Lösung - Juristische Fakultät

Juristische Fakultät
Konversatorium zum Bürgerlichen Recht IIa
Vertragliche Schuldverhältnisse
Sommersemester 2016
Fall 5.1
K einigt sich mit V über den Kauf von dessen gebrauchtem Opel Calibra zum Preis von 2.000
€. K soll das Fahrzeug in einer Woche abholen. Einen Tag nach der Einigung rempelt ein
Unbekannter den PKW mit seinem Fahrzeug an, sodass die Stoßstange irreparabel
beschädigt wird, auf einer Seite leicht herabhängt und damit keinen Aufprallschutz mehr bietet.
Ein Ersatzteil ist auch nicht zu bekommen, da es sich bei dem Fahrzeug um ein Sondermodell
handelt, für das die entsprechenden Teile nicht mehr verkauft werden. V hat davon nichts
mitbekommen. Da V kein Automobilfachmann ist, fällt ihm die Beschädigung auch nicht auf.
Am Tag nach der Übergabe bemerkt K, der zuvor das Vorliegen leicht fahrlässig verkannte,
aber den Schaden. K hätte seinem Bekannten B den Wagen für 2.500 € weiterverkaufen
können, da B ein leidenschaftlicher Sammler dieser Fahrzeuge ist. B hat nun aber kein
Interesse mehr an dem „verunfallten“ Fahrzeug. K möchte nun von V Ersatz für den
entgangenen Gewinn in Höhe von 500 €. Das Auto möchte er aber nun doch behalten, da er
beschließt, es selbst zu fahren.
Kann K von V Ersatz in Höhe von 500 € wegen des unterbliebenen Verkaufs verlangen?
Lösung:
Anspruch des K
Anspruch aus §§ 437 Nr. 3 i.V.m. 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 Satz 1 BGB
K könnte gegen V einen Anspruch auf Ersatz des entgangenen Gewinns i.H.v. 500 € aus §§
437 Nr. 3 i.V.m. 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 Satz 1 BGB haben. Der betreffende
Sekundäranspruch auf Schadensersatz statt der Leistung müsste zunächst wirksam
entstanden sein.
I.
Anwendbarkeit des Mängelgewährleistungsrechts, §§ 437 ff. BGB
1.
Kaufvertrag, § 433 BGB
Damit die gewährleistungsrechtlichen Regelungen der §§ 437 ff. BGB überhaupt eingreifen
können, müssten K und V zunächst einen wirksamen Kaufvertrag geschlossen haben. K hat
sich mit V darüber geeinigt, den Wagen zu einem bestimmten Preis zu kaufen. Damit haben
K und V einen Kaufvertrag i.S.v. § 433 BGB geschlossen, wodurch sich V zunächst zur
Übergabe und Übereignung der Kaufsache an K verpflichtet hatte.
2.
Sachmangel im Zeitpunkt des Gefahrübergangs, § 434 BGB
Zudem müsste im Zeitpunkt des Gefahrübergangs ein Sachmangel i.S.v. § 434 BGB
vorgelegen haben.
a.
Sachmangel, § 434 BGB
Die für die Bestimmung des Vorliegens eines Sachmangels maßgebliche
Grunddefinition des § 434 Abs. 1 BGB folgt im Ausgangspunkt einem subjektiven
1 Juristische Fakultät
Konversatorium zum Bürgerlichen Recht IIa
Vertragliche Schuldverhältnisse
Sommersemester 2016
Fehlerbegriff. Nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB ist die Kaufsache vorrangig dann als
mangelfrei anzusehen, wenn sie die vereinbarte Beschaffenheit hat. Bestehen wie im
vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte für eine konkrete Beschaffenheitsvereinbarung,
weil die Parteien über bestimmte Eigenschaften des Vertragsgegenstandes nicht explizit
gesprochen haben, sind subsidiär § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 BGB in
entsprechender Reihenfolge zu prüfen. Die Sache muss sich, damit Mangelfreiheit
bejaht werden kann, für die im Vertrag vorausgesetzte oder, falls eine konkrete, ggf. von
der üblichen Art der Verwendung abweichende Verwendung nicht Gegenstand der
Absprache war, für die gewöhnliche Verwendung eignen und die übliche Beschaffenheit
aufweisen, die der Käufer nach Art der Sache erwarten kann.
Die Parteien haben sich ausdrücklich weder über eine konkrete Beschaffenheit noch
über eine bestimmte Art der Verwendung geeinigt. Käufer und Verkäufer gingen aber
wohl im Ergebnis beide davon aus, dass der Wagen keine Mängel aufwies. Würde man
dies jedoch als konkludente Beschaffenheitsvereinbarung auslegen, hätte § 434 Abs. 1
Satz 2 Nr. 2 BGB fast keinen Anwendungsbereich mehr. Dies zeigt, dass die reguläre,
übliche Beschaffenheit regelmäßig kein Teil der Parteivereinbarung ist, sondern explizite
Anhaltspunkte vorliegen müssen, damit eine entsprechende Vereinbarung bejaht
werden kann. Eine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung liegt nicht vor.
Es könnte jedoch ein Sachmangel i.S.v. § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB vorliegen. Ein
Pkw, der aufgrund einer Beschädigung der Stoßstange keinerlei Aufprallschutz bietet,
kann nicht mehr als hinreichend verkehrssicher angesehen werden. Auf einen
entsprechenden Vorschaden i.R.d. Vertragsschlusses ist nicht ausdrücklich
hingewiesen worden (sog. negative Beschaffenheitsvereinbarung)., Auch wenn es sich
vorliegend um einen Gebrauchtwagen handelt, bei dem schon nach der Art der Sache
mit gewissen Gebrauchsspuren zu rechnen ist, eignet der Calibra sich angesichts der
erheblichen Beschädigung der Stoßstange weder für die gewöhnliche Verwendung, den
– sicheren – Einsatz im Straßenverkehr, noch weist er diejenige Beschaffenheit auf, die
der Käufer von ihm erwarten darf. Ein Sachmangel gem. § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB
ist damit gegeben.
b.
Gefahrübergang, §§ 446 f. BGB
Dieser Sachmangel müsste bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorgelegen
haben.
Anmerkung: Beim Kaufvertrag gehen sowohl Leistungsgefahr (= Risiko des Verkäufers,
bei Untergang der Kaufsache ohne zusätzliche Gegenleistung nochmals leisten zu
müssen) als auch Preisgefahr (= Risiko des Käufers, trotz Untergang der Kaufsache den
Kaufpreis an den Verkäufer zahlen zu müssen, ohne nochmalige Leistung verlangen zu
können) grundsätzlich im Zeitpunkt der Übergabe der Kaufsache vom Verkäufer auf den
Käufer über, vgl. § 446 Satz 1 BGB.
