Finanzierung Fotos: Andreas Klehm // Die Teilnehmer der Finanzierungsallianz diskutierten in Frankfurt am Main über Mittelstandsanleihen und Konsortialkredite. Flexibilität und Sicherheit Viele Mittelständler nutzen Finanzierungsinstrumente, die lange den Großen vorbehalten waren. Unternehmer und Finanziers diskutieren Vor- und Nachteile. Von Katharina Schnurpfeil und Boris Karkowski Markt und Mittelstand: Herzlich willkommen zur Diskussionsrunde „Alli42 M A R K T u n d M I T T E L S TA N D anz für den Mittelstand – Die Finanzierungsinitiative“. Wir möchten uns heute in dieser Runde über für den Mittelstand recht neue Finanzierungsin strumente unterhalten, mit denen Sie alle schon Erfahrung gesammelt haben. Gemeinsam möchten wir analysieren, für wen diese Instrumente geeignet sind und für wen nicht. Herr Milde, Sie haben mit Katjes International nun 07-08 // Juli-August 2016 schon die zweite Unternehmensanleihe begeben. Ab welcher Firmengröße lohnt sich diese Finanzierungsform Ihrer Meinung nach? Stephan Milde: Entscheidend für die Begebung einer Anleihe ist nicht die Firmengröße, sondern das Finanzierungsvolumen. Unsere erste Anleihe lief über 30 Millionen Euro, das war eher am unteren Ende dessen, was sich wirklich lohnt – sowohl bezüglich des Aufwandes als auch der Sekundärmarktliquidität. Die Anleihe haben wir dann auf 45 Millionen Euro aufgestockt. Unsere zweite Anleihe, die nun bis 2020 läuft, umfasst ein Volumen von 60 Millionen Euro. Viele institutionelle Investoren fühlen sich sogar erst ab 100 Millionen Euro wohl. Ab diesem Volumen kann man also nochmal einen größeren Kreis an Investoren erreichen. MuM: Welche Voraussetzungen müssen Firmen erfüllen, die sich über den Kapitalmarkt finanzieren möchten? Milde: Die Verantwortlichen müssen sich auf jeden Fall mit den Anforderungen der Investoren und des Kapitalmarktes auskennen. Nicht jeder Mittelständler hat internes Kapitalmarkt-Know-how, aber dies kann man sich gezielt zum Beispiel über einen Emissionsberater einkaufen. Dies gilt unter anderem auch für laufende Verpflichtungen nach Begebung einer Anleihe, beispielsweise die Public-Relations- oder Investor-Relations-Arbeit. Aber ein Grundverständnis, wie Investoren ticken, ist ein Muss. Auch sollte sich die emittierende Firma dessen bewusst sein, dass eine Finanzierung über den Kapitalmarkt besonderer Transparenz bedarf. Lars Wagner: Hohe Transparenzanforderungen gibt es auch im Kreditgeschäft mit Banken. Wir haben mittlerweile den dritten Konsortialkredit aufgenommen, und auch die dort eingebundenen Banken muss man regelmäßig über Unternehmensentwicklungen informieren. 07-08 // Juli-August 2016 MuM: Ihre Firma IAV hat Erfahrungen mit Schuldscheindarlehen gemacht, Herr Wagner. Wie hoch war deren Volumen? Wagner: Wir haben 2010 einen Schuldschein über 10 Millionen Euro ausgegeben. Das ist fast zu klein für einen vernünftigen Schuldschein. Die Finanzierung darüber hat aber gut geklappt. Der Schuldschein lief in zwei Tranchen, einmal über eine Laufzeit von drei und einmal über fünf Jahre. MuM: Nicht bei allen Firmen war der Ausflug in die Kapitalmarktfinanzierung von Erfolg gekrönt. Woran liegt das? Steffen Rapp: Aus unserer Sicht haben viele Firmen den Markt der Mittelstandsanleihen mit wenig Erfahrung betreten. Ihre Bonität wurde unter anderem von den emissionsbegleitenden In stituten falsch eingeschätzt, und es gab auf Seiten der Investoren kein Korrektiv, das vor einer Investition in riskante Anleihen hätte warnen können. Milde: Es ist aus meiner Sicht wichtig, dass man „bereit ist für den Kapitalmarkt“ und bei der Begebung einer Anleihe durch gute Berater unterstützt wird. Uns haben bei der Emission am Kapitalmarkt erfahrene Banken und eine Topkanzlei unterstützt. Wir hatten einen sehr guten und professionellen Eindruck. Die Unterstützung durch erfahrene Banken war uns deshalb wichtig, da wir so