VON DER WILLKOMMENSKULTUR ZUR ANERKENNUNGSKULTUR ZENTRALE BEFUNDE UND HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN DES PROJEKTS ZUGLEICH – ZUGEHÖRIGKEIT UND GLEICHWERTIGKEIT ZENTRALE BEFUNDE Migration und Integration sind zentrale Die Vielfalts- und Willkommenskul- Die Betonung von Vorrechten jener, gesellschaftliche Herausforderungen, tur findet weniger Zuspruch die ‚schon immer hier waren‘, und der die auch die Zukunft Deutschlands Unter Befragten ohne Migrationshin- Appell zur Rückkehr alter Ordnungen prägen werden. Sie sind Herausforde- tergrund ist die durchschnittliche Be- nimmt zu rung wie Chance für offene demokrati- fürwortung einer Willkommenskultur Migration erzeugt Konflikte. Ein we- sche Gesellschaften. Integration ist ihr von 39,5 Prozent in 2013/14 auf sentlicher Konflikt kann entbrennen, Qualitätsmerkmal. 32,3 Prozent in 2015/16 gesunken. wenn Menschen glauben, ihre Identität So sind es nur noch 43,3 Prozent der und Ressourcen würden durch Migrati- ZuGleich untersucht die Einstellungen Befragten ohne Migrationshintergrund, on gefährdet. 2013/14 hat ZuGleich die der deutschen Bevölkerung zur Inte- die es begrüßen, wenn „sich immer neu erstarkte Betonung von Etablier- gration von Menschen. In den Jahres- mehr Migranten in Deutschland zu tenvorrechten und Forderungen, alte wechseln 2013/2014 und 2015/2016 Hause fühlen“, 2013/14 waren es noch Ordnungen wiederherzustellen, gemes- wurden dazu zwei nach repräsentativen deutlich mehr als die Hälfte. Im Ver- sen. Unter den Befragten hat sich die Kriterien ermittelte Bevölkerungsumfra- gleich dazu befürworten Befragte mit Mahnung von Etabliertenvorrechten gen unter 2.000 bzw. 1.500 Bürgerinnen Migrationsbiografie signifikant häufiger verdreifacht. Zwar bleibt die grund- und Bürgern durchgeführt. Da in diesem eine Willkommenskultur. Ihre durch- sätzliche Anerkennung gleicher Rechte Zeitraum auch die erhöhte Aufnahme schnittliche Zustimmung liegt bei unberührt, doch sinkt die Zustimmung von Geflüchteten stattfand, lässt sich 47,8 Prozent. Vor allem die zunehmen- stark. Auch der Appell zur Rückerobe- ermitteln, welche Niederschläge der de Vielfalt der deutschen Gesellschaft rung alter Ordnungen gewinnt an teils heftigen Debatten um die Fluchtbe- stößt bei ihnen auf viel Zuspruch. Zustimmung. Dabei zeigt sich, dass es wegung sich auch in den Haltungen der nicht nur der Erhalt von Traditionen und deutschen Bevölkerung widerspiegeln. Werten ist, der von den Befragten ohne Migrationshintergrund eingefordert wird, sondern vor allem der öffentliche Raum und die alte Dominanz gegenüber Migrantinnen und Migranten. Verschärfte Einigkeit in der Frage, Die Befürwortung einer Integration Zwischen Akzeptanz und Forde- wann jemand zu Deutschland gehört statt Assimilation ist auch weiterhin rung nach Rückkehr: Meinungen zur Sowohl Befragte mit als auch ohne weit geteilt, die Anpassunsforde- Fluchtbewegungen in 2015/16 Migrationshintergrund sind sich rungen haben hingegen drastisch Aus aktuellem Anlass hat ZuGleich weiterhin einig in den Kriterien der zugenommen einen Fokus auf Meinungen zur Flucht- Zugehörigkeit: Die Beherrschung der ZuGleich misst unterschiedliche Akkul- bewegung gelegt. In Bezug auf die deutschen Sprache sowie Achtung turationsorientierungen – Integration, rechtliche und soziale Akzeptanz von politischer Institutionen sind für über Assimilation, Separation oder Margi- Geflüchteten fallen diese eher positiv 90 Prozent wichtig. Damit haben sich nalisation. Diese Orientierungen zum aus: Der Großteil der Befragten befür- die ‚Mitgliedschaftsbedingungen‘ der Zusammenleben bemessen sich an der wortet das prinzipielle Recht eines je- deutschen Gesellschaft noch einmal Befürwortung von Teilhabe wie der den Menschen auf eine bessere Zukunft deutlich verschärft. Die Bedeutung des Anerkennung kulturelle Identitäten. und die unabhängige Prüfung des Asyls. Geburtslandes oder eine christliche Insgesamt befürworten auch weiterhin Rund zwei Drittel würde darüber hinaus Konfessionszugehörigkeit nimmt hinge- die meisten Befragten die Integration Geflüchtete als Nachbarn genauso wie gen ab. Jede*r Zweite teilt mittlerweile als Akkulturationsstrategie, ihr Zu- andere Menschen akzeptieren. auch die Meinung, dass es wichtig sei, spruch nimmt allerdings ab. Assimilation sich als Deutsche bzw. Deutscher zu oder Separation sind nur für wenige Allerdings prägen auch Ressentiments