Fraglich ist, ob die hier in Rede stehende Leistungsgefahr bereits übergegangen ist. Da
Preisgefahr und Leistungsgefahr grundsätzlich gleichzeitig übergehen, sind vorliegend
die §§ 446 Satz 3, 447 Abs. 1 BGB als Anhaltspunkte für den Übergang der
Leistungsgefahr zu berücksichtigen. Die Leistungsgefahr könnte somit ausnahmsweise
auch zu einem früheren Zeitpunkt als dem der Übergabe übergegangen sein, vgl. §§
2 Juristische Fakultät
Konversatorium zum Bürgerlichen Recht IIa
Vertragliche Schuldverhältnisse
Sommersemester 2016
447 Abs. 1 oder 446 Satz 3 BGB. Vorliegend handelt es sich entsprechend dem
gesetzlichen Regelfall des § 269 Abs. 1 BGB, um eine Holschuld (K sollte das Fahrzeug
absprachegemäß eine Woche nach Vertragsschluss bei V abholen). § 447 Abs. 1 BGB,
der für den Fall eines sog. Versendungskaufs einen vorgezogenen Gefahrübergang
regelt, verlangt aber gerade die Vereinbarung einer Schickschuld auf Veranlassung des
Käufers hin, so dass diese Norm keine Anwendung finden kann. Auch für das Vorliegen
eines in § 446 Satz 3 BGB der Übergabe gleichgestellten Annahmeverzugs des K (§§
293 ff. BGB) bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Die Abholung sollte
vereinbarungsgemäß gerade erst einige Tage nach der möglicherweise
mangelbegründenden Beschädigung des Pkw erfolgen. Als dies schließlich tatsächlich
geschah, war die Stoßstange bereits beschädigt. Mithin war der Calibra im Zeitpunkt des
Gefahrübergangs bereits mit dem Mangel behaftet.
3.
Kein Ausschluss der Mängelgewährleistung
Die Mängelgewährleistung war vorliegend weder aufgrund eines vertraglichen Haftungsausschlusses (§ 444 BGB) noch im Hinblick auf eine positive Kenntnis oder grob fahrlässige
Unkenntnis des Käufers – laut Sachverhalt verkennt K den Mangel nur leicht fahrlässig - bzgl.
des Mangels im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (§ 442 Abs. 1 BGB) ausgeschlossen.
4.
Zwischenergebnis
Die grundsätzliche Anwendbarkeit mängelgewährleistungsrechtlicher Ansprüche gem. §§ 437
ff. BGB ist gegeben.
II.
Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs gem. §§ 437 Nr. 3 i.V.m. 280
Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB
1.
Bestimmung der Anspruchsgrundlage
Anmerkung: Im Rahmen der kaufrechtlichen Mängelgewährleistung gilt nach der gesetzlichen
Wertung der Vorrang der Nacherfüllung. Danach erhält der Verkäufer grundsätzlich eine
zweite Chance, um sich durch Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten den vereinbarten
Kaufpreis doch noch zu verdienen. Der Nacherfüllungsanspruch hat also grundsätzlich, soweit
er nicht unmöglich ist, Vorrang vor dem Recht zu mindern, zurückzutreten und Schadensersatz
zu verlangen. Umgesetzt wird dieser Vorrang durch das durchgehende Erfordernis der
Fristsetzung, die dem Verkäufer die entsprechende Möglichkeit einräumt, die Nacherfüllung
zu erbringen. Zwischen den in § 437 Nr. 2 und Nr. 3 BGB geregelten Ansprüchen und
Gestaltungsrechten besteht dagegen keine Rangfolge. Vielmehr können etwa
Schadensersatz und Rücktritt grundsätzlich auch nebeneinander geltend gemacht werden (so
ausdrücklich § 325 BGB).
K möchte Ersatz in Geld für den entgangenen Gewinn. Die Sache möchte er aber behalten.
Rücktritt und Minderung entsprechen daher nicht seinem Interesse und scheiden somit – von
der Rechtsfolge her betrachtet – aus. Als Anspruchsgrundlagen für einen Schadensersatz
kommen im Grundsatz §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB, §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281
Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BGB und §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 Satz 1 BGB in Betracht.
3 Juristische Fakultät
Konversatorium zum Bürgerlichen Recht IIa
Vertragliche Schuldverhältnisse
Sommersemester 2016
a.
Abgrenzung Schadensersatz statt und neben der Leistung
Voneinander abzugrenzen sind dabei in einem ersten Schritt der Schadensersatz statt
und der Schadensersatz neben der Leistung.
Die Wahl der Anspruchsgrundlage richtet sich danach, ob der Schaden, den der
Gläubiger ersetzt verlangt, auch im Falle einer hypothetisch vorgenommenen
Nacherfüllung zum letztmöglichen Zeitpunkt fortbestehen würde (dann Schadensersatz
neben der Leistung nach § 280 Abs. 1 BGB oder §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB) oder
entfallen wäre (dann Schadensersatz statt der Leistung gem. §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281
Abs. 1 BGB, §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 282 BGB, §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 Satz 1 BGB
oder § 311a Abs. 2 Satz 1 BGB). Schäden, die entfielen, wenn korrekt geleistet worden
wäre, sind i.R.d. Schadensersatzes statt der Leistung ersatzfähig. Endgültig
eingetretene Schäden, also solche, die auch bei ordnungsgemäßer Nacherfüllung
entstanden wären, unterfallen dagegen dem Schadensersatz neben der Leistung.
Maßgeblich ist insoweit, dass der Schadensersatz an die Stelle der Nacherfüllung tritt,
also gerade deshalb anfällt, weil die Nacherfüllung unterblieben ist.
Anmerkung: Grundsätzlich wird also durch den Schadensersatz statt der Leistung das
Äquivalenzinteresse geschützt, durch den Schadensersatz neben der Leistung das
Integritätsinteresse. Der Schadensersatz statt der Leistung gilt also für
leistungsbezogene Schäden, der Schadensersatz neben der Leistung für Schäden, die
außerhalb der geschuldeten Leistung liegen. Der Bundesgerichtshof hat sich vor dieser
Überlegung auch von der hier vertretenen Formel gelöst und will die Abgrenzung nur
nach den Interessen bestreiten. Dies erweist sich aber als kaum durchführbar, da
regelmäßig gerade auch beim Integritätsinteresse ebenfalls das Äquivalenzinteresse
betroffen ist. Um eine klare Unterscheidung zu ermöglich, ist es empfehlenswert, an der
vorgestellten Formel festzuhalten
K hätte den Pkw gewinnbringend weiterveräußern können. Laut Sachverhalt möchte K
die Differenz zwischen den ihm entgangenen Einnahmen und dem zwischen ihm und V
vereinbarten Kaufpreis i.H.v. 500 € ersetzt haben.
Wäre ein Nacherfüllungsanspruch des K nicht wegen Unmöglichkeit ausgeschlossen
(hypothetische Betrachtung) und hätte V diesen rechtzeitig erfüllt, hätte K den Wagen
planmäßig weiterveräußern und einen entsprechenden Gewinn erzielen können. Bei
dem von K geltend gemachten Anspruch handelt es sich mithin um einen Anspruch auf
Schadensersatz statt der Leistung.
b.
