Markt und Mittelstand - Juli-August/2016

Finanzierung
Fotos: Andreas Klehm
//
Die Teilnehmer der Finanzierungsallianz diskutierten in Frankfurt am Main über Mittelstandsanleihen und Konsortialkredite.
Flexibilität und Sicherheit
Viele Mittelständler nutzen Finanzierungsinstrumente, die lange den Großen
vorbehalten waren. Unternehmer und Finanziers diskutieren Vor- und Nachteile.
Von Katharina Schnurpfeil und
Boris Karkowski
Markt und Mittelstand: Herzlich willkommen zur Diskussionsrunde „Alli42
M A R K T u n d M I T T E L S TA N D
anz für den Mittelstand – Die Finanzierungsinitiative“. Wir möchten uns
heute in dieser Runde über für den Mittelstand recht neue Finanzierungsin­
strumente unterhalten, mit denen Sie
alle schon Erfahrung gesammelt haben.
Gemeinsam möchten wir analysieren, für wen diese Instrumente geeignet sind und für wen nicht. Herr Milde,
Sie haben mit Katjes International nun
07-08 // Juli-August 2016
schon die zweite Unternehmensanleihe
begeben. Ab welcher Firmengröße lohnt
sich diese Finanzierungsform Ihrer Meinung nach?
Stephan Milde: Entscheidend für die
Begebung einer Anleihe ist nicht die Firmengröße, sondern das Finanzierungsvolumen. Unsere erste Anleihe lief über
30 Millionen Euro, das war eher am
unteren Ende dessen, was sich wirklich
lohnt – sowohl bezüglich des Aufwandes als auch der Sekundärmarktliquidität. Die Anleihe haben wir dann auf
45 Millionen Euro aufgestockt. Unsere
zweite Anleihe, die nun bis 2020 läuft,
umfasst ein Volumen von 60 Millionen
Euro. Viele institutionelle Investoren
fühlen sich sogar erst ab 100 Millionen
Euro wohl. Ab diesem Volumen kann
man also nochmal einen größeren Kreis
an Investoren erreichen.
MuM: Welche Voraussetzungen müssen
Firmen erfüllen, die sich über den Kapitalmarkt finanzieren möchten?
Milde: Die Verantwortlichen müssen
sich auf jeden Fall mit den Anforderungen der Investoren und des Kapitalmarktes auskennen. Nicht jeder Mittelständler
hat internes Kapitalmarkt-Know-how,
aber dies kann man sich gezielt zum Beispiel über einen Emissionsberater einkaufen. Dies gilt unter anderem auch
für laufende Verpflichtungen nach Begebung einer Anleihe, beispielsweise die
Public-Relations- oder Investor-Relations-Arbeit. Aber ein Grundverständnis, wie Investoren ticken, ist ein Muss.
Auch sollte sich die emittierende Firma
dessen bewusst sein, dass eine Finanzierung über den Kapitalmarkt besonderer
Transparenz bedarf.
Lars Wagner: Hohe Transparenzanforderungen gibt es auch im Kreditgeschäft
mit Banken. Wir haben mittlerweile den
dritten Konsortialkredit aufgenommen,
und auch die dort eingebundenen Banken muss man regelmäßig über Unternehmensentwicklungen informieren.
07-08 // Juli-August 2016
MuM: Ihre Firma IAV hat Erfahrungen
mit Schuldscheindarlehen gemacht, Herr
Wagner. Wie hoch war deren Volumen?
Wagner: Wir haben 2010 einen Schuldschein über 10 Millionen Euro ausgegeben. Das ist fast zu klein für einen vernünftigen Schuldschein. Die Finanzierung darüber hat aber gut geklappt. Der
Schuldschein lief in zwei Tranchen, einmal über eine Laufzeit von drei und einmal über fünf Jahre.
MuM: Nicht bei allen Firmen war der
Ausflug in die Kapitalmarktfinanzierung
von Erfolg gekrönt. Woran liegt das?
