bezogen. Die Mehrzahl der Leitlinien war auf die Untersuchung spezifischer Erkrankungen gerichtet: genauer
auf eine aktive bzw. latente Tuberkulose (n = 6), eine Human-immunodeficiency-virus(HIV)-Infektion (n = 2), eine
Hepatitis-B- bzw. Hepatitis-C-Infektion
(n = 3), Infektionskrankheiten insgesamt
(n = 3), psychiatrische oder sexuell übertragbare Erkrankungen (jeweils 2) sowie
auf Eosinophilie, Anämie, chronisch-obstruktive Lungenerkrankungen u. a. (jeweils n = 1).
Die beiden ausführlichsten Leitlinien sind die der CDC (zwei allgemeine
Leitlinien, 10 krankheitsspezifische Einzeldokumente) sowie die der Canadian
454
Der Internist 5 · 2016
Internist 2016 · 57:452–456 DOI 10.1007/s00108-016-0056-4
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
C. Rauscher · B. Salzberger
Erstuntersuchung und Screening von Migranten. Was ist sinnvoll,
was ist evidenzbasiert?
Zusammenfassung
Die medizinische Versorgung von Migranten
und Flüchtlingen ist mit der hohen Zahl von
Migranten der letzten Monate ein dringendes
Problem im deutschen Gesundheitssystem
geworden. Die Versorgung besteht in der
Behandlung akuter Gesundheitsprobleme
bei der Ankunft, aber auch in der Therapie
von übertragbaren und nichtübertragbaren
chronischen Erkrankungen sowie langfristig
in der Integration in das lokale Gesundheitssystem. Die Gesundheitsprobleme
bei Migranten sind vielfältig. Aufgrund
der Besonderheiten der Herkunftsländer
sind sie uns häufig wenig vertraut. Dies
macht deutlich, dass für alle Beteiligten
Versorgungsleitlinien sinnvoll wären. In einer
Literatur- und Internetrecherche wurden
insgesamt 47 Leitlinien identifiziert, von
denen zwei besonders ausführlich und klar
begründet sind: zum einen die Publikation der
Centers for Disease Control and Prevention,
USA, zum anderen die Veröffentlichung
der Canadian Collaboration for Refugee
and Immigrant Health. Eine vergleichende
Analyse dieser Vorschläge könnte der Auftakt
für die Formulierung einer evidenzbasierten
europäischen Leitlinie sein.
Schlüsselwörter
Flüchtlinge · Infektionskrankheiten · Impfung ·
Gesundheitsversorgung · Leitlinien
Initial examination and screening of migrants. What makes sense
and what is evidence-based?
Abstract
The medical treatment of migrants and
refugees has recently become an important
topic in the German healthcare system
due to the large numbers of migrants.
Healthcare for migrants includes treatment
of acute illnesses and trauma on arrival,
screening for chronic communicable and
non-communicable diseases and in the long
term, the integration into the local healthcare
system. As health problems of migrants are
diverse and dependent on the region of
origin, guidelines should be readily available
for all healthcare professionals involved in
migrant healthcare. A literature search for
comprehensive guidelines for screening
Collaboration for Immigrant and Refugee Health (CCIRH; [5–17]). Aufgrund
ihres Umfangs und auch wegen der Begründung der Einzelmaßnahmen wird
im Folgenden auf diese beiden Leitlinien
eingegangen. Explizit evidenzbasiert ist
einzig die Leitlinie der CCIRH, sie enthält
eine entsprechende Wertung der Empfehlungen. Auf der Website des ECDC
findet sich ein Hinweis auf die Entwicklung einer solchen Leitlinie zur Prävention von Infektionskrankheiten für den europäischen Raum, ein Zeithorizont wird
allerdings nicht genannt [18]. In . Tab. 1
and treatment of migrant’s health problems
detected 47 different guidelines including
2 comprehensive ones from the US Centers
of Disease Control and Prevention and the
Canadian Collaboration for Immigrant and
Refugee Health. Comparative analysis of
these guidelines could be a starting point
for evidence-based European guidelines on
migrant health.
Keywords
Refugees · Communicable diseases ·
Immunization · Delivery of healthcare ·
Guidelines
sind die Empfehlungen aus den Leitlinien
der CDC und der CCIRH kurz zusammengefasst.
Die Empfehlungen beider Leitlinien
weisen große Übereinstimmungen auf.
In Bezug auf einige Punkte werden jedoch trotz gleicher zugrunde liegender
Evidenz unterschiedliche Empfehlungen
ausgesprochen. Die Unterschiede finden
sich vor allem bei der Behandlung von
Tropenerkrankungen wie intestinalen
Parasitosen und Malaria, aber auch in
der Bewertung einiger chronischer Er-
krankungen wie des Diabetes mellitus
(. Tab. 1).
Diskussion
In der medizinischen Betreuung und Behandlung von Migranten sind besondere
Probleme zu berücksichtigen, insbesondere aufgrund von Unterschieden in den
Krankheitsspektren, die durch die geografische Herkunft oder Reiseroute bedingt sind, aber auch wegen Unterschieden in der gesundheitlichen Versorgung
vor der Einreise.
Zusätzlich sind wegen der häufigen
Unterbringung in Gemeinschaftseinrichtungen gesetzliche Vorgaben zu
berücksichtigen, die auf Länderebene
unterschiedlich sein können. Gerade
beim Screening auf eine latente bzw.
aktive Tuberkulose sind die Aspekte der
öffentlichen Gesundheit ebenso betroffen wie die der individuellen Gesundheit.
Dies muss vor allem bei der Kommunikation der Screeningprogramme und
auch bei der Verpflichtung zu Untersuchungen sicher berücksichtigt werden.
Eine Vereinheitlichung auf europäischer
Ebene wäre sinnvoll.
Ausländische Empfehlungen
»müssen
immer an das eigene
Gesundheitssystem angepasst
werden
heiten. Hier muss deshalb ein eigener europäischer Weg gegangen werden, den
das ECDC im Bereich der übertragbaren Erkrankungen bereits eingeleitet hat
[18].
Die Erfassung von gesundheitlichen
Problemen und deren Behandlung kann
nur in einer engen Kooperation zwischen
primär behandelnden Ärzten und spezialisierten Einrichtungen geschehen. Erstere sind im Optimalfall Allgemeinmediziner, sie vervollständigen u. a. Impfungen,
führenScreenings aufspezifische Erkrankungen durch und leiten die Patienten an
Einrichtungen weiter, die beispielsweise
in der Behandlung von Tuberkulose, HIV
oder Hepatitis B/C spezialisiert sind. Eine
wichtige Rolle spielen auch Dolmetscher,
die oft dabei helfen müssen, sprachliche
und kulturelle Barrieren zu überwinden.
Die Definition und Implementierung
von Untersuchungs- und Behandlungsprogrammen, die individuell angepasst
werden müssen, ist eine wichtige Aufgabe für die nächste Zeit. Dies erfordert
von beiden Seiten Geduld, Zuhören und
den Aufbau eines vertrauensvollen Verhältnisses. Die Schritte sind jedoch dringend notwendig. Letztlich hängt die mittel- und langfristige Gesundheit der Migranten und damit auch das Gelingen der
Integration davon ab, wie die Angebote
unseres Gesundheitssystems kommuniziert und angenommen werden [2, 4].
Fazit für die Praxis
In den USA und Kanada als typischen
Einwanderungsländern liegen sowohl für
die Untersuchung als auch für die Behandlung von Migranten und Flüchtlingen ausführliche und begründete Empfehlungen vor. Beide Leitlinien umfassen fast vollständig die in der Literatur
beschriebenen Erkrankungen und Probleme und geben wichtige Hinweise und
Kommentare für Behandlungsstrategien.
Die Empfehlungen sind in vielen Teilen
gleichlautend, unterscheiden sich aber
beispielsweise bei der Behandlung von
intestinalen Parasitosen und der Malaria.
Dies macht deutlich, dass Empfehlungen
aus anderen Regionen immer spezifisch
an das jeweilige Gesundheitssystem angepasst werden müssen, sei es aufgrund
ökonomischer oder kultureller Gegeben-
4 Das Programm der Erstuntersuchung
von Migranten ist in der medizinischen Literatur bisher nicht gut
dokumentiert.
4 In den USA und Kanada sind Leitlinien
erschienen, die sich vor allem in
der präsumtiven Therapie einiger
Infektionen unterscheiden.
4 Beide Leitlinien könnten eine gute
Basis für eine europäische evidenzbasierte Leitlinie geben.
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. B. Salzberger
Stabstelle Infektiologie,
Universitätsklinikum
Regensburg
Franz-Josef-Strauß-Allee 11,
93052 Regensburg,
Deutschland
[email protected]
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt. C. Rauscher und B. Salzberger
geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen
oder Tieren.
Literatur
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(Pressemitteilung 6.2.2015): Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit.
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2. Rechel B, Mladovsky P, Ingleby D, Mackenbach JP,
McKee M (2013) Migration and health in an increasingly diverse Europe. Lancet 381:1235–1245
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4. IOM (2013) International Migration, Health and
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5. Pottie K, Greenaway C, Feightner J, Welch V,
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Examination for Newly Arriving Refugees. Atlanta,
GA, USA
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examination for newly arrived refugees. Atlanta,
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Screening for sexually transmitted disease during
the domestic medical examination for newly
arrived refugees. Atlanta, GA, USA
9. Centers for Disease Control and Prevention (2014)
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medical examination for newly arrived refugees.
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10. Centers for Disease Control and Prevention (2013)
Intestinal parasite guideline for domestic medical
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Lead screening during the domestic medical
examination for newly arrived refugees. Atlanta,
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12. Centers for Disease Control and Prevention (2013)
Guidelines for the evaluation of the nutritional
status and growth in refugee children during
Der Internist 5 · 2016
455
Fachnachrichten
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15.
16.
17.
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the domestic screening examination of refugees.
Atlanta, GA, USA
Centers for Disease Control and Prevention (2012)
Guidelines and discussion of the history and
physical examination. Atlanta, GA, USA
Centers for Disease Control and Prevention (2012)
Screening for tuberculosis infection and disease
during the domestic medical examination for
newly arrived refugees. Atlanta, GA, USA
Centers for Disease Control and Prevention (2012)
Domestic refugee health guidelines: malaria.
Atlanta, GA, USA
Centers for Disease Control and Prevention (2012)
General refugee health guidelines. Atlanta, GA,
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Centers for Disease Control and Prevention (2012)
Screening for HIV-infection during the domestic
medical examination for newly arrived refugees.
Atlanta, GA, USA
ECDC (2016) Evidence-based guidance for the
prevention of infectious diseases among newly
arrived migrants in the EU/EEA. ECDC, Stockholm
Ultraschnelle Bildgebung
fürs Gehirn soll noch präziser
werden
Bildgebende Verfahren für das Gehirn sind
entweder schnell oder detailliert. Wie diese
Faktoren bei der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT) kombiniert werden
können, erforscht Prof. Dr. Jürgen Hennig,
Wissenschaftlicher Direktor der Abteilung
Medizinphysik des Universitätsklinikums
Freiburg. Dafür wird er jetzt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im
Rahmen eines Reinhard-Koselleck-Projekts
mit 1,5 Millionen Euro gefördert. Die Wissenschaftler um Prof. Hennig hatten vor wenigen Jahren eine Methode entwickelt, mit
der fMRT-Messungen zur Untersuchung
des Gehirns 25 Mal schneller als bislang
möglich sind. Nun möchten die Forscher
die räumliche Auflösung des Verfahrens
verbessern, um so Veränderungen in Anatomie und Aktivität, etwa kurz nach einem
Schlaganfall, „live“ beobachten zu können.
Ein MRT-Helm ermöglicht schnelle Messungen
Für die Darstellung anatomischer Strukturen im MRT wird bislang ein graduelles
Magnetfeld benötigt. Dieser Gradient muss
nach jeder Messung neu aufgebaut werden, was je nach gewünschter Auflösung
einige Sekunden bis mehrere Minuten dauert. Schnelle Prozesse lassen sich daher
schlecht darstellen. Vor wenigen Jahren
hat das Team um Prof. Hennig einen Ansatz entwickelt, bei dem auf das graduelle
Magnetfeld verzichtet wird und die MRTSignale direkt gemessen werden können.
Kernstück der Methode ist ein Helm mit bis
zu 95 kleinen Empfangsspulen. Das Signal
einer Spule kann jeweils dem Hirnbereich
direkt unter der Spule zugeordnet werden.
amit ist es gelungen, eine Messung des gesamten Gehirns mit einer Auflösung von 3
Millimetern in einer Zehntelsekunde durchzuführen.
In dem nun anlaufenden Projekt möchten
die Forscher die Strukturen des Gehirns auf
2 Millimeter genau darzustellen. Außerdem
möchten sie klären, ob die Methode schnell
und präzise genug ist, um damit in Echtzeit
Prothesen zu steuern. Bereits heute wird
das Verfahren bei Epilepsie-Patienten zur
Lokalisierung der Anfallsherde genutzt.
456
Der Internist 5 · 2016
Bislang müssen ihnen dafür in einer neurochirurgischen Operation Elektroden auf
der Gehirnoberfläche implantiert werden.
Die neue Messmethode könnte helfen, den
Patienten diesen sehr aufwändigen Eingriff
in Zukunft zu ersparen.
Quelle: Universitätsklinikum Freiburg
https://www.uniklinik-freiburg.de/de.html
Internist
DOI 10.1007/s00108-016-0054-6
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
Redaktion
H. Lehnert, Lübeck
E. Märker-Hermann, Wiesbaden
J. Meyer, Mainz
J. Mössner, Leipzig (Schriftleitung)
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Medizinische Klinik und Poliklinik I, Schwerpunkt Endokrinologie und Diabetologie, Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg, Deutschland
Morbus Addison
Primäre Nebenniereninsuffizienz
Zusammenfassung
Die Nebenniereninsuffizienz (NNI) ist eine seltene Erkrankung, die durch eine verminderte oder gänzlich fehlende Synthese von Nebennierenhormonen bedingt ist. Die primäre
NNI, bei der die Ursache im Bereich der Nebenniere selbst liegt, ist von sekundären Formen zu differenzieren, bei denen übergeordnete Zentren der kortikotropen Achse betroffen sind. Hauptursache der primären NNI ist insbesondere in den Industrienationen der
Morbus Addison. Dessen Prävalenz liegt bei etwa 11 pro 100.000 Einwohner. Aufgrund einer meist unspezifischen klinischen Symptomatik wird die Diagnose häufig verzögert gestellt. Die Diagnosesicherung erfolgt mittels ACTH-Stimulationstest. Therapeutische Maßnahmen beinhalten die Substitution der fehlenden adrenokortikalen Hormone. Darüber
hinaus sind eine endokrinologische Anbindung sowie regelmäßige Schulungen zur Prävention von Nebennierenkrisen essenziell. Jeder Patient mit NNI-Insuffizienz sollte einen
Notfallausweis und eine Notfallausrüstung mit sich führen.
Schlüsselwörter
Adrenokortikotropes Hormon · Hormonersatztherapie · Hydrokortison · Fludrokortison ·
Dehydroepiandrosteron
Der Internist
CME
Lernziele
Nach der Lektüre dieses Beitrags ...
4 sind Sie in der Lage, eine Nebenniereninsuffizienz zu erkennen.
4 kennen Sie die notwendigen differenzialdiagnostischen Schritte.
4 sind Sie mit der erforderlichen Substitutionstherapie vertraut.
4 wissen Sie, wie Sie Patienten mit einer Nebenniereninsuffizienz im Langzeitverlauf
überwachen.
4 wissen Sie, was eine Nebennierenkrise ist und wie man ihr vorbeugt bzw. wie man sie
behandelt.
Hintergrund
Der Morbus Addison ist eine
primäre Erkrankung der Nebennierenrinde
Der Morbus Addison ist eine
seltene Erkrankung mit jedoch
leicht steigender Prävalenz und
Inzidenz
Thomas Addison beschrieb 1855 erstmalig ein klinisches Syndrom, das sich u. a. durch eine
Hyperpigmentierung der Haut sowie Trägheit äußert und durch eine Dysfunktion der Nebenniere verursacht wird [1]. Der durch eine Autoimmunadrenalitis bedingte Morbus Addison ist
eine Erkrankung der Nebennierenrinde selbst, also eine primäre Nebenniereninsuffizienz (NNI).
Abzugrenzen ist er von sekundären Formen, bei denen eine NNI durch einen Mangel an adrenokortikotropem Hormon (ACTH) als übergeordnetem Stimulationshormon entsteht, in der Regel
bedingt durch eine Hypophyseninsuffizienz.
Der Morbus Addison ist eine seltene Erkrankung mit jedoch leicht steigender Prävalenz und
Inzidenz [2, 3]. So erhöhte sich gemäß einer aktuellen Analyse der Daten einer großen deutschen
Krankenversicherung die Prävalenz der chronischen primären Nebennierenrindeninsuffizienz
von etwa 8,2 pro 100.000 Einwohner im Jahr 2008 auf 8,7 pro 100.000 Einwohner im Jahr 2012.
Bei Frauen war ein deutlicherer Anstieg zu beobachten als bei Männern [3].
Ätiologie und Pathogenese
In den industrialisierten Ländern
wird die primäre NNI überwiegend
durch eine Autoimmunadrenalitis
verursacht
In Entwicklungsländern ist die im Rahmen einer Tuberkuloseinfektion auftretende infektiöse
Adrenalitis weiterhin eine Hauptursache der primären NNI [4]; früher kam sie auch häufiger
in Europa vor. In den industrialisierten Ländern wird die primäre NNI in über 80 % der Fälle
durch eine Zerstörung aller drei Zonen der Nebennierenrinde infolge einer Autoimmunadrenalitis
verursacht [1].
Aus der Autoimmundestruktion der Zonae glomerulosa, fasciculata und reticularis resultiert ein Defizit an Mineralokortikoiden (Aldosteron), Glukokortikoiden (Kortisol) und dem
Androgen- und Östrogenvorläufersteroid Dehydroepiandrosteron (DHEA). Die Synthese der
Addison’s disease. Primary adrenal insufficiency
Abstract
Adrenal insufficiency, a rare disorder which is characterized by the inadequate production or absence of adrenal hormones, may be classified as primary adrenal insufficiency in case of direct
affection of the adrenal glands or secondary adrenal insufficiency, which is mostly due to pituitary
or hypothalamic disease. Primary adrenal insufficiency affects 11 of 100,000 individuals. Clinical
symptoms are mainly nonspecific and include fatigue, weight loss, and hypotension. The diagnostic test of choice is dynamic testing with synthetic ACTH. Patients suffering from chronic adrenal
insufficiency require lifelong hormone supplementation. Education in dose adaption during physical and mental stress or emergency situations is essential to prevent life-threatening adrenal crises.
Patients with adrenal insufficiency should carry an emergency card and emergency kit with them.
Keywords
Adrenocorticotropic hormone · Hormone replacement therapy · Hydrocortisone · Fludrocortisone · Dehydroepiandrosterone
Der Internist
CME
Abb. 1 9 Hyperpigmentierung bei
primärer Nebenniereninsuffizienz
und Vitiligo (Quelle: Universitätsklinikum Würzburg)
Mineralokortikoide wird überwiegend durch das Renin-Angiotensin-System reguliert, während
durch das hypophysäre Hormon ACTH die Synthese der Glukokortikoide und des DHEA stimuliert wird. Neben einer verminderten Synthese adrenokortikaler Hormone besteht zusätzlich
ein Adrenalindefizit, da die Adrenalinsynthese des Nebennierenmarks hoher lokaler Glukokortikoidkonzentrationen bedarf [5].
Die Autoimmunadrenalitis kann isoliert (40 %) oder auch im Rahmen eines polyglandulären
Autoimmunsyndroms (autoimmun bedingtes polyglanduläres Syndrom [APS]; 60 %) auftreten.
Am häufigsten ist das polyglanduläre Autoimmunsyndrom Typ 2 (APS Typ 2), bei dem eine primäre
NNI u. a. mit Autoimmunthyreoiditis, Diabetes mellitus Typ 1, Vitiligo, primärer Gonadeninsuffizienz oder chronischer atrophischer Gastritis assoziiert sein kann. Der Erkrankungsgipfel liegt
im Alter von 35 bis 40 Jahren. Es findet sich eine polygenetische Disposition, die in Verbindung
mit weiteren Auslösefaktoren zur Manifestation eines Autoimmunprozesses führt [1].
Deutlich seltener findet sich bei einer Autoimmunadrenalitis ein APS Typ 1 mit autoimmuner Polyendokrinopathie, Candidiasis, ektodermaler Dystrophie (APECED) und Genmutation,
das zusätzlich zum Morbus Addison durch einen Hypoparathyreoidismus, eine Hypoplasie des
Zahnschmelzes, Nageldystrophie sowie eine chronische mukokutane Candidiasis gekennzeichnet
ist [2]. Diese Erkrankung manifestiert sich im Kindesalter. Beim APS Typ 1 handelt es sich
um eine autosomal-rezessive Erkrankung, verursacht durch eine Mutation im Autoimmuneregulator(AIRE)-Gen [2].
Weitere Ursachen einer primären NNI sind u. a. eine Infiltration der Nebenniere durch einen
Tumor, eine Nebenniereneinblutung oder auch die bilaterale Adrenalektomie [1]. Eine tabellarische
Darstellung zur Genese der primären NNI findet sich in . Tab. 1.
Die Autoimmunadrenalitis kann
isoliert oder im Rahmen eines polyglandulären Autoimmunsyndroms
auftreten
Das APS Typ 1 manifestiert sich im
Kindesalter
Klinische Manifestation
Die klinische Manifestation des Morbus Addison ist weitgehend unspezifisch, weshalb sich die
Diagnosestellung sehr häufig verzögert [6]. Unter anderem gehen Fehldiagnosen wie eine Anorexia
nervosa oder eine konsumierende Tumorerkrankung voraus, aufgrund der Gewichtsabnahme und
der abdominalen Beschwerdesymptomatik werden auch wiederholte gastroskopische Abklärungen
durchgeführt.
Klinisch im Vordergrund stehen eine ausgeprägte Müdigkeit und ein Leistungsdefizit. Weitere
Symptome sind u. a. verminderter Appetit, Gewichtsverlust, Dehydratation, Hypotonie mit orthostatischer Dysregulation, abdominale Schmerzen, Gelenk- und Muskelschmerzen sowie eine
Hypoglykämieneigung. Ein etwas spezifischeres Zeichen der primären NNI ist die Hyperpigmentierung (. Abb. 1), die sich nicht nur an den klassischen sonnenexponierten Stellen zeigt,
sondern auch an den Handlinien, Mamillen und Schleimhäuten. Sie findet sich jedoch nur bei
etwa 50–75 % der Patienten. Das Mineralokortikoiddefizit kann sich mit Salzhunger manifestieren
[1]. Bei Frauen sind infolge des Androgendefizits ein Libidoverlust, trockene Haut und der Verlust
der Sekundärbehaarung zu beobachten [7].
Aufgrund der weitgehend unspezifischen Klinik wird der Morbus
Addison häufig verzögert diagnostiziert
Ein etwas spezifischeres Zeichen
der primären NNI ist die Hyperpigmentierung
Das Mineralokortikoiddefizit kann
sich mit Salzhunger manifestieren
Diagnostik
Entscheidend ist, dass die vorliegende, teilweise unspezifische, Symptomatik an die Differenzialdiagnose einer primären NNI denken lässt. Zur weiteren Abklärung der Verdachtsdiagnose
erfolgt in erster Linie eine weiterführende laborchemische Diagnostik.
Der Internist
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Tab. 1 Übersicht zur Genese der primären Nebenniereninsuffizienz [1]
Autoimmun
Isolierter Morbus Addison (30–40 %), polyglanduläres Autoimmunsyndrom
Typ 1 (5–10 %), polyglanduläres Autoimmunsyndrom Typ 2 (etwa 60 %)
Infektion
Tuberkulose, Zytomegalie, „human immunodeficiency virus“ (HIV), Pilzinfektionen
Kongenital
Adrenoleukodystrophie (X-chromosomal-rezessiv), adrenogenitales Syndrom
(z. B. Defekt der 21-Hydroxylase)
Infiltration/Verdrängung der
Nebennieren
Bilaterale Metastasen, Hämochromatose, Histiozytose, Lymphom, Sarkoidose
Hämorrhagie
Thrombozytopenie, Antikoagulanzientherapie, Waterhouse-Friderichsen-Syndrom, Antiphospholipidsyndrom, Lupus erythematodes
Operative Entfernung
Bilaterale Adrenalektomie
Medikamente
Mitotan, Aminoglutethimid, Etomidat, Ketoconazol, Rifampicin
Basalwerte von Kortisol, ACTH und DHEAS
Basalwerte von Kortisol und
ACTH ermöglichen bei einer
primären NNI oftmals bereits eine
Diagnosestellung
Da Kortisol- und ACTH-Werte einer zirkadianen Rhythmik unterliegen und durch externe
Faktoren wie Stress oder Schmerzen stark beeinflussbar sind, ist die reine Bestimmung von
Basalwerten häufig nicht verlässlich. Sie ermöglicht aber bei einer primären NNI oftmals bereits
eine Diagnosestellung. Ein basaler morgendlicher Kortisolwert < 5 μg/dl bei gleichzeitig erhöhtem Plasma-ACTH-Wert und niedriger Serumkonzentration von Dehydroepiandrosteronsulfat
(DHEAS) hat einen hohen prädiktiven Wert für das Vorliegen einer NNI, während bei einem
basalen Kortisolwert > 20 μg/dl von einer normalen Nebennierenrindenfunktion ausgegangen
werden kann.
ACTH-Stimulationstest
Der Standardtest bei Verdacht auf
Vorliegen einer NNI besteht in der
dynamischen Testung mit einem
ACTH-Stimulationstest
Für die Differenzierung zwischen
primärer und sekundärer NNI wird
der basale Plasma-ACTH-Spiegel
herangezogen
Der Standardtest bei Verdacht auf Vorliegen einer NNI besteht in der dynamischen Testung
mit einem ACTH-Stimulationstest (auch ACTH-Kurztest genannt). Es erfolgt die Bestimmung
von Serumkortisol vor und 60 min nach intravenöser Verabreichung einer supraphysiologischen
Menge von 1–24-ACTH, in der Regel werden 250 μg appliziert. Steigt das Serumkortisol 30–60 min
nach Stimulation auf > 20 μg/dl (> 550 nmol/l) an, kann mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer
regelrechten Nebennierenfunktion ausgegangen werden. Die Durchführung des Tests kann zu
jeder Tageszeit erfolgen. Für die Differenzierung zwischen primärer und sekundärer NNI wird
der basale Plasma-ACTH-Spiegel herangezogen [8]. Bei einer primären NNI finden sich erhöhte
Plasma-ACTH-Spiegel, die in der Regel um mehr als das 2-fache über der oberen Norm liegen.
Bei sekundärer oder tertiärer NNI lassen sich dagegen erniedrigte oder niedrig normale Werte
nachweisen [8, 9].
Weitere Untersuchungen
Bei primärer NNI besteht ein Mineralokortikoiddefizit mit erniedrigten Serumaldosteronspiegeln bei gegenregulatorisch erhöhter Reninkonzentration im Plasma [9]. Mineralokortikoid- und
Glukokortikoiddefizite führen häufig zu einer Hyponatriämie (in 70–80 % der Fälle) sowie Hyperkaliämie mit metabolischer Azidose, hin und wieder auch zu Hypoglykämien. Seltener können
eine Hyperkalzämie, Eosinophilie oder Lymphozytose beobachtet werden. Autoantikörper gegen
Nebennierenrindengewebe, meist gegen die 21-Hydroxylase, lassen sich bei Erstdiagnose eines
Morbus Addison in etwa 90 % der Fälle nachweisen [10, 11].
Bei Nachweis eines Morbus Addison empfehlen sich aufgrund des erhöhten Risikos weiterer
Autoimmunopathien die ergänzende Bestimmung von thyreoideastimulierendem Hormon (TSH),
Nüchternglukose, Blutbild und Leberwerten sowie die Evaluation der Gonadenfunktion. Darüber
hinaus muss bei Vorliegen einer entsprechenden Symptomatik an weitere Erkrankungen wie eine
Sprue bzw. glutensensitive Enteropathie gedacht werden. Zudem sollte bei fehlendem Nachweis
einer Autoimmungenese eine infektiöse Adrenalitis ausgeschlossen werden, insbesondere eine
tuberkulöse Form (. Abb. 2; [8]).
Der Internist
CME
Abb. 2 8 Übersicht überdie Diagnosefindungbei primärerNNI.ACTH Adrenokortikotropes Hormon;AK Antikörper;
NNI Nebenniereninsuffizienz; Tbc Tuberkulose [7, 1]
Hormonersatztherapie
Glukokortikoidsubstitution
Hydrokortison
Für die Substitutionstherapie wird das Glukokortikoid Hydrokortison bevorzugt, chemisch entspricht es dem körpereigenen Kortisol. Klassische Hydrokortisontagesdosen liegen bei 15–25 mg.
Die Dosis wird individuell angepasst. Im Einzelfall können in Abhängigkeit von Komedikation
und individuellem Bedarf niedrigere Dosen ausreichen oder höhere Dosen vonnöten sein. Die
Tagesdosis wird auf 2–3 Einzeldosen aufgeteilt, wobei zur Nachahmung der zirkadianen Rhythmik
etwa 50–60 % der Dosis morgens eingenommen werden, beispielsweise nach dem Schema 10–5–5
oder 15–5–0 mg [7, 12].
Neuere Therapieansätze zielen daher darauf ab, dem physiologischen zirkadianen Profil näher
zu kommen. Seit 2012 ist in Deutschland ein Hydrokortisonpräparat verfügbar, das eine duale
Wirkstofffreisetzung aufweist und dadurch nach einmaliger morgendlicher Einnahme ein konstanteres Wirkprofil im Tagesverlauf ermöglicht. Daten kleiner Patientengruppen deuten auf ein
verbessertes metabolisches Profil und eine verbesserte Lebensqualität hin, Daten zu größeren Kollektiven liegen derzeit noch nicht vor [13, 14]. Ein weiteres Hydrokortisonverzögerungspräparat
befindet sich in der klinischen Testung [15].
Die Hydrokortisontagesdosis wird
auf 2–3 Einzeldosen aufgeteilt
und soll die zirkadiane Rhythmik
nachahmen
Prednisolon
Ebenfalls in Form einer einmaligen morgendlichen Einnahme findet nach wie vor Prednisolon
Anwendung. Dabei ist zu beachten, dass Prednisolon durch die längere und stärkere Wirkpotenz
nur einmal morgens eingenommen wird; die klassische tägliche Dosis liegt bei 3–5 mg. Weiterhin
weist Prednisolon im Vergleich zu Hydrokortison eine deutlich geringere mineralokortikoide
Wirkung auf [1].
In Form einer einmaligen morgendlichen Einnahme findet nach wie
vor Prednisolon Anwendung
Überwachung der Therapie
Die Überwachung der Substitutionstherapie erfolgt primär anhand klinischer Gesichtspunkte.
Geachtet wird auf Zeichen einer Übersubstitution, z. B. Gewichtszunahme, gesteigerten Appetit
und Schlafstörungen, bzw. auf Zeichen einer Untersubstitution, z. B. Appetitlosigkeit, Leistungsabfall und Müdigkeit [16]. Da die verfügbaren Substitutionstherapien nur grob die physiologische
Situation nachahmen, ist die Bestimmung von Laborparametern zur Beurteilung der Substitu-
Die Überwachung der Substitutionstherapie erfolgt primär anhand
klinischer Gesichtspunkte
Der Internist
CME
Tab. 2 Beispiele für Anpassungen der Substitutionsdosis von Hydrokortison [7, 1]
Situation
Dosisanpassung
Zeitraum
Längere sportliche Aktivität (z. B. Zusätzliche orale Einnahme von 5–10 mg Hylängerer Dauerlauf, mehrstündi- drokortison
ge Wanderung)
Etwa 30–60 min vor
Beginn der geplanten
Aktivität
Starke psychische Belastung
Zusätzliche orale Einnahme von 5–10 mg
(z. B. Examensstress oder Trauer- Hydrokortison
fall in der Familie)
Kleinere operative Eingriffe (z. B.