Abgrenzung der Anwendungsbereiche von § 281 BGB und § 283 BGB
Weiter ist danach zu fragen, ob vorliegend § 281 BGB oder § 283 BGB in Ergänzung zu
§ 280 Abs. 1, Abs. 3 BGB heranzuziehen ist.
Beide Vorschriften regeln Ansprüche auf Schadensersatz statt der Leistung. § 281 BGB
erfasst Schäden, die eintreten, weil der Schuldner nicht oder nicht wie geschuldet leistet.
Das „Nichtleisten“ meint das endgültige Ausbleiben der Leistung. Das „Nicht-wiegeschuldet-leisten“ meint Fälle der Schlechtleistung.
4 Juristische Fakultät
Konversatorium zum Bürgerlichen Recht IIa
Vertragliche Schuldverhältnisse
Sommersemester 2016
Zwar käme hier im Grundsatz beides in Betracht, wenn man sich vor Augen hält, dass V
einerseits seine Verpflichtung zu Übergabe und Übereignung der Kaufsache in
sachmangelfreiem Zustand, wie sie sich aus § 433 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB ergibt,
niemals erfüllt hat (= Nichtleistung), andererseits aber doch ein – wenn auch
mängelbehaftetes – Kfz geliefert hat (= Schlechtleistung; s. o.). Jede Schlechtleistung
kann auch als Nichtleistung der gesamten Pflicht betrachten werden. Für eine
Nichtleistung muss daher eine vollständige Nichtleistung vorliegen. Wird ein Teil der
Leistung erbracht, liegt eine Schlechtleistung vor. In Abgrenzung zu § 283 BGB setzt die
Heranziehung von § 281 BGB allerdings stets die willentliche Nichtleistung voraus. Ist
die Leistung unmöglich, ist § 283 BGB die speziellere Norm, so dass diese vorrangig
anzuwenden ist.
Anmerkung: § 283 BGB ist gegenüber § 281 BGB spezieller, da er Fälle regelt, in denen
gerade deshalb nicht geleistet wird, weil die Leistung nicht möglich ist.
Auch § 311a Abs. 2 BGB erfasst einen Fall des Schadensersatzes statt der Leistung bei
Unmöglichkeit. Da § 437 Nr. 3 BGB auch auf diese Norm verweist, könnte überlegt
werden, ob das nicht die passende Norm wäre. Schließlich liegt die Unmöglichkeit der
Nacherfüllung ja schon beim Entstehen des Nacherfüllungsanspruchs vor.
Allerdings kommt es für § 311a Abs. 2 BGB auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses
an, nicht auf den Zeitpunkt des Entstehens des (Nacherfüllungs-)Anspruchs. Das zeigt
schon die Überschrift des § 311a BGB. Im vorliegenden Fall ist die Stoßstange zwar vor
Entstehen des Nacherfüllungsanspruchs, aber erst nach Vertragsschluss beschädigt
worden. Zu diesem Zeitpunkt ist Unmöglichkeit eingetreten. Allein darauf kommt es an.
Liegt der Eintritt der Unmöglichkeit der Nacherfüllung vor Vertragsschluss, richtet sich
der Schadensersatz nach §§ 437 Nr. 3, 311a Abs. 2 BGB. Liegt er erst nach
Vertragsschluss, aber vor Entstehen des Nacherfüllungsanspruchs, richtet er sich nach
§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, 3, 283 BGB.
Vertragsschluss
Unmöglichkeit
Lieferung
angedachte
Nacherfüllung
 Schadensersatz wegen Unmöglichkeit der Nacherfüllung gem. §§ 437 Nr. 3, 280,
Abs. 1, 3, 283 BGB
Unmöglichkeit
Vertragsschluss
Lieferung
angedachte
Nacherfüllung
 Schadensersatz wegen Unmöglichkeit der Nacherfüllung gem. §§ 437 Nr. 3, 311a
Abs. 2 BGB
5 Juristische Fakultät
Konversatorium zum Bürgerlichen Recht IIa
Vertragliche Schuldverhältnisse
Sommersemester 2016
Als Unmöglichkeit i.S.v. § 275 Abs. 1 BGB bezeichnet man die dauerhafte
Nichterbringbarkeit der Leistung.
Anmerkung: Bei Vorliegen eines Sachmangels im Zeitpunkt des Gefahrübergangs setzt
sich der ursprüngliche Erfüllungsanspruch grundsätzlich zunächst in einem sog.
Nacherfüllungsanspruch fort. Gem. §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 BGB kann der Käufer,
vorrangig vor der Geltendmachung möglicher Sekundäransprüche auf Schadensersatz
oder Rückgewähr der Leistung nach Rücktritt vom Vertrag, nach seiner Wahl die
Beseitigung des Mangels (sog. Nachbesserung) oder die Lieferung einer mangelfreien
Sache (sog. Nachlieferung) verlangen. Nach der grundlegenden Wertentscheidung des
Gesetzgebers muss K dem V zunächst das sog. „Recht zur zweiten Andienung“
gewähren. Es besteht mit anderen Worten ein grundsätzlicher Vorrang der
Nacherfüllung vor den anderen Mängelrechten.
Die sofortige Geltendmachung der anderen Ansprüche käme nur dann in Betracht, wenn
der Nacherfüllungsanspruch insgesamt nach § 275 Abs. 1-3 BGB ausgeschlossen oder
aufgrund einer wirksamen Erhebung der Unverhältnismäßigkeitseinreden des § 439
Abs. 3 BGB nicht durchsetzbar wäre.
aa.
Nachbesserung, § 439 Abs. 1 Alt. 1 BGB
Der Schaden am Fahrzeug kann tatsächlich nicht mehr durch eine Ausbesserung
der beschädigten Stoßstange behoben werden und auch der Einbau einer intakten
Stoßstange kommt mangels Verfügbarkeit eines entsprechenden Ersatzteils nicht
in Betracht. Eine Nacherfüllung in der Variante der Nachbesserung ist also gem. §
275 Abs. 1 Alt. 2 BGB ausgeschlossen. Das betreffende Leistungshindernis ist erst
nach Vertragsschluss entstanden, so dass ein Fall der nachträglichen objektiven
Unmöglichkeit der Leistung vorliegt. § 311 a Abs. 2 BGB, der Fälle der
anfänglichen Unmöglichkeit erfasst, ist daher nicht einschlägig. Ist eine Art der
Nacherfüllung, wie vorliegend, gem. § 275 BGB wegen Unmöglichkeit
ausgeschlossen, beschränkt sich der Nacherfüllungsanspruch infolgedessen auf
die verbleibende Alternative.
bb.
Nachlieferung, § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB
K könnte demnach vorrangig zunächst nur die Lieferung einer mangelfreien
Ersatzsache gem. § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB verlangen. Fraglich ist jedoch, ob eine
Nachlieferung vorliegend überhaupt möglich oder ob die Leistungspflicht
diesbezüglich nicht vielmehr ebenfalls gem. § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen ist.