Steffen Rapp: Aus unserer Sicht haben
viele Firmen den Markt der Mittelstandsanleihen mit wenig Erfahrung betreten.
Ihre Bonität wurde unter anderem von
den emissionsbegleitenden In­
stituten
falsch eingeschätzt, und es gab auf Seiten
der Investoren kein Korrektiv, das vor
einer Investition in riskante Anleihen
hätte warnen können.
Milde: Es ist aus meiner Sicht wichtig, dass man „bereit ist für den Kapitalmarkt“ und bei der Begebung einer
Anleihe durch gute Berater unterstützt
wird. Uns haben bei der Emission am
Kapitalmarkt erfahrene Banken und eine
Topkanzlei unterstützt. Wir hatten einen
sehr guten und professionellen Eindruck. Die Unterstützung durch erfahrene Banken war uns deshalb wichtig, da
wir so deren Netzwerk zu verschiedenen
institutionellen Investoren nutzen konnten. Private Investoren haben wir selbst
angesprochen, indem wir beispielsweise
Werbung geschaltet haben und in den
Medien über unsere Anleihe berichtet
wurde. Im Kontakt mit Privatinvestoren half sicherlich auch, einen bekannten
Markennamen zu haben.
MuM: Die Berichte über missglückte
Mittelstandsanleihen haben das Segment
aber möglicherweise geschwächt …
Katrin Wiebus: Das glaube ich nicht.
Dass man von Anleihen profitieren
kann, zeigt ja das Beispiel von Katjes
International, deren Kapitalmarkterfolge
ja auch viel Beachtung in der Presse fanden. Natürlich hat das Segment einen
Dämpfer bekommen, aber Mittelstandsanleihen funktionieren als Fremdkapitalquelle, wenn man sie richtig einsetzt.
Rapp: Dieses Kapitalmarktsegment
kann durchaus seine Berechtigung
haben, das zeigt unter anderem das große
Interesse, mit dem sich vor allem private Investoren an Mittelstandsanleihen
beteiligt haben. Dass es einige Unfälle
gab, hat dieses Geschäft geschwächt,
nicht aber das gesamte Geschäft mit
Anleihen. Es führt eher dazu, dass Investoren genauer hinschauen und genauer
hinschauen müssen, bevor sie sich für
eine Anleihe entscheiden.
MuM: Sie haben schon kurz angesprochen, dass Sie und Ihre Firma die Finanzierung über einen Schuldschein mit
Konsortialkrediten abgelöst haben, >>
Katrin Wiebus, Leiterin Individualfinanzierung
bei der KfW
M A R K T u n d M I T T E L S TA N D
43
//
Finanzierung
>> Herr Wagner. Weshalb haben Sie die
Entscheidung so getroffen?
Wagner: Schuldscheine passten nicht
optimal zu unseren Anforderungen.
Wir entwickeln unter anderem alternative Antriebe für die Automobilindus­
trie, und unsere größten Investitionsvorhaben stellen Prüfstände dar. Diese
werden nach Baufortschritt bezahlt, die
dann benötigten Volumina müssen wir
deswegen flexibel abrufen können. Über
einen Schuldschein oder eine Unternehmensanleihe bekämen wir das gesamte
Geld, das wir in den nächsten Jahren laut
Planung brauchen, im Gegensatz dazu in
einem Schub – das ist für uns nicht sehr
sinnvoll. Der Konsortialkredit gibt uns
mehr Flexibilität.
Milde: Darin unterscheiden sich unsere
Anforderungen. Katjes International
ist eine strategische Beteiligungsgesellschaft. Wir akquirieren Firmen im Süßwarenbereich in Europa, unter anderem
um damit neue Märkte oder Segmente
für die Katjes-Gruppe zu erschließen.