Zahnarzt)
Zusätzliche Dosis am Morgen 1 h vor dem Eingriff, danach Dosisverdopplung für die nächsten
24 h
Fieber > 38 °C
Verdopplung der täglichen Hydrokortisondosis
für den Zeitraum der Beschwerden
Bis klinische Besserung
erreicht wird; häufig
sind 1–2 Tage ausreichend
Fieber > 39 °C
Verdreifachung für den Zeitraum der Beschwerden
Bis klinische Besserung
erreicht wird
Größere Operation in IntubatiBeginn: 100 mg Hydrokortison im Bolus i. v.;
onsnarkose, Trauma, Intensivbe- anschließend 200 mg/24 h kontinuierlich i. v.
handlung, Entbindung
oder 50 mg Hydrokortison alle 6 h i. v. (oder
i. m.), bis orale Kostaufnahme wieder möglich
ist
Gastroenteritis mit persistierendem Erbrechen und/oder
Diarrhö
Solange die BeschwerSofortiger Bolus von 100 mg Hydrokortison,
den bestehen
dann 200 mg Hydrokortison/24 h als kontinuierliche Infusion oder häufige i. v.- oder i. m.-Boli
(50 mg) alle 6 h
Nebennierenkrise
Solange die BeschwerSofortiger Bolus von 100 mg Hydrokortison,
den bestehen
dann 200 mg Hydrokortison/24 h als kontinuierliche Infusion oder häufige i. v.- oder i. m.-Boli
(50 mg) alle 6 h
tionstherapie wenig hilfreich. So weisen fast alle Patienten vor morgendlicher Einnahme ihres
Glukokortikoidpräparats stark erhöhte ACTH-Plasmaspiegel auf, die kurz nach Einnahme rasch
abfallen. Viele Patienten geben jedoch auch unter etablierter Substitutionstherapie Beschwerden
wie Leistungsdefizite an, die nicht immer auf eine Untersubstitution zurückführbar sind. Eine
Erhöhung der Substitutionsdosis sollte bei diesen Symptomen erfolgen, bedarf jedoch im Verlauf
stets einer Reevaluation.
Interaktionen
Bei der Dosisfindung muss auch die
Komedikation beachtet werden
Sehr wichtig ist es, bei der Dosisfindung auch die Komedikation zu beachten. Über eine Beeinflussung von Cytochrom P450 3A4 (CYP3A4), dem Schlüsselenzym des Kortisolmetabolismus,
können verschiedene Medikamente und Lebensmittel die Wirkung von Hydrokortison verstärken
oder abschwächen. Verstärkend wirken beispielsweise Ritonavir, Diltiazem, Fluoxetin und Grapefruit. Einen abschwächenden Effekt haben Carbamazepin, Barbiturate, Rifampicin, Exenatid und
Mitotan, in geringfügigem Maße auch Johanniskraut. Bei Patienten mit begleitendem Diabetes
mellitus Typ 1 ist zu berücksichtigen, dass Kortisol den Glukosemetabolismus beeinflusst; meist ist
der Tagesverlauf der Insulinsensitivität verändert. Beachtet werden müssen weiterhin das nächtlich ausgeprägtere Glukokortikoiddefizit und der noch geringere Insulinbedarf bei körperlicher
Aktivität [17].
Anpassung bei Stress, Krankheit und Operationen
In Krankheits- und Stresssituationen muss bei NNI die Substitutionsdosis vorübergehend erhöht
werden
Der Internist
Akute Ereignisse wie körperlicher oder emotionaler Stress, entzündliche Erkrankungen oder
Verletzungen erhöhen bei normaler Nebennierenfunktion die Kortisolsekretion rasch um ein
Vielfaches. Bei vorliegender NNI ist der physiologisch schnelle Kortisolanstieg in Krankheitsund Stresssituationen nicht vorhanden. Daher muss die Substitutionsdosis vorübergehend erhöht
werden (. Tab. 2; [18]).
Bei Erbrechen, Diarrhö oder hohem Fieber muss eine parenterale Gabe von Hydrokortison
erfolgen. Da davon auszugehen ist, dass oral eingenommene Glukokortikoide nicht oder nur
CME
unzureichend resorbiert werden, kann der Patient zur zeitlichen Überbrückung bis zum Eintreffen professioneller Hilfe selbst ein Kortisonpräparat i. m. injizieren, z. B. 100 mg Hydrokortison
oder 50 mg Prednisolon. Dies sollte sich jeder Patient von seinem Arzt zeigen lassen. In einer
aktuellen Studie war v. a. bei normalgewichtigen Patienten auch nach subkutaner Hydrokortisongabe ein rascher Kortisolanstieg zu beobachten, bei höherer Akzeptanz durch die Patienten [19].
Offiziell erfolgt die subkutane Applikation jedoch außerhalb der Zulassung. Nach Selbstbehandlung im Rahmen einer Akutsituation ist eine notfallmäßige ärztliche Vorstellung stets zusätzlich
erforderlich.
Mineralokortikoidtherapie
Zum Ausgleich des Aldosterondefizits wird Fludrokortison (9α-Fluor-Kortisol) in morgendlicher
Einzeldosis eingesetzt. Die übliche Tagesdosis beträgt 0,05–0,1 mg. Zielparameter sind ein Serumspiegel von Natrium und Kalium im Normbereich bei normotensiven Blutdruckwerten ohne
orthostatische Hypotonie, periphere Ödemneigung oder Salzhunger. Die Plasmakonzentration
von Renin liegt dabei meist an der oberen Grenze des Normbereichs. Der Bedarf an Fludrokortison
ist relativ konstant. In bestimmten Situationen kann eine Dosiserhöhung jedoch notwendig werden, beispielsweise bei heißen Außentemperaturen oder in der Schwangerschaft. Symptome wie
Salzhunger und orthostatische Hypotonie können auf eine Untersubstitution hinweisen, während
periphere Ödeme durch eine Übersubstitution bedingt sein können [1, 9].
Der Bedarf an Fludrokortison zum
Ausgleich des Aldosterondefizits ist
in der Regel relativ konstant
Therapie mit Dehydroepiandrosteron
Patienten mit Morbus Addison weisen einen DHEA-Mangel auf. Dessen klinische Relevanz
ist nur unvollständig verstanden. Während bei Männern die Hoden die Hauptandrogenquelle
darstellen, stammt bei Frauen der überwiegende Teil der Androgene aus der Nebennierenrinde.
Der DHEA-Mangel ist daher insbesondere bei Frauen klinisch auffällig. Allerdings weist DHEA
auch neurosteroidale Funktionen auf, die sowohl bei Männern als auch bei Frauen relevant sind
[20, 21]. Die Symptome umfassen Hauttrockenheit, einen Verlust der Sekundärbehaarung und
eine verminderte Libido.
Eine DHEA-Substitution kann die Symptomatik positiv beeinflussen [20]. Die Effekte sind
meist nur moderat, interindividuell jedoch sehr variabel [22]. Ein probatorischer Einsatz von
DHEA kann erwogen werden, wenn Beschwerden wie Libidoverlust, Energiemangel oder eine depressive Symptomatik trotz Optimierung der Glukokortikoid- und Mineralokortikoidsubstitution
persistieren. Eine initiale morgendliche Einzeldosis von 25 mg DHEA ist in der Regel ausreichend,
bei Nebenwirkungen kann und muss häufig weiter reduziert werden, z. B. auf 25 mg alle 2–3 Tage.
Überwacht wird die Substitution einerseits durch klinische Evaluation von Zeichen einer Androgenwirkung (Zunahme des Hautfettgehalts, Akne, Hirsutismus und Alopezie). Andererseits
werden in Laboruntersuchungen DHEAS, Androstendion und der freie Androgenindex bestimmt
(Ziel: altersentsprechender Normbereich). Effekte sind oftmals erst nach mehreren Monaten zu
beobachten, sodass sich eine Reevaluation erst nach etwa 6 Monaten empfiehlt [8]. Ein offiziell
zugelassenes Präparat existiert nicht. Die Entscheidung zur Therapie ist fallabhängig und muss
mit dem Patienten individuell besprochen werden. Die Kosten des Medikaments werden oftmals
nicht von den Krankenkassen übernommen.
Der DHEA-Mangel ist insbesondere
bei Frauen klinisch auffällig
Die Entscheidung zur DHEA-Substitution muss individuell getroffen
werden
Herausforderungen in der Langzeitbehandlung
Trotz etablierter Standardsubstitutionstherapie berichten viele Patienten mit einer chronischen
NNI von einer Verminderung ihrer allgemeinen Leistungsfähigkeit und Lebensqualität. So leiden
einige Patienten mit NNI an vermehrter Müdigkeit und Erschöpfbarkeit, verminderter Vitalität
sowie an Schlafstörungen [23]. Eine erhöhte Mortalität wurde in neueren Untersuchungen größerer
Patientenkohorten dokumentiert. Es fand sich ein signifikant erhöhtes Risiko, an kardiovaskulären
Ereignissen und insbesondere an Infekten zu versterben [24, 25]. Diese Ereignisse waren bei
NNI-Patienten mit dem Auftreten von Nebennierenkrisen assoziiert, sodass der Prävention von
Nebennierenkrisen eine entscheidende Rolle zukommt [18, 26].
Patienten mit NNI versterben signifikant häufiger an kardiovaskulären
Ereignissen und insbesondere an
Infekten
Der Internist
CME
Abb. 3 8 Nebennierenkrisenauslösende Faktoren bei 46 Patienten. Das relative Risiko, an einem der Hauptkrisenauslöser (fieberhafter Infekt) zu versterben, ist um fast das 7-fache erhöht [26]
Nebennierenkrise
Nebennierenkrisen sind mit einer
erhöhten Letalität assoziiert
Jegliche Art von Belastung kann
ein auslösender Faktor für eine
krisenhafte Verschlechterung sein
Eine Nebennierenkrise ist eine lebensbedrohliche Verschlechterung des Allgemeinzustands, bedingt durch ein Ungleichgewicht von Kortisolbedarf und Kortisolverfügbarkeit [18]. Symptomatisch stehen Hypotonie, Übelkeit und Erbrechen, massive Abgeschlagenheit, Hyponatriämie,
Hypoglykämie und Hyperkaliämie im Vordergrund. Es kann zu einem akuten Kreislaufversagen
kommen. Nebennierenkrisen treten mit einer Häufigkeit von 8–17 pro 100 Patientenjahre auf
und sind mit einer erhöhten Letalität assoziiert [18, 26, 3]. Eine prospektive 2-Jahres-Beobachtungsstudie ergab eine nebennierenkrisenassoziierte Letalität von 0,5 pro 100 Patientenjahre, d. h.,
etwa jeder 200. Patient mit chronischer NNI verstirbt innerhalb der folgenden 12 Monate an
einer Nebennierenkrise [26].
Die Krise kann im Rahmen der Erstmanifestation oder auch im Verlauf nach Diagnosestellung
unter einer bestehenden Substitutionstherapie auftreten. Jegliche Art von Belastung kann einen
auslösenden Faktor für eine krisenhafte Verschlechterung darstellen. Die häufigsten Ursachen
umfassen allerdings fieberhafte und gastrointestinale Infekte (. Abb. 3).
Prävention und Therapie der Nebennierenkrise
Die Behandlung der Nebennierenkrise beinhaltet eine rasche
Rehydratation und Verabreichung
von Hydrokortison
Der Internist
Jeder Patient sollte stets einen Notfallausweis (. Abb. 4) und eine Notfallausrüstung mit sich
führen, inklusive Hydrokortisonampulle für Injektionszwecke. Unnötige Verzögerungen einer
notwendigen parenteralen Hydrokortisonapplikation müssen vermieden werden. Daher ist die
wiederholte Schulung der Patienten und ihrer Angehörigen im Umgang mit Notfallsituationen eine
wesentliche Säule der Prävention. Hierbei werden Informationen zur generellen Notwendigkeit der
Substitutionstherapie und zurDosisanpassung in verschiedenenSituationenweitergegeben. Zudem
wird eine Schulung in der parenteralen Eigeninjektion von Hydrokortison in Notfallsituationen
zur Überbrückung der Zeit bis zur Gewährleistung professioneller Hilfe durchgeführt (. Tab. 2;
[18]).
Die Behandlung der Nebennierenkrise beinhaltet die rasche Rehydratation durch großzügige
Volumensubstitution und die sofortige Verabreichung von 100 mg Hydrokortison i. v. als Bolus,
gefolgt von einer kontinuierlichen Hydrokortisoninfusion (150–200 mg/24 h), alternativ die
parenterale Gabe von 50 mg Hydrokortison in etwa 6-stündigen Zeitintervallen [18, 8]. Sobald
eine klinische Stabilisierung erreicht wurde, kann die Dosis innerhalb von 24–72 h rasch wieder
reduziert werden, je nach Zustand des Patienten ist auch ein Wechsel zur oralen Gabe möglich.
Eine zusätzliche Mineralokortikoidgabe ist bei Hydrokortisontagesdosen über 50 mg aufgrund
der mineralokortikoiden Wirkung des Hydrokortisons nicht notwendig.
CME
Abb. 4 8 Deutsche Version des europäischen Notfallausweises. (Adaptiert nach [27])
Informationen für Patienten, Angehörige und Ärzte finden sich u. a. auf der Internetseite der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (http://www.endokrinologie.net/krankheitenglukokortikoide.php).
Therapie in der Schwangerschaft
Frauen mit Morbus Addison haben eine etwas geringere Schwangerschaftsrate als Frauen mit
gesunden Nebennieren. Ein leicht erhöhtes Risiko für Spontanaborte und Frühgeburtlichkeit
wurde zudem berichtet [28, 29]. Generell verlaufen jedoch die meisten Schwangerschaften bei
Patientinnen mit Morbus Addison komplikationslos.
Die Serumkortisolkonzentrationen steigen physiologisch während der Schwangerschaft auf
das 2- bis 3-fache der normalen Werte an. Auf dieser Basis und angesichts berichteter Nebennierenkrisen bei fehlender Dosiserhöhung wird eine Erhöhung der Hydrokortisondosis um
etwa 50 % je nach klinischem Zustand empfohlen, spätestens aber ab dem dritten Trimenon
[1, 12]. Aufgrund des Antimineralokortikoideffekts von Progesteron ist oft auch eine Erhöhung
der Fludrokortisondosis erforderlich. Die Kontrolle erfolgt während der Schwangerschaft nicht
anhand der Plasmakonzentration von Renin, sondern anhand der Serumelektrolyte und Blutdruckwerte. Während der Entbindung ist eine parenterale Hydrokortisonsubstitution erforderlich;
ähnlich wie dies bei operativen Eingriffen empfohlen ist (. Tab. 2).
Die meisten Schwangerschaften
verlaufen bei Patientinnen mit
Morbus Addison komplikationslos
Spätestens ab dem dritten Trimenon sollte die Hydrokortisondosis
erhöht werden
Fazit für die Praxis
4 Zur Verdachtsdiagnose Morbus Addison führt am häufigsten ein Symptomkomplex aus
Abgeschlagenheit, Gewichtsverlust, Hypotonie und Hyperpigmentation.
4 Eine Diagnosesicherung erfolgt mittels ACTH-Stimulationstest.
4 Die Erkrankung ist nicht heilbar, jedoch durch lebenslange Substitution der fehlenden
Hormone gut behandelbar.
4 Ein erhöhter Kortisolbedarf entsteht z. B. bei Infektionen oder psychischem Stress. Sobald
Infektanzeichen wie Fieber auftreten, sollte die Dosis mindestens verdoppelt bis verdreifacht
werden. Das gilt auch für kleinere Operationen.
Der Internist
CME
4 Größere Eingriffe, gastrointestinale oder schwerwiegende Infektionen (mit der Notwendigkeit
einer stationären Überwachung) und Unfälle mit Fremdhilfe erfordern eine zügige parenterale
Hydrokortisontherapie (mindestens 100–200 mg/Tag nach initialem Bolus).
4 Eine Gastroenteritis bedarf einer zeitnahen parenteralen Hydrokortisonapplikation.
4 Jeder Patient mit einer NNI sollte mit einem Notfallausweis und einer Notfallausrüstung
ausgestattet sein.
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. S. Hahner
Medizinische Klinik und Poliklinik I, Schwerpunkt Endokrinologie und Diabetologie, Universitätsklinikum
Würzburg
Oberdürrbacher Str. 6, 97080 Würzburg, Deutschland
[email protected]
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt. S. Hahner erhielt 2015 ein Vortragshonorar der Firma Shire. A. Pulzer und S. Burger-Stritt geben an, dass kein
Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine von den Autoren durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren.
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Der Internist
springermedizin.de/eAkademie
CME-Fragebogen
Bitte beachten Sie:
• Teilnahme nur online unter: springermedizin.de/eAkademie
• Die Frage-Antwort-Kombinationen werden online individuell zusammengestellt.
• Es ist immer nur eine Antwort möglich.
? Eine primäre Nebenniereninsuffizienz,
o
o
o
o
o
bedingt durch eine Autoimmunadrenalitis, tritt in folgender Häufigkeit
in Kombination mit weiteren Autoimmunerkrankungen im Rahmen eines polyglandulären Autoimmunsyndroms auf:
Ca. 1 %
Ca. 10 %
Ca. 20 %
Ca. 30 %
Ca. 60 %
? Sie betreuen einen Patienten mit Ver-
o
o
o
o
o
? Typische Symptome einer primären
o
o
o
o
o
Nebenniereninsuffizienz sind ...
Adynamie, Übelkeit, Gewichtsverlust,
Salzhunger.
Adynamie, Hypertonie, Blässe, Gewichtsverlust.
Hypertonie, Hyperpigmentierung, Gewichtszunahme, Salzhunger.
Exanthem, vermehrtes Schwitzen, Tremor, Durstgefühl.
Unruhe, Hypotonie, Hyperpigmentierung, Gewichtszunahme.
? Sie betreuen einen Patienten mit Ver-
o
o
o
o
? Bei welcher Hauterscheinung in Kom-
o
o
o
o
o
bination mit einer Symptomatik, die
mit einer Nebenniereninsuffizienz
vereinbar ist, sollten Sie differenzialdiagnostisch auch an einen Morbus
Addison denken?
Café-au-lait-Flecken
Vitiligo
Petechien
Teleangiektasien
Ichthyosis
dacht auf Nebenniereninsuffizienz, bei
dem Sie einen basalen morgendlichen
Kortisolspiegel von 3 μg/l messen. Das
gleichzeitig gemessene ACTH zeigt erhöhte Werte, das Serum-DHEAS ist erniedrigt. Für welche Diagnose spricht
dieser Befund am ehesten?
Morbus Cushing
Therapie mit Prednisolon
Therapie mit Spironolacton
Primäre Nebenniereninsuffizienz
Phäochromozytom
o
dacht auf Nebenniereninsuffizienz,
bei dem Sie im ACTH-Stimulationstest
nach 60 min einen Anstieg des Serumkortisols auf 35 μg/dl messen. Der
basale ACTH-Spiegel ist normal. Für
welchen Befund sprechen die gemessenen Werte am ehesten?
Primäre Nebenniereninsuffizienz
Sekundäre Nebenniereninsuffizienz
Tertiäre Nebenniereninsuffizienz
Morbus Cushing
Normalbefund
? Welche Aussage zur Prednisolonsubstitutionstherapie trifft zu?
o Prednisolon unterscheidet sich nicht von
Hydrokortison hinsichtlich der mineralokortikoiden Potenz.
o Prednisolon unterscheidet sich nicht von
Hydrokortison hinsichtlich der glukokortikoiden Potenz.
o Prednisolon wird mehrmals täglich 1:1
zur Hydrokortisonsubstitutionstherapie
substituiert.
D Für Zeitschriftenabonnenten ist die Teilnahme am e.CME kostenfrei
Der Internist
o
Prednisolon weist im Vergleich zu Hydrokortison eine deutlich höhere mineralokortikoide Wirkung auf.
o Prednisolon weist eine längere Halbwertszeit und höhere glukokortikoide
Potenz auf.
? Anhand welcher Parameter erfolgt die
o
o
o
o
o
Überwachung der basalen Kortisontagesdosis?
Primär anhand klinischer Gesichtspunkte
Anhand des morgendlichen PlasmaACTH-Werts
Anhand von Speichelkortisolprofilen
Anhand der Kortisolausscheidung im 24h-Sammelurin
Anhand des abendlichen Plasma-ACTHWerts
? Bei Nachweis einer primären Neben-
o
o
o
o
o
niereninsuffizienz aufgrund einer autoimmun bedingten Adrenalitis empfiehlt sich routinemäßig folgende ergänzende Labordiagnostik:
TSH, Nüchternglukose, Blutbild, Leberwerte
TSH, Leberwerte, Gastroskopie, Abdomensonographie
Nüchternglukose, Blutbild, Schilddrüsensonographie, Koloskopie
TSH, Gonadenfunktion, Gastroskopie,
Leberwerte
Aldosteron, Renin, ACTH-Test, Computertomographie des Abdomens mit
Kontrastmittel
CME-Fragebogen
? Bei Ihnen stellt sich notfallmäßig ein
o
o
o
o
o
Patient mit Hypotonie (80/40 mmHg),
Übelkeit und Erbrechen vor. Die begleitenden Angehörigen berichten
über einen bekannten Morbus Addison. Wie sollte ihre initiale Therapie
am ehesten aussehen?
0,05 mg Fludrokortison i. v.
25 mg DHEA i. v.
1000 mg Methylprednisolon i. v.
100 mg Hydrokortison i. v.
10 mg Prednisolon i. v.
? Welche Aussage trifft nicht zu? Eine ad-
o
o
o
o
o
äquate Nebennierenkrisenprävention
beinhaltet ...
das Mit-sich-Führen eines Notfallausweises.
das Mit-sich-Führen eines Notfallsets
(inklusive Hydrokortisonampulle).
regelmäßige Schulungen von Patienten
und ihrer Angehörigen.
die rasche Initiierung einer parenteralen Glukokortikoidapplikation bei einer
Gastroenteritis.
die abendliche Einnahme von Hydrokortison, um das nächtliche Glukokortikoiddefizit abzudecken.
Diese zertifizierte Fortbildung ist
12 Monate auf springermedizin.de/
eAkademie verfügbar.
Dort erfahren Sie auch den genauen
Teilnahmeschluss. Nach Ablauf des
Zertifizierungszeitraums können Sie
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Der Internist
Mitteilungen des BDI
Internist 2016 · 57:470–478
DOI 10.1007/s00108-016-0066-2
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
Redaktion
Dr. med. Hans-Friedrich Spies, Wiesbaden (v. i. S. d. P.)
Korrespondenzadresse
Berufsverband Deutscher Internisten e.V.
Schöne Aussicht 5
65193 Wiesbaden
Tel.: 0611 18133-0
Fax: 0611 18133-50
[email protected]
www.bdi.de
Inhalt
471
Editorial
472
Notfälle: Weg vom Tunnelblick
472
Entlassmedikation: Neue Regeln des G-BA
473
BDI unterstützt Studierende auch 2016 mit Stipendium
473
Der BDI-PraxisNavigator
474
Einladung zum 4. Trainingskurs „Mastertrainer BDC/BDI/
BVOU für die Strukturierte Facharztweiterbildung“
475
Online-Fortbildung
476
3000 Tage www.internisten-im-netz.de
Editorial
DGIM und BDI müssen
zusammen arbeiten
Bei der Vertretung des Fachs Innere Medizin vertritt die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) überwiegend die
Wissenschaft, während der Berufsverband Deutscher Internisten (BDI) die Aufgabe übernommen hat, die Interessen der
Inneren Medizin im gesamtpolitischen Umfeld wahrzunehmen.
Davon betroffen sind die Körperschaften, aber auch die Politik und die Kostenträger in unserem Gesundheitswesen. Diese
seit Jahren gepflegte Aufgabenverteilung mit Trennung von
Wissenschaft und Politik ist im
heutigen gesundheitspolitischen
Umfeld nicht mehr aufrecht zu
erhalten. In unserem nahezu
rein ökonomisch orientierten
Gesundheitswesen spielen Qualitätsvorgaben eine zunehmend
wichtige Rolle. Diese können
nur mit wissenschaftlich gesicherten Daten rechtssicher erstellt werden. Dabei muss man
feststellen, dass die Politik in ihren Gesetzen und Verordnungen diese belegten Daten nicht
neutral, sondern gezielt als Argumentationshilfe für ihre ökonomischen Ziele benutzt. Der
Missbrauch solcher Daten wird
exemplarisch an dem Zweitmeinungsverfahren sichtbar. Gefördert wird es nur bei Leistungen,
bei denen man aus ökonomischen Gründen eine unangemessene Mengenentwicklung
vermutet. Dabei wird nicht die
konservative Therapie, sondern
ganz bewusst allein die operative Behandlung einem Zweitmeinungsverfahren unterzogen.
Wissenschaftliche Daten sind
immer dann besonders willkommen, wenn man sie für eine Kostendämpfung benutzen kann.
Dies hat Folgen für das Verhältnis von DGIM und BDI. Die
wissenschaftlichen Gesellschaff
ten, vorweg die DGIM, müssen
weiter unbeeinflusst von ökonomischen Zielen ihre Vorgaben
einbringen und sollten sich in
die politische Diskussion nicht
direkt einmischen. Andererseits
ist ohne wissenschaftliche Ergebnisse diese Diskussion nicht
zu führen. Beide Gesellschaften,
sowohl die wissenschaftliche als
auch die berufspolitische, sind
deshalb auf die Dauer zu einer
Zusammenarbeit und Abstimmung bei den anstehenden Fragen im Interesse der Medizin
mehr als verpflichtet. Die beiden
Verbände müssen wieder mehr
aufeinander zugehen. Wie dies
z. B. bei der Muster-Weiterbildungsordnung oder beim Thema Choosing Wisely erfolgreich
eingeübt wurde.
Ihr
Dr. med. Hans-Friedrich Spies
Präsident des BDI e.V.
Der Internist 5 · 2016
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Mitteilungen des BDI
Notfälle: Weg vom Tunnelblick
Auch mit dem Krankenhausstrukturgesetz und den darin vorgesehenen Portalpraxen bleibt es
dabei: Die Versorgungsebenen
werden getrennt betrachtet und
geplant. Dabei zeigt eine Studie,
dass in der Notfallversorgung eine
ganzheitliche Lösung gefragt wäre.
Das Klinikum der Universität
München hat über sein Institut
für Notfallmedizin und Medizinmanagement die Notfallversorgung im Großraum München
analysiert. Die Ergebnisse sind
deshalb interessant, weil im
Krankenhausstrukturgesetz die
Notfallversorgung eine wichtige Rolle gespielt hat. Und die
empfohlenen Portalpraxen an
den Krankenhäusern zum Aufreger im vertragsärztlichen Umfeld geworden sind. Dabei geht es
dem Bundesgesundheitsministerium um den Notfalldienst der
Kassen­ärztlichen Vereinigungen,
während die Studie in München
den davon unabhängigen Rettungsdienst und die direkte Inanspruchnahme der Krankenhäuser durch Patienten untersucht.
Diese Strukturen sind organisatorisch und fiskalisch streng von
der Kassenärztlichen Notfallversorgung getrennt. Versorgungstechnisch und inhaltlich ergeben
sich aber zahlreiche Berührungspunkte, die eine übergreifende Erörterung der Notfallversorgung
sinnvoll erscheinen lassen. Die
Analyse in der Stadt München beleuchtet somit nur einen Teil der
Versorgungslandschaft.
Anstieg von über 40 %
Von 2005 bis 2014 hat sich die Patientenzahl, die mit Rettungswagen versorgt wurde, von 77 000 auf
etwa 110 000 erhöht. Sie ist demzufolge um 41 % im Stadtgebiet
und im Umland von München
angestiegen. Als Ursache werden
die Bevölkerungszunahme, aber
auch das geänderte Verhalten der
Bevölkerung bei Notfallsituationen angesehen. Die griffige Telefonnummer 112 tut hier sicher
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Der Internist 5 · 2016
ihr Übriges. Bei den Rettungswagen wird zwischen Transporten
mit und ohne notärztliches Personal unterschieden. Die Steigerung der Versorgungszahlen betrifft mit etwa 50 % überwiegend
die Transporte mit Arzt. Die ohne
ärztliche Begleitung haben sich
nur um etwa 23 % erhöht.
Bei der Belastung der Krankenhäuser geht es aber nicht
nur um die Patienten aus den
Rettungswagen, sondern auch
um die direkte Inanspruchnahme der Notfallambulanzen. Nur
etwa 20 % der Patienten kamen
tatsächlich mit dem Rettungsdienst. Der Rest, also 80 % von
524 000 Notfällen, erschien direkt im Krankenhaus. Ein Drittel
wurde stationär, zwei Drittel ambulant behandelt.
Davon waren 71 % Erwachsene, 17 % Kinder und der Rest
verteile sich auf spezialisierte
Versorgungseinrichtungen von
Augenkliniken über gynäkologische Notfälle bis hin zur Dermatologie. Durchschnittlich wurden in München und Umgebung
täglich 110, nachts 15 bis 30 Notfallpatienten pro Stunde versorgt.
Betrachtet man die Diagnosestatistik, so bestätigt sich eine besonders schwerwiegende Diagnose
nur bei etwa 1,8 % der Patienten.
Dabei geht es um 9500 Notfälle mit Diagnosen wie ST-Infarkt,
Schlaganfall, schwere Traumata
oder septische Krankheitsbilder.
Differenziert man nach zeitkritischer Behandlungsnotwendigkeit, so sind 23 % betroffen. Bei
61 % der Patienten wird der medizinische Versorgungsaufwand als
gering eingestuft. Es dürfte sich
dabei überwiegend um ambulant
behandelbare Bagatellerkrankungen handeln, die auch in Praxen
oder im vertragsärztlichen Notfalldienst hätten behandelt werden können.
Echte Notfälle oder
Bagatell-Leiden?
Wichtig ist das Lebensalter der
Notfälle, denn über dem 70. Le-
bensjahr steigt die Anzahl der
Notfälle drastisch an. Dies betrifft auch den Anteil, der stationär aufgenommen werden muss.
Interessant ist, dass die Zahl der
am Krankenhaus erscheinenden
Notfallpatienten, die zwischen
20 und 35 Jahre alt sind, unverhältnismäßig hoch ist. Und hier
auch nur in einem sehr geringen
Anteil eine stationäre Aufnahme
benötigt wird.
Die Analyse zeigt eine zunehmende Belastung der Krankenhäuser durch Notfälle, die zu
80 % unabhängig vom Rettungsdienst versorgt werden müssen. Hier fällt auf, dass die Bedeutung der Notfallversorgung
über dem 70. Lebensjahr besonders hoch ist. Mehr Bagatellfälle scheinen in der Altersgruppe
zwischen 20 und 35 Jahren vorzuliegen. Leider liegen die Zah-
len aus der Notfallversorgung
bei der Kassenärztlichen Vereinigung zum Vergleich nicht vor,
weder über den vertragsärztlichen Notdienst, noch aus der direkten Notfallversorgung in den
Praxen.
Man sollte die Notfallversorgung der Bevölkerung und
den dazu notwendigen Versorgungsaufwand in Zukunft
unabhängig von der Versorgungsebene, aber auch von den
Rettungsdienstträgern diskutieren und nach einer finanzierbaren und dennoch qualitativ
guten Gesamtlösung suchen.
Isolierte Betrachtungen aus dem
Krankenhaus und der ambulanten Versorgung helfen auf die
Dauer nicht mehr weiter.
Dr. med. Hans-Friedrich Spies
Präsident des BDI e.V.
Entlassmedikation:
Neue Regeln des G-BA
Der Gesetzgeber hatte mit dem
Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VSG)
die Möglichkeit geschaffen, dass
Krankenhäuser im Rahmen des
Entlassmanagements ambulante
Leistungen verordnen und Arbeitsunfähigkeit feststellen dürfen (§ 39 Abs. 1a SGB V).