Vorliegend handelt es sich bei dem Calibra um einen Gebrauchtwagen. Beim Kauf
eines gebrauchten Einzelstücks kann zunächst grundsätzlich von der
Vereinbarung einer Stückschuld ausgegangen werden. Das Schuldverhältnis
beschränkt sich demnach im Ausgangspunkt von Beginn an auf die Lieferung des
konkreten Einzelgegenstands. Ob der Verkäufer nichtsdestotrotz die Möglichkeit
hat, seine Leistungspflicht durch Übergabe und Übereignung eines hinsichtlich
6 Juristische Fakultät
Konversatorium zum Bürgerlichen Recht IIa
Vertragliche Schuldverhältnisse
Sommersemester 2016
Modell und Ausstattung identischen Gattungsstücks in entsprechendem Zustand
zu erfüllen, ist dennoch nicht unumstritten.
Nach einer zum Teil in der Literatur vertretenen Auffassung soll eine
Ersatzlieferung
angesichts
des
Stückschuldcharakters
der
Übereignungsverpflichtung von vorneherein ausgeschlossen sein. Die
Nacherfüllungspflicht als fortgesetzter Erfüllungsanspruch könne nicht weiter
gehen als der ursprünglich vereinbarte Vertragsinhalt.
Die Gegenauffassung will einen Nachlieferungsanspruch bei Stückschulden dann
bejahen, wenn es sich bei dem geschuldeten Gegenstand um eine vertretbare
Sache i.S.d. § 91 BGB handelt oder trotz Vereinbarung eines Stückkaufs
„funktionelle Vergleichbarkeit“ mit einer Gattungsschuld und der damit
verbundenen subjektiven Ersetzbarkeit der Kaufsache gegeben ist.
Eine ähnliche Sichtweise legt der BGH seiner Entscheidung zugrunde: Beim
Stückkauf sei die Ersatzlieferung nicht von vorneherein ausgeschlossen. Die
Nacherfüllung solle dann in Betracht kommen, wenn die mangelhafte Sache durch
eine „gleichartige und gleichwertige, mangelfreie Sache ersetzt werden kann“.
Maßgeblich für die Beurteilung dieser Frage sei der durch Auslegung zu
ermittelnde Wille der Vertragsparteien bei Vertragsschluss.
Eine Ersetzbarkeit in diesem Sinne soll jedoch nach der vom BGH vertretenen
Auffassung gerade nicht gegeben sein, soweit sich der Kaufvertrag auf eine ganz
bestimmte gebrauchte Sache bezog, insbesondere falls diese im Vorfeld vom
Käufer besichtigt wurde. Dem ist für die vorliegende Sachverhaltskonstellation
insoweit zuzustimmen, als jeder Gebrauchtwagen gegenüber anderen
Gebrauchtwagen spezifische Abnutzungserscheinungen, Ausstattungsmerkmale
sowie eine unterschiedliche Geschichte aufweist. Dies spricht gegen eine
generelle Austauschbarkeit in den Augen der Beteiligten vor allem dann, wenn
zusätzlich eine Inaugenscheinnahme der Kaufsache erfolgte.
Fraglich ist, zu welcher Lösung die in der Literatur vertretenen Auffassungen
kommen. Gebrauchtwagen werden in der Regel gerade nicht nach Zahl, Maß oder
Gewicht bestimmt, sondern individuell nach einzelnen Merkmalen gehandelt, so
dass es sich nicht um vertretbare Sachen handelt. Der Wagen ist auch gerade ein
spezifisches Sondermodell, so dass das Vorliegen eines funktionell vergleichbaren
zweiten Wagens generell unwahrscheinlich ist. Überdies hat K den Wagen
besichtigt und sich im Einzelfall für diesen entschieden. Ihm kann daher nicht der
Wille unterstellt werden, auch einen anderen Wagen zu akzeptieren. Auch nach
den in der Literatur vertretenen Ansichten scheidet die Nachlieferung aus.
V war weder eine Leistung des mangelfreien Fahrzeugs noch eine ordnungsgemäße
Nacherfüllung durch Behebung des Mangels oder Lieferung einer Ersatzsache möglich
(§ 275 Abs. 1 BGB). Daher ist auf § 283 BGB zurückzugreifen. Anspruchsgrundlage sind
also die §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 Satz 1 i.V.m. § 437 Nr. 3 BGB. Fraglich ist, ob deren
Anspruchsvoraussetzungen vorliegt.
7 Juristische Fakultät
Konversatorium zum Bürgerlichen Recht IIa
Vertragliche Schuldverhältnisse
Sommersemester 2016
2.
Schuldverhältnis, § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB
Voraussetzung für das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs ist gemäß der zentralen
Grundnorm des § 280 Abs. 1 BGB zunächst das Vorliegen eines Schuldverhältnisses. K und
V haben einen wirksamen Kaufvertrag über den Opel Calibra abgeschlossen (s. o.). Ein
Schuldverhältnis i.S.d. § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB ist damit gegeben.
3.
Pflichtverletzung, § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB
V müsste zudem eine Pflicht verletzt haben. Als solche kommen grundsätzlich Nicht-, Spätoder Schlechtleistung in Betracht. Mit Abschluss des Kaufvertrages hat er sich zur Übergabe
und Übereignung des Calibra verpflichtet (§ 433 Abs. 1 S. 1 BGB).
Der Nacherfüllungsanspruch ist sowohl in der Alternative einer Nachbesserung als auch der
einer Nachlieferung gem. § 275 Abs. 1 Alt. 2 BGB ausgeschlossen (s.o.). Demnach ist eine
Pflichtverletzung aufgrund der Unmöglichkeit der Leistung zu bejahen.
4.
Vertretenmüssen, § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB
V müsste die Pflichtverletzung zu vertreten haben. Den Maßstab für das Vertretenmüssen
bilden dabei die Regelungen der §§ 276 ff. BGB. Gem. § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB hat der
Schuldner grundsätzlich für Vorsatz und Fahrlässigkeit einzustehen.
a.
Anknüpfungspunkt für das Vertretenmüssen bei Unmöglichkeit der
Nacherfüllung
Der Bezugspunkt des Vertretenmüssens im Rahmen des §§ 437 Nr. 3, 283 Satz 1 BGB
ist die Unmöglichkeit der Nacherfüllung. Der Schadensersatzanspruch statt der Leistung
wegen nachträglicher Unmöglichkeit entsteht erst dann, wenn die Nacherfüllungspflicht
gemäß §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 BGB unmöglich wird. Demnach kommt es für die
Beurteilung des Vertretenmüssens darauf an, ob der Verkäufer diese Pflichtverletzung,
die zum Ausfall der Leistung geführt hat, zu vertreten hat. In der Folge ist entscheidend,
ob der Verkäufer die Gründe, die zur Unmöglichkeit der Nacherfüllung geführt haben, zu
vertreten hat. Es genügt also für den Schadensersatzanspruch statt der Leistung nach
§§ 437 Nr. 2, 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 Satz 1 BGB gerade nicht, dass der Verkäufer die
Lieferung der mangelhaften Sache zu vertreten hat.