Stephan Milde, CFO der Beteiligungsgesellschaft
Katjes International
44
M A R K T u n d M I T T E L S TA N D
Wir brauchen daher
seltener eine kleinere, sondern vielmehr zu bestimmten
Zeitpunkten eine größere Finanzierungssumme. Da es in den
Verhandlungen um
einen
Firmenkauf
oftmals sehr schnell
gehen muss, können
wir uns dann eventuell nicht erst hinsetzen und einen syndizierten Kredit erarbeiten. Wir brauchen
eine größere freie
Liquidität, und über
die Anleiheemission
erhalten wir sie.
MuM: Konsortialkre- Steffen Rapp, Leiter Strukturierte Finanzierung der Deutschen Bank
dite werden für Investitionsvolumina abgeschlossen, die für
MuM: Eines der Hauptargumente pro
eine einzelne Bank zu groß sind. Kann
Konsortialkredit ist, dass der administman das so sagen, Frau Wiebus?
rative Aufwand im Vergleich zum bilateWiebus: So hat der Konsortialkredit tatralen Kredit deutlich geringer ist. Spüren
sächlich angefangen, ja. Aber mittlerSie das im Alltag?
weile ist dieses Instrument auch für die
Wagner: Wenn das Vertragswerk einInvestitionsvolumina attraktiv gewormal steht, ist der Verwaltungsaufwand
den, mit denen Mittelständler agieren.
gering, das stimmt. Aber die anfängliche
Ich würde sagen, dass sich ein KonsorAusarbeitung war schon recht komplex.
tialkredit auch schon für weniger als 100
Wobei wir es uns auch selbst schwieriMillionen Euro lohnt. Zu klein sollte
ger gemacht haben als vielleicht nötig:
das Volumen aber auch nicht sein, sonst
Wir haben Verhandlungen mit den vier
steht der Aufwand der Vertragsausarbeibeteiligten Banken geführt, alle an einen
tung nicht in Relation. Wenn die KfW
Tisch gesetzt und die Konditionen aussich an einem Konsortium beteiligt, achgearbeitet.
ten wir meist darauf, dass unser Anteil
Rapp: Das ist in der Tat nicht üblich bei
mindestens 10 Millionen Euro umfasst.
Konsortialkrediten. Meist läuft die AusWagner: Das Erreichen eines bestimmarbeitung des Finanzierungskonzeptes
ten Investitionsvolumens war auch bei
über den Konsortialführer. Weshalb sind
uns ein Thema vor der Aufnahme des
Sie anders vorgegangen?
ersten Konsortialkredits. Um eine GröWagner: Wir wollten ein Gefühl dafür
ßenordnung zu erreichen, in der sich
bekommen, wie alle Partner zum Deal
das Instrument lohnt, haben wir unsere
stehen. In der Vertragsverhandlung mit
Finanzplanung umgestellt. Wir planen
Banken hört man oft: „Das ist Standard“,
nun nicht mehr von Jahr zu Jahr, sonwir wollten aber vom Standard abweidern in Dreijahreszyklen.
chen und die Möglichkeiten dafür mit
07-08 // Juli-August 2016
allen Beteiligten abklären. Das hat auch
gut geklappt, da wir die Banken alle vorher bereits kannten.
Milde: Wir hören in unseren Verhandlungen mit Banken auch ungern, dass
irgendetwas Standard ist. Für uns ist das
oft Anlass dafür, uns bekannte Banken
einzubeziehen – bilateral oder als „Club
Deal“, um im Nachgang nicht noch breiter syndizieren zu müssen.
Wiebus: Je breiter ein Kredit syndiziert
ist, desto näher bewegt er sich typischerweise am Standard der Loan Market
Association (LMA). Wer mit bekannten
Banken einen individuellen Konsortialkredit abschließt, kann in der Regel eher
ein schlankes Vertragswerk verhandeln,
das dann vielleicht auch noch besser zum
Unternehmen passt.
Wagner: Aus unserer Sicht hat sich der
Aufwand gelohnt, wir haben jetzt eine
Dokumentation, auf die wir alle weiteren Konsortialkredite aufsetzen können.