Bisher konnte es für die Patienten nach einer Entlassung
aus dem Krankenhaus zu Versorgungslücken kommen. Beispielsweise, wenn die Patienten
aufgrund ihrer körperlichen Verfassung nicht in der Lage waren,
ihren behandelnden Arzt aufzusuchen oder wenn die Praxis
nicht mehr geöffnet war. Diese
Versorgungslücken werden nun
geschlossen, indem auch Krankenhäuser Leistungen wie Heilmittel, Hilfsmittel, Soziotherapie, häusliche Krankenpflege
und Arzneimittel verordnen oder
auch eine Krankschreibung ausstellen dürfen. Dabei kann es sich
aber immer nur um eine notwendige Überbrückung bis zu weiteren Veranlassungen durch den
behandelnden Arzt handeln.
Die wesentlichen
Änderungen im Überblick:
55Vor einer Verordnung von
Entlassmedikation hat nun
der Klinikarzt zu prüfen, ob
eine Verordnung überhaupt
nötig ist, um den Versicherten unmittelbar nach der
Entlassung mit Arzneimitteln
zu versorgen. Das bedeutet,
dass therapie-, indikationsund arzneimittelspezifische
Aspekte zu berücksichtigen sind, um zu beurteilen,
ob eine nahtlose Arzneimitteltherapie unmittelbar nach
der Entlassung erforderlich
ist (medizinische Aspekte).
Daneben muss der Arzt prüfen, ob der Patient einen weiter behandelnden Arzt rechtzeitig erreichen kann.
55Die Neufassung der AM-RL
weist auf die weiterhin zur
Überbrückung von Wochenende oder Feiertag mögliche
„Überbrückungsmedikation“
nach § 14 Abs. 7 Apothekengesetz hin, d. h. die unmittelbare Mitgabe von Arzneimitteln (im Gegensatz zur
Verordnung von Arzneimitteln). Deutlich unterschieden wird nun zwischen der
Verordnung von Entlassmedikation und der Mitgabe
von Überbrückungsmedikation: Die Mitgabe von überbrückender Medikation soll
demnach Vorrang gegenüber
der Verordnung von Entlassmedikation haben, wenn die
medikamentöse Behandlung durch die Reichweite
der mitgegebenen Arzneimittel abgeschlossen werden
kann. In diesem Fall wäre es
unwirtschaftlich, Arzneimittel durch einen Krankenhausarzt zu verordnen
– und damit nachrangig. Allerdings darf der Klinikarzt
lediglich eine Packung mit
dem kleinsten Größenkennzeichen gemäß Packungsgrößenverordnung (N1)
verordnen. Sollte eine solche „Kleinstpackung“ (N1)
nicht im Verkehr sein, kann
er eine andere Packung verordnen, um Versorgungslücken zu vermeiden. Deren
Packungsgröße darf jedoch
eine „Kleinstpackung“ nicht
überschreiten.
55In der AM-RL wird künftig
zudem geregelt werden, dass
das Krankenhaus die weiter
behandelnden Vertragsärzte
über die Entlassung des Patienten aus der Klinik rechtzeitig informieren muss. Diese Information umfasst auch
die medikamentöse Therapie
bei Entlassung, deren Dosierung und die im Rahmen des
Entlassmanagements verordneten Arzneimittel. Dabei ist
auch darzustellen, wenn eine
vor der stationären Aufnahme bestandene Medikation
geändert wird. Zudem hat
der Klinikarzt darauf hinzu-
weisen, wie lange von ihm
verordnete Medikamente
einzunehmen sind.
55Verordnungen im Rahmen
des Entlassmanagements
dürfen nach dem G-BA-Beschluss nur innerhalb von
drei Werktagen – wozu auch
ein Samstag zählt – eingelöst
werden. Im Gegensatz dazu
sind vom Vertragsarzt ausgestellte Verordnungen einen
Monat lang gültig. Zudem ist
die Verordnung von Entlassmedikation als „Verordnung
nach § 39 Abs. 1a SGB V“ zu
kennzeichnen. Dabei ist zu
beachten, dass der Tag der
Ausstellung der Verordnung
bereits der erste Tag der
Drei-Tages-Frist ist.
55Die übrigen in die Arzneimittelversorgung einbezogenen Produkte können für die
Versorgung in einem Zeitraum von bis zu sieben Tagen verordnet werden. Dabei
handelt es sich um Bilanzierte Diäten zur enteralen Ernährung, Stoffliche Medizinprodukte (beispielsweise
Lutschtabletten), Verbandmittel und Harn- und Blutteststreifen.
Ass. Jur.
Christina Zastrow-­Baldauf
Justiziarin des
Berufsverbandes
Deutscher
Internisten e. V.
Schöne Aussicht 5,
65193 Wiesbaden
Tel.: 0611 18133-17
Fax: 0611 18133-50
[email protected]
BDI unterstützt Studierende
auch 2016 mit Stipendium
Förderung für Medizinstudierende bis 1000 Euro pro
Semester möglich
Einmal jährlich lobt der BDI ein
Stipendium für Medizinstudenten aus. Hierfür können sich alle
immatrikulierten Studierenden
an deutschen Universitäten der
Fachrichtung „Humanmedizin“
bewerben. Ein erfolgreicher Abschluss des Physikums ist dabei
Voraussetzung. Wer sich also im
„Klinischen Abschnitt“ des Studiums befindet und im bisherigen Studienverlauf gute bis sehr
gute Leistungen erzielt hat sowie die berufliche Zukunft im
Bereich „Innere Medizin“ sieht,
sollte seine Chance nutzen!
Eine BDI-interne Jury entscheidet über die Vergabe der
Stipendien, deren Förderung jeweils zum Wintersemester eines
Jahres beginnt. Das Stipendium teilt sich in Geld- und Sachleistungen auf. Die ersten drei
Plätze sind mit 1000,00 Euro
(1. Platz), 500,00 Euro (2. Platz)
und 250,00 Euro (3. Platz) dotiert, die Plätze 4 und 5 erhalten
ein iPad zur Unterstützung ihrer
Studientätigkeit. Die Gewinner
der Vorjahre sowie der Download des Anmeldeformulars sind
auf www.bdi.de zu finden. Be-
werbungsschluss ist der 30. Juni
2016.
Bewerbungen müssen vollständig und fristgerecht eingegangen sein, um eine Chance
zur Förderung zu erhalten. Die
geförderten Studierenden müssen dabei semesterweise Leistungsnachweise erbringen. Der
Maximalzeitraum für eine Förderung beträgt acht Semester,
jedoch längstens zwei Semester
über der Regelstudienzeit. Die
Förderung endet jeweils mit Erlangen des Staatsexamens – unabhängig vom bisherigen Förderzeitraum. Die Verleihung
der Stipendien-Urkunden findet
im Rahmen der Eröffnungsfeier
des Deutschen Internistentages
am 16. 9. 2016 in Berlin statt. Die
Anwesenheit der Stipendien-Gewinner wird zu diesem Anlass erwartet. Wir wünschen allen Bewerberinnen und Bewerbern viel
Erfolg!
Für Rückfragen wenden Sie
sich bitte an Frau Eva Giese (Tel.:
0611 18133-44, E-Mail: egiese@
bdi.de) und Herrn Kai Wachowski (Tel.: 0611 18133-33, E-Mail:
[email protected]).
Der BDI-PraxisNavigator
BDI präsentiert neue App rund um das Thema
Niederlassung
Der Berufsverband Deutscher Internisten e. V. (BDI) hat für seine Mitglieder eine neue, bislang
einzigartige App entwickelt: Den
BDI-PraxisNavigator. Dieser gibt
Antworten auf Fragen zum Thema Niederlassung. Von der Praxisgründung bzw. Anstellung über die
Praxisführung und -optimierung
bis hin zur Praxisabgabe können
sich BDI-Mitglieder über relevan-
te Inhalte informieren, einschließlich der rechtlichen Rahmenbedingungen.
Seit April 2016 ist die kostenlose App für iOS über den App Store und voraussichtlich im Mai 2016
auch für Android über den Google-Play-Store erhältlich. Für die volle Funktionalität ist eine BDI-Mitgliedschaft notwendig.
Der Internist 5 · 2016
473
Mitteilungen des BDI
Durch die übersichtliche und
intuitive Benutzerführung ist
eine komplikationslose Bedienung der App garantiert. Sie ist
so angelegt, dass – je nach Lebenszyklus – alle relevanten Berufsfelder und Lebensabschnitte
abgedeckt werden. So erhalten
Internisten, die sich mit dem
Gedanken tragen im ambulanten Bereich zu arbeiten, wertvolle Informationen und rechtliche
Tipps, auf was hierbei zu achten
ist. Bereits niedergelassene Internisten erfahren nützliche Hilfestellung in der Führung einer
Praxis und der Optimierung der
Arbeitsprozesse. Selbst die Möglichkeiten der Abgabe einer Praxis werden thematisiert.
Auch stationär tätige Internisten, die sich über das Arbeiten im
ambulanten Bereich informieren
möchten, haben einen hohen
Nutzen von dem Programm.
Mit eingebunden ist z. B. der Zugang zum BDI Experten-Portal.
Hier können Nutzer für individuelle Fragen mit Experten in
Kontakt treten. Außerdem sind
viele Checklisten, Musterverträge, BDI-Nachrichten oder eine
Notizfunktion integriert. Der
Download ist kostenfrei, den
vollen Zugriff auf alle Inhalte
der App erhalten allerdings ausschließlich BDI-Mitglieder.
Der BDI-PraxisNavigator begleitet Internisten ein Leben lang.
Formelle und fachliche Fragen
werden einfach beantwortet. Die
App ist ein Muss für jeden Internisten – und ein guter Grund,
BDI-Mitglied zu werden. Auskünfte zum BDI-PraxisNavigator
erteilt Ihnen gern Herr Sebastian
Ruff, E-Mail: [email protected], Tel.
0611 18133-12.
Neben dem neuen BDI-PraxisNavigator bietet der BDI seinen Mitgliedern auch die „BDI
aktuell-App“, welche den einfachen Zugang zur Online-Ausgabe der Mitgliederzeitung „BDI
aktuell“ beinhaltet, und die „Studis-App“ an, die Studierende der
Humanmedizin durch das Praktische Jahr und die Famulatur
führen. Mit der App „Mein Internist“ stellt der BDI seinen Mitgliedern ein Instrument zur Verfügung, das die Kommunikation
mit Patienten enorm erleichtert.
Alle BDI-Apps sind für iOS- und
Android-Mobilgeräte entwickelt
und in den gängigen Stores herunterzuladen.
Einladung zum
4. Trainingskurs
„Mastertrainer BDC/BDI/
BVOU für die Strukturierte
Facharztweiterbildung“
Termin: 17. 6.–18. 6. 2016
Dozent: Prof. Dr. med. Marcus
Siebolds
Ort: Robert-Koch-Platz 9,
10115 Berlin
Die Weiterentwicklung der Qualität im Bereich der Facharztweiterbildung ist ein zurzeit intensiv
diskutiertes Thema. Neben den
notwendigen strukturellen Veränderungen (Novellierung der
474
Der Internist 5 · 2016
Musterweiterbildungsordnung)
geht es im Mastertrainer-Kurs
um die Unterstützung in den
Kliniken vor Ort. Die Berufsverbände der Chirurgen und Internisten (BDC und BDI) und nun
auch der Orthopäden und Unfallchirurgen (BVOU) haben eine
gemeinsame Initiative zur Weiterentwicklung der Facharztweiterbildung umgesetzt und bereits
über 50 Mastertrainer ausgebil-
det. Nun soll der 4. Trainingskurs
beginnen, zu dem wir Sie herzlich einladen möchten.
Hauptanliegen ist es, die in
der Praxis tätigen Weiterbilder durch Mastertrainer auf die
wichtigsten Instrumente der
strukturierten Weiterbildung zu
schulen und in Supervisionen
kontinuierlich zu begleiten. Das
Angebot richtet sich an alle, die
in ihrer Klinik weiterbilden:
55Chefärztinnen und Chefärzte
55Oberärztinnen und Oberärzte
55Fachärztinnen und Fachärzte sowie alle Assistenten, die
von Ihren Ermächtigten beauftragt sind, die Weiterbildung zu koordinieren.
Das Mastertrainerkonzept
Das Mastertrainermodell beschreibt ein klassisches Trainthe-Trainer-Konzept. Dabei
werden Sie als erfahrener Weiterbilder in einem ersten Schritt
zu Mastertrainern ausgebildet.
Nach der Ausbildung sollen
dann die Mastertrainer in ihren
Abteilungen sechs Monate lang
die erlernten Instrumente und
Kompetenzen umsetzen. Diese
Erfahrungsphase ist notwendig,
um später eigene Erfahrungen
in die Ausbildung der Weiterbilder einbringen zu können. Die
erworbenen Kompetenzen können dann sowohl in der eigenen
Klinik, bei der Schulung der eigenen Kollegen, als auch bei der
Teilnahme an überregionalen
Ausbildungsveranstaltungen für
Weiterbilder, die der BDC und
BDI durchführen werden, genutzt werden.
Aufgaben und
Arbeitsaufwand der
Mastertrainer:
55Teilnahme an der Ausbildung zum Mastertrainer.
55Im Anschluss daran werden
in der Regel zwei Supervisionen im Jahr angeboten, in
denen aktuelle Probleme in
der Trainerarbeit besprochen
werden. Die Teilnahme ist
optional.
55Ebenfalls optional: Mitarbeit
bei der Durchführung von
überregionalen Großveranstaltungen zur Ausbildung
von interessierten Weiterbildern durch BDI, BDC und
BVOU.
55Gemeinsam mit Prof. Siebolds, Dr. Ansorg und Prof.
Denkinger: Zusammenarbeit bei der Verstetigung des
Projektzuschnitts und Einbringen eigener Ideen der
Mastertrainer für die Weiterentwicklung des Projektes.
Wir würden uns sehr freuen,
wenn wir Sie für diese neue Aufgabe gewinnen könnten. Nutzen
Sie die Möglichkeit Ihre Weiterbildung in der Klinik so zu optimieren, dass Sie das Beste aus
den schwierigen Bedingungen
herausholen. Das Projekt wird
davon leben, dass sich ausgewiesene Kliniker bereiterklären daran teilzunehmen.
Weitere Informationen zum
Kurs erhalten Sie gerne auf Anfrage bei Herrn Ruff von der
BDI-Geschäftsstelle per E-Mail:
[email protected]. Sie können sich
bei ihm auch verbindlich für den
Kurs anmelden.
Kosten
Mit freundlichen Grüßen
Der Mastertrainerkurs, inkl. der
Supervisionen, wird einmalig
€ 350,– für Nichtmitglieder und
€ 200,– für Mitglieder von BDI,
BDC und BVOU kosten.
Dr. Jörg Ansorg, BVOU e. V.
Prof. Michael Denkinger,
BDI e. V.
Dr. Norbert Hennes, BDC e. V.
Prof. Dr. Marcus Siebolds,
Sysco GmbH
Online-Fortbildung
FortbildungsAkademie im Netz: CME-Punkte mit
individueller Zeiteinteilung erwerben
Ob zu Hause oder unterwegs, mittags oder abends – mit der„FortbildungsAkademie im Netz“ können
CME-Punkte zeit- und ortsunabhängig online erworben werden.
Die neue Webseite bietet innovative eLearning-Module für alle niedergelassenen Facharztgruppen.
Auf der Webseite www.fortbildungsakademie-im-netz.de steht
seit kurzem ein wachsendes Angebot an Online-Fortbildungen
zur Verfügung. Speziell für Internisten wurden die Module „Hepatitis C“ und „Pulmonale Arterielle Hypertonie“ entwickelt.
Interessant für die Fachärzte der
Inneren Medizin ist darüber hinaus die Themenauswahl im interdisziplinären Fortbildungsbereich und das Angebot rund um
das Thema „Impfen“.
Derzeit stehen mehr als 30
verschiedene Module zur Verfügung, die von der Bayerischen
Landesärztekammer in der Kategorie I zertifiziert wurden. Die
Teilnahme an den Modulen ist
für alle Ärzte kostenlos. Jeder
Arzt kann sich bequem mit seinen DocCheck-Zugangsdaten
anmelden, um das Fortbildungsangebot zu nutzen. Herausgeber
der unabhängigen Online-Plattform ist die Monks Vertriebsgesellschaft.
Online-Module für
Internisten
Autor des Moduls „Pulmonale
Arterielle Hypertonie“ ist Prof.
Jürgen Behr aus München. Das
Modul erläutert die Inhalte der
2015 veröffentlichten Leitlinie
der European Society of Cardiology (ESC) und der European Respiratory Society (ERS)
zur Diagnose und Behandlung
des Lungenhochdrucks. Neben
Klassifikation und Epidemiologie der Pulmonalen Arteriellen
Hypertonie (PAH) befasst sich
das Modul mit den Krankheits-
zeichen, der Diagnostik, dem
Risikomanagement, der medikamentösen Therapie, invasiven
Behandlungsoptionen und der
Begleittherapie dieser seltenen
Form des Lungenhochdrucks.
Das Modul „Hepatitis C“
wurde mit Unterstützung von
Prof. Thomas Berg aus Leipzig
entwickelt. Dank der Entwicklung neuer Arzneistoffe ist eine
Hepatitis C inzwischen in vielen
Fällen heilbar. Daher informiert
das Modul ausführlich über den
Erreger der Hepatitis C, seine
Verbreitung und Häufigkeit, die
Übertragungswege sowie über
Risikogruppen, Diagnostik,
Krankheitsverlauf und Komplikationen, Prävention und medikamentöse Therapie.
Interdisziplinäre
Fortbildungen für Ärzte
aller Fachrichtungen
In Zusammenarbeit mit Prof.
Martin Wehling aus Mannheim
entstand das Modul „Arzneimittelwechselwirkungen“, das sich
an Ärzte aller Fachrichtungen
richtet. Das Modul befasst sich
mit den theoretischen Grundlagen von Arzneimittelinteraktionen und stellt eine Vielzahl
klinisch relevanter Arzneimittelwechselwirkungen vor. Pharmazeutische Wechselwirkungen
werden dabei ebenso berücksichtigt wie pharmakokinetische und
pharmakodynamische Interaktionen mit ihren verschiedenen
Mechanismen.
Weitere Themen des interdisziplinären Angebots sind „Impfungen gegen Meningokokken“,
„Influenza“ oder „Aktive Impfberatung im Praxisalltag“. Darüber hinaus stehen vier reisemedizinische Online-Module und
ein Impfkurs mit 18 in sich abgeschlossenen Fortbildungseinheiten zur Verfügung.
Ein interaktiver Aufbau der
Module ermöglicht den spiele-
rischen Erwerb eines umfangreichen Detailwissens. Bei erfolgreichem Abschluss erhalten die
Teilnehmer der Module jeweils
2–4 CME-Punkte.
Das Fortbildungsangebot
wird noch in diesem Jahr weiter
ausgebaut. So stehen zwei Module zum Thema „Herzinsuffizienz“
kurz vor der Fertigstellung. Bis
zum Jahresende soll ein Angebot
zum Thema „Erkrankungen der
Leber erkennen“ folgen.
Innovatives eLearningKonzept für eine flexible
Zeiteinteilung
Ein innovatives eLearning-Konzept gewährleistet, dass jeder
Teilnehmer jedes Modul erfolgreich abschließen kann. Dabei
kann die Bearbeitung eines Moduls jederzeit unterbrochen und
zu einem späteren Zeitpunkt
fortgesetzt werden – je nach verfügbarem Zeitfenster.
Eine Übersicht über die gestarteten Fortbildungen, die
noch nicht abgeschlossen wurden, kann unter dem Menüpunkt „Meine Fortbildungen“
eingesehen werden. Die Teilnahmebestätigung kann nach dem
Abschluss eines Moduls aus dem
Punktekonto direkt herunterla-
den werden. Dort ist auch eine
Druckversion aller abgeschlossenen Module verfügbar.
Wer die Seite zum ersten Mal
besucht, sollte unter dem Menüpunkt „Mein Profil“ einige persönliche Daten hinterlegen, damit die erworbenen CME-Punkte
dem persönlichen Konto gutgeschrieben werden können. Außerdem sollte einer Übermittlung
der Punkte an den EIV zur Speicherung bei der Bundeärztekammer zugestimmt werden.
Online-Module
regelmäßig aktualisiert
Die Inhalte der Fortbildungsmodule werden mindestens einmal
im Jahr von einem Experten aktualisiert und von zwei unabhängigen Gutachtern geprüft. Auf
diese Weise stellt der Herausgeber die Neutralität und Aktualität
des Angebots sicher. Für Rückfragen stehen ärztliche Tutoren
zur Verfügung, die per Email
kontaktiert werden können.
Autorin
Sabine Ritter
Monks Vertriebsgesellschaft mbH
Tegernseer Landstraße 138
81539 München
Email: [email protected]
Der Internist 5 · 2016
475
3000 Tage
www.internisten-im-netz.de
Die erfolgreichste Internetseite zur Inneren Medizin
in Deutschland feiert Geburtstag
Im Jahr 2007 startete auf Initiative
von Dr. Wolfgang Wesiack und Dr.
Wolf von Römer der Internetdienst
auf www.internisten-im-netz.de.
Die Idee war es, ein Informationsportal für Patienten, Angehörige
und Interessierte ins Netz zu stellen,
das seriöse und medizinische hochwertige Informationen zur Inneren
Medizin anbietet. Neben aktuellen
Nachrichten und tiefergehenden Informationen zu inneren Erkrankungen und Therapien haben Besucher
der Seite auch die Möglichkeit, internistische Praxen in Wohnortnähe
zu finden. Herausgegeben wird der
Internetdienst vom Berufsverband
Deutscher Internisten (BDI).
Die Bilanz nach 8 Jahren ist hoch
erfreulich. Jeden Monat nutzen
inzwischen etwa 1,2 Million Besucher das Portal, um sich über
Präventionsangebote, Erkrankungen, Therapien aber auch
über Praxisangebote zu informieren – Tendenz stark steigend.
Damit ist das BDI-Patientenportal das reichweitenstärkste Internetangebot zur Inneren Medizin im deutschsprachigen Raum.
Inzwischen umfasst das Portal
mehrere tausend Unterseiten
und ist zur Referenzseite für viele andere Medien geworden, die
über Themen zur Inneren Medizin berichten. Da alle Meldungen
vom Verband freigegeben werden und die Website völlig werbefrei ist, greifen die Deutsche
Presseagentur, sehr viele Tageszeitungen und Journale – wie
beispielsweise die Öko-Test, Fokus, die Bild-Zeitung oder auch
Krankenkassenmagazine – Veröffentlichungen von www.internisten-im-netz.de auf.
Alle internistischen
Praxen sollten bei
Internisten-im-Netz
registriert sein
©©Monks Ärzte-im-Netz GmbH
Immer mehr Patienten und Patientinnen informieren sich heutzutage im Internet auch über
Ärzte, Praxen und Kliniken. Und
auch dabei ist die Seite www.internisten-im-netz.de häufig die
erste Anlaufstelle. Etwa 35.000
Suchanfragen bei rund 120.000
Seitenaufrufen für Praxen gibt
es – jeden Monat! Leider sind
noch nicht alle niedergelassenen
BDI-Mitglieder mit ihrer Praxis
auf der Seite registriert. Um den
Praxen, die noch nicht registriert
476
Der Internist 5 · 2016
©©Monks Ärzte-im-Netz GmbH
Mitteilungen des BDI
sind, den Einstieg zu erleichtern, entfällt die Erstellungsgebühr im Rahmen einer Sonderaktion bei Anmeldungen bis zum
30. 6. 2016. Das entsprechende
Anmeldeformular finden Sie auf
der nächsten Seite. Für niedergelassene Internisten ist es nach der
Registrierung auch möglich, die
PraxisApp „Mein Internist“ zur
direkten Kommunikation mit
den Patienten gegen eine geringe
Gebühr freischalten zu lassen. Informationen dazu, wie auch zur
Homepageerstellung oder Registrierung erhalten Sie von unserem Dienstleister, der Monks
Ärzte-im-Netz GmbH aus München. Nutzen Sie die Chance, um
Ihre Praxis auf der erfolgreichsten Patientenseite zur Inneren
Medizin in Deutschland zu präsentieren.
Ihr Dr. Wolfgang Wesiack und
Dr. Wolf von Römer
S
Überblick
Anmeldung Jetzt ONLINE anmelden! www.bdi.de
BDI-Veranstaltungen 2016
KongresseCME
31. Internationaler interdisziplinärer Seminarkongress
Playa de Muro, Mallorca
30 22. 05. – 27. 05. 2016
65. Internationaler interdisziplinärer Seminarkongress
Pörtschach am Wörthersee, Österreich
vorauss. 30 28. 08. – 02. 09. 2016
9. Deutscher Internistentag
Berlin
beantragt
16. 09. 2016
Assistententag während des 9. Deutschen Internistentages
Berlin
beantragt
17. 09. 2016
39. Internationaler interdisziplinärer Seminarkongress
Puerto de la Cruz, Teneriffa vorauss. 39 17. 11. – 25. 11. 2016
Kurse
Intensivkurs Geriatrie – Update 2016
Wien, Österreich
16 10. 06. – 12. 06. 2016
Intensivkurs Pneumologie – Update 2016
Bonn
vorauss. 16 17. 06. – 18. 06. 2016
Allgemeine Innere Medizin 2016 – Was ist neu?
Berlin
vorauss. 17 01. 07. – 03. 07. 2016
Intensivkurs Diabetologie – Update 2016
Wiesbaden
11 19. 08. – 20. 08. 2016
Intensivkurs Innere Medizin – Refresher zur Facharztpüfung
Essen
vorauss. 44 05. 09. – 10. 09. 2016
Echokardiographie Kompaktkurs
Mainz
vorauss. 16 16. 09. – 17. 09. 2016
Intensivkurs Stoffwechselerkrankungen/Endokrinologie – Update 2016
Florenz, Italien vorauss. 20 22. 09. – 25. 09. 2016
Farbdoppler-Echokardiographie-Refresherkurs
München vorauss. 14 24. 09. – 25. 09. 2016
Intensivkurs Innere Medizin – Refresher zur Facharztprüfung
Berlin
vorauss. 45 10. 10. – 15. 10. 2016
Änderungen vorbehalten
Weiterhin bieten wir zahlreiche Fort- und Weiterbildungsseminare im
Bundesgebiet an. Informationen hierzu halten wir für Sie bereit.
oo Intensivkurs Geriatrie – Update 2016
Wien, Österreich, 10. 06. – 12. 06. 2016, CME 16
Kursleitung:
Kursort:
Gebühr: Prof. Dr. med. Cornelius Bollheimer, Regensburg
Prof. Dr. med. Jürgen Bauer, Oldenburg
Billroth Haus Wien, Gesellschaft der Ärzte Wien,
Frankgasse 8, 1090 Wien/Österreich
€ 297,00 Mitglied, € 540,00 Nichtmitglied
oo Intensivkurs Pneumologie – Update 2016
Bonn, 17. 06. – 18. 06. 2016, CME vorauss. 16
Kursleitung:
Kursort:
Gebühr:
PD Dr. med. Selcuk Tasci, Siegburg
Nova Vita Residenz Bonn GmbH
Noeggerathstraße 34, 53111 Bonn
€ 297,00 Mitglied, € 540,00 Nichtmitglied
oo Allgemeine Innere Medizin 2016 – Was ist neu?
Berlin, 01. 07. – 03. 07. 2016, CME vorauss. 17
Kursleitung:
Prof. Dr. med. Bernhard Wörmann, Berlin
Kursort:Kaiserin-Friedrich-Stiftung
Robert-Koch-Platz 7, 10115 Berlin
Gebühr:
€ 297,00 Mitglied, € 540,00 Nichtmitglied
oo Intensivkurs Diabetologie – Update 2016
Wiesbaden, 19. 08. – 20. 08. 2016, CME 11
Kursleitung:
Kursort:
Gebühr:
Dr. med. Cornelia Jaursch-Hancke, Wiesbaden
PD Dr. med. Kornelia Konz, Wiesbaden
DKD HELIOS Klinik Wiesbaden
Aukammallee 33, 65191 Wiesbaden
€ 231,00 Mitglied, € 420,00 Nichtmitglied
oo Intensivkurs Innere Medizin – Refresher zur Facharzprüfung
Essen, 05. 09. – 10. 09. 2016, CME vorauss. 44
Hiermit melde ich mich verbindlich zu dem
angekreuzten Kurs an:
Kursleitung:
Kursort:
Gebühr:
Prof. Dr. med. Guido Gerken, Essen
Universitätsklinikum Essen
Hufelandstr. 55, 45122 Essen
€ 429,00 Mitglied, € 780,00 Nichtmitglied
oo Echokardiographie Kompaktkurs
Titel:
Mainz, 16. 09. – 17. 09. 2016, CME vorauss. 16
Vor- und Zuname:
Kursleitung: Kursort: An­schrift (pri­vat)*:
Gebühr: Dr. med. Johannes Peter Tries, Mainz
Katholisches Klinikum Mainz
St. Vincenz und Elisabeth Hospital
An der Goldgrube 11, 55131 Mainz
€ 297,00 Mitglied, € 540,00 Nichtmitglied
oo 9. Deutscher Internistentag
Berlin, 16. 09. 2016, CME beantragt
An­schrift (dienstl.):
EFN-Nr. (bitte angeben)
(Einheitliche Fortbildungs-Nr. der LÄK)
Kongressleitung: Kongressort: Gebühr: E-Mail (bitte angeben):
oo Assistententag während des 9. Deutschen Internistentages
Berlin, 17. 09. 2016, CME beantragt
Telefon:
Fax:
oNicht­mit­glied
Ich bin: oMit­glied des BDI
Hier­mit er­ken­ne ich die Teil­nah­me­be­din­gun­gen des BDI an.
Da­tum:
Un­ter­schrift:
Bitte in Druckbuchstaben ausfüllen (* = wird für Ih­re Teil­nah­me­be­schei­ni­gung be­nö­tigt)
Auf Wunsch senden wir Ihnen gerne weitere Programminformationen zu.
S
Prof. Dr. med. Petra-Maria Schumm-Draeger
Karl Storz Besucher- und Schulungszentrum
Scharnhorststr. 3, 10115 Berlin
77,00 Mitglied, € 140,00 Nichtmitglied
Zu senden an:
Berufsverband Deutscher Internisten e.V., Kongresse und Fortbildung
Schöne Aussicht 5, 65193 Wiesbaden, Tel.: 0611 18133-21 und -22
Fax: 0611 18133-23, [email protected], www.bdi.de Kongressleitung: Prof. Dr. med. Michael Denkinger, Ulm
Dr. med. Kevin Schulte, Kiel
Kongressort: Karl Storz Besucher- und Schulungszentrum
Scharnhorststr. 3, 10115 Berlin
Gebühr: 77,00 Mitglied, € 140,00 Nichtmitglied
oo Intensivkurs Stoffwechselerkrankungen/Endokrinologie –
Update 2016
Florenz/Italien, 22. 09. 2016 – 25. 09. 2016, CME vorauss. 20
Kursleitung: Kursort: Gebühr: Prof. Dr. med. Petra-Maria Schumm-Draeger, München
Prof. Dr. med. Armin Steinmetz, Andernach
Grand Hotel Mediterraneo
Lungarno del Tempio, 44, 50121 Florenz/Italien
€ 319,00 Mitglied, € 580,00 Mitglied
Der Internist 5 · 2016
479
Mitteilungen des BDI
18. 00 – 19. 00 Uhr
Dermatologie
Hände als Wegweiser innerer und
rheumatischer Erkrankungen
Prof. Dr. med. Stephan Sollberg,
Parchim
31. Internationaler interdiszi­
„„
plinärer Seminarkongress
für ärztliche Fortbildung
Mallorca Playa de Muro/Alcudia: 22. – 27. 05. 2016
Kongress-
Prof. Dr. med. Reinhard Büchsel, Berlin
leitung
Prof. Dr. med. Reinhard Fünfstück, Weimar
Kongressort Hotel Be Live Grand Palace de Muro
Ctra. Alcudia-Artà, S/N
E-07458 Playa de Muro, Baleares
Schwerpunkt­- Rheumatologie, Infektionskrankheiten und
themen klinische Pharmakologie
Sonntag, 22. 05. 2016
„„
17. 00 – 18. 00 Uhr
Eröffnung
Eröffnungsvortrag
Doping im Sport: Gesundheitliche
Folgen für die Athleten
Prof. Dr. med. Dr. h.c. Eberhard
Nieschlag, Münster
Montag, 23. 05. 2016
„„
09. 00 – 10. 00 Uhr
Kardiologie
Praxisrelevante Neuigkeiten in der
kardiovaskulären Therapie
Teil I
Prof. Dr. med. Peter Baumgart,
Münster
10. 00 – 11. 45 Uhr
Rheumatologie
1. Neue Targets – Neue Medikamente
2. Klinische Studien in der Rheuma­
tologie – Wie richtig verstehen und
was im Alltag anwenden?