Anmerkung: Soweit der Schuldner allerdings die Lieferung der mangelhaften Sachen zu
vertreten hat, kommt selbstverständlich ein eigenständiger Schadensersatz nach §§ 437
Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB oder §§ 437, Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB in Betracht.
Allerdings bestehen hierfür keine Anhaltspunkte.
8 Juristische Fakultät
Konversatorium zum Bürgerlichen Recht IIa
Vertragliche Schuldverhältnisse
Sommersemester 2016
b.
Vertretenmüssen des V im konkreten Fall
V hat die den Eintritt der Unmöglichkeit begründenden Umstände vorliegend weder
bewusst herbeigeführt noch bestehen Anhaltspunkte dafür, dass er es in fahrlässiger
Weise unterlassen hat, eine Beschädigung des Pkw zu verhindern. Auch hat er kein
Beschaffungsrisiko gem. § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB übernommen, sodass er dafür, dass
entsprechende Ersatzteile im Handel nicht verfügbar sind, nicht einzustehen hat. Ein
kausaler Vorwurf könnte V
schließlich dadurch gemacht werden, dass er
möglicherweise fahrlässig den Mangel vor Lieferung nicht bemerkt hat. Zum einen ist
der Verkäufer jedoch nicht zur Untersuchung der Sache verpflichtet, zum anderen hätte
auch eine Untersuchung der Sache nach dem Unfall an den finanziellen Folgen für K
nichts geändert. Zudem hätte sich eine Untersuchung auch auf die Frage der
Unmöglichkeit nicht mehr ausgewirkt. Ein Vertretenmüssen kann daher nicht
angenommen werden. Auf die Vermutungsregelung des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB kommt
es damit nicht mehr an.
Ergebnis:
Ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gem. §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3,
283 Satz 1 BGB scheidet mangels Vertretenmüssen des V aus.
9 Juristische Fakultät
Konversatorium zum Bürgerlichen Recht IIa
Vertragliche Schuldverhältnisse
Sommersemester 2016
Fall 5.2
Wie Fall 6.1, mit dem Unterschied, dass K das Fahrzeug nicht weiterverkaufen, sondern nur
selbst fahren möchte. Durch die Beschädigung wird der Wert des Wagens um 500 €
gemindert. Es ist davon auszugehen, dass der vereinbarte Kaufpreis in Höhe von 2.000 € dem
tatsächlichen Wert des Wagens vor seiner Beschädigung entsprach.
Kann K von V die Zahlung von 500 € verlangen?
Lösung:
Anspruch des K
A.
Anspruch aus §§ 437 Nr. 3 i.V.m. 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 Satz 1 BGB
K könnte gegen V einen Anspruch auf Ersatz des Minderwertes i.H.v. 500 € aus §§ 437 Nr. 3
i.V.m. 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 Satz 1 BGB haben. Der betreffende Sekundäranspruch auf
Schadensersatz statt der Leistung müsste zunächst wirksam entstanden sein.
I.
Anwendbarkeit des Mängelgewährleistungsrechts, §§ 437 ff. BGB
1.
Kaufvertrag, § 433 BGB
Damit die gewährleistungsrechtlichen Regelungen der §§ 437 ff. BGB überhaupt eingreifen
können, müssten K und V zunächst einen wirksamen Kaufvertrag geschlossen haben. Dies
ist der Fall (s. o.).
2.
Sachmangel im Zeitpunkt des Gefahrübergangs, § 434 BGB
Zudem müsste im Zeitpunkt des Gefahrübergangs ein Sachmangel i.S.v. § 434 BGB
vorgelegen haben. Dieses Erfordernis ist ebenfalls erfüllt (s. o.).
3.
Kein Ausschluss der Mängelgewährleistung
Es liegt ferner weder ein vertraglicher Haftungsausschluss nach § 444 BGB noch ein
gesetzlicher Haftungsausschluss gem. § 442 Abs. 1 BGB vor (s. o.).
4.
Zwischenergebnis
Die grundsätzliche Anwendbarkeit mängelgewährleistungsrechtlicher Ansprüche gem. §§ 437
ff. BGB ist gegeben.
II.
Voraussetzungen des Anspruchs nach §§ 437 Nr. 3 i.V.m.280 Abs. 1, Abs. 3, 283
Satz 1 BGB
1.
Bestimmung der Anspruchsgrundlage
Fraglich ist, ob ein Schadensersatzanspruch statt oder neben der Leistung geltend zu machen
ist. Abzugrenzen ist danach, ob der Schaden, für den Ersatz verlangt wird, im Falle einer
hypothetisch rechtzeitig vorgenommenen Nacherfüllung entfiele (s. o.). Im Falle einer
10 Juristische Fakultät
Konversatorium zum Bürgerlichen Recht IIa
Vertragliche Schuldverhältnisse
Sommersemester 2016
ordnungsgemäßen Nacherfüllung wäre der Wert des Calibra nicht länger in demselben Maße
gemindert gewesen. Vorliegend war ein Nacherfüllungsanspruch des K jedoch sowohl in Form
der Nachbesserung als auch der Nachlieferung wegen Unmöglichkeit der Leistungserbringung
ausgeschlossen (§ 275 Abs. 1 BGB, s. o.). In Betracht käme daher lediglich die
Geltendmachung eines Anspruchs auf Schadensersatz statt der Leistung gem. §§ 280 Abs. 1,
Abs. 3, 283 Satz 1 BGB im Rahmen eines sog. „kleinen Schadensersatzes“. Das Gegenstück
ist der „große Schadensersatz“, also der Anspruch statt der ganzen Leistung, bei der der
Käufer die mangelhafte Sache insgesamt zurückgibt und sein gesamtes Interesse liquidieren
will. Vorliegend geht es K jedoch nur darum, den mangelbedingten Minderwert ersetzt zu
erlangen, so dass nur Schadensersatz statt der Leistung gefordert wird.
Fraglich ist, ob dessen Anspruchsvoraussetzungen vorliegen.
2.
Schuldverhältnis, § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB
In dem zwischen V und K geschlossenen Kaufvertrag liegt ein Schuldverhältnis i.S.d. § 280
Abs. 1 Satz 1 BGB.
3.
Pflichtverletzung, § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB
Der Nacherfüllungsanspruch ist sowohl in Form einer Nachbesserung als auch in Form einer
Nachlieferung gem. § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen. Demnach ist eine Pflichtverletzung
aufgrund der Unmöglichkeit der Leistung zu bejahen (s. o.).
4.
Vertretenmüssen, § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB
Bezüglich dieses Prüfungspunktes ist der Sachverhalt der Abwandlung unverändert zum
Ausgangsfall. Ein Vertretenmüssen kann somit auch in dieser Variante nicht angenommen
werden.
5.