fühlen. Ebenfalls hohe Zustimmungen eine Option. und Ablehnung die Haltungen: Jede*r Zweite ist für eine Rückführung, sobald erhält die Anerkennung deutscher Werte und Traditionen. Der Prozess der Angleichung an neue sich die Lage der Geflüchteten in den kulturelle Umwelten wird dabei jedoch Herkunftsländern verbessert hat. Wei- immer noch und verstärkt als Ein- terhin teilt fast die Hälfte aller Befrag- bahnstraße betrachtet: Mehr als jede*r ten die Meinung, die Terrorismusgefahr Zweite der Befragten mit und ohne steige mit der Fluchtbewegung und Migrationshintergrund fordert mitt- mehr als ein Drittel sieht Deutschlands lerweile, Migrantinnen und Migranten allgemeine Zukunft gefährdet. sollten sich an Deutsche anpassen, in 2013/14 war es noch jede*r Dritte. FAZIT UND HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN Insgesamt weist die Studie auf hohe Orte der Begegnung Ankommens- und Anerkennungs- Hürden der Gestaltung einer Migrati- Erstens akzeptieren auf einer formal kultur onsgesellschaft hin. Die Mahnung nach rechtlichen Ebene mehr Menschen die Drittens ist die Befürwortung einer Besitz- und Statuswahrung sowie die ‚Neuen‘ und weisen sie als Nachbarn Willkommenskultur zurückgegangen, Illusion, zu althergebrachten Traditio- nicht ab. Allerdings mahnen sie dabei das Konzept selbst hat sich jedoch als nen und Vormachtstellungen jener, die Vorrechte an und meinen, im öffent- Leit- wie eben auch Zerrbild etabliert. immer schon da waren, zurückzukeh- lichen Raum müssten auch die alten Das ist für eine Einwanderungsgesell- ren, sind hoch; auch Migrantinnen und Ordnungen wieder verstärkt abzulesen schaft eine Chance: Mit Willkommen Migranten 2. und 3. Generation prokla- sein. Seine Gestaltung wird bedeuten- können die Befragten mühelos etwas mieren zunehmend Vorrechte. Doch der und die Aushandlung darüber, wie anfangen. Dies wird aber nicht reichen. bei allen Auseinandersetzungen hat er von wem genutzt werden darf, nicht Um den Rückgang in der positiven die Migration der Geflüchteten auch nur im Ton schärfer. Dieser Raum, in Haltung aufzuhalten, sollten zwei Inte- positive Auswirkungen gezeigt, an dem auch konkret die Integration oder grationskulturen gefördert werden, die die eine Gestaltung von Gesellschaft Ausgrenzung stattfindet und erlebt als Werte- und Normgerüst wie auch ansetzen kann. wird, lässt sich aber auch gestalten: Praxis zu verstehen sind. Es braucht Zum Beispiel, indem Orte, an denen eine Ankommenskultur, das zivilgesell- Geflüchtete untergebracht sind, zu schaftliche Engagement und die Akzep- Orten der Begegnung statt des Kon- tanz von Migration. Die Ergebnisse von flikts werden. Hierfür braucht es jedoch ZuGleich zeigen deutlich, wie hilfreich eine Politik und Akteur*innen, die die die Befürwortung einer Willkommens- Herausgeber Stärkung demokratischer Strukturen im kultur ist. Sie ist eine neue Chance, das Prof. Dr. Andreas Zick + Madlen Preuß, MA sozialen Raum fördern. Zusammenleben in der Migrationsgesellschaft Deutschland zu gestalten. Universität Bielefeld IKG – Institut für interdisziplinäre Integration Mit dem Rückgang der Fluchtmigration Konflikt- und Gewaltforschung Zweitens ist der Anteil der Befragten, besteht nicht nur die Möglichkeit, die Universitätsstraße 25 die das Integrationskonzept befürwor- freien Kapazitäten des Engagements in 33615 Bielefeld ten, auch weiterhin hoch. Zwar ist der eine Anerkennungskultur für Geflüch- Tel.: +49 521 106 3211 Anteil zurückgegangen, zugleich ist aber tete zu überführen. Eine Anerkennung [email protected] auch die Zahl der „Unentschiedenen“ und Akzeptanz von Migration wird auch [email protected] leicht gestiegen. Sie könnten durch eine die ‚alten‘ Einwanderungsgenerationen klare Vermittlung, was Integration im einbeziehen, die in diesem Rahmen Alltag bedeutet, gewonnen werden. bisher nur wenig Beachtung erhielten. Stiftung Mercator Huyssenallee 40 Beide Kulturen, die des Ankommens 45128 Essen und die der Anerkennung, können ent- Tel.: +49 201 24522 20 wickelt werden, wie aktuelle innovative [email protected] Programme zur Gestaltung von sozialen Räumen und Unterkünften zeigen. Dazu müssen jedoch und immer wieder ZuGleich ist ein Projekt des Instituts für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld, gefördert von der Stiftung Mercator. Vorurteile, die jeder Bemühung entgegenstehen, abgebaut werden.
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