Dr. med. Rieke Alten, Berlin
12. 00 – 13. 00 Uhr
Andrologie
Hypogonadismus des Mannes:
aktuelle Aspekte
Prof. Dr. med. Dr. h.c. Eberhard
Nieschlag, Münster
13. 00 – 16. 00 Uhr
Pause
16. 00 – 17. 00 Uhr
Diabetologie
Typ 2 Diabetes – Was ist neu? Was
bleibt? Was ist überholt?
Schwerpunkt Therapie
Dr. med. Cornelia Jaursch-Hancke,
Wiesbaden
17. 00 – 18. 00 Uhr
Dermatologie
Psoriasis vulgaris – eine Systemkrankheit!
Prof. Dr. med. Stephan Sollberg,
Parchim
18. 00 – 19. 00 Uhr
Gastroenterologie
Helicobacter pylori – Neue Leitlinie
480
Der Internist 5 · 2016
Prof. Dr. med. Joachim Labenz,
Siegen
20. 30 – 21. 30 Uhr
Wirtschaftliches Verordnen
unter den aktuellen gesetzlichen
und vertraglichen Rahmenbedingungen
Dr. med. Johannes Knollmeyer,
Frankfurt a.M
Dienstag, 24. 05. 2016
„„
09. 00 – 10. 00 Uhr
Kardiologie
Praxisrelevante Neuigkeiten in der
kardiovaskulären Therapie
Teil II
Prof. Dr. med. Peter Baumgart,
Münster
10. 00 – 11. 45 Uhr
Infektiologie
1. Erkrankungen bei Reisenden,
Migranten und Flüchtlingen
2. Update Impfungen
Prof. Dr. med. Thomas Löscher,
München
12. 00 – 13. 00 Uhr
Gastroenterologie
Das Mikrobiom des Darms
Prof. Dr. med. Joachim Labenz,
Siegen
13. 00 – 16. 00 Uhr
Pause
16. 00 – 17. 00 Uhr
Diabetologie
Typ 2 Diabetes – Was ist neu? Was
bleibt? Was ist überholt?
Schwerpunkt Folgekrankheiten,
Sonderfälle
Dr. med. Cornelia Jaursch-Hancke,
Wiesbaden
17. 00 – 18. 00 Uhr
Angiologie
Vaskulitis: Klassifikation, Diagnostik
und Therapie
PD Dr. med. Thomas Schwarz,
Freiburg i. Brsg.
20. 30 – 21. 30 Uhr
Arzt & Recht
Medizinischer Standard, Aufklärung,
Dokumentation und Organisation
im Lichte des Patientenrechtegesetzes – prakt. Erfahrungen /
Bedeutung von Leitlinien
RA Rolf-Werner Bock, Berlin
Mittwoch, 25. 05. 2016
„„
09. 00 – 10. 00 Uhr
Hypertensiologie
Der hypertensive Notfall
Prof. Dr. med. Gerd Bönner, Freiburg
i. Brsg.
12. 00 – 13. 00 Uhr
Hepatologie
Die aktuelle antivirale Therapie der
Hepatitis B + C: Ausheilung für alle?
Prof. Dr. med. Guido Gerken, Essen
13. 00 – 16. 00 Uhr
Pause
16. 00 – 17. 00 Uhr
Sportmedizin
Sport und Medikamente – Alternativen, Ergänzungen, Interaktionen
Univ. Prof. Dr. med. Klaus Völker,
Münster
17. 00 – 18. 00 Uhr
Neurologie
Polyneuropathie: was ist relevant für
den Praktiker
Prof. Dr. med. Dirk Sander, Feldafing
18. 00 – 19. 00 Uhr
Pneumologie
COPD-Therapie 2016 – Update
PD Dr. med. Selcuk Tasci, Siegburg
10. 00 – 11. 45 Uhr
Klinische Pharmakologie
1. Arzneimittel-Dosierung bei
­eingeschränkter Nierenfunktion
2. Klinisch-phamakologische
­Prinzipien der Arzneimitteltherapie
Prof. Dr. med. Bernd Drewelow,
Rostock
Freitag, 27. 05. 2016
„„
12. 00 – 13. 00 Uhr
Gastroenterologie
Nahrungsmittelunverträglichkeiten,
-intoleranz und -allergie
Prof. Dr. med. Reinhard Büchsel,
Berlin
09. 00 – 10. 00 Uhr
Kardiologie
Vorhofflimmern / Update Rhythmologie
Prof. Dr. med. Bernd-Dieter Gonska,
Karlsruhe
13. 00 – 16. 00 Uhr
Pause
10. 00 – 11. 45 Uhr
Infektiologie
1. Haut- und Weichgewebe­
infektionen
2. Gastrointestinale Infektionen
Prof. Dr. med. Bernhard R. Ruf,
Leipzig
16. 00 – 17. 00 Uhr
Angiologie
Venöse Thrombose: Ursachen,
aktuelle Therapie
Prof. Dr. med. Thomas Schwarz,
Freiburg i. Brsg
17. 00 – 18. 00 Uhr
Sportmedizin
Sport bei Rheuma und Arthrose
Univ. Prof. Dr. med. Klaus Völker,
Münster
18. 00 – 19. 00 Uhr
Nephrologie
Harnwegsinfektionen bei Patienten
im höheren Lebensalter
Prof. Dr. med. Reinhard Fünfstück,
Weimar
20. 30 – 21. 30 Uhr
Die neue GOÄ
Dr. med. Wolfgang Grebe, Frankenberg
Donnerstag,
„„
26. 05. 2016
09. 00 – 10. 00 Uhr
Kardiologie
Update Herzinsuffizienz
Prof. Dr. med. Bernd-Dieter Gonska,
Karlsruhe
10. 00 – 11. 45 Uhr
Rheumatologie
1. Gicht, Eisenspeicherkrankheit
2. Spondylarthritis
Prof. Dr. med. Michael Ausser­
winkler, Villach
20. 30 – 21. 30 Uhr
Gesundheitscoach
Dr. med. Wolfgang Grebe,
Frankenberg
12. 00 – 13. 00 Uhr
Hepatologie
Autoimmunerkrankungen der Leber
einschließlich Überlappungssyndrome: Diagnostik und Therapie
Prof. Dr. med. Guido Gerken, Essen
13. 00 – 16. 00 Uhr
Pause
16. 00 – 17. 00 Uhr
Hypertensiologie
Welches Therapieziel bei welchem
Patienten
Prof. Dr. med. Gerd Bönner,
Freiburg i. Brsg.
17. 00 – 18. 00 Uhr
Neurologie
Update Schlaganfall: Neues in
Diagnostik und Therapie
Prof. Dr. med. Dirk Sander, Feldafing
18. 00 – 19. 00 Uhr
Pneumologie
Behandlung ambulanter Atemwegsinfektionen – neues aus der Leitlinie
PD Dr. med. Selcuk Tasci, Siegburg
Ende des Kongresses
Änderungen vorbehalten
31. Internationaler
„
interdisziplinärer
Seminarkongress
für ärztliche Fortbildung
CME:
Mallorca Playa de Muro/Alcudia: 22. – 27. 05. 2016
Schwerpunktthemen: Rheumatologie, Infektionskrankheiten und
klinische Pharmakologie
Kongressleitung:
Prof. Dr. med. Reinhard Büchsel, Berlin
Prof. Dr. med. Reinhard Fünfstück, Weimar
Kongressort:
Hotel Be Live Grand Palace de Muro
Ctra. Alcudia-Artà, S/N
E-07458 Playa de Muro, Baleares
Dieser Kongress wird mit 30 Fortbildungspunkten der Kategorie B
von der Hessischen Landesärztekammer
zertifiziert, mit 50-DFP Punkten von der
österreichischen Ärztekammer approbiert
sowie mit 40-Credits von der Schweizerischen
Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin
anerkannt.
Kongresskarte:
Mitglieder
€ 253,00
Nichtmitglieder € 460,00
Med. Assistenzpers.: Mitglieder
€ 220,00
Nichtmitglieder € 220,00
Tageskarte:
Mitglieder
€ 88,00
Nichtmitglieder € 160,00
Anmeldung/Kursübersicht
Berufsverband Deutscher Internisten e.V., Kongresse und Fortbildung, Schöne Aussicht 5,
65193 Wiesbaden, www.bdi.de, [email protected], Tel. 0611 18133-21 /22, Fax: -23
Hiermit melde ich mich verbindlich zum Seminarkongress und zu dem/den angekreuzten Kurs/en an.
Es gelten die Teilnahmebedingungen des BDI e.V.
o
Ich bin
Mitglied im BDI
o
Nichtmitglied
Name, Vorname
Anschrift/Stempel
EFN (bitte unbedingt angeben)
o
o
o
Datum, Unterschrift
E-Mail (bitte angeben)
Mitglieder (€)
253,–
220,–
88,–
Kongresskarte
Med. AssistenzpersonaI
Tageskarte (Datum angeben) _________________________________
Nichtmitglieder (€)
460,–
Inkl. Abstract-CD zum Kongress
220,–
160,–
Kurse können nur in Verbindung mit einer Kongresskarte bzw. entsprechenden Tageskarten gebucht werden.
Kurse
Datum
Uhrzeit
Mitglieder
(€)
Nichtmitglieder
(€)
Kursleiter
Raum I
o
Ultraschall-Refresherkurs/Sonographie Abdomen
CME: 12; DFP: 12
o
Workshop Ernährungsmedizin
CME: 8; DFP: 8
o
Doppler-Duplex-Sonographie-Refresherkurs (der
supraaortalen Gefäße)
CME: 8; DFP: 8
23. –
24. 05. 2016
10. 00 – 13. 00
115,50
210,--
Prof. Dr. med. Gebhard Mathis/
Rankweil
und
23. 05. 2016
16. 00 – 19. 00
24. 05. 2016
und 25. 05. 2016
16. 00 – 19. 00
10. 00 – 13. 00
kostenfrei
kostenfrei
Dr. med. Hardy Walle/Kirkel
27. 05. 2016
10. 00 – 13. 00
und
16. 00 – 19. 00
82,50
150,--
Dr. med. Susanne Karasch/Köln
o
Ärzte im Ruhestand, arbeitslose Mediziner sowie Ärzte im Erziehungsurlaub erhalten bis auf Widerruf die Gebührensätze für Mitglieder. (Bitte Bescheinigung beilegen)
o
Für Assistenzärzte in Weiterbildung, die BDI e.V.-Mitglied sind, ist die Kongresskarte kostenfrei erhältlich! (Bescheinigung vom Arbeitgeber beilegen)
Änderungen vorbehalten
hhh Jetzt ONLINE anmelden! www.bdi.de ggg
Der Internist 5 · 2016
481
Mitteilungen des BDI
Intensivkurs Geriatrie –
„„
Update 2016
Intensivkurs Pneumologie –
„„
Update 2016
Wien: 10. – 12. 06. 2016
Bonn: 17. – 18. 06. 2016
Kursleitung: Prof. Dr. med. Cornelius Bollheimer, Regensburg
Prof. Dr. med. Jürgen Bauer, Oldenburg
Kursort: Billroth Haus Wien
Gesellschaft der Ärzte Wien
Frankgasse 8
1090 Wien, Österreich
Zeit: Freitag, 10. 06. 2016 15. 00 – 18. 15 Uhr
Samstag, 11. 06. 2016 09. 00 – 16. 30 Uhr
Sonntag, 12. 06. 2016 09. 00 – 12. 30 Uhr
Veranstalter: Berufsverband Deutscher Internisten e. V.
CME: Dieser Kurs wird mit 16 Fortbildungspunkten
(Kategorie A) von der Landesärztekammer Hessen
zertifiziert und mit 16 DFP-Punkten von der
österreichischen Ärztekammer approbiert!
Teilnahme- BDI-Mitglied € 297,00
gebühr:
Nichtmitglied € 540,00
Information Berufsverband Deutscher Internisten e.V.
und
Kongresse und Fortbildung
Anmeldung:Schöne Aussicht 5, 65193 Wiesbaden
Tel.: 0611 18133-21 / 22, Fax: 0611 18133-23
[email protected], www.bdi.de
Kursleitung: PD Dr. med. Selcuk Tasci, Siegburg
Kursort: Collegium Leoninum Alte Kirche
Nova Vita Residenz Bonn GmbH
Noeggerathstr. 34, 53111 Bonn
Zeit: Freitag, 17. 06. 2016 09. 30 – 17. 30 Uhr
Samstag, 18. 06. 2016 09. 00 – 17. 00 Uhr
CME: Dieser Kurs wird mit vorauss. 16 Fortbildungspunk­
ten (Kategorie A) von der Landesärztekammer
Nordrhein zertifiziert.
Teilnahme- BDI-Mitglied € 297,00
gebühr:
Nichtmitglied € 540,00
Information Diese Veranstaltung findet in Kooperation mit der
und
Akademie der DGP statt.
Anmeldung: Berufsverband Deutscher Internisten e.V.
Freitag, 10. 06. 2016
„„
15. 00 – 16. 30 Uhr
Standards und Perspektiven
des geriatrischen Assessments
- Refresher Dr. med. Walter Swoboda, Marktheidenfeld
16. 30 – 16. 45 Uhr
Pause
16. 45 – 18. 15 Uhr
Update Sarkopenie, Kachexie
und Frailty
Innovationen bei Diagnostik und
Therapie
Prof. Dr. med. Jürgen Bauer,
Oldenburg
Samstag, 11. 06. 2016
„„
09. 00 – 10. 30 Uhr
S3-Leitlinien Demenz –
­Altbekanntes und Neues
Prof. Dr. med. Andreas H. Jacobs,
Bonn
10. 30 – 10. 45 Uhr
Pause
10. 45 – 12. 15 Uhr
Neurogeriatrisches Update 2016
PD Dr. med. Marija Djukic, Göttingen
12. 15 – 13. 00 Uhr
Pause
13. 00 – 14. 30 Uhr
Praktische Schmerztherapie
in der Geriatrie
Dr. med. Corinna Drebenstedt,
Friesoythe
14. 30 – 15. 00 Uhr
Pause
15. 00 – 15. 45 Uhr
Osteoporosebehandlung –
­Geriatrie spezifisch
Prof. Dr. med. Cornelius Bollheimer,
Regensburg
15. 45 – 16. 30 Uhr
Diabetesbehandlung –
Geriatrie spezifisch
Prof. Dr. med. Cornelius Bollheimer,
Regensburg
Sonntag, 12. 06. 2016
„„
09. 00 – 10. 30 Uhr
Gerontokardiologisches Update
2016
Behandlung der Herzinsuffizienz
im Alter
Prof. Dr. med. Ursula Müller-Werdan,
Berlin
10. 30 – 11. 00 Uhr
Pause
11. 00 – 12. 30 Uhr
Anämie im Alter
Dr. med. Gabriele Röhrig-Herzog,
Köln
- Änderungen vorbehalten -
482
Der Internist 5 · 2016
Freitag, 17. 06. 2016
„„
Samstag, 18. 06. 2016
„„
09. 30 – 10. 15 Uhr
Lungenembolie – praktisches Assessment, Guidelines, Therapien
Prof. Dr. med. Dirk Skowasch, Bonn
09. 00 – 09. 45 Uhr
„Warm-up“ – DD der Dyspnoe,
LUFU und mehr…
Prof. Dr. med. F. Joachim Meyer,
München
10. 15 – 11. 00 Uhr
Pulmonale Hypertonie – Deutsches Konsensupdate 2016
Prof. Dr. med. Dirk Skowasch, Bonn
11. 00 – 11. 15 Uhr Pause
11. 15 – 12. 00 Uhr
Thorakale Bildgebung –
was, wann, wie?
PD Dr. med. Hilmar Kühl, Kamp-­
Lintfort
12. 00 – 12. 45 Uhr
DD der Interstitiellen Lungenerkrankungen – die Rolle der
Radiologie
PD Dr. med. Hilmar Kühl, Kamp-­
Lintfort
12. 45 – 14. 00 Uhr Pause
14. 00 – 14. 45 Uhr
Molekulare Diagnostik des
Bronchial-Ca. – was kann die
personalisierte Medizin schon
heute leisten?
Prof. Dr. med. Reinhard Büttner, Köln
14. 45 – 15. 30 Uhr
Was ist neu in der Therapie des A.
bronchiale?
Prof. Dr. med. Andrea Koch, Bochum
15. 30 – 16. 00 Uhr Pause
16. 00 – 16. 45 Uhr
Respiratorische Insuffizienz –
akut vs. chronisch
Prof. Dr. med. Wolfram Windisch, Köln
16. 45 – 17. 30 Uhr
NIV bei akuter und chronisch
respiratorischer Insuffizienz
Prof. Dr. med. Wolfram Windisch,
Köln
09. 45 – 10. 30 Uhr
COPD Update 2016
Prof. Dr. med. F. Joachim Meyer,
München
10. 30 – 11. 00 Uhr Pause
11. 00 – 11. 45 Uhr
Strukturierte Facharztausbildung
Pneumologie – wie geht’s (noch)
besser?
Dr. med. Ortrud Karg, München
11. 45 – 12. 30 Uhr
Effektive Behandlung der
Schlafapnoe – CPAP forever?
PD Dr. med. Wolfgang Galetke, Köln
12. 30 – 13. 30 Uhr Pause
13. 30 – 14. 15 Uhr
Diagnostisches Workup bei V.a.
Bronchial-Ca.
PD Dr. med. Selcuk Tasci, Siegburg
14. 15 – 15. 00 Uhr
Stadiengerechte Therapie des
Bronchial-Ca.
Prof. Dr. med. Harald Schäfer,
Völklingen
15. 00 – 15. 30 Uhr Pause
15. 30 – 16. 15 Uhr
Rationales Workup der Interstitiellen Lungenerkrankung (ILD)
Prof. Dr. med. Santiago Ewig,
Bochum
16. 15 – 17. 00 Uhr
Aktuelle Leitlinie CAP/Atemwegsinfektionen/Impfung
Prof. Dr. med. Santiago Ewig,
Bochum
Änderungen vorbehalten
Allgemeine Innere Medizin
„„
2016 – Was ist neu?
Intensivkurs Diabetologie –
„„
Update 2016
Berlin: Wiesbaden: 19. – 20. 08. 2016
01. – 03. 06. 2016
Kursleitung:
Kursort:
Zeit:
CME:
Prof. Dr. med. Bernhard Wörmann, Berlin
Kaiserin-Friedrich-Stiftung, Hörsaal
Robert-Koch-Platz 7, 10115 Berlin (Mitte)
Freitag, 01. 07. 2016
16. 00 – 19. 30 Uhr
Samstag, 02. 07. 2016
09. 00 – 17. 30 Uhr
Sonntag, 03. 07. 2016
09. 00 – 12. 30 Uhr
Dieser Kurs wird mit vorauss. 17 Fortbildungs­
punkten (Kategorie A) von der Ärztekammer Berlin
zertifiziert.
Teilnahme- BDI-Mitglied € 297,00
gebühr:
Nichtmitglied € 540,00
Information Berufsverband Deutscher Internisten e.V.
und
Kongresse und Fortbildung
Anmeldung: Schöne Aussicht 5, 65193 Wiesbaden
Tel.: 0611 18133-21 / 22, Fax: 0611 18133-23
[email protected], www.bdi.de
Kursleitung:
Kursort:
Zeit:
CME:
Dr. med. Cornelia Jaursch-Hancke, Wiesbaden
PD Dr. med. Kornelia Konz, Wiesbaden
DKD HELIOS Klinik Wiesbaden,
Aukammallee 33, 65191 Wiesbaden
Freitag, 19. 08. 2016
15. 00 – 18. 30 Uhr
Samstag, 20. 08. 2016
09. 00 – 15. 45 Uhr
Dieser Kurs wird mit 11 Fortbildungspunkten
(Kategorie A) von der Landesärztekammer Hessen
zertifiziert.
Der VDBD zertifiziert diesen Kurs mit vorauss.
11,5 Punkten.
Die DMP Anerkennung liegt vor.
Teilnahme- BDI-Mitglied € 231,00
gebühr:
Nichtmitglied € 420,00
Information Berufsverband Deutscher Internisten e.V.
und
Kongresse und Fortbildung
Anmeldung: Schöne Aussicht 5, 65193 Wiesbaden
Tel.: 0611 18133-21 / 22, Fax: 0611 18133-23
Freitag, 01. 07. 2016
„„
12.30 – 13.15 Uhr
Mittagspause
16.00 – 17.30 Uhr
Endokrinologie/
Schilddrüsenerkrankungen
Schwerpunktthemen:
Knoten
Hypothyreose
Schilddrüsenkarzinom
PD Dr. med. Onno E. Janssen,
Hamburg
13.15 – 14.45 Uhr
Hämatologie/Onkologie
Schwerpunktthemen:
Eisenmangel/Eisenmangelanämie
Multiples Myelom
Melanom
Prof. Dr. med. Bernhard Wörmann,
Berlin
Freitag, 19. 08. 2016
„„
Samstag, 20. 08. 2016
„„
Moderation: Dr. med. Cornelia
Jaursch-Hancke, Wiesbaden
Moderation: PD Dr. med. Kornelia
Konz, Wiesbaden
14.45 – 15.15 Uhr
Pause
15. 00 – 15. 15 Uhr
Begrüßung
Dr. med. Cornelia Jaursch-Hancke,
Wiesbaden
09. 00 – 10. 00 Uhr
Orale antihyperglykämische
Therapie
Prof. Dr. med. Martin Pfohl, Duisburg
15. 15 – 16. 00 Uhr
Wie gefährlich sind
Hypoglykämien?
PD Dr. med. Kornelia Konz, Wiesbaden
10. 00 – 10. 30 Uhr
17.30 – 18.00 Uhr
Pause
18.00 – 19.30 Uhr
Hämostaseologie/Angiologie
Schwerpunktthemen:
Leitlinien Venöse Thrombembolien
Neue orale Antikoagulanzien
Antidote
Dr. med. Robert Klamroth, Berlin
Samstag, 02. 07. 2016
„„
15.15 – 16.45 Uhr
Rheumatologie
Schwerpunktthemen:
Diagnostik/Risikopersonen
Basismedikation
Neue Medikamente
NN
Sonntag, 03. 07. 2016
„„
09.00 – 10.30 Uhr
Gastroenterologie
Schwerpunktthemen:
Kolorektales Karzinom –
Früherkennung
Refluxkrankheit
Hepatitis?
Prof. Dr. med. Frank Kolligs, Berlin
09.00 – 10.30 Uhr
Immunologie
Schwerpunktthemen:
Immundefekte im Erwachsenenalter
Dr. med. Leif Hanitsch, Berlin
Chronisches Fatigue-Syndrom –
eine Autoimmunerkrankung?
Prof. Dr. med. Carmen
Scheibenbogen, Berlin
10.30 – 11.00 Uhr
Pause
10.30 – 11.00 Uhr
Pause
11.00 – 12.30 Uhr
Kardiologie
Schwerpunktthemen:
Koronare Herzkrankheit
Optimale medikamentöse Therapie
Herzrhythmusstörungen
Prof. Dr. med. Carsten Tschöpe,
Berlin
11.00 – 12.30 Uhr
Hypertonie
Schwerpunktthemen:
Normwerte
Medikamentöse Standardtherapie
Interventionelle Therapie
Prof. Dr. med. Reinhard Fünfstück,
Weimar
Änderungen vorbehalten
16. 00 – 17. 00 Uhr
Neue Technologien in der
Diabetologie – wirklich hilfreich?
Prof. Dr. Lutz Heinemann, Düsseldorf
17. 00 – 17. 30 Uhr
Pause
17. 30 – 18. 30 Uhr
Diabetische Nephropathie –
Update 2016
Prof. Dr. med. Frank Strutz, Wiesbaden
Kaffeepause
10. 30 – 11. 30 Uhr
Insulintherapie – Update 2016
Dr. med. Cornelia Jaursch-Hancke,
Wiesbaden
11. 30 – 12. 15 Uhr
Diabetes und Depression –
Update 2016
Prof. Dr. Frank Petrak, Wiesbaden
12. 15 – 13. 30 Uhr
Mittagspause
13. 30 – 14. 30 Uhr
Das diabetische Fußsyndrom –
eine der schwersten
Komplikationen
Dr. med. Michael Eckhard, Bad
Nauheim
14. 30 – 15. 30 Uhr
Interaktive Falldiskussion
Dr. med. Cornelia Jaursch-Hancke,
Wiesbaden
PD Dr. med. Kornelia Konz,
Wiesbaden
15. 30 -15. 45 Uhr
Zusammenfassung und
Verabschiedung
PD Dr. med. Kornelia Konz,
Wiesbaden
Änderungen vorbehalten
Der Internist 5 · 2016
483
Mitteilungen des BDI
65. Internationaler, interdiszi­
„„
plinäre Seminarkongress für
ärztliche Fortbildung
Pörtschach am Wörthersee/Österreich:
28. 08. – 02. 09. 2016
Kongress-
leitung: Kongressort: Prof. Dr. med. Andreas Tromm, Hattingen
Prof. Dr. med. Bernhard Wörmann, Berlin
Congress Center Wörthersee
Hauptstr. 203 , 9210 Pörtschach a. Wörthersee/
Österreich
Schwerpunkt- Krankheiten des Herzens und der Atemorgane,
themen: Hämatologie
CME:
vorauss. 30
Kongresskarte: Mitglied € 253,00 Nichtmitglied € 460,00
Med. Assistenz- personal:
Mitglied € 220,00 Nichtmitglied € 220,00
Tageskarte: Mitglied €  88,00 Nichtmitglied € 160,00
Information Berufsverband Deutscher Internisten e.V.
und
Kongresse und Fortbildung
Anmeldung: Schöne Aussicht 5, 65193 Wiesbaden
Tel.: 0611 18133-21 / 22, Fax: 0611 18133-23
[email protected], www.bdi.de
Intensivkurs Innere Medizin:
„„
Refresherkurs zur
Facharztprüfung
Essen: 05. – 10. 09. 2016
Kursleitung: Prof. Dr. med. Guido Gerken, Essen
Kursort:
Universitätsklinikum Essen, Hörsaal im Operativen
Zentrum II, Hufelandstr. 55, 45122 Essen
Zeit:
Montag, 05. 09. 2016
09. 00 – 18. 15 Uhr
Dienstag bis Donnerstag,
06. – 08. 09. 2016
08. 15 – 18. 00 Uhr
Freitag, 09. 09. 2016
08. 15 – 17. 00 Uhr
Samstag, 10. 09. 2016
08. 15 – 12. 30 Uhr
CME:
Dieser Kurs wird mit vorauss. 44 Fortbildungspunk­
ten (Kategorie A) von der Landesärztekammer
Nordrhein zertifiziert!
Teilnahme- € 429,00 Mitglied
gebühr: € 780,00 Nichtmitglied
Information Berufsverband Deutscher Internisten e.V.
und
Kongresse und Fortbildung
Anmeldung: Schöne Aussicht 5, 65193 Wiesbaden
Tel.: 0611 18133-21 / 22, Fax: 0611 18133-23
[email protected], www.bdi.de
484
Der Internist 5 · 2016
Farbdoppler-Echokardio­
„„
graphie-Refresherkurs
München: 24. – 25. 09. 2016
Kursleitung:
Kursort:
Zeit:
CME:
PD Dr. med. Werner Zwehl, München
Deutsches Museum, Kerschensteiner Kolleg
Museumsinsel 1, 80538 München
Samstag, 25. 06. 2016
09. 00 – 17. 30 Uhr
Sonntag, 26. 06. 2016
09. 00 – 13. 00 Uhr
Dieser Kurs wird mit 14 Fortbildungspunkten
(Kategorie C) von der Bayerischen Landesärzte­
kammer zertifiziert!
Teilnahme- BDI-Mitglied € 231,00
gebühr:
Nichtmitglied € 420,00
Information Berufsverband Deutscher Internisten e.V.
und
Kongresse und Fortbildung
Anmeldung: Schöne Aussicht 5, 65193 Wiesbaden
Tel.: 0611 18133-21 / 22, Fax: 0611 18133-23
[email protected], www.bdi.de
Intensivkurs
„„
Stoffwechselerkrankungen/
Endokrinologie
Florenz/Italien: 22. 09. – 25. 09. 2016
Kursleitung:
Kursort:
Zeit:
CME:
Prof. Dr. med. Petra-Maria Schumm-Draeger
Prof. Dr. med. Armin Steinmetz, Andernach
Grand Hotel Mediterraneo
Lungarno del Tempio, 44, 50121 Firenze/Florenz
Donnerstag, 22. 09. 2016
15.00 – 18.30 Uhr
Freitag, 23. 09. 2016
09.00 – 15.00 Uhr
Samstag, 24. 09. 2016
09.00 – 15.00 Uhr
Sonntag, 25. 09. 2016
09.00 – 12.30 Uhr
Dieser Kurs wird mit vorauss. 20 Fortbildungspunk­
ten (Kategorie A) von der Landesärztekammer
Hessen und von der Akademie der DGE zertifiziert
sowie mit vorauss. 16,5 Credits von der Schweizeri­
schen Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin
anerkannt!
Teilnahme- € 319,00 BDI Mitglied
gebühr: € 580,00 Nichtmitglied
Information Berufsverband Deutscher Internisten e. V.
und Kongresse und Fortbildung
Anmeldung: Schöne Aussicht 5, 65193 Wiesbaden
Tel.: 0611 18133-21 / 22, Fax: 0611 18133-23
[email protected], www.bdi.de
Mitteilungen der DGIM
Internist 2016 · 57:485–494
DOI 10.1007/s00108-016-0070-6
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
Redaktion
Prof. Dr. Dr. h. c. Ulrich R. Fölsch (v. i. S. d. P.)
Korrespondenzadresse
Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin e. V. (DGIM)
Irenenstraße 1
D-65189 Wiesbaden
Tel. 0611/205 8040-0 Fax 0611/205 8040-46
[email protected]
App Prof. Martin Halle, Ärztlicher Direktor des Zentrums für
Prävention und Sportmedizin in
Inhalt
485
Sport-App „DocFit“
485DGIM-Nachwuchsförderung
486
Bündnis JUNGE ÄRZTE (BJÄ) tagt am 5. 3. 2016 in Berlin
488
MEDICA EDUCATION CONFERENCE 2016
490
Neue Medien: Apps
492
Veranstaltungen unter der Schirmherrschaft der DGIM
Sport-App „DocFit“
Bewegung ist die beste Medizin
und sollte viel öfter „verschrieben“
werden – auch bei chronischen
Krankheiten wie COPD und
Herzschwäche. Dies ist eine der
Botschaften des 122. Internistenkongresses. Training als Therapie
kann derjenige am besten empfehlen, der es auch selbst nutzt.
Grund genug für die DGIM, eine
Sport-App speziell für Ärzte entwickeln zu lassen. Vorgestellt
wurde sie im Rahmen des sportlichen Rahmenprogramms auf
dem 122. Internistenkongress.
Der Trainingsplan ist auf
12 Wochen angelegt. Das Programm ist mit einfachen und
kurzen Übungen bewusst niederschwellig gehalten – und
vom Leistungsniveau her auch
für niedrigere Einstiegslevel geeignet. In der höchsten Stufe gibt
es 55 Minuten Intervalltraining.
Montags und dienstags, wenn
die Praxen besonders voll sind,
sind kürzere Einheiten vorgesehen. Konzipiert hat die Sport-
München. Sie ist ab sofort gratis
für Apple und Android im AppStore abrufbar.
