1 9 Monate medizinische und psychosoziale Versorgung von

9 Monate medizinische und psychosoziale Versorgung von geflüchteten Menschen in der
Kommune Mainz – ein Bericht über bestehende Versorgungslücken
Aktuelle Situation:
In Mainz gibt es 11 kommunale Sammelunterkünfte mit insgesamt ca. 2100 geflüchteten
Menschen, davon sind ca.1/3 Kinder. Mindestens 700 asylsuchende leben in privaten Wohnungen.
A&G hat medizinische Patenschaften mit 7 dieser Unterkünfte (Zwerchallee, Housing-Area, PeterJordan-Schule, Elly-Beinhornstraße, Willy-Quetsch-Straße, Alte Ziegelei, Bretzenheimer-Straße).
Ziel der Patenschaften ist, eine Hilfestellung anzubieten bis zur Integration in das Regelsystem.
Das Angebot vor Ort umfasst:
- wöchentliche Sprechstunden über 2 Stunden mit SozialarbeiterIn, AllgemeinmedizinerIn,
PädiaterIn
- "Frauen für Frauen"-Sprechstunde 1 x/Monat in 2 großen Unterkünften (Zwerchallee, Housing
Area) mit Allgemeinmedizinerin, Gynäkologin, Hebamme, Sozialarbeiterin, Übersetzerin
- Impfaktionen für Kinder- und Erwachsene
- Patientenmappen mit Behandlungsheft, Impfpass und Kommunikationshilfen
- geplant: Infoabende über das deutsche Gesundheitssystem
Beobachtungen von A&G:
Nach 9 Monaten besteht weiterhin ein großer Bedarf unserer Unterstützung in den Unterkünften,
zudem suchen uns zunehmend geflüchtete Menschen in der "Ambulanz ohne Grenzen auf".
Gründe hierfür sind:
- fehlender Krankenbehandlungsschein (noch nicht zugesandt, einbehalten, u.a.)
- Versicherungslücke während des Übergangs in gesetzliche die Krankenkasse
- Verunsicherung der LeistungserbringerInnen (niedergelassene ÄrztInnen und Kliniken); z. T.
werden PatientInnen unbehandelt weggeschickt
- Überforderung Asylsuchender mit aufwendigem Procedere
- Kulturelle Aspekte (z. B. gleichgeschlechtlicher UntersucherIn)
Weitere Beobachtungen:
• Es bestehen häufig Impflücken bei Kindern und Erwachsenen.
• Medizinisch wichtige und genehmigungspflichtige Leistungen werden vom Sozialamt
abgelehnt.
• Es fehlt eine zuverlässige Informationsweitergabe medizinischer Daten zwischen
Erstaufnahmeeinrichtung und kommunaler Weiterbetreuung.
• Unterbringung und Ernährung in Sammelunterkünften sind teilweise aus hygienischer und
ernährungsmedizinischer Sicht nicht tragbar.
• Viele Menschen sind schwer traumatisiert, es besteht dringender Bedarf an
psychotherapeutischer Unterstützung
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Zusammenfassung: Es besteht keine befriedigende medizinische und psychosoziale
Versorgungssituation für geflüchtete Menschen.
Daraus resultieren folgende Gefahren:
- Aggravierung des Leidens bis hin zu akuten Notfällen z.B. durch Behandlungsverzögerung
- Chronifizierung von Schmerzen und Erkrankungen, z. T. mit Beeinträchtigung der
Lebensqualität und Leistungsfähigkeit
- Verbreitung infektiöser Erkrankungen durch geschwächtes Immunsystem, fehlenden Impfschutz
und problematischen Unterbringungsverhältnissen; erhöhte Gefahr, sich bei einheimischer
Bevölkerung anzustecken
- Kostensteigerung aufgrund von Unsicherheit (z. B. nicht indizierte Anforderung des
Rettungsdienstes)
- Erneute Traumatisierung durch Ablehnung / fehlende Integration / unzureichende medizinische
Hilfe
Unsere Forderungen:
 Ein niedrigschwelliger Zugang zu medizinischen Sprechstunden, z. B. durch regelmäßige
allemeinärztliche und pädiatrische Sprechstunden an den Unterkünften mit Dolmetschern und
Sozialarbeitern sowie geschlechtsspezifische Sprechstunden
 Eine zeitnahe Kontrolle und Komplettierung des Impfstatus
 Eine zuverlässige Datenübermittlung zwischen Erstaufnahmeeinrichtung und Kommune
(Impfausweise, Patientenmappe)
 Muttersprachliche Gespräche zur Erfassung von traumatisierten Asylbewerbern und zeitnahe
Behandlung einer posttraumatischen Belastungsstörung.
 Die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte
 Keine Einschränkungen bei medizinisch indizierten Leistungen (Abschaffung des AsylbLG § 4),
die aktuellen Bestimmungen sind nicht menschenrechtskonform
 Ein transparentes Procedere für Asylsuchende und Leistungserbringer; muttersprachliche
Informationsveranstaltungen zum deutschen Gesundheitssystem
 Einhaltung der Hygienestandards in den Sammelunterkünften und kultursensible Ernährung
 Anwendung von Präventions- und Gesundheitsförderungsmaßnahmen
 Integration und Willkommenskultur statt Stigmatisierung und Ausgrenzung
Ansprechpartner für weitere Fragen:
Dr. med. A. Gaida
Tel.: 0157-30021775
[email protected]
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