So waren die weiteren Finanzierungspakete nach gleichem Muster schnell
geschnürt.
MuM: Wenn ein Unternehmen einmal den Schritt zu Konsortialkrediten
gewählt hat, gibt es dann einen Weg
zurück zu bilateralen Krediten, Herr
Rapp?
Rapp: Da gibt es grundsätzlich alle Optionen. Konsortialkredite laufen meist
über mehrere Jahre, binden Kreditgeber
stärker an ihre Kunden und bilden typischerweise den Kern der Unternehmensfinanzierung – das sind echte Vorteile,
die Finanzvorstände auch zu schätzen
wissen. Den Weg zurück zu bilateralen
Krediten nutzen Mittelständler durchaus immer wieder. Dies vor allem dann,
wenn große anlassbezogene Finanzierungen wieder zurückgeführt worden
sind. Je nach spezifischer Situation nutzen Unternehmen bilaterale Kredite
auch parallel zum Konsortialkredit, um
die Flexibilität weiter zu erhöhen; man
wendet sich dadurch nicht vom Konsortialkredit ab.
Wiebus: Wir beobachten durchaus, dass
sich einige Firmen wieder auf bilaterale
Kredite rückbesinnen. Vor einigen Jahren noch musste ein
Unternehmer eine
Bank davon überzeugen, bei ihm einzusteigen – jetzt ist
es andersherum. Die
Banken stehen bei
erfolgreichen Unternehmen regelrecht
Schlange. Die Firmen treten in der
Verhandlung
mit
Banken daher selbstbewusster auf und
schaffen es, auch auf
bilateraler
Ebene
passende Konditionen für den eigenen
Finanzierungsbedarf
auszuhandeln.
Milde: Wir bei Katjes
International nutzen
Lars Wagner, Treasurer des Automobil-Entwicklungsdienstleisters IAV
eine
Kombination
07-08 // Juli-August 2016
unterschiedlicher Finanzierungsformen.
Ich denke, das ist überall im Mittelstand
mittlerweile üblich.
MuM: Welche Finanzierungsprodukte
können in den kommenden Jahren für
den Mittelstand relevant sein oder es
noch werden?
Rapp: Ich glaube, dass das Segment der
Schuldscheine weiter wachsen wird. Es
ist ein kapitalmarktnahes Finanzierungsinstrument und ermöglicht die Verbreiterung der Refinanzierungsquellen, ohne
Publizitätspflichten – wie zum Beispiel
bei Anleihen – auszulösen. Schon ab
einem Investitionsvolumen von 25 Millionen Euro kann sich etwa ein Schuldschein lohnen, das ist für Mittelständler
potentiell sehr interessant.
Milde: Ich denke zudem, dass Kapital­
marktinstrumente weiter Relevanz
haben werden. Die Verhandlung von
Krediten, seien sie konsortial oder bilateral, ist in der Regel anlassbezogen und
nimmt oft viel Zeit in Anspruch. Zudem
würden uns zusätzliche Covenants die
Flexibilität für kurzfristige Akquisitionen nehmen, die Teil unserer Wachstumsstrategie sind.
Wagner: Für uns funktionieren die Konsortialkredite so gut, dass wir erst einmal
dabeibleiben. Dennoch halten wir uns
offen, auch nochmal einen Schuldschein
zu begeben, wenn en bloc ein hoher Mittelabfluss bei IAV ansteht. Die Ausgabe
unseres Schuldscheins hat gut funktioniert, und wir könnten auf die Dokumentation jederzeit unproblematisch
aufbauen.
Wiebus: Meiner Ansicht nach ist ein
Kredit ein Kredit. Ob er als Schuldschein
verbrieft ist oder als Konsortialkredit
ausgegeben wird, ist nahezu egal. Alle
Instrumente geben Firmen die Möglichkeit, mit Fremdkapital zu wachsen. Und
das werden Mittelständler immer selbstbewusster für sich nutzen. <<
[email protected]
M A R K T u n d M I T T E L S TA N D
45