DGIM-Nachwuchsförderung
Facharzt und Habilitation: Neues Curriculum der DGIM
Die Anforderungen an wissenschaftlich tätige Weiterbildungsassistentinnen und Weiterbildungsassistenten haben in den
letzten Jahren kontinuierlich zugenommen. Dies gilt sowohl
für die klinischen als auch für
die wissenschaftlichen Aspekte.
Mit ihrem Curriculum Clinician Scientist entwirft die DGIM
eine Struktur für die Weiterbildung und Forschung in Innerer
Medizin mit dem Ziel der Habilitation. Das Curriculum begleitet
Ärzte in der Weiterbildung über
acht Jahre. Es soll die Attraktivität
des klinisch-wissenschaftlichen
Karrierewegs steigern, um exzellenten Nachwuchs zu finden und
zu fördern. Ziel ist es, die klinische und wissenschaftliche Ausbildung zu verbessern, um im
internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Kongresspräsident Gerd Hasenfuß aus Göttingen hat das neue Curriculum
beim 122. Internistenkongress
erstmals vorgestellt. Abrufbar ist
es unter www.dgim.de.
Der Internist 5 · 2016
485
Mitteilungen der DGIM
DGIM [aspire]: Neuer Newsletter für Junge Internisten
Mit einem neuen Newsletter
spricht die DGIM seit Anfang
April 2016 gezielt junge Internisten und den medizinischen
Nachwuchs an. Der Newsletter
informiert über aktuelle Angebote der DGIM für junge Mediziner, von Preisausschreiben
über Mentorenprogramme und
Stipendien bis hin zu Aktivitäten der Jungen Internisten. Drei
Mal jährlich erreicht der Newsletter alle Mitglieder der Fach-
gesellschaft bis zum Alter von
40 Jahren. Die Verbreitung erfolgt digital – der Newsletter ist
dank spezieller Programmierung auch von Smartphones
und Tablets abrufbar. Für die
Inhalte zeigen sich die Jungen
Internisten und deren Sprecher
Dr. med. Matthias Raspe und
Dr. med. Alexis Müller-Marbach als Nachwuchsorganisation der Fachgesellschaft verantwortlich.
Bündnis JUNGE ÄRZTE (BJÄ)
tagt am 5. 3. 2016 in Berlin
stand des BJÄ-Satellitensymposiums beim kommenden Deutschen Ärztetag im Mai 2016 auf
der Agenda. Als neues Mitglied
wurde die „Junge Radioonkologie“ (Nachwuchsgruppe der
Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie) einstimmig in
das BJÄ aufgenommen. Schließlich wurden Ideen, Konzepte und
©©DGIM
Am Samstag, dem 5. 3. 2016, fand
ein Meeting des Bündis JUNGE
ÄRZTE (BJÄ) in den Räumen
der Berliner Dependance der
DGIM in Berlin statt.
Zu Beginn wurden die Aktivitäten innerhalb der einzelnen
Nachwuchsgruppen vorgestellt
und diskutiert. Im Anschluss
stand der derzeitige Planungs-
8 Die Teilnehmer des Meetings des Bündnis JUNGE ÄRZTE (BJÄ) am
5. 3. 2016 in Berlin
486
Der Internist 5 · 2016
Kooperationen für die zukünftige
Arbeit vorgestellt und kritisch besprochen. Das nächste Treffen ist
für den Herbst dieses Jahres geplant.
Im BJÄ haben sich im November 2013 eine Vielzahl von
Nachwuchsgruppen deutscher
medizinischer Fachgesellschaften und Berufsverbände mit dem
Ziel zusammen geschlossen, die
Stimmen junger Ärztinnen und
Ärzte zu bündeln und deren Interessen gemeinsam zu vertreten
(www.bjae.de). Derzeit sind die
Nachwuchsgruppenvertreter von
insgesamt 18 Gesellschaften und
Verbänden Teil des BJÄ. Die Jungen Internisten der DGIM sind
von Anfang an im BJÄ vertreten
und haben wesentliche Impulse
zur Gründung des Bündnisses
gegeben.
Neben dem regelmäßigen Erfahrungsaustausch hat das BJÄ
in den letzten Jahren in bisher
drei Positionspapieren Stellung
zu Themen genommen, die für
Junge Ärztinnen und Ärzte in
Deutschland von besonderer Relevanz sind. Die drei Positionspapiere beschäftigen sich mit
den Spannungsfeldern Arbeitsverdichtung, Forschung sowie
Beruf und Familie (abrufbar unter der Rubrik „Presse & Veröffentlichungen“ der Homepage
des BJÄ).
Ein weiterer Schwerpunkt in
der Arbeit des BJÄ ist die Ausrichtung von Symposien, um auf die
eigenen Themen aufmerksam zu
machen und mit Entscheidungsträgern aus unterschiedlichsten
Bereichen unseres Gesundheitssystems in Kontakt zu kommen.
Im April 2015 wurde aus diesem
Antrieb in Berlin gemeinsam mit
dem Marburger Bund, der Bundesvertretung der Medizinstudierenden (bvmd) und der Jungen
Allgemeinmedizin Deutschland
(JADE) ein erfolgreiches Symposium mit dem Titel „Deutschland
wird älter! Was tun, damit die Ärzte nicht ausgehen?“ abgehalten.
Sechs Kernthesen wurden nach
dem Symposium als sogenannte
„Berliner Thesen“ veröffentlicht.
Im Rahmen des 119. Deutschen
Ärztetages im Mai 2016 in Hamburg wird das BJÄ erstmals Gelegenheit haben, im Rahmen eines
Satellitensymposiums ein eigenes
Programm mit prominenten Teilnehmern zu diskutieren. Als Themenkomplexe sind „Arztsein in
Zeiten der Arbeitsverdichtung“,
„Kind und Klinik – geht nicht,
gibt’s nicht“ und „Fortschritt in
Not – medizinische Forschung in
Zeiten des DRG-Systems“ vorgesehen (Informationen zu diesem
Symposium unter www.dgim.de;
die DGIM vergibt zehn Reisestipendien).
Bei Interesse an der Arbeit
des BJÄ bitten wir um eine
Kontaktaufnahme unter info@
bjae.de. Die Jungen Internisten
der Deutschen Gesellschaft für
Innere Medizin stehen unter
[email protected] gerne
für Anfragen zur Verfügung.
Dr. med. Matthias Raspe
Stellv. Sprecher der Jungen
Internisten der DGIM
Dr. med. Alexis Müller-Marbach
Ehemaliger Sprecher des Bündnis
JUNGE ÄRZTE
Sprecher der Jungen Internisten
der DGIM
Mitteilungen der DGIM
MEDICA EDUCATION
CONFERENCE 2016
Symposien für Niedergelassene, „Medicine meets
Technology“ und Kurse mit internationalem Zertifikat
reich und kompakt vorgestellt.
Für Niedergelassene bietet dieser Tag beispielsweise ein „Update Allgemeinchirurgie“ sowie
ein Symposium zu „Transplantationsmedizin“. Bei „Medicine
meets Technology“ stehen u. a.
„Advances in musculosketal tissue engineering“ und „The TAVI
Story“ auf dem Programm, als
Kurs* findet „Advanced Trauma
Life Support I“ statt.
Der Dienstag widmet sich der
Bildgebung und Interventionellen Verfahren wie zum Beispiel
der Magnetresonanztomografie,
Sonografie sowie der interventionellen Schlaganfallbehandlung. Zum Kursangebot gehören
„Teleradiologie“ und „Abdomen
Bildgebung“ „Hands on: Acute
Vascular Intervention – Technical Challenges“ und „Acquisitions in Cardiac Imaging – State
of the Art“. Des Weiteren gibt es
Kurse rund um „Medicine meets
Technology“ „Advanced Trauma
Life Support II“ sowie die Basisausbildung Notfallsonografie
DEGUM und ein Sonografie Refresher Kurs.
©©Messe Düsseldorf/ctillmann
Symposien für niedergelassene
Ärzte, englischsprachige Veranstaltungen unter dem Motto „Medicine meets Technology“ und
deutschsprachige Kurse mit teils
internationalem Zertifikat: Diese
drei Programmstränge ziehen sich
durch die vier Tage der MEDICA
EDUCATION CONFERENCE.
Jeder Konferenztag widmet sich
dabei einem Fokusthema.
Die Fokusthemen in diesem
Jahr sind: Neue operative Techniken in der Chirurgie (Montag,
14. November 2016), Bildgebung
und Interventionelle Verfahren
(Dienstag, 15. November 2016),
Innere Medizin: Zukunftstechnologien und Remote Patient
Management (Mittwoch, 16. November 2016), Diagnostik: Innere
Medizin, Labormedizin, Toxikologie und Hygiene (Donnerstag,
17. November 2016).
Am Montag, dem ersten
Tag der Konferenz, liegt der
Schwerpunkt auf Neuen operativen Techniken in der Chirurgie. Neben Innovationen
und Zukunftsvisionen werden
auch aktuelle Standards operativer Methoden abwechslungs-
8 Die MEDICA EDUCATION CONFERENCE bietet in diesem Jahr Kurse mit
internationalem Zertifikat
488
Der Internist 5 · 2016
Unter der Überschrift Innere
Medizin: Zukunftstechnologien
und Remote Patient Management steht der dritte Konferenztag. Was leistet Telemedizin bei
chronischen Erkrankungen? Wie
können „Wearables“ zur Überwachung von Krankheiten eingesetzt werden? Experten stellen
sich am Mittwoch unter anderem diesen Fragen. Bei „Medicine meets Technology“ geht es
beispielsweise um „Diabetology
und Wearables“ oder um „Remote Patient Management“. In
den Symposien für Niedergelassene stehen u. a. ein Update in
Hypertonie und Ernährungsmedizin auf dem Programm.
Am letzten Tag der Veranstaltung konzentriert sich das
wissenschaftliche Programm
auf die Diagnostik in der Inneren Medizin, Labormedizin,
Toxikologie und Hygiene. Die
zielgerichtete Bestimmung von
Laborparametern, die richtige Interpretation und die Verbindung
mit den individuellen klinischen
Symptomen bestimmen den Verlauf vieler Erkrankungen ganz
wesentlich. In den Symposien für
niedergelassene Mediziner geht
es u. a. um „Sinnvolle Labordiagnostik: Leber, Niere, Gefäße“ oder
„Management der Infektionsprävention“. „Nucleotides as Biomar-
kers“ und „Workflow driven hospital and clinical Engineering“
sind beispielsweise Veranstaltungen zu „Medicine meets Technology“. „Labordiagnostik in der
Tropenmedizin“ und „Advanced
cardiac life support I“ runden das
Kursprogramm* ab. Für alle Symposien und Veranstaltungen der
MEDICA EDUCATION CONFERENCE ist eine CME-Zertifizierung beantragt, die Kurse sind
teils selbst international zertifiziert.
* Die Teilnehmerzahl der Kurse ist
begrenzt. Die Teilnahme ist kostenpflichtig
und bedarf einer separaten Anmeldung.
D
Save the date
MEDICA EDUCATION
CONFERENCE 2016
14. bis 17. November 2016,
Messe Düsseldorf
Mitteilungen der DGIM
Neue Medien
Apps
Neben zwei universellen Apps aus den Bereichen News und Sprache
möchten wir Ihnen in dieser Ausgabe unsere neue für Sie entwickelte
„DGIM-DocFit“-App vorstellen. Gerne nehmen wir Ihr Feedback so-
wie Vorschläge und App-Tipps entgegen: Senden Sie uns einfach eine
Mail an [email protected].
Jan Kempf
[email protected]
Auszubildender
IT-System-Kaufmann
Die DGIM-App-Tipps für Apple- und Android-Smartphones
DGIM - DocFit
Linguee
Tagesschau
Beschreibung
Nützlich
Besonderes
Fakten
Fazit
Die „DGIM – DocFit“-App „
wurde auf dem 122. Internistenkongress im letzten
Monat bereits vorgestellt.
Ihnen steht hiermit ein
speziell für Ärzte konzipiertes Fitnessprogramm zur
Verfügung.
Die in Zusammenarbeit mit
dem Leiter der Sportmedizin
München erbaute App, stellt
Ihnen einen 12-wöchigen
Trainingsplan zur Verfügung,
der sowohl für Anfänger als
auch für Fortgeschrittene
geeignet ist.
Die verschiedenen Übungen aus den Bereichen
Warm-Up, Kardio- und
Krafttraining werden durch
eindeutige Grafiken und
beschreibende Texte sehr
gut erklärt. Der Einstieg
fällt somit sehr leicht und
es kann sofort losgelegt
werden.
Speicher: 11,5 MB
Version: 1.0
Sprache: Deutsch
Kategorie: Fitness
Registrierung: Nein
Die App leitet Sie hervorragend
durch ein 12-wöchiges
Fitnessprogramm und ist auf
Ärzte und deren Arbeitstalltag
ausgerichtet.
Probieren Sie aus, wie sich
wenige Minuten Sport pro
Tag positiv auf Ihren Körper
auswirken.
Die Übersetzungsoftware
ist aktuell vor allem auf die
englische Sprache ausgerichtet und hat hier eine
Vielzahl von redaktionell
aufbereiteten Wörterbüchern zu bieten. Aber auch
die Übersetzung in andere
Sprachen befindet sich im
Aufbau und wird verbessert.
Die verschiedenen Sprachpakete können auf Ihr Smartphone heruntergeladen
werden, sodass Sie beispielsweise auch im Ausland ohne
stetigen Internetzugang
jederzeit auf Ihre Übersetzungen zugreifen können.
Linguee übersetzt im
Gegensatz zu vielen
anderen Apps dieser
Sparte nicht nur einzelne
Worte, sondern kann auch
mit zusammenhängenden
Wortgruppen sehr gut
umgehen.
Speicher: 35,1 MB
Version: 2.2.0
Sprache: Deutsch
Kategorie: Nützlich
Registrierung: Nein
Mit dieser App ist der Satz
„Hier ist das Erste Deutsche
Fernsehen mit der Tagesschau“ für Sie auch unterwegs und nicht nur vor dem
Fernseher um 20:15 Uhr
zutreffend.
Die App bietet Berichte und
Informationen in gewohnter
Qualität. Die Push-Funktion
der App informiert Sie
brandaktuell über wichtige
Ereignisse in Deutschland
und der ganzen Welt.
Der Internist 5 · 2016
Preis: Gratis
Sehr gut aufgebaute App, die
ihre Stärke vor allem in der
Möglichkeit hat, sie offline
nutzen zu können.
Vor allem für die DeutschEnglisch-Übersetzung sehr zu
empfehlen.
Zusatz: Auch mit der
Apple Watch nutzbar.
Bildnachweis: © Fotolia.de, ARD-aktuell, DGIM e.V., Linguee
490
Preis: Gratis
Darüber hinaus haben
Sie die Möglichkeit, sich
Videos wie die „Tagesschau
in 100 Sekunden“ oder den
Live-Stream des Morgenmagazins anzusehen.
Speicher: 10,8 MB
Version: 1.8
Sprache: Deutsch
Kategorie: News
Registrierung: Nein
Preis: Gratis
Die App kombiniert die bereits
vorhandenen fürs Fernsehen
erstellten Beiträge und Videos
mit einer für Smartphone
optimierten kurzen und
gezielten Berichterstattung.
Der Internist 5 · 2016
491
Mitteilungen der DGIM
Veranstaltungen unter der Schirmherrschaft der DGIM
11. Fortbildungs-Kurs zum Präventivmediziner der
Deutschen Akademie für Präventivmedizin e. V. (DAPM)
15th European Congress of Internal Medicine 2016
Ort der
Veranstaltung
Ort der
Veranstaltung
Amsterdam,
Niederlande
Kiedrich im Rheingau
Schirmherrschaft DGIM
Schirmherrschaft DGIM
Ermäßigung für DGIM-Mitglieder
Termin
17. 06.–25. 06. 2016
Termin
02. 09.–03. 09. 2016
Veranstalter
Deutsche Akademie für Präventivmedizin e.V:,
Rüdesheim
Veranstalter
European Federation of Internal Medicine (EFIM)
Wissenschaftliche
Organisation
Dr. med. Johannes Scholl, Rüdesheim
Dr. med. Michael Schneider, Ingelheim
Wissenschaftliche
Organisation
EFIM
Hauptthemen
Exzellenz in der Präventivmedizin – praxisorientierte
Fortbildung von Ärzten für Ärzte
Hauptthemen
Connecting with the patient
Info und
Anmeldung
www.akaprev.de
Info und
Anmeldung
www.ecim2016.org
7. Frankfurter Gerinnungssymposium
Kardio-Intermezzo 2016
Ort der
Veranstaltung
Frankfurt
Ort der
Veranstaltung
Bad Kissingen
Termin
02.09.–03.09.2016
Termin
23. 09.–24. 09. 2016
Veranstalter
Kongress- und Messebüro Lentzsch GmbH
Veranstalter
Herz- und Gefässklinik Bad Neustadt a. d. Saale
Wissenschaftliche
Organisation
Prof. Dr. Edelgard Lindhoff-Last
Prof. Dr. Rupert M. Bauersachs
Prof. Dr. Viola Hach-Wunderle
Wissenschaftliche
Organisation
Prof. Dr. med. S. Kerber
Prof. Dr. med. T. Deneke
Prof. Dr. med. A. Diegeler
PD. Dr. med. M. Dinkel
Hauptthemen
Relevanz klinischer Risikofaktoren versus Labordiagnostik
bei arteriellen und venösen Thrombosen, Innovationen
in der Therapie von Fettstoffwechselstörungen zur Verhinderung vaskulärer Ereignisse, Grundlagenforschung
und distale Venenthrombosen und Phlebitiden.
Hauptthemen
Die Rettungskette von der Präklinik, über die innerklinische Akutversorgung bis zur Intensivmedizin bei
kardiovaskulären Patienten
Info und
Anmeldung
www.gerinnungssymposium-frankfurt.de
Info und
Anmeldung
http://www.kardio-intermezzo.de/
Schirmherrschaft DGIM
Ermäßigung für DGIM-Mitglieder
492
Der Internist 5 · 2016
Schirmherrschaft DGIM
Ermäßigung für DGIM-Mitglieder
Schirmherrschaft DGIM
Bad Segeberg
05. 09.–10. 09. 2016
Klinikum Südstadt Rostock
Südring 81
18059 Rostock
Akademie für med. Fort- und Weiterbildung der Landesärztekammer
Schleswig-Holstein
Bad Segeberg
Leitung
Prof. Dr. med. Dierk Werner
Dr. Anke Gottschall
Gebühr für
Ausbildungsassistenten 350,00 €
Fachärzte 400,00 €
Mitglieder DGIM, GdI M-V, BDI:
Ausbildungsassistenten 250,00 €
Fachärzte 300,00 €
Dresden
05.09.–09.09.2016
Anmeldung/Organisation
Dr. Anke Gottschall
Telefon: 0172 1304699
E-Mail: [email protected]
Leitung
Prof. Dr. med. Heiner Mönig, Kiel
Gebühr für
Nichtmitglieder 610,00 €
DGIM-Mitglieder 560,00 €
Halle
19. 09.–23. 09. 2016
Anmeldung/Organisation
Städt. Klinikum Dresden-Friedrichstadt
III. Medizin. Klinik
Kathrin Bunk
Friedrichstraße 41
01067 Dresden
Telefon: 0351 4801138
Telefax: 0351 4801139
E-Mail: [email protected]
Gebühr für
Nichtmitglieder 400,00 €
DGIM- u. BDI-Mitgl. 360,00 €
ermäßigte Gebühr bei Arbeitslosigkeit /während Elternzeit 200,00 € (gilt
nur für Mitglieder der LÄK Thüringen)
Gebühr für
Regulär 380,00 €
DGIM-Mitglieder 350,00 €
Teilnehmer Universitätsklinik Halle
150,00 €
Schirmherrschaft DGIM
Universitätsklinikum Jena
Erlanger Allee 101
07747 Jena
Leitung
Prof. Dr. med. C. Schulze
Prof. Dr. med. A. Hochhaus
Prof. Dr. med. G. Wolf
Prof. Dr. med. A. Stallmach
Dr. med. C. Schmidt
Anmeldung/Organisation
Steffi Schneider
Landesärztekammer Thüringen
Akademie für ärztliche Fort- und
Weiterbildung
Im Semmicht 33
07751 Jena-Maua
Telefon: 03641 614-143
Telefax: 03641 614-149
E-Mail: schneider.akademie@
laek-thueringen.de
Home: www.laek-thueringen.de
Schirmherrschaft DGIM
Universitätsklinikum Halle (Saale)
Department für Innere Medizin
Ernst-Grube-Straße 40
06120 Halle/Saale
Leitung
Dr. med. Wollschläger
Prof. Dr. med. Schellong
Dr. med. L. Unger
Jena
05.09.–09.09.2016
Anmeldung/Organisation
Akademie für med. Fort- und
Weiterbildung
der LÄK Schleswig-Holstein
Susanne Müller
Esmarchstr. 4
23795 Bad Segeberg
Telefon: 04551 803-762
Telefax: 04551 803-751
E-Mail: [email protected]
Schirmherrschaft DGIM
Städt. Klinikum
Dresden-Friedrichstadt
Friedrichstraße 41
01067 Dresden
Gebühr für
Nichtmitglieder 400,00 €
Mitgl. d. Sächs. Gesellschaft
für Innere Medizin oder
der DGIM 380,00 €
Schirmherrschaft DGIM
Intensivkurse Innere Medizin
Rostock
30.05.–03.06.2016
MÜNCHEN –
Klinikum rechts der Isar
10.10.–14.10.2016
Leitung
PD Dr. B. Schmidt
Prof. Dr. P. Michl
Prof. Dr. M. Girndt
Prof. Dr. S. Frantz
Prof. Dr. C. Müller-Tidow
Anmeldung/Organisation
Universitätsklinikum Halle (Saale)
Department für Innere Medizin
Ernst-Grube-Straße 40
06120 Halle/Saale
Sekretariat Klinik für Innere Medizin I:
Telefon: 0345 557-4978 oder -3238
Telefax: 0345 557-4974
E-Mail [email protected]
Schirmherrschaft DGIM
Klinikum rechts der Isar
Hörsaal B
Ismaninger Straße 22
81675 München
Leitung
Prof. Dr. med. R. M. Schmid
Prof. Dr. med. Ch. Peschel
Prof. Dr. med. K.-L. Laugwitz
Gebühr für
Nichtmitglieder 440,00 €
DGIM- und BDI-Mitglieder 400,00 €
Anmeldung/Organisation
PD Dr. med. Bruno Neu
Klinikum rechts der Isar
II. Medizinische Klinik
Christiane Sachs
Telefon: 089 4140-2252
Telefax: 089 4140-7287
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Änderungen und Irrtümer vorbehalten, es gelten die Angaben des jeweiligen Veranstalters.
Weitere Informationen unter: http://www.dgim.de/Fortbildung/IntensivkurseInnereMedizin/tabid/333/Default.aspx
Der Internist 5 · 2016
493
Kasuistiken
Internist 2016 · 57:495–501
DOI 10.1007/s00108-016-0025-y
Online publiziert: 19. Februar 2016
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
Redaktion
H. Haller, Hannover (Schriftleitung)
B. Salzberger, Regensburg
C. Sieber, Nürnberg
Anamnese
Wir berichten über einen 39-jährigen
Patienten, der uns im November 2014
zur weiteren Abklärung von seit einigen
Wochen bestehenden und zunehmenden Unterbauchschmerzen zugewiesen
wurde. Der Patient war 6 Jahre zuvor
aufgrund eines Rektumkarzinoms der
mittleren Etage nach neoadjuvanter Radiochemotherapie (insgesamt 50,4 Gy;
5-Fluoruracil/Oxaliplatin) einer tiefen
anterioren Rektumresektion unterzogen
worden [ypT3 ypN2 (LK 5/49) R0 V0
G2]. Anschließend wurden 8 Zyklen
einer adjuvanten Chemotherapie nach
MOSAIK-Schema mit 5-Fluoruracil und
A. Jarosch1 · M. Tiller1 · H. Rohrbach2 · T. Leimbach1 · W. Schepp1
1
Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Gastroenterologische Onkologie, Klinikum Bogenhausen,
Akademisches Lehrkrankenhaus der Technischen Universität München, Städtisches Klinikum München
GmbH, München, Deutschland
2
Institut für Pathologie, Klinikum Bogenhausen, Akademisches Lehrkrankenhaus der Technischen
Universität München, Städtisches Klinikum München GmbH, München, Deutschland
Sekundäre retroperitoneale
Fibrose nach Rektumkarzinom
bei einem 39-jährigen Mann
Oxaliplatin ergänzt. Die seitdem durchgeführten
Nachsorgeuntersuchungen
waren unauffällig, die weitere internistische Vorgeschichte war blande.
Körperlicher Befund
Der Patient präsentierte sich in gutem
Allgemein- und Ernährungszustand.
Die Größe betrug 187 cm, das Gewicht
89 kg. Der kardiopulmonale Befund war
unauffällig, die Narben des Ports, der
Längslaparotomie sowie des Ileostomas
nach Rückverlagerung waren reizlos.
Eine Hernie war nicht palpabel. Über
allen 4 Quadranten waren regelrechte Darmgeräusche auskultierbar, ohne
Anhalt für Aszites oder Resistenzen.
Die digital-rektale Untersuchung ergab
keine Auffälligkeiten. Auch die sonstige körperliche und die orientierende
neurologische Untersuchung erbrachten
keine wegweisenden Befunde.
Laborbefunde
In der Laboruntersuchung waren folgende Werte initial verändert: Hämoglobin
12,9 mg/dl (Norm: 13,5–17,5 mg/dl),
C-reaktives Protein (CRP) 99 mg/l
(< 5 mg/l). Die restlichen internistischen
Routineparameter waren normwertig.
Der Serumspiegel des Tumormarkers
karzinoembryonales Antigen (CEA) war
Abb. 1 8 Magnetresonanztomographie. a Unauffälliger Befund (Januar 2014). b Periaortale Weichteilvermehrung (Pfeil;
November 2014)
Der Internist 5 · 2016
495
Kasuistiken
Abb. 2 8 Periaortales Weichgewebe mit chronischer, z. T. auch fibroseartiger Entzündung. Kerne blau (Hämatoxylin), Zytoplasma rot (Eosin). (HE-Färbung, a Vergr. 100:1. b Vergr. 400:1)
Abb. 3 8 Immunhistochemie. a Der Plasmazellmarker CD138 war deutlich positiv. b Daneben zeigten sich auch reichlich
IgG4-positive Plasmazellen. (Vergr. 400:1)
innerhalb von 10 Monaten von 2,8 auf
5,3 μg/l angestiegen (Norm: < 3 μg/l;
Wert bei Erstdiagnose: 3,6 μg/l). Das
Kohlenhydratantigen (CA) 19-9 und das
prostataspezifische Antigen (PSA) waren
normwertig.
Sonographie des Abdomens
Bei eingeschränkter Beurteilbarkeit fand
sich sonographisch kein eindeutiges
Schmerzkorrelat.
Ileokoloskopie
Die Ileokoloskopie nach tiefer anteriorer
Rektumresektion war unauffällig.
496
Der Internist 5 · 2016
Magnetresonanztomographie
des Oberbauchs
Die Befunde der Magnetresonanztomographie (MRT) sind in . Abb. 1 dargestellt. Es fand sich ein bekanntes Hämangiom im Segment VI der Leber. Erkennbar war eine neu aufgetretene Weichteilvermehrung, die periaortal unmittelbar
unterhalb des Nierenarterienabgangs begann und bis zur Bifurkation reichte.
Vorläufige Differenzialdiagnosen 1
4
Unklare Weichteilvermehrung periaortal; differenzialdiagnostisch
waren eine retroperitoneale Fi-
brose, Lymphknotenmetastasen
oder ein genuines Lymphom als
unabhängige Zweiterkrankung in
Betracht zu ziehen.
Histologie einer computertomographisch gesteuerten
Biopsie
Die histologischen Befunde sind in
. Abb. 2 dargestellt. In einem Stanzzylinder aus dem Bereich des periaortalen
Weichgewebes zeigte sich eine chronische, z. T. auch fibromatoseartige
Entzündung. Aus dem hier gewonnenen
Material ergaben sich keine ausreichenden Anhaltspunkte für Malignität.
Zusammenfassung · Abstract
Immunhistochemie 1
Die Ergebnisse der immunhistochemischen Untersuchung sind in . Abb. 3 zu
sehen. Es fanden sich kleinherdige Zellen,
die positiv mit den Antikörpern KL-1
und Lu-5 reagierten. Der Antikörper
CD3 zeigte reichlich T-Lymphozyten,
CD20 in geringerer Anzahl B-Lymphozyten. Vereinzelt fanden sich auch
CD23-positive Keimzentrumsstrukturen, CD30 war dagegen negativ. Der
Plasmazellmarker CD138 war deutlich
positiv, κ- und λ-Leichtketten in etwa
gleicher Verteilung. Daneben zeigten
sich auch reichlich IgG4-positive Plasmazellen, etwa 10 pro Hauptgesichtsfeld
(HPF). Unter Einbeziehung der immunhistochemischen Ergebnisse sprachen
die Befunde für eine IgG4-assoziierte retroperitoneale Fibrose (RF), auch wenn
aufgrund der Anzahl der IgG4-positiven
Zellen die histologischen Kriterien formal nicht erfüllt wurden (Verhältnis von
IgG4- zu IgG-positiven Zellen > 40 %
oder > 30 IgG4-positive Plasmazellen
pro HPF).
Vorläufige Differenzialdiagnosen 2
4
Retroperitoneale Fibrose, Differenzialdiagnosen: nach Radiochemotherapie oder bei IgG4assoziierter Erkrankung (histologische Kriterien nicht erfüllt)
IgG4 im Serum
Die IgG4-Bestimmung im Serum erbrachte mit 0,483 g/l ein normwertiges
Ergebnis (Norm: 0,030–2,000 g/l).
Ein stoffwechselaktiver Lymphknoten
war im Bereich des linken Truncus pulmonalis erkennbar. Periaortal fand sich
eine entzündliche Weichteilvermehrung
– unterhalb der Nierenhili bis auf Höhe
der Iliakalarterien – mit zirkulär vermehrter Tracer-Aufnahme, wobei eine
Mitbeteiligung der Aortenwand wahrscheinlich war. Ein Lokalrezidiv wurde
nicht nachgewiesen.
Histologie einer computertomographisch gesteuerten
Punktion der Lungenrundherde
In einem Stanzzylinder aus dem linken
Lungenunterlappen fanden sich Infiltrate eines mittelgroßzelligen, z. T. nekrotischzerfallendenmäßig pleomorphzelligen Karzinoms mit Tumornekrosen, vereinbar mit Infiltraten eines Adenokarzinoms.
Immunhistochemie 2
Zur Differenzierung zwischen einem
primären pulmonalen Adenokarzinom
und einer Metastase des zuvor diagnostizierten kolorektalen Karzinoms wurde das gewonnene Tumorgewebe vom
linken Lungenunterlappen immunhistochemisch analysiert. Hierbei zeigten
die Tumorzellen eine kräftige Reaktion
mit den Antikörpern gegen CK20 und
CDX2-88. Keine Reaktion zeigte sich
dagegen mit den Antikörpern gegen
den thyreoidalen Transkriptionsfaktor 1
(TTF-1) und Napsin A.
Abschließend handelte es sich somit
um eine Adenokarzinommetastase des
vorbekannten kolorektalen Karzinoms.
Endgültige Diagnose
Fluordesoxyglukose-Positronenemissionstomographie/
Computertomographie
Die Befunde der FluordesoxyglukosePositronenemissionstomographie/Computertomographie (FDG-PET/CT) sind
in . Abb. 4 und 5 gezeigt. Bei Zustand
nach tiefer anteriorer Rektumresektion aufgrund eines Rektumkarzinoms
fanden sich multiple stoffwechselaktive
Rundherde im rechten Lungenoberlappen sowie in den Unterlappen beidseits.