Ergebnis:
Ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gem. §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3,
283 S atz 1 BGB scheidet mangels Vertretenmüssens des V aus.
B.
Anspruch aus §§ 346 Abs. 1 i.V.m. 437 Nr. 2, 441 Abs. 1, Abs. 4 BGB
In Betracht käme aber ein Anspruch auf Rückzahlung des der Wertminderung relativ
entsprechenden, anteiligen Kaufpreises nach Minderung gem. §§ 346 Abs. 1 i.V.m. 437 Nr. 2,
§ 441 Abs. 1, 4 BGB.
I.
Anwendbarkeit des Mängelgewährleistungsrechts, §§ 437 ff. BGB
Das Mängelgewährleistungsrecht ist vorliegend anwendbar (s. o.).
II.
Voraussetzungen der Minderung, §§ 437 Nr. 2, 441 Abs. 1 BGB
1.
Minderungserklärung
11 Juristische Fakultät
Konversatorium zum Bürgerlichen Recht IIa
Vertragliche Schuldverhältnisse
Sommersemester 2016
Bei der Minderung handelt es sich um ein gewährleistungsrechtsspezifisches
Gestaltungsrecht. Dem Gläubiger der Sachleistung (hier K) steht es – bei Vorliegen der
übrigen Voraussetzungen – frei, durch Abgabe einer entsprechenden Gestaltungserklärung
die in § 441 Abs. 3, Abs. 4 BGB normierten Rechtsfolgen herbeizuführen. Mit Ausübung des
Gestaltungsrechts entfällt der Nacherfüllungsanspruch. Spiegelbildlich wird der Käufer von
seiner Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises in anteiliger Höhe entsprechend der auf die
Mangelhaftigkeit zurückzuführenden Wertminderung frei. Hat er die betreffende
Gegenleistung bereits in voller Höhe erbracht, steht ihm ein Anspruch auf Rückgewähr des zu
viel gezahlten Betrages zu, §§ 441 Abs. 4 i.V.m. 346 Abs. 1 BGB. 2.
Minderungsrecht
Gem. § 441 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Käufer die Minderung erklären, „statt zurückzutreten“.
Voraussetzung für die wirksame Ausübung des Minderungsrechts ist mithin das Vorliegen der
Rücktrittsvoraussetzungen, wobei allerdings wegen § 441 Abs. 1 S atz 2 BGB der
Ausschlussgrund des § 323 Abs. 5 S atz 2 BGB keine Anwendung findet. K müsste ein
hypothetisches Rücktrittsrecht zustehen. Ein solches könnte sich vorliegend aus §§ 323, 326
Abs. 5 BGB ergeben. a.
Voraussetzungen des Rücktrittsrechts, §§ 326 Abs. 5, 323 BGB
aa.
gegenseitiger Vertrag
Grundvoraussetzung des Rücktritts nach § 326 Abs. 5 BGB, in dessen Halbsatz 2
eine ergänzende Rechtsgrundverweisung auf das Rücktrittsrecht nach § 323 BGB
geregelt ist, ist das Vorliegen eines gegenseitigen Vertrages, d. h. einer
vertraglichen Vereinbarung, bei der sich die Hauptleistungspflichten der
Vertragspartner in einem Gegenseitigkeitsverhältnis gegenüberstehen (sog.
Synallagma). Dies ist bei einem klassischen Kaufvertrag wie dem vorliegenden der
Fall.
bb.
Rücktrittsgrund
Gem. § 323 Abs. 1 BGB ist Voraussetzung für die wirksame Ausübung des
Rücktrittsrechts zudem, dass der Schuldner die Leistung trotz Fälligkeit (und
Durchsetzbarkeit)
nicht
oder
nicht
wie
geschuldet
erbracht
hat
(=„Pflichtverletzung“). Für § 326 Abs. 5 BGB genügt allerdings nicht jede
Pflichtverletzung, sondern allein eine solche, die im Ausschluss der
Leistungspflicht des Schuldners gem. § 275 Abs. 1-3 BGB liegt. Hier ist der
Anspruch des K auf Nacherfüllung (§§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 BGB) wegen
nachträglicher, objektiver Unmöglichkeit gem. § 275 Abs. 1 BGB vollumfänglich
ausgeschlossen (s. o.). Ein Rücktrittsgrund ist damit gegeben.
cc.
Fristsetzung oder Entbehrlichkeit der Fristsetzung
Die allgemeine Rücktrittsvorschrift des § 323 Abs. 1 BGB setzt zudem im
Grundsatz die erfolglose Bestimmung einer angemessenen Leistungsfrist voraus,
soweit eine Fristsetzung nicht ausnahmsweise nach Maßgabe des § 323 Abs. 2
12 Juristische Fakultät
Konversatorium zum Bürgerlichen Recht IIa
Vertragliche Schuldverhältnisse
Sommersemester 2016
BGB entbehrlich war. K hat dem V vorliegend keine Frist zur Nacherfüllung
gesetzt. Gem. § 326 Abs. 5 Hs. 2 BGB findet § 323 BGB jedoch ausdrücklich „mit
der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass die Fristsetzung entbehrlich ist“.
Dies ist insoweit auch sinnvoll, als der ergebnislose Ablauf der Frist bei Ausschluss
des Leistungsanspruchs wegen Unmöglichkeit vorprogrammiert wäre. Eine
Fristsetzung könnte ihren Zweck, das Recht des Schuldners „zur zweiten
Andienung“ abzusichern, ohnehin nicht erfüllen und würde sich in einem
überflüssigen Formalismus erschöpfen. Einer Fristsetzung bedurfte es im
vorliegenden Fall demnach nicht.
dd.
Keine Anwendung des Ausschlussgrundes gem. § 323 Abs. 5 BGB
(vgl. § 441 Abs. 1 Satz 2 BGB)
§ 323 Abs. 5 Satz 2 BGB sieht für den Rücktritt vom Gesamtvertrag zudem vor,
dass dieser nur dann möglich sein soll, wenn die Pflichtverletzung als „nicht
unerheblich“ einzustufen ist. § 441 Abs. 1 Satz 2 BGB erklärt dieses Erfordernis
im Rahmen der Minderung aufgrund ihres Charakters eines „kleinen Rechts“
(qualitatives Minus zum Rücktritt) für nicht anwendbar. Einer Feststellung der
Nicht-Unerheblichkeit des Mangels bedarf es mithin vorliegend nicht.
III.
Zwischenergebnis
Die erforderlichen Voraussetzungen eines Rücktritts nach § 326 Abs. 5 BGB sind erfüllt. Dem
K steht damit auch ein entsprechendes Minderungsrecht zu, § 441 Abs. 1 S atz 1 BGB. Durch
Abgabe einer auf Minderung des Kaufpreises gerichteten Gestaltungserklärung kann K sich in
anteiliger Höhe des Minderungsbetrages von seiner Verpflichtung zur Zahlung des
Kaufpreises befreien. Soweit er den Kaufpreis bereits vollständig an V gezahlt hat, räumt der
Gesetzgeber ihm in § 441 Abs. 4 S atz 1 BGB die Möglichkeit ein, einen
Rückerstattungsanspruch nach §§ 346 Abs. 1 i.V.m. 441 Abs. 4 S atz 2 BGB in Höhe der
Minderungssumme geltend zu machen.