4
Paraneoplastisch bedingte, sekundäre retroperitoneale Fibrose
bei metachronen Lungenmetastasen eines Rektumkarzinoms
Internist 2016 · 57:495–501
DOI 10.1007/s00108-016-0025-y
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
A. Jarosch · M. Tiller · H. Rohrbach ·
T. Leimbach · W. Schepp
Sekundäre retroperitoneale
Fibrose nach
Rektumkarzinom bei einem
39-jährigen Mann
Zusammenfassung
Ein 39-jähriger Patient war vor 6 Jahren
aufgrund eines Rektumkarzinoms in kurativer Intention mit einer tiefen anterioren
Rektumresektion und perioperativen
Radiochemotherapie behandelt worden.
Alle Nachsorgeuntersuchungen verliefen
seitdem unauffällig. Nun stellte er sich
mit seit einigen Wochen bestehenden
Unterbauchschmerzen vor. Als Schmerzursache zeigte sich eine retroperitoneale
Fibrose, die paraneoplastisch durch eine
metachrone pulmonale Metastasierung des
Rektumkarzinoms bedingt war.
Schlüsselwörter
Paraneoplastische retroperitoneale
Fibrose · Sekundäre retroperitoneale
Fibrose · IgG4-assoziierte Erkrankung ·
Unterbauchschmerzen · Prednisolon
Secondary retroperitoneal
fibrosis in a 39-year-old man
after rectal cancer
Abstract
A 39-year-old man had been treated for
rectal cancer 6 years ago by lower anterior
resection of the rectum and perioperative
radiochemotherapy. Since then follow-up
had been unremarkable but now the patient
presented with unspecific lower abdominal
pain. The cause of the pain was identified
as paraneoplastic retroperitoneal fibrosis
secondary to metachronous pulmonary
metastases of the rectal cancer.
Keywords
Retroperitoneal fibrosis, paraneoplastic ·
Retroperitoneal fibrosis, secondary ·
IgG4-related disease · Abdominal pain ·
Prednisolone
Therapie und Verlauf
Nach Abschluss der Diagnostik wurde
bei unserem Patienten die histologisch
gesicherte Diagnose einer sekundären RF
bei metachroner Lungenmetastasierung
des früheren Rektumkarzinoms gestellt,
Der Internist 5 · 2016
497
Kasuistiken
Abb. 4 8 Fluordesoxyglukose-Positronenemissionstomographie. Periaortal entzündliche Weichteilvermehrung (Pfeile)
Abb. 5 8 a Fluordesoxyglukose-Positronenemissionstomographie. b Computertomographie. Stoffwechselaktive Rundherde im rechten Oberlappen sowie in den Unterlappen beidseits (Pfeile)
498
Der Internist 5 · 2016
Tab. 1 Ursachen für eine sekundäre retroperitoneale Fibrose. (Modifiziert nach [1, 3])
Ursachen
Beispiele
Medikamente
Analgetika, β-Blocker, Biologika (Infliximab, Etanercept), Bromocriptin, Ergotamin, Hydralazin, Methyldopa, Methysergid, Pergolid,
Phenacetin
Maligne Erkrankungen
Paraneoplastisch bei Hodgkin- und Non-Hodgkin-Lymphomen, Karzinoiden, Kolon-, Magen-, Mamma- oder Prostatakarzinomen, Sarkomen
Infektionen
Aktinomykose, Histoplasmose, Tuberkulose
Strahlentherapie
Radio-/Radiochemotherapie bei Kolonkarzinom, Pankreaskarzinom,
Seminom
Chirurgische Eingriffe
Entfernung eines Aortenaneurysmas, Kolektomie, Hysterektomie,
Lymphadenektomie
Andere Ursachen
Amyloidose, Asbestexposition, Erdheim-Chester-Erkrankung, Histiozytose, Tabakrauch, Trauma
wobei eine IgG4-assoziierte Erkrankung
sich nicht sichern ließ.
In der Vorgeschichte waren die Nachsorgeuntersuchungen nach Rektumresektion stets unauffällig geblieben, so
auch letztmals 10 Monate früher im
Januar 2014. Damals war in einer MRT
des Abdomens kein Hinweis auf ein
Rezidiv, Metastasen oder eine RF aufgefallen (. Abb. 1a). Auch bei der aktuellen
Vorstellung fiel im Vergleich zur Voruntersuchung lediglich ein minimaler
Anstieg des Tumormarkers CEA auf.
Aufgrund der RF begannen wir eine
Therapie mit Prednisolon in einer Dosierung von 1 mg/kgKG (Tagesdosis 80 mg),
worauf sich die Beschwerden des Patienten rasch zurückbildeten. Das CRP lag
bereits 2 Wochen nach Therapiebeginn
im Normbereich. Im weiteren Verlauf
konnte die Prednisolondosis reduziert
werden, zuletzt betrug sie 20 mg/Tag.
Gleichzeitig erfolgte die Diskussion
des Falls in unserer interdisziplinären Tumorkonferenz, in der die Einleitung einer palliativen Chemotherapie empfohlen wurde. In der CT-Kontrolle nach Abschluss des ersten Chemotherapiezyklus
zeigte sich sowohl ein Rückgang der retroperitonealen Gewebsmasse als auch
der Metastasen.
und früher Morbus Ormond genannt
wurde, ist eine entzündliche Gewebsvermehrung, die neben der Aorta häufig
auch andere abdominale Organe oder
die Ureteren ummanteln kann [1]. Bei
dieser seltenen Erkrankung unterscheidet man idiopathische von sekundären
Formen, wobei mehr als zwei Drittel der
Fälle auf die idiopathische Form zurückzuführen sind. Die Inzidenz der idiopathischen RF wird in der Literatur recht
unterschiedlich angegeben, höchstens jedoch mit 1,3 pro 100.000 Einwohner,
wobei das mittlere Erkrankungsalter zwischen 50 und 60 Jahren liegt und Männer
2- bis 3-mal häufiger erkranken [2]. Hinsichtlich der sekundären Form existieren
keine verlässlichen Daten über Inzidenz
und Prävalenz [3].
Als Ursache der sekundären RF sind
mittlerweile zahlreiche Auslöser beschrieben worden. Dazu gehören neben größeren chirurgischen Eingriffen,
Strahlentherapie, Infektionserkrankungen, Asbest- oder Tabakrauchexposition
und diversen Medikamenten auch verschiedene maligne Erkrankungen, z. B.
Karzinoide, Hodgkin- und Non-Hodgkin-Lymphome, aber eben auch Magenoder Kolonkarzinome (. Tab. 1).
Pathogenese
Diskussion
Idiopathische und sekundäre
Formen der retroperitonealen
Fibrose
Charakteristisch für die RF, die auch als
chronische Periaortitis bezeichnet wird
Die Pathogenese der RF ist letztlich noch
nicht eindeutig geklärt, jedoch finden
sich aktuell zwei unterschiedliche Theorien: Die historisch ältere beschreibt die
RF als eine überschießende lokale Entzündungsreaktion auf die fortgeschrittene aortale Atherosklerose [4]. Da die RF
allerdings auch andere Gefäßabschnitte befallen kann, welche üblicherweise
nicht von einer Atherosklerose betroffen
sind, wird in neuerer Zeit die Hypothese favorisiert, dass v. a. die idiopathische
RF als Manifestation einer systemischen
Autoimmunerkrankung zu werten ist.
Zusammenhang mit IgG4assoziierten Erkrankungen
Da sich häufig auch erhöhte IgG4-Serumspiegel und IgG4-produzierende Plasmazellen nachweisen lassen, liegt der Verdacht nahe, dass die idiopathische RF
zum Formenkreis der IgG4-assoziierten
Erkrankungen zählt [5].
Bei den IgG4-assoziierten Erkrankungen handelt es sich um verschiedene,
häufig systemische entzündliche Erkrankungen, die eine gemeinsame Pathologie sowie Serologie aufweisen und klinische Merkmale gemeinsam haben. Als
deren Hauptvertreter wird die IgG4-positive Autoimmunpankreatitis angesehen,
jedoch können neben dem Pankreas als
Hauptmanifestationsortzahlreiche andere Organe betroffen sein, so auch das Retroperitoneum und die Aorta [5]. Charakteristisch sind u. a. eine tumorähnliche Schwellung der betroffenen Organe
und der Nachweis von IgG4-positiven
Plasmazellen [6], was besonders anfangs
auch in unserem Fall eine IgG4-assoziierte Erkrankung als Ursache der RF wahrscheinlich erscheinen ließ.
Wichtig sind daher die Einhaltung
strikter histopathologischer Kriterien
und eine umfangreiche weiterführende
Diagnostik. Histopathologische Kriterien sind ein Verhältnis von IgG4- zu IgGpositiven Zellen > 40 % oder > 30 IgG4positive Plasmazellen pro HPF [7, 8].
Wie wichtig deren Einhaltung ist, zeigt
neben unserem Fallbeispiel auch eine
Fallstudie an 12 Patienten, welche die
Beziehung von IgG4 sowohl zur idiopathischen als auch zur sekundären RF
untersuchte. Während in 5 von 6 Fällen
der idiopathischen Form ein Zusammenhang nachweisbar war, gelang lediglich
in 2 von 6 Fällen der sekundären RF ein
histologischer Nachweis von IgG4-positiven Plasmazellen. Interessanterweise
erhielten diese beiden Patienten analog
zu unserem Fallbeispiel zuvor eine Radiochemotherapie und erfüllten letztlich
Der Internist 5 · 2016
499
Kasuistiken
die harten diagnostischen Kriterien einer
IgG4-assoziierten Erkrankung nicht [8].
Symptomatik und Diagnostik
Unabhängig von der Ätiologie ist eine
RF klinisch meist nur schwer zu erkennen, da ihre Symptome für gewöhnlich unspezifisch sind. Mitunter klagen
die Patienten auch über dumpfe abdominale Schmerzen, Rückenschmerzen,
allgemeines Unwohlsein, Fieber oder
Gewichtsverlust [1]. Die häufigste Komplikation ist eine Einschränkung der
Nierenfunktion bis hin zum Nierenversagen durch die Obstruktion eines oder
beider Ureteren, was sich klinisch in
kolikartigen Flankenschmerzen äußert
und weswegen stets eine Proteinurie
ausgeschlossen und das Urinsediment
untersucht werden sollte [3].
Auch laborchemisch finden sich keine
RF-spezifischen Parameter. Leukozyten,
CRP und Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit geben Hinweise auf eine
entzündliche Aktivität und können als
Verlaufsparameter unter Therapie genutzt werden. Ein erhöhter SerumIgG4-Spiegel kann auf eine IgG4-assoziierte RF hinweisen, allerdings findet
sich dieser lediglich bei 60–70 % der
Patienten mit IgG4-assoziierten Erkrankungen. Zur Diagnosefindung eignen
sich primär die verschiedenen bildgebenden Verfahren wie Ultraschall, CT
oder MRT. Als kostengünstigste und am
einfachsten verfügbare Untersuchung
steht hier initial meist die Ultraschalldiagnostik, die ihren Stellenwert v. a.
durch den Ausschluss einer Hydronephrose erlangt. Der konkrete Verdacht
auf eine RF ergibt sich dann zumeist aus
der CT- oder MRT-Untersuchung, welche die retroperitoneale bzw. periaortale
Gewebsvermehrung sichtbar macht [1].
Wie auch unser Fallbeispiel zeigt, liegt
der Vorteil von ergänzenden nuklearmedizinischen Methoden wie der PET
darin, dass sie die entzündliche Aktivität des ganzen Körpers sichtbar machen. Entsprechend kann die FDG-PET
nicht nur zum Verlaufsmonitoring genutzt werden, sondern dient im Rahmen
der Diagnosefindung auch dazu, andere
Entzündungsherde aufzudecken. Dabei
detektiert sie nicht nur weitere befalle-
500
Der Internist 5 · 2016
ne Gefäßabschnitte oder beispielsweise
im Rahmen einer IgG4-assoziierten Erkrankung zusätzlich betroffene Organe,
sondern auch okkulte neoplastische und
infektiöse Prozesse, die eine RF verursachen oder mit ihr assoziiert sein können
[9]. Trotz dieser Vorteile werden die Kosten einer PET/CT bei dieser Indikation in
Deutschland zurzeit nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung erstattet.
Zur finalen Diagnosefindung sollte immer eine histologische Sicherung
angestrebt werden, da etwa Lymphome initial auch auf eine Steroidtherapie
ansprechen und somit anderweitig behandelbare Erkrankungen sonst nicht
oder zu spät erkannt werden könnten
[1–3, 10].
le 3 Monate empfohlen [15]. Bei einer
sekundären RF erscheint eine CT-Kontrolle wie in unserem Fall frühestens nach
3 Monaten bzw. nach Abschluss der Therapie der Grunderkrankung sinnvoll.
Zusammenfassend zeigt unser Fallbeispiel, dass die RF eine seltene Ursache für Unterbauchschmerzen sein kann
und immer eine erweiterte Umfelddiagnostik nach sich ziehen sollte. Etwa ein
Drittel aller Fälle sind sekundäre Formen.
Wie bei unserem Patienten können sie
den ersten Hinweis auf ein Rezidiv oder
einen Tumorprogress geben. Ein histologischer Nachweis von IgG4-positiven
Plasmazellen schließt dabei eine sekundäre Ursache nicht aus.
Fazit für die Praxis
Therapie
4 Die Symptome einer RF sind unspezi-
Als Erstlinientherapie der RF gilt unabhängig von der Genese die Glukokortikoidtherapie. Die Dosierung sollte anfangs
1 mg/kgKG täglich betragen, maximal jedoch 80 mg Prednisolon. Innerhalb des
ersten Monats wird eine klinische und laborchemische Reevaluation der Therapie
empfohlen. Bei einem guten Ansprechen
kann die Dosierung über 3–4 Monate
auf eine Erhaltungsdosis von 5–10 mg
gesenkt werden, die für weitere 6–9 Monate aufrechterhalten werden sollte [3].
Bei Patienten mit Kontraindikationen
gegen Prednisolon steht alternativ Tamoxifen zur Verfügung, auch wenn hierunter im Vergleich zu Prednisolon häufiger Rückfälle beobachtet werden [11]. Im
Falle einer therapierefraktären idiopathischen RF oder eines Rückfalls kann die
Prednisolontherapie zusätzlich um Methotrexat [12] oder Mycophenolatmofetil [13] erweitert werden. Darüber hinaus
steht mit Rituximab ein effektives Zweitlinientherapeutikum zur Verfügung [6].
Im Falle sekundärer Formen der RF
steht die Therapie der Grunderkrankung
im Vordergrund, dies nicht zuletzt, da
auch bei malignen Ursachen spontane
Heilungen der RF nach erfolgreicher Tumortherapie beschrieben wurden [14].
Bezüglich der bildgebenden Kontrollen, z. B. mittels CT, finden sich in der Literatur wenig eindeutige Maßgaben. Im
Falle der idiopathischen RF wird eine
erste CT-Kontrolle nach einem, dann al-
4
4
4
4
4
4
fisch. Nicht selten fehlen sie gänzlich
oder fallen erst durch sekundäre
Symptome des Harnstaus und der
Nierenerkrankung auf.
Die häufigste Form ist die idiopathische RF, jedoch kann sie sekundär
auch durch Medikamente, Infektionen, maligne Erkrankungen, chirurgische Eingriffe, Bestrahlung, Rauchen
oder Asbestexposition ausgelöst
werden bzw. in Form einer IgG4assoziierten Erkrankung auftreten.
Ein histologischer IgG4-Nachweis
schließt eine sekundäre Ursache der
RF nicht aus, entscheidend sind die
absolute Anzahl an IgG4-positiven
Plasmazellen pro HPF sowie das
Verhältnis von IgG4- zu IgG-positiven
Zellen.
Die Diagnostik erfolgt primär durch
bildgebende Verfahren und sollte
durch eine Biopsie gesichert werden.
Leukozyten und CRP können als
Verlaufsparameter dienen.
Bei Diagnose einer RF sollte unbedingt ein umfangreicher Ausschluss
sekundärer Ursachen erfolgen.
Die Therapie der Wahl ist unabhängig
von der Genese eine Steroidtherapie
mit Prednisolon.
Bei einer sekundären RF muss eine
Behandlung der Grunderkrankung
erfolgen.
Lesetipp
Korrespondenzadresse
Dr. med. A. Jarosch
Klinik für Gastroenterologie,
Hepatologie und
Gastroenterologische
Onkologie, Klinikum
Bogenhausen, Akademisches
Lehrkrankenhaus der
Technischen Universität
München, Städtisches
Klinikum München GmbH
Englschalkinger Str. 77,
81925 München, Deutschland
[email protected]
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt. A. Jarosch, M. Tiller, H. Rohrbach, T. Leimbach und W. Schepp geben an, dass kein
Interessenkonflikt besteht.
AllePatienten, dieüberBildmaterialoderanderweitige
Angaben innerhalb des Manuskripts zu identifizieren
sind, haben hierzu ihre schriftliche Einwilligung gegeben. Im Falle von nicht mündigen Patienten liegt die
Einwilligung eines Erziehungsberechtigten oder des
gesetzlich bestellten Betreuers vor.
Literatur
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current through. http://www.uptodate.com/
contents/treatment-of-retroperitoneal-fibrosis.
Zugegriffen: 1. Januar 2016
®
Hirntod
Seit Juli 2015
gelten für die Hirntoddiagnostik die
neuen Richtlinien
der Bundesärztekammer in ihrer
4. Fortschreibung.
Der Focus der
Zeitschrift Der Nervenarzt wurde daher
in der Ausgabe 02/2016 auf den Schwerpunkt „Hirntod“ gerichtet. Sie erhalten Informationen über die neuen Richtlinien
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Ausfallssymptome des Gehirns
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Der Internist 5 · 2016
501
Arzneimitteltherapie
Internist 2016 · 57:502–507
DOI 10.1007/s00108-016-0039-5
Online publiziert: 14. April 2016
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
Redaktion
M. Wehling, Mannheim
In Deutschland leben Anfang 2016 geschätzt etwa 5 Mio. Erwachsene mit Diabetes mellitus Typ 2 [8]. Mit der zunehmenden Lebenserwartung und der
besseren individualisierten Diabetesbehandlung wird diese Zahl in den nächsten Jahren sicherlich weiter anwachsen.
Die höchste Prävalenz des Typ-2-Diabetes findet sich bisher in der Alterskohorte zwischen 70 und 80 Jahren, etwa
2–3 Mio. Menschen [27]. Nicht allein
das chronologische Alter, sondern Multimorbidität, multiple Funktionsstörungen und Gebrechlichkeit machen den älteren Menschen zum geriatrischen Patienten. Die Multimorbidität bedingt dann
oft leichtfertig den Griff zur Multimedikation. Nach dem Arzneimittelreport der
Barmer GEK [7] nehmen über 80-Jährige
im Schnitt 7–8 Medikamente ein.
Menschen sind stärker
»durchÄltere
medikamentöse Wechselund Nebenwirkungen gefährdet
Bereits vor 10 Jahren wurde gezeigt,
wie man durch ein Vorgehen, dass sich
starr an Leitlinien orientiert, dem geriatrischen Patienten mit Multimorbidität
extremen Schaden zufügen kann [2].
Ältere Menschen sind aufgrund der
pharmakodynamischen und -kinetischen Besonderheiten stärker gefährdet,
durch Wechsel- und Nebenwirkungen zu
Schaden zu kommen. Dies gilt natürlich
besonders für die Therapie des metabolischen Syndroms, in der nicht nur verschiedene orale antihyperglykämische
Wirkstoffe verabreicht werden, sondern
502
Der Internist 5 · 2016
A. Zeyfang1,2
1
2
AGAPLESION Bethesda Krankenhaus Stuttgart, Stuttgart, Deutschland
Institut für Epidemiologie, Universität Ulm, Ulm, Deutschland
Individualisierte
Diabetestherapie
bei älteren Menschen
auch diverse weitere Pharmaka zur Behandlung der Begleit- und Folgeerkrankungen. Die Zahl der medikamentösen
Interaktionen lässt sich leicht berechnen
(. Abb. 1). Bereits bei 7 Medikamenten
kommt man auf 21 Wechselwirkungsmöglichkeiten.
Die Besonderheiten beim älteren
Menschen gaben Anlass, viele verschiedene Listen potenziell ungeeigneter Medikamente zu erstellen; die älteste ist die
Beers-Liste, die 1991 entwickelt und in
den Folgejahren fortgeschrieben wurde.
Auch Stopp-Start-Kriterien sowie die
PRISCUS-Liste aus dem deutschsprachigen Raum [10] geben Empfehlungen
zum Medikamenteneinsatz beim älteren Patienten. Eine konsensusbasierte
Liste von deutschsprachigen Experten der Altersmedizin ist die Fit-forthe-Aged(FORTA)-Liste, deren Empfehlungsgrade von A bis D in diesem
Beitrag wiedergegeben werden [12]. Dabei spielen nicht nur pharmakologische
Überlegungen eine Rolle, auch Besonderheiten des Älteren bezüglich des
altersspezifischen Nebenwirkungspotenzials (Schwindel, Stürze oder komplexe
Einnahmevorschriften) werden in dieser
Empfehlung berücksichtigt [22].
Eine Injektionstherapie
»erfordert
ausreichende
sensorische und motorische
Fähigkeiten
Bevor eine Pharmakotherapie beim Älteren wirken kann, müssen die Wirkstoffe
zunächst in den Körper gelangen. Das
ist nicht immer einfach. Eine besondere Herausforderung sind im Bereich der
Diabetestherapie alle Vorgehensweisen,
die aufeinerInjektionbasieren, da hierfür
besondere sensorische und motorische
Fähigkeiten intakt sein müssen. Noch
schwieriger sind für viele ältere Menschen komplexe Vorgaben, bei denen beispielsweise anhand von selbstgemessenen Blutzuckerwerten, zugeführten Kohlehydraten und einem Berechnungsalgorithmus die Insulindosen selbst errechnet
werden müssen.
Wird eine Therapie beim älteren Menschen begonnen und gar noch mit dem
Patienten im Rahmen von Schulungsmaßnahmen besprochen, zeigt sich im
Vergleich zu jüngeren Menschen gerade bei der Diabetestherapie eine höhere
Compliance der Älteren [6]. Je nach Augenmaß des verordnenden Arztes kann
dies ein Vor- oder Nachteil sein.
Überlegungen zur individualisierten Diabetestherapie
Beim älteren Menschen spielen Wechselwirkungen zwischen den sog. geriatrischen Syndromen und der chronischen
Erkrankung Diabetes eine wesentliche
Rolle. So wirkt sich beispielsweise die
kognitive Leistungsminderung bis hin
zur Demenz ganz besonders stark auf
die Diabetesbehandlung und die Selbstmanagementfähigkeiten aus [20]. Unterzuckerungen treten bei Menschen mit
kognitiven Einschränkungen signifikant
häufiger auf [4]. Umgekehrt bewirken
schwere Hypoglykämien nach heutigem
Kenntnisstand ein signifikant häufigeres
Auftreten von späterer Demenz.
2
i = (n – n) / 2
Abb. 1 8 Interaktionen in Abhängigkeit von der
Anzahl der Medikamente. Sieben Medikamente
ergeben beispielsweise 21 Interaktionspaare,
die zu überprüfen sind. i Anzahl der Interaktionspaare; n Anzahl der Medikamente. (Nach [15])
Somit stellt sich in der Arzneimitteltherapie eine prinzipielle Sicherheitsfrage, die den Einsatz von Medikationen mit potenziellem Hypoglykämierisiko im Entscheidungsalgorithmus sehr
weit nach unten verschiebt. Überlegungen bezüglich des Einsatzes von oralen
antidiabetischen Medikationen oder injektionsbedürftigen Therapien sind im
Entscheidungsprozess wichtig. Hilfreich
ist es, den älteren Menschen einer Funktionsgruppe zuzuordnen, wie etwa in der
Praxisleitlinie zu Diabetes im Alter beschrieben ist (. Infobox 1; [25]).
Unterzuckerungen treten
»bei kognitiven
Einschränkungen
signifikant häufiger auf
Auf das Vorliegen von geriatrischen Syndromen können die Patienten mithilfe
der Testverfahren des sog. geriatrischen
Assessments gescreent werden [24], u. a.
auch in Bezug auf Depression, Demenz,
Seh- und Hörstörungen. Einfache Untersuchungen eigenen sich auch für die internistische und diabetologische Sprechstunde. Ein besonderes Augenmerk sollte
vor dem Einsatz von Injektionstherapien
auf Visus, Feinmotorik und Kognition
gelegt werden, wenn eine Selbstinjektion
geplant wird. Hier kann mit dem sog.
Geldzähltest innerhalb weniger Minuten
die Fähigkeit zur Selbsttherapie objektiviert werden. Anhand dieses Tests lässt
sich mit einem guten prädiktiven Wert
vorhersagen, welcher Patient in der Lage sein wird, seine Insulintherapie sicher
und selbstständig durchzuführen [28].
Individuelle Therapie –
individuelle Ziele
Für eine individualisierte Diabetestherapie sind zunächst individualisierte Zie-
Infobox 1 Einteilung älterer
Menschen mit Diabetes in Funktionsgruppen
4 Guter funktioneller Status („go go“)
4 Eingeschränkter funktioneller Status
(„slow go“)
4 Extrem eingeschränkter funktioneller
Status („no go“)
le erforderlich. Wie häufig in der Altersmedizin steht hier nicht die reine
Verlängerung der Lebenszeit im Vordergrund, sondern eine Verbesserung der
Lebensqualität im verbliebenen Lebenszeitraum. Dies ist keinesfalls als Entschuldigung für eine fatalistische Vorgehensweise zu verstehen, sondern richtet eher
das Augenmerk auf aktuelle Verbesserungen der Lebenssituation des älteren
Patienten, weniger dagegen auf langfristige Ansätze derprimärenodersekundären
Prävention. Individuelle Ziele haben dabei die höchste Priorität, diese sind mit
dem Patienten zu besprechen und abzustimmen.
Auch der Zeitaufwand, der für eine
bestimmte Therapieform jeden Tag erbracht werden muss, und die Angst, mit
einer Therapie nicht zurechtzukommen,
sollten im Gespräch mit dem Patienten offen thematisiert werden. Letztlich
spielt der Aspekt Sicherheit beim älteren
Menschen eine sehr wichtige Rolle. Dies
gilt nicht nur in Bezug auf Neben- und
Wechselwirkungen der Therapie, gerade
bei der Insulintherapie ist auch die Hypoglykämiegefahr von wesentlicher Bedeutung. In einer Stellungnahme der International Association of Gerontology
and Geriatrics (IAGG; [21]) finden sich
diesbezüglich einige prägnante Aussagen
(. Infobox 2).
Glibenclamid und Glimepirid
Für den Einsatz von Glibenclamid sprach
lange Zeit der günstige Preis, der Effekt auf den Surrogatparameter Hämoglobin A1c (HbA1c) sowie die höchste
Empfehlung im Disease-ManagementProgramm Typ-2-Diabetes. Erst langsam wird klar, dass die hohe Rate an
Hypoglykämien – besonders bei Glibenclamid – den Einsatz von Sulfonylharnstoffen älterer Generation obsolet
Infobox 2 Merksätze zur Therapiesicherheit aus der Stellungnahme der International Association of Gerontology and Geriatrics
(IAGG; [21])
4 Kein Beginn einer medikamentösen
Diabetestherapie unter einem regelhaft
erhöhten Nüchternblutzucker von
7 mmol/l: „nicht unter 7“ (126 mg/dl)
4 Zur Reduktion des Hypoglykämierisikos
sollte kein Patient einen Nüchternglukosewert < 6,0 mmol/l aufweisen: „nicht unter
6“ (108 mg/dl)
4 Niedrige Blutglukosewerte < 5,0 mmol/l
sollten streng vermieden werden: „niemals
unter 5“ (90 mg/dl)
macht; auch der fehlende klinische Vorteil im Hinblick auf kardiovaskuläre
Endpunkte und der Wegfall des Nutzens
der Metformintherapie bei Zugabe von
Sulfonylharnstoffen [17] sprechen deutlich gegen den Einsatz. Auch Glimepirid
oder andere Sulfonylharnstoffe scheinen
gegenüber Glibenclamid keine Vorteile
aufzuweisen [13].
Die kurz wirksamen Glinide können
auch bei Niereninsuffizienz eingesetzt
werden, sind aber wegen des hohen Preises, der geringen Wirksamkeit und der
erforderlichen Mehrfachgabe ebenfalls
wenig geeignet.
Metformin
Metformin ist ein altbewährter Wirkstoff.
Seit mehr als 50 Jahren im Einsatz hat
es mit den üblichen Pendelbewegungen
zwischenhochgelobtund verteufelteinen
hohen Stellenwert in der Diabetestherapie des Menschen im mittleren Lebensalter erreicht, besonders bei Adipositas.
Auch im Alter spielen Adipositas und Insulinresistenz oft noch eine wesentliche
Rolle. Hier wird Metformin als orales Antidiabetikum ohne Hypoglykämierisiko
erfolgreich zur Blutzuckersenkung eingesetzt. Durch pleiotrope Effekte auf Blutfette und Blutgerinnung senkt es zusätzlich auch das kardiovaskuläre Risiko [23].
Gefährlich wird es, wenn Kontraindikationen nicht beachtet werden, z. B.
wenn es bei einer hochgradigen Niereninsuffizienz zur Kumulation kommt. Neu
ist die Zulassung bis zu einer Kreatininclearance von 45 ml/min bei BeschränDer Internist 5 · 2016
503
Zusammenfassung · Abstract
kung der Maximaldosis auf 1 g/Tag. Diese sinnvolle Maßnahme im Einklang mit
anderen Ländern soll nicht überspielen,
dass Metformin zwar potent, aber auch
gefährlich ist.
Eine Empfehlung zum vorübergehenden Absetzen bei jedweder schwereren
Erkrankung, Intervention oder Kontrastmittelgabe sollte selbstverständlich immer durch den Arzt erfolgen. Auch bei
ungewolltem Gewichtsverlust oder Gebrechlichkeit muss Metformin durch eine
anabolere Therapieform ersetzt werden.
Glitazone
Auch bei den Glitazonen sind seit ihrer
Erstzulassung im Jahr 2000 Pendelbewegungen sichtbar. Während die Peroxisomal-proliferator-activated-receptorγ(PPAR-γ)-Agonisten zunächst auch
bei älteren Menschen zum Einsatz kamen, fand sich mit der Kontraindikation
Herzinsuffizienz rasch eine Limitation
für den Einsatz in dieser Gruppe von
Patienten. Nachdem Rosiglitazon wegen
kardiovaskulärer Nebenwirkungen bei
uns die Zulassung verloren hat und nur
noch Pioglitazon eingesetzt werden darf,
ist ein pleiotroper Nebeneffekt des Wirkstoffs gerade für den älteren Menschen
wieder in den Vordergrund gerückt.
Der langjährige Einsatz von Pioglitazon
scheint sich positiv in puncto Senkung
des Demenzrisikos auszuwirken [9].
Internist 2016 · 57:502–507 DOI 10.1007/s00108-016-0039-5
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
A. Zeyfang
Individualisierte Diabetestherapie bei älteren Menschen
Zusammenfassung
Hintergrund. Eine große Zahl älterer
Menschen mit Diabetes ist multimorbid,
gebrechlich oder in den Funktionen eingeschränkt. Polypharmakotherapie ist leider
eher die Regel und riskant. Insbesondere der
Einsatz von antihyperglykämischen Therapien
muss vor dem Hintergrund der Gefahren
durch Hypoglykämien gründlich abgewogen
werden.
Ziel. Besonderheiten des älteren Menschen
mit Diabetes und die hierdurch bedingten
Besonderheiten der individualisierten
Pharmakotherapie sollen diskutiert werden.
Datenlage und Schlussfolgerung. Vor- und
Nachteile von oralen Antidiabetika, Insulinen
und Substanzen mit neuen Wirkprinzipien,
wie Gliflozinen, werden dargestellt; die
Eignung bei Älteren wird diskutiert. Sowohl
ältere orale Therapeutika wie Metformin als
auch neue Substanzgruppen wie Gliptine
bieten Vorteile in dieser Patientengruppe.
Injektionstherapien mit Inkretinmimetika und
neue Insuline können bei wohlüberlegtem
Einsatz das Therapiespektrum ebenfalls
erweitern.
Schlüsselwörter
Geriatrische Syndrome · Dipeptidylpeptidase4-Inhibitoren · Metformin · Insuline ·
Komorbidität
Individualized diabetes therapy in older persons
Abstract
Background. A majority of older people with
type 2 diabetes are multimorbid, frail or have
limitations in functions. Polypharmacotherapy is unfortunately a frequent occurrence and
dangerous. In particular the administration of
antihyperglycemic therapy must be carefully
weighed up against the risks associated with
hypoglycemia.
Aim. The conditions and characteristics of
older persons with diabetes are highlighted
with respect to the use of individualized
therapy of diabetes.
Results and conclusion. The advantages
and disadvantages of oral antidiabetic
agents, insulins and substances with novel
active principles, such as gliflozin drugs
are discussed. Established oral therapeutic
drugs, such as metformin as well as the
new substance groups, such as gliptins are
advantageous in this patient group. Injectionbased therapies with glucagon-like peptide 1
(GLP-1) mimetics and the new insulins can
also expand the spectrum of therapy if they
are prudently used.
Keywords
Geriatric syndromes · Dipeptidyl peptidase 4
inhibitors · Metformin · Insulins · Comorbidity
Dipeptidylpeptidase-4-Hemmer
Die Stoffgruppe der Dipeptidylpeptidase-4(DPP-4)-Hemmer ist inzwischen
eine der am stärksten favorisierten Medikamentengruppen zur antihyperglykämischen Therapie bei älteren Menschen.
Dies kommt u. a. dadurch zustande, dass
die Anwendung sehr sicher und die Kumulations- und Hypoglykämiegefahr
gering ist, auch bei Kombination mit anderen oralen Antidiabetika – abgesehen
von Sulfonylharnstoffen. Die Einmalgabe
in Monotherapie oder die 2-mal tägliche
Gabe beispielsweise in Kombination mit
Metformin macht die Compliance leicht
[25]. Da der Einsatz einiger Gliptine
in reduzierter Dosierung bis hin zur
Niereninsuffizienz möglich ist, liegt die
Anwendung dieser besonders nebenwir-
504
Der Internist 5 · 2016
kungsarmen Medikamentengruppe im
hohen Lebensalter nahe. Sitagliptin und
Saxagliptin sind in Deutschland verfügbar, auch in Kombination mit Metformin
und anderen Wirkstoffen.
Gliflozine
Zuletzt wurde die antihyperglykämische
Medikamentengruppe der Gliflozine auf
den Markt gebracht. Ihre Vorzüge liegen
in einer ebenfalls fehlenden Hypoglykämiegefahr und in einem leicht katabolen Effekt durch Glukoseverlust mit dem
Urin bei leichtem diuretischem Effekt.
Die Wirkstoffe Dapagliflozin und Empagliflozin sind noch auf dem deutschen
Markt, während andere Substanzen be-
reits nicht mehr erhältlich sind. Zuletzt
wurde für Empagliflozin ein besonderer
Nutzen in Bezug auf die Senkung der kardiovaskulären Ereignisrate gezeigt [29].
Ob dies ein Gruppeneffekt ist, ist noch
nicht klar. Ein Nachteil der Gliflozine
liegt im Wirkmechanismus der Natrium-Glukose-Kotransporter-2(SGLT-2)Hemmung begründet, die nur bei guter
Nierenfunktion ausreichend zum Tragen
kommt. Bei Einschränkungen der Nierenfunktion nimmt auch die Wirkung
der Stoffgruppe ab. Die Hauptnebenwirkung besteht in Urogenitalinfekten durch
Glukosurie. Sie hängt stark von individuellen Gegebenheiten wie Hygiene oder
Harninkontinenz ab und könnte theoretisch im Alter stärker ins Gewicht fallen.
Tab. 1 Bewertung der antihyperglykämischen Behandlung nach FORTA 2012 [12] bei Diabetes
mellitus Typ 2 und erwartete Tendenz bei der Neuauflage 2016
Stoffklasse/Substanz
FORTA-Kategorie Zukünftige
2012
Beurteilung
Insulin und Insulinanaloga
A
↓ (B)
Sulfonylharnstoffe der dritten Generation (z. B. Glimepirid)
A
↓↓ (C)
Sulfonylharnstoffe der ersten Generation (z. B. Glibenclamid)
B
↓↓ (D)
Metformin
B
= (B)
Acarbose
B
↓ (C)
Glinide (z. B. Nateglinid)
C
= (C)
DPP-4-Hemmer
C
↑↑ (A)
GLP-1-Analoga
C
↑ (B)
– Pioglitazon
C
= (C)
– Rosiglitazon
D
= (D)
PPAR-γ-Liganden
DPP-4 Dipeptidylpeptidase 4; FORTA Fit for the Aged; GLP-1 „glucagon-like peptide 1“; PPAR-γ
„peroxisomal proliferator-activated receptor γ“
Die Beurteilung der antihyperglykämischen Therapie nach FORTA und die
Tendenzen der zukünftigen Beurteilung
sind in . Tab. 1 zusammengefasst.
Insulintherapie
In verschiedenen Leitlinien für Typ2-Diabetes wird für den Beginn der
pharmakologischen Therapie Metformin oder ein Sulfonylharnstoff empfohlen [11]. Wahlweise kann man dann
eine Zweifach- bzw. Dreifachtherapie
mit oralen Antidiabetika wählen oder
direkt auf Insulin umsteigen. Das Vorgehen bei älteren Menschen sollte sich an
den Vorlieben des Patienten ausrichten.
Alternativ zu 3 verschiedenen oralen
Antidiabetika ist eine relativ frühzeitige
Umstellung auf das Hormon Insulin
möglich. Mit geeigneten Schulungsmaßnahmen, einfachen Schemata und unter
Vermeidung einer Hypoglykämiegefahr
kann eine sichere Behandlung mit dem
natürlichsten Wirkstoff durchgeführt
werden.
Die zunehmende Nieren»insuffizienz
ist ein typisches
Therapieproblem bei Älteren
Viele ältere Menschen mit Typ-2-Diabetes zeigen mit zunehmendem Alter
und zunehmender Krankheitsdauer eine
immer ausgeprägtere Insulinsekretionsschwäche. Speziell geriatrische Patienten
mit Diabetes weisen häufig schon initial
ein nahezu normales Körpergewicht bzw.
sogar Untergewicht und Mangelernährung auf, damit steht bei ihnen primär
ein Insulinmangel im Vordergrund. Die
zunehmende Niereninsuffizienz ist ebenfalls ein typisches Problem des Alters.
Damit fallen wichtige orale Therapieoptionen bei Typ-2-Diabetes aus. Die
Zahl der Patienten mit schlankem Habitus, bei denen sich noch im Alter ein
Typ-1-Diabetes manifestiert („latent autoimmune diabetes in adults“ [LADA]),
scheint ebenfalls nicht unerheblich zu
sein [14]. Auch nimmt erfreulicherweise die Zahl der Menschen zu, die mit
einem Typ-1-Diabetes alt werden. Oft
stellt sich deshalb im Therapiealgorithmus bei Diabetes im Alter früh die Frage
nach der Insulingabe unter Abwägung
des Hypoglykämierisikos.
Klassische Insuline
Zu den klassischen kurz wirksamen
Humaninsulinen und den verzögerten
NPH-Insulinen lässt sich generell feststellen, dass diese in den letzten Jahren
eher seltener zum Einsatz gekommen
sind [26]. Dies hängt sicher mit der
Notwendigkeit zusammen, Protaminverzögerte Insuline zu mischen, zudem
mit der Gefahr von Hypoglykämien in
Hier steht eine Anzeige.
K
Arzneimitteltherapie
der Zeit zwischen Injektion und Nahrungseinnahme sowie mit den relativ
starren Injektions- und Essenszeiten.
Dennoch sind auch diese Therapieformen immer noch verbreitet.
Analoga
Die kurz wirksamen Analoga erweisen
sich beispielsweise durch den fehlenden
Spritz-Ess-Abstand als vorteilhaft. Ein
weiterer Pluspunkt ist die Möglichkeit,
das Insulin bei unterschiedlicher Essensmenge auch postprandial zu injizieren.
Auch lang wirksame Analoga wie Insulin
glargin oder detemir sind von Vorteil.
So kann beispielsweise Insulin glargin
als morgendliches, lang wirksames Insulin gespritzt werden und damit im
Gegensatz zu einem NPH-Insulin zur
Schlafenszeit eine morgendliche Einmalspritze beim Älteren ermöglichen.
Die meisten älteren Patienten mit Diabetes mellitus wünschen sich „so wenig
Insulinspritzen, wie möglich“ [18].
Diese Therapieform kann auch ein externer Pflegedienst unproblematisch verrichten. EinenbesonderenVorteil diesbezüglich bietet Insulin degludec, das aufgrund seiner besonderen Kettenstruktur eine Variation des Spritzzeitpunkts
um bis zu 4 h bietet. Kein Pflegedienst
kommt jeden Tag auf die Minute pünktlich. Leider wurde durch das Verfahren nach dem Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) der Vertrieb
in Deutschland unwirtschaftlich, ab 2016
wurde er daher eingestellt.
Konzentrierte Analoga
U-200-Insuline
Die kurz wirksamen U-200-Analoga bieten beim älteren Menschen potenzielle Vorteile, z. B. den etwas günstigeren
Preis und die geringere Einstichfrequenz
bei hoher Insulindosis sowie die Vermeidung von Lipohypertrophien. Liegt eine
Insulinresistenz vor, kann bei Mengen
von über 60 Einheiten eine Verbesserung der Lebensqualität bewirkt werden,
da das Teilen der Insulininjektion wegfällt. Neben den üblichen Injektionsproblemen, wie einem zu seltenen Nadelwechsel, unbemerkten Defekt des Pens
oder zu frühen Herausziehen der Nadel,
506
Der Internist 5 · 2016
ist die Lipohypertrophie durch Nichtwechseln der Insulinspritzstellen bei älteren Menschen mit Insulintherapie oft Ursache ungeklärter Stoffwechselschwankungen. Auch viele Patienten mit Insulintherapie, die von einem Pflegedienst versorgt werden, haben Lipohypertrophien.
So besteht immer noch ein hoher Bedarf
an Diabetesschulungen für das Fachpersonal [5].
U-300-Insuline
Die lang wirksamen U-300-Analoga gehen neben den o. g. Vorteilen und einer längeren Haltbarkeit des Pens auch
mit einer geringeren Hypoglykämiegefahr einher [1]. Dies ist von großer Relevanz, gerade in der Nacht, da ältere
Menschen die Hypoglykämien oft nicht
spüren [3].
Sowohl bei U-200- als auch bei U-300Insulinen muss stets bedacht werden,
dass sie für den Patienten aufgrund der
geringeren Zuzahlung günstiger sind –
ein nicht nur im Alter wichtiger Faktor
für eine gute Compliance.
Inkretinmimetika
Die Inkretinmimetika müssen wie Insulin gespritzt werden. Der große Vorteil der bedarfsgemäßen Insulinfreisetzung ohne relevante Hypoglykämiegefahr in der Monotherapie bei gleichzeitiger Gewichtsabnahme spielt bei adipösen und auch älteren Menschen durchaus
eine Rolle. Oft ist aber im höheren Lebensalter bereits eine katabole Situation
vorhanden. Nicht nur der Einsatz von
Metformin, sondern auch der von Inkretinmimetika ist dann nicht wirklich
sinnvoll.
Die Verabreichungsform, v. a. die Frequenz der Injektion, ist bei den Mimetika
höchst unterschiedlich. Das erste Mimetikum, Exenatid, musste 2-mal täglich gegeben werden. Inzwischen gibt es retardierte Präparate, die man 1-mal wöchentlich appliziert. Liraglutid wird 1-mal täglich injiziert. Prinzipiell ist es für ältere
Menschen immer ein Vorteil, weniger
häufig Injektionen durchzuführen, insbesondere wenn diese von Dritten vorgenommen werden müssen. Hier sind
1-mal wöchentlich gegebene Präparate
wie Dulaglutid von Vorteil.
Kombinationstherapien
Die Kombination aus Insulintherapie
und oralen Antidiabetika, meist mit
einem lang wirksamen Analogon in
der basal unterstützten oralen Therapie
(BOT), ist bei älteren Menschen sehr
verbreitet und oft gut akzeptiert [16].
Durch die Einführung neuer Medikamentengruppen wie der Gliptine und
Gliflozine entsteht die Situation, dass
vor Zugabe von Insulin oder Umstieg
auf eine Insulinmonotherapie auch eine
orale Dreifachkombination mit relativ
geringer Hypoglykämiegefahr durchgeführt werden kann.
Beispielsweise wurde der Zusatz von
Dapagliflozin zu Metformin plus Saxagliptin untersucht [19]. Hier zeigte sich
bei sehr geringer Hypoglykämierate eine
Absenkung des HbA1c um fast 1,5 %.
Der Verzicht auf eine früh begonnene Insulintherapie wird allerdings um
den Preis einer Dreifachkombination
mit all den möglichen Nebenwirkungen erkauft. Neue Festkombinationen,
wie Insulin Degludec plus Liraglutid,
sind auch für den älteren Menschen
möglich und bei Insulinresistenz und
Übergewicht durchaus sinnvoll.
Die Kombination von
»Wirkstoffen
fördert die
Compliance
Möglicherweise kommt auch bald die
1-mal wöchentliche Insulinapplikation,
ggf. in Kombination mit der 1-mal wöchentlichen Gabe eines Mimetikums.
Das würde eine Fremdinjektion beim
älteren Patienten natürlich erleichtern.
Grundsätzlich bringt die Kombination
von Wirkstoffen eine Verbesserung der
Compliance und möglicherweise auch
der Lebensqualität mit sich, denn wer
täglich 10 Medikamente morgens, mittags oder abends zu sich nimmt, braucht
in aller Regel nichts mehr zu essen. Und
Essen ist doch die Erotik des Alters.
Fazit für die Praxis
4 Ältere Menschen mit Diabetes lau-
fen aufgrund ihrer Multimorbidität
Gefahr, zu viele und teilweise ungeeignete Medikamente zu erhalten.
4 Während Sulfonylharnstoffe und
Glitazone eher ungeeignet sind, haben neue Antidiabetika wie Gliptine,
neue Insuline und Mimetika, weniger
auch die Gliflozine ein Anwendungspotenzial bei Älteren.
4 Anhand des Funktionszustands („go
go“, „slow go“, „no go“) und der
Fähigkeit zur Selbstinjektion lassen
sich geeignete, individualisierte
Therapieformen identifizieren, v. a.
bezüglich der Insulintherapie.
4 Die individualisierte Therapie im
Alter bietet neue Möglichkeiten
durch neue Therapieoptionen. Eine
sorgfältige Prüfung im Hinblick auf
Neben- und Wechselwirkungen sowie
in Bezug auf die Praktikabilität im
Alter ist erforderlich.
Korrespondenzadresse
Dr. med. Dr. Univ. Rom.
A. Zeyfang
AGAPLESION Bethesda
Krankenhaus Stuttgart
Hohenheimerstr. 21,
70184 Stuttgart, Deutschland
[email protected]
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt. A. Zeyfang hat Vorträge für
Berlin-Chemie AG, Lilly, Novo Nordisk und SanofiAventis gehalten. Er hat Forschungsunterstützung von
Berlin-Chemie AG erhalten und ist Berater für BerlinChemie AG und Sanofi-Aventis.
Dieser Beitrag beinhaltet keine vom Autor durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren.
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Der Internist 5 · 2016
507
Klinische Studien
Internist 2016 · 57:508–510
DOI 10.1007/s00108-016-0041-y
Online publiziert: 15. April 2016
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
Redaktion
M. Hallek, Köln
W. Lehmacher, Köln
N. Marx, Aachen
U. Müller-Ladner, Bad Nauheim
H. Wedemeyer, Hannover
M. Wehling, Mannheim
T.R. Weihrauch, Düsseldorf
T. Lewalter1 · S. Nitschmann2
1
Klinik für Kardiologie und Internistische Intensivmedizin, Peter Osypka Herzzentrum, Kliniken Dr. Müller
München, München, Deutschland
2
Lippetal, Deutschland
Effektivität und Sicherheit
transvenös implantierter
drahtloser Herzschrittmacher
LEADLESS-II-Studie
Originalliteratur
Reddy VY et al. for the LEADLESS II Study
Investigators (2015) Percutaneous
implantation of an entirely intracardiac
leadless pacemaker. N Engl J Med
373:1125–1135
Einschlusskriterien
4 Trikuspidalklappenersatz
mittels eines transvenösen Katheters via
V. femoralis im rechten Ventrikel platziert. Nach Schrittmacherimplantation
und vor Krankenhausentlassung wurde
die Schrittmacherlage und -funktion
mithilfe einer Thoraxröntgenaufnahme
und eines 12-Kanal-EKG überprüft. Follow-up-Untersuchungen erfolgten nach
2 und 6 Wochen sowie 3 und 6 Monaten
und anschließend halbjährlich.
4 Pulmonale Hypertonie
4 Bereits implantierter Herzschrittma-
Ergebnisse
4 Patienten, die einen permanenten
1-Kammer-Schrittmacher benötigen, z. B. bei Vorhofflimmern mit
atrioventrikulärem (AV) oder bifaszikulärem Block, Sinusbradykardie,
Synkopen
Jedes Jahr wird fast 1 Mio. Menschen ein
Herzschrittmacher implantiert. Komplikationen treten bei etwa 10 % der Schrittmacherpatienten auf; häufig kommt es
zu Problemen mit dem transvenösen
Draht des Schrittmachers, der chirurgischen Implantationstasche oder dem
Pulsgenerator per se.
Die im Folgenden vorgestellte Studie
prüft die Effektivität und klinische Sicherheit eines 42 mm langen, maximal
6 mm dicken unabhängigen, drahtlosen
Herzschrittmachers mit einer Batterie-Elektronik-Elektroden-Kombination, der interventionell transfemoral im
rechten Ventrikel platziert wird.
Ausschlusskriterien
Zusammenfassung der Studie
4 Keine schrittmacherassoziierten
cher oder Defibrillator
4 Kardio- oder gefäßchirurgischer
Eingriff 30 Tage vor Studienbeginn
Endpunkte
Primärer Effektivitätsendpunkt:
4 Kombiniert: Pacing-Schwelle von
≤ 2,0 V nach 0,4 s und SensingAmplitude der R-Welle ≥ 5,0 mV
bzw. ein Wert nicht unterhalb des
Implantationswerts
Primärer Sicherheitsendpunkt:
S. Nitschmann
Nebenwirkungen in den ersten
6 Monaten nach Implantation
In die LEADLESS-II-Studie werden weiterhin Patienten eingeschlossen. Nachfolgend werden die Ergebnisse einer geplantenInterimsanalyse vorgestellt, indie
die ersten 300 Patienten eingingen, die
ein 6-monatiges Follow-up beendet hatten (Primärkohorte), und alle Patienten,
die bis Juni2015 indie Studie eingeschlossen worden waren (Gesamtkohorte).
Das Durchschnittsalter der Patienten
der Gesamtkohorte beträgt knapp 76 Jahre, wobei 62 % der Studienteilnehmer
Männer sind. Häufigste Indikation für
die Schrittmacherimplantation war Vorhofflimmern mit AV-Block.
Lippetal, Deutschland
Sekundärer Endpunkt:
Studiendesign
4 Nebenwirkungen in den ersten
6 Monaten nach Implantation
Interimsanalyse einer prospektiven,
nichtrandomisierten Multicenterstudie
an 56 Zentren in 3 Ländern mit einem
durchschnittlichen Follow-up-Zeitraum
von 6,9 Monaten
508
Der Internist 5 · 2016
Methodik
Bis Juni 2015 wurden 526 Patienten in
die Studie eingeschlossen. Bei diesen
wurde der Leadless-Herzschrittmacher
Take home message
Die LEADLESS-II-Studie ist ein Meilenstein
bei der Weiterentwicklung der Herzschrittmachertherapie hin zu einer lokalen
elektrodenlosen Technik, wobei eine
sichere Implantation (v. a. Vermeidung von
Perforationen) Voraussetzung für die breite
Anwendung ist.
Tab. 1 Analyse der schrittmacherassoziierten Ereignisse
Ereignis
Primärkohorte (n = 300)
Gesamtkohorte (n = 526)
Ereignisse Patienten Ereignis- Ereignisse Patienten Ereignisrate (%)
rate (%)
Kardiale Perforation
4
4
1,3
8
8
1,5
Vaskuläre Komplikationen
4
4
1,3
6
6
1,1
Arrhythmie bei Implantation
2
2
0,7
4
4
0,8
Schrittmacherentfernung 5
5
1,7
6
6
1,1
Schrittmachermigration
0
0
2
2
0,4
Schwellenerhöhung mit
Neuimplantation
4
4
1,3
4
4
0,8
Andere
3
3
1,0
10
10
1,9
Gesamt
22
20
6,7
40
34
6,5
Die Schrittmacherimplantation war
bei 504 der 526 Patienten erfolgreich, bei
70 % waren keine Repositionierungen
nach der Implantation notwendig. Die
Interventionszeit betrug 29 ± 18 min, die
Durchleuchtungszeit 14 ± 9 min. Die
Krankenhausaufenthaltsdauer variierte
zwischen 0 und 33 Tagen und betrug
durchschnittlich 1,1 Tage.
Den primären Effektivitätsendpunkt
erreichten 270 der 300 Patienten der
Primärkohorte. Bei 11 Patienten war
die Implantation nicht erfolgreich, sodass 270 der 289 Patienten mit erfolgreicher Schrittmacherimplantation den
primären Endpunkt erreichten. Bei 4 Patienten wurde die Pacing-Schwelle nicht
erreicht, bei 16 die Sensing-Amplitude.
Den primären Sicherheitsendpunkt
erreichten 280 der 300 Patienten der Primärkohorte. Bei den 20 Patienten traten
22 schrittmacherassoziierte Ereignisse
innerhalb der 6-monatigen Follow-upZeit auf (. Tab. 1), wobei die schrittmacherassoziierte Ereignisrate mit zunehmender Erfahrung des Interventionalisten mit dem Herzschrittmacher sank:
von 6,8 % während der ersten 10 Implantationen auf 3,6 % bei nachfolgenden
Implantationen.
Kommentar
Prof. Dr. med. T. Lewalter
Klinik für Kardiologie und Internistische
Intensivmedizin, Peter Osypka Herzzentrum,
Kliniken Dr. Müller München, München,
Deutschland
Die LEADLESS-II-Studie markiert einen
Meilenstein in der Weiterentwicklung
der Herzschrittmachertherapie: In einer
multizentrischen und großen Kohorte mit 526 Patienten ist es gelungen,
das neue Konzept der elektrodenlosen rechtsventrikulären Stimulation mit
adäquater Effizienz und zumindest akzeptabler Sicherheit anzuwenden. Diese
Untersuchung stärkt mich in meiner
Annahme, dass – zumindest im Bereich
der unifokalen ventrikulären oder atrialen Stimulation – in wenigen Jahren das
klassische Konzept der Schrittmachertherapie vom elektrodenlosen Konzept
abgelöst werden wird.
Ich möchte aber keinesfalls die noch
bestehenden Schwachpunkte des elektrodenlosen Konzepts verschweigen, deren Lösung eine Grundvoraussetzung für
eine breite Anwendung darstellt: So sollte
natürlich die Schrittmacherdislokationsrate extrem gering sein; in der Studie
wurden 6 „device dislodgements“ innerhalb der ersten 2 Wochen identifiziert;
alle Geräte konnten in perkutaner Technik geborgen werden. Hier ist zu hoffen, dass über eine größere Implantationserfahrung und Verbesserung der Fixierungsmechanismen eine geringe Rate
erreicht werden kann.
Betrachtet man die 289 Patienten,
bei denen das Gerät implantiert werden
konnte, der primäre Effizienzendpunkt
aber nicht erreicht wurde, dann bestand
das Problem überwiegend in der Signalamplitude und weniger in der akuten
Reizschwelle. Auch hier sollte es über
eine veränderte Implantationstechnik
(vermehrt im Septum?) und technische Verbesserungen gut möglich sein,
v. a. das Wahrnehmungsverhalten des
Schrittmachers zu verbessern. Für die
Praxis wichtig ist die Tatsache, dass sich
im Verlauf nach 6 Monaten die mittlere
Reizschwelle wie auch die R-WellenSignalamplitude signifikant verbesserte.
Nun zu dem wohl kritischsten Punkt
der neuen Technik: In der Studie kam
es bei 4 Patienten zu einer Perforation mit Tamponade. Bereits im Vorfeld
der Studie waren in Deutschland 2 letal verlaufene Perforationen mit Tamponade berichtet worden. Dies ist eine
kaum tolerable Bilanz – letale Verläufe sollte es bei einer VVI-Implantation
(VVI: ventrikuläres Pacing, ventrikuläres
Sensing, inhibierter Modus) nicht geben.
Dies hat ja in der Vergangenheit dazu geführt, dass die Anwendung des elektrodenlosen Schrittmachers der Fa. St. Jude in Deutschland gestoppt wurde. Nach
Überarbeitung wird die Implantationstechnik nun 2016 – mit entsprechender
Vorsicht – in ausgesuchten erfahrenen
Zentren mit kardiochirurgischem Backup wieder eingesetzt. Es muss nun zweifelsfrei gezeigt werden, dass nach Training und unter Einsatz einer beispielsweise septalen Implantationstechnik derartige schwere Perforationen eine absolute Seltenheit sind.
Zusammenfassend möchte ich anführen, dass die LEADLESS-II-Studie
ganz wesentlich die Weiterentwicklung
der Herzschrittmachertherapie hin zu
einer lokalen elektrodenlosen Technik
markiert, die dadurch, dass sie auf eine
klassische Elektrode verzichtet, auch alle möglichen Nachteile der Elektrode
vermeiden kann, so etwa eine Erwärmung in der Magnetresonanztomographie, eine Elektrodendislokation und
Frakturen. Eine breite Anwendung des
elektrodenlosen Schrittmachers setzt allerdings voraus, dass ein sicherer Weg
der Implantation gefunden wird, sodass
Der Internist 5 · 2016
509
Klinische Studien
implantationsbedingte kardiale Perforationen eine Rarität darstellen.
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. med. T. Lewalter
Klinik für Kardiologie und Internistische
Intensivmedizin, Peter Osypka Herzzentrum,
Kliniken Dr. Müller München
Am Isarkanal 36, 81379 München, Deutschland
[email protected]
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt. T. Lewalter und S. Nitschmann
geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine von den Autoren
durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren.
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K
Medizin aktuell
Internist 2016 · 57:511–516
DOI 10.1007/s00108-016-0043-9
Online publiziert: 27. April 2016
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
V. J. J. Schettler1 · J. Ringel2 · S. Jacob3 · U. Julius4 · R. Klingel5 · F. Heigl6 ·
E. Roeseler7 · P. Grützmacher8 · Deutsche Gesellschaft für Nephrologie (DGfN) ·
Verband Deutsche Nierenzentren (DN)
1
Nephrologisches Zentrum Göttingen GbR, Göttingen, Deutschland
Dialysezentrum Potsdam, Potsdam, Deutschland
3
Praxis für Prävention und Therapie, Villingen-Schwenningen, Deutschland
4
Medizinische Klinik und Poliklinik III, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Technische Universität
Dresden, Dresden, Deutschland
5
Apherese ForschungsInstitut, Köln, Deutschland
6
Medizinisches Versorgungszentrum Kempten-Allgäu, Kempten, Deutschland
7
Zentrum für Nieren-, Hochdruck- und Stoffwechselerkrankungen, Hannover, Deutschland
8
Medizinische Klinik II, Agaplesion Markus Krankenhaus, Frankfurt, Deutschland
2
Therapiealgorithmus zur
Lipoproteinapherese und PCSK9Inhibition bei schwerer
Hypercholesterinämie oder
isolierter Lipoprotein(a)Hyperlipoproteinämie
Der kausale Zusammenhang zwischen
einer Erhöhung von ApolipoproteinB(ApoB)-haltigen Partikeln wie Lowdensity-Lipoprotein (LDL) oder Lipoprotein(a) (Lp[a]) und kardiovaskulären
Ereignissen (Entwicklung von Atherosklerose und den damit verbundenen
Folgeerkrankungen wie Herzinfarkten,
Schlaganfällen oder peripheren arteriellen Verschlusskrankheiten) ist heute
unstrittig [1, 2]. In der aktuellen Metaanalyse der Cholesterol Treatment
Trialists’ (CTT) Collaboration führte
eine Absenkung des LDL-Cholesterins (LDL-C) durch Statine um jeweils
40 mg/dl (1,0 mmol/l) zur Reduktion
weiterer Gefäßereignisse um 22 % bzw.
der Gesamtmortalität um 10 % über
alle Subgruppen hinweg [3]. In der
Die Autoren weisen darauf hin, dass dieser Leitfaden den aktuellen Kenntnisstand
widerspiegelt und unter Berücksichtigung kommender Publikationen und Entscheidungen
des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA)
weiterer Präzisierungen bedarf.
IMPROVE-IT-Studie konnten durch
eine Kombination von Simvastatin mit
dem Nichtstatin Ezetimib zusätzlich
kardiovaskuläre Ereignisse verhindert
werden [4]. Gerade die IMPROVEIT-Studie unterstützt die allgemeine
Forderung der europäischen Fachgesellschaften, Risikofaktoren wie das
LDL-C unter Anwendung eines Zielwertkonzepts zu behandeln (Leitlinie
der European Society of Cardiology und
European Atherosclerosis Society; [4,
5]). Für den Zielwert bei sehr hohem Risiko, d. h. einen LDL-C-Wert < 70 mg/dl
(1,8 mmol/l), ist bekannt, dass atherosklerotische Plaques stabilisiert werden
bzw. dass dadurch ein Voranschreiten
der inflammatorischen Gefäßprozesse
zumindest aufgehalten werden kann
[6, 7]. Ein sehr hohes Risiko besteht
bei dokumentierter kardiovaskulärer
Erkrankung, bei Patienten mit Typ-2Diabetes, bei Patienten mit Typ-1-Diabetes und Organschäden, bei Patienten
mit einer chronischen Nierenerkran-
kung und glomerulären Filtrationsrate
< 60 ml/min/1,73 m² sowie bei Patienten mit einem rechnerischen 10-JahresRisiko ≥ 10 % auf der Basis von SCORE
[5].
Für erhöhte Lp(a)-Konzentrationen
ist u. a. aus der Copenhagen City Heart
Study (CCHS) bekannt, dass ab einer
Lp(a)-Konzentration > 50 mg/dl das
kardiovaskuläre Risiko deutlich steigt [8,
9]. Der für das European Atherosclerosis Society Consensus Panel formulierte
„erwünschte“ Lp(a)-Wert von 50 mg/dl
kann allerdings gegenwärtig nicht als den
LDL-Zielwerten gleichwertige Empfehlung interpretiert werden. Die Problematik der Laboranalytik von Lp(a) ist an
anderer Stelle erörtert worden und nicht
Gegenstand dieses Positionspapiers [10].
Wir verweisen ergänzend auf den aktuellen Review von Marcovina u. Albers
[11].
Die Arbeitsgruppe Apherese der
Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGf N) und des Verbands Deutsche
Der Internist 5 · 2016
511
Medizin aktuell
Nierenzentren (VDN) bestätigt unter Berücksichtigung der prinzipiellen Laborproblematik bei der Messung von Lp(a)
und in Einklang mit der Indikationsregelung zur Lipoproteinapherese (LA)
des Gemeinsamen Bundesausschusses
(G-BA) die klinische Relevanz des Grenzwerts > 60 mg/dl (> 120 nmol/l) im
Kontext der individuellen Bewertung des
kardiovaskulären Risikos, insbesondere
im Hinblick auf die Indikationsstellung
der LA [12].
Sofern LDL-C bzw. Lp(a) als Risikofaktor für vorliegende kardiovaskuläre
Ereignisse diagnostiziert werden konnte, ist neben der Einleitung einer spezifischen lipidsenkenden Therapie zusätzlich eine Stratifizierung aller arteriellen
Gefäßsysteme zu empfehlen, um das Ausmaß der atherosklerotischen Läsionen zu
erfassen.