IV.
Ermittlung des Minderungsbetrags, § 441 Abs. 3 BGB
Der Minderungsbetrag – und damit auch die Höhe des Rückerstattungsanspruchs – ist nach
Maßgabe von § 441 Abs. 3 BGB zu bestimmen. Danach ist „der Kaufpreis in dem Verhältnis
herabzusetzen, in welchem zur Zeit des Vertragsschlusses der Wert der Sache in
mangelfreiem Zustand zu dem wirklichen Wert gestanden haben würde“. Hieraus ergibt sich
folgende Rechenformel für die Ermittlung des geminderten Kaufpreises (x), aus dem sich in
Vergleich mit dem ursprünglichen Kaufpreis wiederum der eigentliche Minderungsbetrag
ergibt:
x=
ä
Da der vereinbarte Kaufpreis i.H.v. 2.000 € hier laut Sachverhalt dem wirklichen Wert des
Fahrzeugs in mangelfreiem Zustand entspricht, ergibt sich ein Wertverhältnis von 1:1.
13 Juristische Fakultät
Konversatorium zum Bürgerlichen Recht IIa
Vertragliche Schuldverhältnisse
Sommersemester 2016
Die mangelhafte Sache ist lediglich 1.500 € wert. Damit beträgt auch der geminderte Kaufpreis
1.500 €. Der Minderungsbetrag entspricht 500 €.
Zum Verständnis ein weiteres Rechenbeispiel:
Eine Sache hat im mangelfreien Zustand den Wert 100 €. Der im Vertrag vereinbarte Kaufpreis
beträgt 150 €. Die Parteien haben sich also auf ein Verhältnis von Wert zu Kaufpreis von 1:1,5
geeinigt. Dieses Verhältnis soll auch nach einer Minderung Bestand haben. Ist die Sache
folglich aufgrund eines Mangels lediglich 30 € objektiv wert, ergibt sich folgende Formel:
=
ä
löst man diese Formel nach (x) auf, ergibt sich Folgendes:
X=
ä
=
= 45
Der geminderte Kaufpreis beträgt also 45 €, der Minderungsbetrag entsprechend 105 €.
Ergebnis:
Vorbehaltlich der Abgabe einer entsprechenden Minderungserklärung gegenüber V kann K
den bereits gezahlten Teilbetrag i. H. v. 500 € erstattet verlangen.
Anmerkung: Bei der Minderung und dem Rücktritt besteht ein wichtiger Unterschied zum
Schadensersatz darin, dass ein Vertretenmüssen nicht erforderlich ist. Von diesen
Mängelrechten kann der Käufer also unabhängig von der Verantwortlichkeit des Verkäufers
für die Pflichtverletzung Gebrauch machen. Das leuchtet aber auch deshalb ein, weil die
Geltendmachung eines Schadensersatzes es dem Käufer ermöglicht, einen Ausgleich zu
erhalten, der über das als Gegenleistung Vereinbarte hinausgeht. Beim Rücktritt und bei der
Minderung wird er nur insoweit schadlos gestellt, wie seine Gegenleistungspflicht
verhältnismäßig zum tatsächlichen Wert der durch Gestaltungsrecht beseitigten
Leistungspflicht des Vertragspartners entfällt. Wirtschaftlich ist jedoch stets abzuwägen, ob die
Minderung oder „kleiner“ Schadensersatz geltend gemacht werden soll. Ja nach dem
Verhältnis von Kaufpreis und wahrem Wert der Sache kann das eine oder das andere für den
Käufer von Vorteil sein.
14 Juristische Fakultät
Konversatorium zum Bürgerlichen Recht IIa
Vertragliche Schuldverhältnisse
Sommersemester 2016
Fall 5.3
Wie Fall 6.2, mit dem Unterschied, dass nicht die Stoßstange defekt ist, sondern der Wagen
Öl verliert, was an einer leckenden Dichtung liegt. Diese könnte problemlos getauscht werden.
Allerdings hat zuvor der Wagen schon Öl in der Garage des K verloren, wodurch diesem
Reinigungskosten in Höhe von 50 € entstanden sind. V hatte zuvor aus den Werkstattberichten
des Fahrzeuges gesehen, dass die Dichtung bereits vor 20.000 km hätte erneuert werden
müssen.
Kann K die Reinigungskosten in Höhe von 50
Kann K von V das Ersetzen der Dichtung verlangen? €
von
V
ersetzt
verlangen?
Lösung:
Ansprüche des K
A.
Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 437 Nr. 3 i.V.m. 280 Abs. 1 BGB
K könnte gegen V einen Anspruch auf Schadensersatz i.H.v. 50 € wegen der ihm
entstandenen Reinigungskosten haben.
I.
Anwendbarkeit des Mängelgewährleistungsrechts, §§ 437 ff. BGB
Ein Kaufvertrag (§ 433 BGB) wurde mit der zwischen K und V getroffenen Einigung über die
Veräußerung des Pkw geschlossen. Mit Übergabe des Calibra an V gingen sowohl Preis- als
auch Leistungsgefahr auf diesen über (§ 446 Satz 1 BGB). Fraglich ist, ob der Wagen im
relevanten Zeitpunkt des Gefahrübergangs mit einem Sachmangel i. S. v. § 434 Abs. 1 BGB
behaftet war. Da weder Anhaltspunkte für eine ausdrücklich oder konkludent zwischen den
Parteien getroffene, konkrete Beschaffenheitsvereinbarung bestehen, noch bei
Vertragsschluss eine bestimmte, besondere Art der Verwendung zugrunde gelegt worden ist,
liegt ein Sachmangel in Anwendung von § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB dann vor, wenn sich
die Kaufsache nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet oder nicht die übliche, nach Art
der Sache zu erwartende Beschaffenheit aufweist. Zwar war der Wagen fahrtüchtig und wohl
grundsätzlich auch verkehrssicher. Eine defekte Dichtung, die zu einem Ölverlust führt, ist
jedoch, auch für den Fall, dass es sich bei dem betreffenden Pkw um einen Gebrauchtwagen
handelt, als negative Abweichung von der üblichen Beschaffenheit einzuordnen. Ein
Sachmangel ist demnach gegeben. Die Prüfung möglicher Schadensersatzansprüche des K
erfolgt damit auf gewährleistungsrechtlicher Grundlage unter Heranziehung der zentralen
Verweisungsnorm des § 437 Nr. 3 BGB.
II.
Voraussetzungen des Anspruchs nach §§ 437 Nr. 3 i.V.m. 280 Abs. 1 BGB
1.
Bestimmung der Anspruchsgrundlage
Fraglich ist, ob vorliegend ein Schadensersatzanspruch statt oder neben der Leistung
einschlägig ist. Abzugrenzen ist danach, ob der Schaden, für den Ersatz verlangt wird, im Falle
einer hypothetisch vorgenommenen Nacherfüllung zum letztmöglichen Zeitpunkt entfiele
15 Juristische Fakultät
Konversatorium zum Bürgerlichen Recht IIa
Vertragliche Schuldverhältnisse
Sommersemester 2016
(s.o.). Hätte der K nacherfüllt, so würde dies nichts daran ändern, dass der Wagen vor dieser
Nacherfüllung Öl verloren hat. Der Schaden würde durch eine Nacherfüllung nicht entfallen.
Es handelt sich also um einen endgültig eingetretenen Schaden. Dieser ist als Schadensersatz
neben der Leistung gem. §§ 280 Abs. 1 i.V.m. 437 Nr. 3 BGB ersatzfähig.
2.
Schuldverhältnis, § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB
Ein Schuldverhältnis zwischen K und V in Form des wirksam geschlossenen Kaufvertrages (§
433 BGB) liegt vor (s. o.).
3.
Pflichtverletzung, § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB
V müsste zudem eine Pflichtverletzung begangen haben. Zu den vertraglichen
Hauptleistungspflichten des Verkäufers gehört gem. § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB die
Verschaffung der Kaufsache in sach- und rechtsmangelfreiem Zustand. Diese Verpflichtung
hat V verletzt, indem er einen sachmangelhaften Pkw lieferte.
4.
Vertretenmüssen, § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB
V müsste die Pflichtverletzung zu vertreten haben. Fraglich ist, welches Verhalten des
Schuldners i.R.d. gewährleistungsrechtlichen Haftung aufgrund einer Schlechtleistung letztlich
den Anknüpfungspunkt für die Prüfung des Vertretenmüssens bildet. In Betracht käme
diesbezüglich die Lieferung einer mangelhaften Sache sowie die – in der vorliegenden
Konstellation nicht einschlägige – pflichtwidrige Unterlassung der Nachlieferung.
Richtigerweise ist zu verlangen, dass den Schuldner die Verantwortlichkeit für mindestens
einen dieser denkbaren Gründe für die Abweichung vom geschuldeten Leistungsprogramm
trifft. Vorliegend hat V zwar den Schaden an der Dichtung nicht durch eigenes Handeln kausal
herbeigeführt, er hat aber eine Erneuerung der Dichtung unterlassen, obwohl er ausweislich
der Angaben im Sachverhalt schon bei Überprüfung der Werkstattberichte erkannt hatte, dass
die Auswechslung des Dichtungsrings längst überfällig gewesen wäre. Zwar trifft den
Verkäufer keine Untersuchungspflicht für die Kaufsache, erdarf allerdings auch nicht
„sehenden Auges“ den Käufer mit einer mangelhaften Sache belasten. Erkennt er tatsächlich
einen Mangel, muss er diesen beseitigen. V ließ also die im Verkehr erforderliche Sorgfalt
außer Acht und handelte damit fahrlässig. Ein Vertretenmüssen ist daher zu bejahen. Auf die
Vermutungsregelung des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB kommt es insoweit nicht an.
5.
Kausaler Schaden
Zudem müsste K ein Schaden entstanden sein, der ursächlich auf die Pflichtverletzung des V
zurückzuführen ist. Aufgrund der Schlechtleistung seitens des V (s. o.) wurde die Garage des
K mit Öl verschmutzt.
Anmerkung: Irrelevant ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass der Schaden nicht an
der Kaufsache selbst, sondern an einer anderen Sache entstanden ist. Bei der Verschmutzung
der Garage handelt es sich um einen sog. Mangelfolgeschaden.
16 Juristische Fakultät
Konversatorium zum Bürgerlichen Recht IIa
Vertragliche Schuldverhältnisse
Sommersemester 2016
Unter Heranziehung der sog. conditio sine qua non-Formel hätte K ohne die Schlechtleistung
des V keinerlei Vermögenseinbuße erlitten. Der Schaden liegt bereits in der Verschmutzung
der Garage. Die Kosten der Schadensbeseitigung (Reinigung) kann K nach § 249 Abs. 2 BGB
ersetzt verlangen.
Ergebnis:
K kann die ihm entstanden Reinigungskosten i. H. v. 50 € gem. §§ 437 Nr. 3 i.V.m. 280 Abs.
1 BGB ersetzt verlangen.
B.
Anspruch auf Austausch der defekten Dichtung aus §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 Alt.
1 BGB
Fraglich ist, ob K weiter von V verlangen kann, die Dichtung zu tauschen. Im Betracht kommt
vorliegend ein Anspruch auf Nacherfüllung. Liegen dessen Anspruchsvoraussetzungen vor,
kann der Käufer nach seiner Wahl die Beseitigung des Schadens durch Nachbesserung oder
die Lieferung einer mangelfreien Sache (sog. Nachlieferung) fordern (vgl. § 439 Abs. 1 BGB).
K möchte laut Sachverhalt erreichen, dass V die leckende Dichtung durch eine neue ersetzt
und so den Defekt am Fahrzeug beseitigt. Die Vornahme einer entsprechenden Reparatur
stellt eine Nacherfüllung in Form der Nachbesserung dar. Damit der fragliche Anspruch
besteht, müssten lediglich die Grundvoraussetzungen für die Anwendbarkeit des
kaufvertraglichen Mängelgewährleistungsrechts erfüllt sein:
I.
Kaufvertrag, § 433 BGB
Ein Kaufvertrag (§ 433 BGB) wurde mit der zwischen K und V getroffenen Einigung über die
Veräußerung des Pkw geschlossen (s.o.).
II.
Sachmangel im Zeitpunkt des Gefahrübergangs, § 434 Abs. 1 BGB
Der Pkw war im relevanten Zeitpunkt des Gefahrübergangs auch mit einem Sachmangel i.S.v.
§ 434 Abs. 1 BGB behaftet (s. o.).
III.
Kein Ausschluss der Mängelgewährleistung
Die Mängelgewährleistung war vorliegend weder aufgrund eines vertraglichen
Haftungsausschlusses (§ 444 BGB), noch im Hinblick auf eine positive Kenntnis oder grob
fahrlässige Unkenntnis des Käufers bzgl. des Mangels im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (§
442 Abs. 1 BGB) ausgeschlossen.
Ergebnis:
Sämtliche Voraussetzungen für die Entstehung eines Nacherfüllungsanspruchs sind gegeben.
Dieser ist zudem weder erloschen, noch bestehen Anzeichen dafür, dass seiner
Durchsetzbarkeit rechtshemmende Einreden irgendeiner Art entgegenstehen könnten.
Insbesondere kann von einer Einschlägigkeit der Unverhältnismäßigkeitseinrede des § 439
Abs. 3 BGB nicht ausgegangen werden.
K hat einen Anspruch auf Austausch der Dichtung gem. §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 Alt. 1 BGB.
17