Die lipidsenkende Therapie muss bei
progredienter Gefäßerkrankung mit kardiovaskulären Ereignissen unter Beachtung aktueller Leitlinien für LDL-C zielwertorientiert sein und bei Lp(a) den
Schwellenwert individuell beachten.
Vor einer intensiveren
»lipidsenkenden
Therapie muss
das Gesamtrisiko eingeschätzt
werden.
Vor dem Beginn einer intensiveren lipidsenkenden Therapie mit PCSK9-Inhibitoren oder LA muss das Gesamtrisiko des
Patienten eingeschätzt werden. Dazu gehört die Erfassung der Familienanamnese (kardiovaskuläre Ereignisse vor dem
60. Lebensjahr bei Verwandten ersten
Grades), eines Diabetes mellitus (Diabetiker sind besonders arteriosklerosegefährdet), einer Hypertonie sowie einer
Niereninsuffizienz. Auch eine Affektion
mehrerer arterieller Gefäßgebiete (Karotiden, Aorta, Koronarien, Beingefäße)
weist auf einen hohen Gefährdungsgrad
hin. Gerade bei Patienten mit sehr hohem Gesamtrisiko ist die Erreichung von
niedrigeren LDL-C- und Lp(a)-Werten
zwingend erforderlich [5].
Doch wie geht man weiter vor, wenn
die LDL-C-Zielwerte nicht erreicht wer-
512
Der Internist 5 · 2016
den und/oder Lp(a) den Schwellenwert
überschreitet?
LA-Verfahren kommen unter Berücksichtigung der aktuellen Leitlinien
bei Patienten mit schwerer Fettstoffwechselstörung (LDL-C > 100 mg/dl
[> 2,6 mmol/l] und/oder Lp[a] > 60 mg/dl
[> 120 nmol/l]) und progredienten kardiovaskulären Erkrankungen zum Einsatz, wenn diätetische und medikamentöse Maßnahmen zuvor ausgeschöpft
worden sind (G-BA). Die LA-Verfahren
können LDL-C und Lp(a) um mindestens 60 % absenken. An dieser Stelle
sei darauf verwiesen, dass die Indikation zur Lp(a)-Hyperlipoproteinämie
(Lp(a)-HLP) nicht auf der Grundlage
eines stattgehabten Ereignisses erfolgt.
Anhand des medianen Alters erhielten die Patienten der Pro(a)LiFe-Studie
im 49. Lebensjahr die Diagnose einer
kardiovaskulären Erkrankung, 0,6 Jahre
später folgte das erste Ereignis, 2,3 Jahre
später das zweite Ereignis. Während der
folgenden 4,7 Jahre wurden die Patienten aufgrund eines trotz wirksamer
LDL-C-senkender Therapie besonders
progredienten Krankheitsverlaufs auffällig und begannen nach Beendigung
eines z. T. langwierigen Antragsverfahrens die chronische LA [13]. Neue
lipidsenkende Medikamente wie Proprotein-convertase-subtilisin/kexin-type-9Inhibitoren (PCSK9-I), z. B. PCSK9Antikörper (PCSK9-AK), erreichen bei
bestimmten Patientengruppen bezüglich der LDL-C-Absenkung vergleichbare Absenkungsraten, u. a. sogar als
additiver Effekt bei bereits bestehender Statinmedikation. Angesichts dieser
Erweiterung der therapeutischen Möglichkeiten zur Lipidsenkung muss der
differenzialtherapeutische Einsatz von
PCSK9-I und der LA definiert werden.
Effektivität der PCSK9-Inhibitoren und Lipoproteinapherese
Gemeinsam deutliche Effekte auf
LDL – unterschiedliche Effekte auf
Lp(a)
In sehr kurzer Zeit konnte in groß
angelegten randomisierten, prospektiven Studienprogrammen (PROFICIO,
ODYSSEY, SPIRE) gezeigt werden, dass
durch eine antikörperinduzierte Hemmung von PCSK9 bestehende kardiovaskuläre Risikofaktoren abgesenkt werden
können: LDL-C um bis zu 70 %, Lp(a)
um bis zu 30 % [14]. Allerdings fällt bei
zunehmend höheren Lp(a)-Konzentrationen (Lp[a] > 60 mg/dl [> 120 nmol/l])
die Absenkungsrate auf nur noch 16 % ab
[11]. Die Absenkungsrate von LDL-C bei
der homozygoten familiären Hypercholesterinämie beträgt im Mittel weniger als
25 %. Bei etwa 20 % der Patienten werden
trotz PCSK9-I-Therapie die Zielwerte des
LDL-C von < 100 mg/dl (< 2,6 mmol/l)
bzw. < 70 mg/dl (< 1,8 mmol/l) nicht
erreicht, weil entweder die Ausgangswerte zu hoch sind oder das individuelle
Ansprechen nicht ausreicht [15].
Im Vergleich dazu werden mithilfe der
LA für LDL-C akute Absenkungsraten in
der gleichen Höhe und für Lp(a) deutlich bessere Absenkungsraten von mindestens 70 % erreicht. Zusätzlich lassen
sich im Rahmen von LA-Behandlungen
„pleiotrope Effekte“ beobachten, die z. B.
durch die zusätzliche Entfernung von Fibrinogen zu einer verbesserten Perfusion am Herzen führen oder durch die
Entfernung von oxidierten Lipiden sowie Metalloproteinasen eine zusätzliche
Plaquestabilisierung induzieren können
[16–18].
PCSK9-I können im Vergleich zu einer LA die LDL-C-Konzentration ebenfalls sehr gut und anders als die LA sehr
konstant absenken. Bezüglich der Absenkung der Lp(a)-Konzentration ist die LA
im Vergleich zu den PCSK9-I effektiver.
Ausmaß und Konstanz der
Reduktion von LDL-Cholesterin
PCSK9-AK halten die LDL-C-Konzentration auf dem durch die Gabe individuell resultierenden sehr niedrigen Niveau
konstant. Dagegen steigt das LDL-C bzw.
Lp(a) je nach LA-Behandlungsintervall
auf ein im Vergleich zum Therapieanfang zwar niedrigeres Niveau an, dieses
entspricht aber nicht den initialen Absenkungsraten (Sägezahnphänomen).
Verträglichkeit/Nebenwirkungen
Seit Ende der 1980er-Jahre konnte bei allen LA-Verfahren eine sehr gute Verträg-
Paentenkollekv:
•
Familiäre Hypercholesterinämien (FH), schwer therapierbare Hypercholesterinämien
•
Paenten mit progredienter PAVK, CVK, KHK; die mit bildgebenden Verfahren atherosklerosche
Veränderungen zeigen, die zu weiteren kardiovaskulären Ereignissen disponieren.
Lipidstatus und Risikoprofil:
•
Cholesterin, Triglyzeride, LDL-C, HDL-C, Lp(a), Fibrinogen, CRP
•
CV-Allgemeine Risikofaktoren (Bluthochdruck, Diabetes, Adipositas, Rauchen, familiäre Belastung)
Effekve Stangabe Zielwerterreichung nach der
European Society of Cardiology (Kontrolle in ca. 6 Wochen):
Zielwert erreicht ?
Falls ja,
Fortsetzung dieser
Therapie!
Intensivierung der lipidsenkenden Therapie
+
-
+
-
= Ezemibe, Colesevelam,
Omega-3 FS, Fibrate….
= PCSK9-Inhibitor (PCSK9-I) vs.
Lipoproteinapherese (LA)
Zielwert erreicht ?
Wenn LDL-C > 100 mg/dl (2,6 mmol/l) + Lp(a) < 60 mg/dl (120 nmol/l) PCSK9-I Gabe
B
e
d
i
n
g
u
n
g
e
n
+
-
Fortsetzung dieser
Therapie
zusätzlich LA
Wenn LDL-C > 100 mg/dl (2,6 mmol/l) + Lp(a) > 60 mg/dl (120 nmol/l) LA
Fortsetzung dieser
Therapie
+
-
zusätzlich PCSK9-I Gabe, sofern
LDL-C > 100 mg/dl (2,6 mmol/l) bleibt
Wenn LDL-C < 70 mg/dl (1,8 mmol/l) + Lp(a) > 60 mg/dl (120 nmol/l) LA
Fortsetzung dieser
Therapie
lichkeit, Sicherheit und Nebenwirkungsarmut im Vergleich zu der Statintherapie nachgewiesen werden, dies auch im
Hinblick auf psychische Belastungen [19,
20]. Während unter der Statintherapie
bei etwa 5–10 % der behandelten Patienten, manche Publikationen berichten
von bis zu 20 %, Nebenwirkungen wie
Myopathien, z. T. mit Kreatinkinaseerhöhungen, auftreten können, lassen sich
unter der LA-Therapie bei nur 3–5 % der
behandelten Patienten Nebenwirkungen
finden. Dabei haben Punktionsprobleme
bei den zu behandelnden Patienten einen
+
Anteil von etwa 1,5–2 %. Auch bei der
PCSK9-AK-Therapie zeigten die bisherigen Studienergebnisse mit sehr großen
Fallzahlen (> 50.000 Patienten) eine gute Verträglichkeit (etwa 4–5 % der Fälle
mit Nebenwirkungen). In den bisherigen Studien wurde v. a. von den Symptomen einer Nasopharyngitis berichtet
(etwa 2–3 %). Dennoch liegen hier noch
keine Langzeitdaten wie bei der LA vor.
Abb. 1 9 Therapiealgorithmus für hypercholesterinämische Patienten
mit sehr hohem kardiovaskulärem Risiko. CRP C-reaktives Protein; CVK zerebrovaskuläre Krankheit;
HDL-C High-density-Lipoprotein-Cholesterin;
KHK koronare Herzkrankheit; LDL-C Low-densityLipoprotein-Cholesterin;
LA Lipoproteinapherese;
Lp(a) Lipoprotein(a); PAVK
periphere arterielle Verschlusskrankheit; PCSK9
„proprotein convertase
subtilisin/kexin type 9“;
PCSK9-I PCSK9-Inhibitor.
(Nach: Leitlinie der European Society of Cardiology
und European Atherosclerosis Society [5])
Effekte auf „major coronary
events“ (MACE)
Schon früh konnte bei Patienten mit therapieresistenter, heterozygoter oder homozygoter Hypercholesterinämie durch
den Einsatz von LA-Verfahren gezeigt
werden, dass sich die kardiovaskulären Ereignisse („major coronary events“
[MACE]) bei den betroffenen Patienten
bereits nach kurzer regelmäßiger LABehandlungszeit deutlich reduzierten
[21–24]. Besonders eindrucksvoll sind
diese Effekte auf die MACE-Rate bei
Der Internist 5 · 2016
513
Medizin aktuell
den Patienten, die mindestens im wöchentlichen Intervall mit LA-Verfahren
behandelt werden [25].
Weiterhin konnte in Pro(a)LiFe, einer
der letzten LA-Studien, gezeigt werden,
dass die MACE innerhalb des ersten Behandlungsjahrs bei Patienten mit Lp(a)Erhöhung um mindestens 78 % zurückgingen und nach bisherigen Studiendaten
bei Fortsetzung der LA auch auf diesem
niedrigen Niveau bleiben [13] – hiermit
wurden die vorherigen Ergebnisse von Jäger et al. [26] mit prospektivem Design
bestätigt. Ergänzend dazu konnte auch
eine bessere MACE-Reduktion bei Patienten mit kombinierter schwerer LDLC- und Lp(a)-Erhöhung als bei Patienten
mit schwerer Hypercholesterinämie unter jeweils chronischer LA gefunden werden [27]. Die MACE-Rate wird bei chronisch mit den LA-Verfahren behandelten Patienten sowohl bei LDLC- als auch
bei Lp(a)-Erhöhungen sehr rasch reduziert. Erste endgültige Studienergebnisse bezüglich der MACE-Reduktion stehen bei den PCSK9-AK noch aus und
können für Evolocumab wahrscheinlich
entsprechend der registrierten Studienplanung Mitte des Jahres 2016 bewertet
werden. Erste Hinweise auf eine MACEReduktion gab es bereits in den Studien OSLER-1/OSLER-2 sowie ODYSSEY
LONG TERM [28, 29]. Allerdings erfolgte hier zunächst eine Analyse unter dem
Gesichtspunkt der Sicherheit, nicht unter
dem der Wirksamkeit. Patienten wurden
unter Berücksichtigung des LDL-C, aber
nicht des Lp(a) eingeschlossen.
Indikation zur PCSK9-Inhibitorbzw. LipoproteinaphereseTherapie
Grundsätzlich sind vor dem Einsatz einer PCSK9-I- bzw. LA-Therapie die bisherigen lipidsenkenden Maßnahmen wie
eine fettmodifizierte Diät, der Einsatz eines Statins und eine ergänzende lipidsenkende Medikation maximal auszuschöpfen (. Abb. 1). Sollten Nebenwirkungen z. B. bei der Gabe eines Statins
auftreten (etwa 5–10 % der Statintherapie), sind diese als unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zu melden. Gerade
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im Hinblick auf die zeitaufwendige Diagnostik der Statinunverträglichkeit sollten aktuelle Empfehlungen berücksichtigt werden [30, 31]. Werden die Zielwerte nach den aktuellen Leitlinien bei einem Patienten mit einem hohen Atheroskleroserisiko oder außergewöhnlichen
Progress von kardiovaskulären Erkrankungen nicht erreicht, können PCSK9-I
wie PCSK9-AK und/oder LA wie folgt
zum Einsatz kommen (. Abb. 1).
Liegt bei einem Patienten nur ein
unzureichend abgesenktes LDL-C trotz
maximal lipidsenkender Therapie vor
(LDL-C > 100 mg/dl [> 2,6 mmol/l]
+ Lp[a] < 60 mg/dl [< 120 nmol/l]; Lp[a]
im Normbereich]), könnte zunächst der
PCSK9-I zum Einsatz kommen, da das
LDL-C sehr effektiv durch eine Kombination aus einer Statin- und PCSK9-ITherapie abgesenkt werden kann. Bisher
liegen noch keine Langzeit- und Endpunktdaten aus Studien vor, die derzeit
einen allgemeinen Einsatz empfehlen
könnten. Bei Patienten, die mehrfache
kardiovaskuläre Ereignisse durchgemacht haben (z. B. mehrere Myokardinfarkte, mehrfache Stentimplantationen
in die Koronarien oder ausgeprägte
Mikrozirkulationsstörungen), sollte die
LA-Behandlung bevorzugt werden, da
derartige Patienten in den bisherigen
PCSK9-I-Studien nicht ausreichend berücksichtigt worden sind und die LA
sich gerade in dieser Situation als besonders effektiv auch in der Reduktion
zukünftiger kardiovaskulärer Ereignisse
erwiesen hat.
Auch muss bei Patienten mit homozygoter oder „schwerer“ heterozygoter
Ausprägung der Hypercholesterinämie
die Statin/PCSK9-I-Therapie weiterhin
durch eine zusätzliche LA ergänzt werden, wenn die Patienten nicht die Zielwerte erreichen (. Abb. 1). Allerdings
könnte es mit diesem weiteren lipidsenkenden Therapieansatz unter Kombination von Statin, LA und PCSK9-AK
gelingen, das LDL-C dauerhaft in den
Zielbereich von < 70 mg/dl abzusenken.
Die Verzögerung oder Verhinderung des
Progresses der kardiovaskulären Erkrankung ist zu erwarten, muss aber noch
mit Studien- oder Registerdaten belegt
werden.
In Deutschland unstrittig ist der Einsatz der LA-Therapie bei Patienten mit
homozygoter Ausprägung einer Hypercholesterinämie, da diese Patienten, sofern sie nicht rechtzeitig therapiert werden, z. B. an den Folgen eines frühen
Herzinfarkts versterben werden [5]. Diese Patienten müssen begleitend zur LA
zusätzlich mit einer maximal verträglichen lipidsenkenden Therapie behandelt
werden [5]. Da auch PCSK9-I bei diesen Patienten zusätzlich LDL-C reduzieren konnten [32], ist der Einsatz dieser
Medikation neben der bereits bestehenden lipidsenkenden Medikation und LATherapie zu empfehlen [33], um die bestehende LDL-C-Last und damit das kardiovaskuläre Risiko abzusenken [34].
Unstrittig ist der Einsatz der
»Lipoproteinapherese
bei homozygoter Hypercholesterinämie
Bei Patienten mit Lp(a)-Erhöhung
ist der absenkende Effekt durch
PCSK9-I, wenn überhaupt, bei sehr hohen Konzentrationen (Lp[a] > 60 mg/dl
[> 120 nmol/l]) relativ gering. Es bleibt
unklar, ob PCSK9-I im Gegensatz zur
LA die multiplen proatherosklerotischen/-thrombotischen Eigenschaften
mit beeinflussen können. Aufgrund dieser Erkenntnisse sollten nach heutigem
Wissensstand Patienten mit durch Lp(a)
verursachten progredienten kardiovaskulären Ereignissen nur mit der LA
behandelt werden. Bevor die Diagnose
der isolierten Lp(a)-Erhöhung gestellt
werden kann, ist eine meist begleitende
Hypercholesterinämie zielwertorientiert
zu behandeln. Hierbei kann der PCSK9-I
zum Einsatz und der zusätzlich Lp(a)senkende Effekt zum Tragen kommen
(. Abb. 1).
Beachtenswert ist auch, dass
PCSK9-I „nur“ LDL-C effektiv absenken,
während die LA-Behandlungen zusätzliche „pleiotrope Effekte“ (bei PCSK9-I
unbekannt) haben. Diese Effekte stabilisieren bzw. vermindern zusätzlich
atherosklerotische Läsionen und subendotheliale Inflammationsprozesse [17,
25, 35].
Prinzipiell wäre wie bei der LA auch
für die PCSK9-I-Therapie eine auf Bun-
desländerebene installierte Lipidkommission ähnlich der Apheresekommission der Kassenärztlichen Vereinigung
anzustreben, um den sachgerechten
Einsatz der PCSK9-I-Therapie bei betroffenen Patienten sicherzustellen und
für einen geeigneten Zeitraum zu
prüfen.
Korrespondenzadresse
PD Dr. med. V. J. J. Schettler
Nephrologisches Zentrum Göttingen GbR
Göttingen, Deutschland
[email protected]
Einhaltung ethischer Richtlinien
Fazit für die Praxis
4 Unter Berücksichtigung aktueller
4
4
4
4
Leitlinien müssen für Patienten mit
schwer einstellbarer Hypercholesterinämie als Voraussetzung für den
Einsatz von PCSK9-I oder LA alle bisherigen lipidsenkenden Maßnahmen
vorher ausgeschöpft und auch gut
dokumentiert sein. Nebenwirkungen
von Statinen wie Myopathien sind
dem BfArM anzuzeigen.
Eindeutig ist das therapeutische
Vorgehen bei Patienten mit homozygoter Ausprägung einer familiären
Hypercholesterinämie: Neben der LA
sollten zur Verbesserung der LDLC-Absenkung PCSK9-I zum Einsatz
kommen.
Bei Patienten mit heterozygoter
Ausprägung einer familiären Hypercholesterinämie können die LA oder
PCSK9-I zum Einsatz kommen, wenn
neben einer ausgeprägten LDL-C-Erhöhung kardiovaskuläre Affektionen
bestehen oder wenn sich in bildgebenden Verfahren atherosklerotische
Veränderungen zeigen, die zu einem
kardiovaskulären Ereignis disponieren, und dabei eine ungenügende
LDL-C-Absenkung besteht (LDL-C
> 100 mg/dl [> 2,6 mmol/l]).
Bei Patienten mit erhöhter Lp(a)Konzentration (Lp[a] > 60 mg/dl
[> 120 nmol/l]) und kardiovaskulären
Affektionen sollte primär mit LAVerfahren therapiert werden.
Bestehen neben der Lp(a)-Erhöhung
noch unzureichend therapierte
erhöhte LDL-C-Konzentrationen
(LDL-C > 100 mg/dl [> 2,6 mmol/l]),
können PCSK9-I das lipidsenkende
Konzept ergänzen.
Interessenkonflikt. V.J.J. Schettler hat Forschungsunterstützung und Vortragshonorare von den Firmen
Fresenius Medical Care AG, B.Braun-Avitum AG, Amgen GmbH, Sanofi-Aventis GmbH erhalten. R. Klingel
hat Drittmittelgelder für Forschungsprojekte der Firmen Asahi Kasei Medical und Diamed GmbH erhalten.
U. Julius erhielt Honorare von Amgen GmbH, SanofiAventis GmbH, Fresenius Medical Care AG, Kaneka
Pharma Europe N.V., Chiesi GmbH, Aegerion Pharmaceuticals. F. Heigl erhielt Referentenhonorare von
B.Braun-Avitum AG, Diamed Medizintechnik GmbH,
Fresenius Medical Care AG. J. Ringel, S. Jacob, E. Roeseler und P. Grützmacher geben an, dass sie keine
finanziellen Verbindungen mit einer Firma haben,
deren Produkt in dem Artikel eine wichtige Rolle spielt
(oder mit einer Firma, die ein Konkurrenzprodukt
betreibt).
Dieser Beitrag beinhaltet keine von den Autoren
durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren.
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K
In eigener Sache
Internist 2016 · 57:517–518
DOI 10.1007/s00108-016-0064-4
Online publiziert: 25. April 2016
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
L. Dittmann
Springer-Verlag GmbH, Heidelberg, Deutschland
Bester Fortbildungsbeitrag 2015
prämiert
Springer CME-Award geht an Rheumatologin
Prämierte Arbeit
Holle JU (2015) ANCA-assoziierte
Vaskulitiden. Internist 56:41–52
Der Fortbildungsbeitrag „ANCAassoziierte Vaskulitiden“ von Frau
PD Dr. J.U. Holle wurde von unseren
Lesern zum besten Beitrag der
Rubrik CME Zertifizierte Fortbildung
des Jahres 2015 gewählt. Eine
hohe Teilnehmerzahl von knapp
2400 sowie eine durchschnittliche
Vergabe von 4,7 von 5 möglichen
Bewertungspunkten zeichnen den
Beitrag von Frau PD Dr. J.U. Holle
als besten seines Jahrgangs aus. Die
Herausgeber und der Verlag freuen
sich über diese Wahl.
Jedes Jahr wird der Springer CMEAward Der Internist für den besten
Fortbildungsbeitrag vergeben. Am
11. April wurde die Auszeichnung auf
dem 122. Kongress der Deutschen
Gesellschaft für Innere Medizin im
Rahmen einer Preisträgersitzung
verliehen.
Die Preisträgerin
Die Preisträgerin Frau PD Dr. J.U. Holle (. Abb. 1) ist Fachärztin für Innere
Medizin und internistische Rheumatologie. Sie studierte Humanmedizin
an der Christian-Albrechts-Universität, Kiel, und nahm im Anschluss ihre
klinische Ausbildung an der Poliklinik
für Rheumatologie, UKSH, Lübeck sowie an der University of Birmingham
auf. Nach ihrer Facharztanerkennung
arbeitete sie als Oberärztin für Rheuma-
tologie und Immunologie am Klinikum
Bad Bramstedt. Ihre Habilitation schloss
sie 2011 ab und übernahm dann im
Oktober 2012 die Leitung der Vaskulitisklinik, Bad Bramstedt. Ab 2014 leitete
sie dann, gemeinsam mit Herr Professor Frank Moosig, die Gesamtklinik für
Rheumatologie und Immunologie bis sie
sich Anfang 2016 am Rheumazentrum
Schleswig-Holstein Mitte, Neumünster,
niederließ.
Schon früh beschäftigte sich Frau PD
Dr. Holle mit Vaskulitiden, insbesondere
mit antineutrophilen zytoplasmatischen
Antikörpern (ANCA) assoziierten Vaskulitiden (AAV). So erhielt sie bereits
2006 den 1. Preis des Young Investigator’s Award der Deutschen Gesellschaft
für Innere Medizin (DGIM) für ihre
Forschungsarbeit im Bereich der Granulomatose mit Polyangiitis (GPA), der
häufigsten Form der AAV. Während ihrer Habilitation untersuchte Frau PD Dr.
Holle neue Aspekte zu Verlaufsformen,
Biomarkern, genetischen Risikofaktoren
und Prognose der Granulomatose mit
Polyangiitis. Ihre Arbeit wurde mit dem
Rudolf-Schön-Preis der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh)
ausgezeichnet.
Neben ihrer wissenschaftlichen und
klinischen Arbeit engagierte sich Frau PD
Dr. Holle über viele Jahre im Arbeitskreis
Vaskulitis für Patienten und Angehörige im Klinikum Bad Bramstedt. Sie ist
Mitglied in der Deutschen Gesellschaft
für Innere Medizin (DGIM) und ist dort
im wissenschaftlichen Beirat sowie in der
DGIM e.Akademie aktiv. Als Gutachterin
ist Frau PD Dr. Holle für diverse wissenschaftliche Journale tätig und begutachtet
Manuskripte für beispielsweise Annals of
the Rheumatic Diseases, Rheumatology
oder die Zeitschrift für Rheumatologie.
Die prämierte Arbeit
Leser des CME-Beitrags von Frau PD Dr.
Holle werden über AAV, eine rheumatologische Systemerkrankung, umfangreich und übersichtlich informiert. Zunächst wird die Klassifikation der AAV
erläutert und die verschiedenen möglichen Organmanifestationen beschrieben. Da die AAV häufig durch einen lebensbedrohlichen Verlauf mit Multiorganbeteiligung gekennzeichnet ist, spielt
eine frühzeitige Diagnostik eine wichtige
Rolle. Der Beitrag von Frau PD Dr. Holle erklärt hier das nötige systematische
Vorgehen zur Erfassung der Organbeteiligungen, des Schweregrads sowie der
Aktivität. Der Leser erhält dann einen
Überblick über die aktuellen Therapieempfehlungen. Diese beruhen größtenteils auf randomisierten kontrollierten
Studien, die in Abhängigkeit von Stadium
und Aktivität der Erkrankung durchgeführt wurden. Neben Glukokortikoiden
werden konventionelle Immunsuppressiva besprochen und das Biologikum Rituximab als neue Therapieoption vorgestellt.
Definition und Klassifikation
Unter dem Begriff AAV werden die GPA,
die mikroskopische Polyangiitis (MPA)
sowie die eosinophile Granulomatose mit
Polyangiitis (EGPA) zusammengefasst.
Hiervon tritt in Westeuropa, mit einer Inzidenz von 6–12/Mio./Jahr, die GPA am
Der Internist 5 · 2016
517
In eigener Sache
Abb. 1 8 Priv.-Doz. Dr. Julia Holle
häufigsten auf. Gemeinsam ist den AAV
die Vaskulitis kleiner bis mittelgroßer
Gefäße (Polyangiitis). Handelt es sich bei
der MPA um eine reine Vaskulitis, treten
bei GPA und EGPA außerdem granulomatöse Entzündungen auf. Bei der EGPA
ist darüber hinaus noch eine Eosinophilie charakteristisch. Diese Klassifikation
dient lediglich der Differenzierung der
primär systemischen Vaskulitiden und
stellt kein Diagnosekriterium dar.
Krankheitsstadien und klinische
Manifestation
Die verschiedenen Krankheitsstadien der
AVV sind durch die European League
Against Rheumatism (EULAR) definiert
und bilden die Grundlage der stadienadaptierten Therapie. Im frühsystemischen Stadium treten nichtlebensbedrohende Vaskulitismanifestationen auf, der
Test auf ANCA ist in der Regel negativ. In
den systemischen Stadien weisen fast alle
Patienten eine ausgeprägte B-Symptomatik auf. Häufig werden muskuloskelettale
Symptome wie Arthralgien, Arthritiden
und Myalgien festgestellt. In der generalisierten Phase sind lebensbedrohliche
Organmanifestationen charakteristisch
und die Patienten sind meist ANCApositiv. Typische Manifestationen sind
hier die alveoläre Hämorrhagie und
die nekrotisierende Glomerulonephritis. Das schwere Stadium ist durch
Organversagen und hier insbesondere
Nierenversagen definiert.
Über 90 % der GPA-Patienten zeigen
Manifestationen im HNO-Trakt, wie typischerweise eine blutig-borkige Rhinitis
und Sinusitis. Weitere typische Komplikationen sind eine Reduktion des Hör-
518
Der Internist 5 · 2016
vermögens sowie pulmonale Raumforderungen, die oft mit zentralen Einschmelzungen einhergehen.
Die EGPA manifestiert sich initial
häufig mit einem therapierefraktären
Asthma sowie einer polypösen Sinusitis und einer peripheren Eosinophilie.
ANCA-positive EGPA-Patienten weisen
häufiger typische Vaskulitismanifestationen, wie eine pulmonale Kapillaritis oder
Glomerulonephritis, auf. ANCA-negative EGPA-Patienten neigen häufiger zu
Herzbeteiligungen, was als prognostisch
ungünstig anzusehen ist.
Die MPA stellt eine reine Vaskulitis
dar. Als typische Manifestationen sind
die alveoläre Hämorrhagie sowie Lungenfibrose zu nennen.
Diagnostik und Staging
Bei der Anamnese sollten sämtlich Organe auf eine mögliche Beteiligung untersucht werden. Laborchemisch sind die serologischen Entzündungsparameter, das
Blutbild und die Retentionsparameter zu
erheben sowie ein ANCA-Test durchzuführen. Bei allen AAV sollte eine weiterführende Diagnostik bezüglich einer
möglichen pulmonalen und renalen Beteiligung erfolgen. Liegt ein Verdacht auf
eine GPA vor, sollte auf granulomatöse
Veränderungen der Nasennebenhöhlen,
eine seltene meningeale Beteiligung oder
eine zerebrale Kleingefäßvaskulitis untersucht werden. Bei Verdacht auf EGPA
sollte eine kardiologische Abklärung erfolgen.
Stadienabhängige Therapie
Die European Vasculitis Society (EUVAS) hat mittlerweile für fast alle Krankheitsstadien bei GPA und MPA randomisierte kontrollierte Studien durchgeführt,
die heute als Grundlage für die Therapie herangezogen werden. Bei aktiver Erkrankung erfolgt zunächst eine Remissionsinduktion, die für etwa 3–4 Monate durchgeführt wird. Anschließend
erhält der Patient eine remissionserhaltende Therapie, die für eine Dauer von
mindestens 18 Monaten empfohlen wird.
Glukokortikoide stellen eine essenzielle
Säule der Therapie dar.
Die Therapie der GPA und MPA erfolgt in Abhängigkeit der Schwere der
Manifestation mit Methotrexat (MTX)
oder mit Cyclophosphamid plus Glukokortikoid. Im generalisierten Stadium
erfolgt die Remissionsinduktion entweder mit Cyclophosphamid oder mit dem
monoklonalen CD20-Antikörper Rituximab. Hat sich die Remission eingestellt,
sollte der Patient auf eine remissionserhaltende Therapie mit Azathioprin oder
MTX umgestellt werden. Bei der EGPA richtet sich die Therapieempfehlung
nach der Prognose. Als prognostisch ungünstig anzusehen ist eine Beteiligung
von ZNS, Gastrointestinaltrakt, Herz und
Niere. Liegt eine gute Prognose vor sollte
eine additive Therapie mit Azathioprin
oder MTX empfohlen werden. Patienten mit schlechter Prognose sollten zur
Remissionsinduktion neben einer Glukokortikoidtherapie eine Cyclophosphamidbolustherapie erhalten. Kontrollierte
Studien zu remissionserhaltenden Therapien liegen bei der EGPA nicht vor.
Prognose
Seit der Einführung der immunsuppressiven Therapie hat sich das Langzeitüberleben von AAV-Patienten kontinuierlich
verbessert. So zeigen einige Kohortenstudien sowohl für GPA/MPA als auch für
die EGPA fallende Mortalitätsraten. Jedoch ist vor allem im ersten Jahr die Mortalität bei AAV-Patienten mit etwa 11 %
deutlich erhöht. Hierbei machen Infektionen unter der remissionsinduzierenden Therapie mit etwa 50 % die Haupttodesursache aus. Die häufig angewandte
starke Immunsuppression wird hier als
mögliche Ursache diskutiert.
Korrespondenzadresse
L. Dittmann
Springer-Verlag GmbH
Tiergartenstr. 17, 69121 Heidelberg,
Deutschland
[email protected]