deren Netzwerk zu verschiedenen institutionellen Investoren nutzen konnten. Private Investoren haben wir selbst angesprochen, indem wir beispielsweise Werbung geschaltet haben und in den Medien über unsere Anleihe berichtet wurde. Im Kontakt mit Privatinvestoren half sicherlich auch, einen bekannten Markennamen zu haben. MuM: Die Berichte über missglückte Mittelstandsanleihen haben das Segment aber möglicherweise geschwächt … Katrin Wiebus: Das glaube ich nicht. Dass man von Anleihen profitieren kann, zeigt ja das Beispiel von Katjes International, deren Kapitalmarkterfolge ja auch viel Beachtung in der Presse fanden. Natürlich hat das Segment einen Dämpfer bekommen, aber Mittelstandsanleihen funktionieren als Fremdkapitalquelle, wenn man sie richtig einsetzt. Rapp: Dieses Kapitalmarktsegment kann durchaus seine Berechtigung haben, das zeigt unter anderem das große Interesse, mit dem sich vor allem private Investoren an Mittelstandsanleihen beteiligt haben. Dass es einige Unfälle gab, hat dieses Geschäft geschwächt, nicht aber das gesamte Geschäft mit Anleihen. Es führt eher dazu, dass Investoren genauer hinschauen und genauer hinschauen müssen, bevor sie sich für eine Anleihe entscheiden. MuM: Sie haben schon kurz angesprochen, dass Sie und Ihre Firma die Finanzierung über einen Schuldschein mit Konsortialkrediten abgelöst haben, >> Katrin Wiebus, Leiterin Individualfinanzierung bei der KfW M A R K T u n d M I T T E L S TA N D 43 // Finanzierung >> Herr Wagner. Weshalb haben Sie die Entscheidung so getroffen? Wagner: Schuldscheine passten nicht optimal zu unseren Anforderungen. Wir entwickeln unter anderem alternative Antriebe für die Automobilindus trie, und unsere größten Investitionsvorhaben stellen Prüfstände dar. Diese werden nach Baufortschritt bezahlt, die dann benötigten Volumina müssen wir deswegen flexibel abrufen können. Über einen Schuldschein oder eine Unternehmensanleihe bekämen wir das gesamte Geld, das wir in den nächsten Jahren laut Planung brauchen, im Gegensatz dazu in einem Schub – das ist für uns nicht sehr sinnvoll. Der Konsortialkredit gibt uns mehr Flexibilität. Milde: Darin unterscheiden sich unsere Anforderungen. Katjes International ist eine strategische Beteiligungsgesellschaft. Wir akquirieren Firmen im Süßwarenbereich in Europa, unter anderem um damit neue Märkte oder Segmente für die Katjes-Gruppe zu erschließen. Stephan Milde, CFO der Beteiligungsgesellschaft Katjes International 44 M A R K T u n d M I T T E L S TA N D Wir brauchen daher seltener eine kleinere, sondern vielmehr zu bestimmten Zeitpunkten eine größere Finanzierungssumme. Da es in den Verhandlungen um einen Firmenkauf oftmals sehr schnell gehen muss, können wir uns dann eventuell nicht erst hinsetzen und einen syndizierten Kredit erarbeiten. Wir brauchen eine größere freie Liquidität, und über die Anleiheemission erhalten wir sie. MuM: Konsortialkre- Steffen Rapp, Leiter Strukturierte Finanzierung der Deutschen Bank dite werden für Investitionsvolumina abgeschlossen, die für MuM: Eines der Hauptargumente pro eine einzelne Bank zu groß sind. Kann Konsortialkredit ist, dass der administman das so sagen, Frau Wiebus? rative Aufwand im Vergleich zum bilateWiebus: So hat der Konsortialkredit tatralen Kredit deutlich geringer ist. Spüren sächlich angefangen, ja. Aber mittlerSie das im Alltag? weile ist dieses Instrument auch für die Wagner: Wenn das Vertragswerk einInvestitionsvolumina attraktiv gewormal steht, ist der Verwaltungsaufwand den, mit denen Mittelständler agieren. gering, das stimmt. Aber die anfängliche Ich würde sagen, dass sich ein KonsorAusarbeitung war schon recht komplex. tialkredit auch schon für weniger als 100 Wobei wir es uns auch selbst schwieriMillionen Euro lohnt. Zu klein sollte ger gemacht haben als vielleicht nötig: das Volumen aber auch nicht sein, sonst Wir haben Verhandlungen mit den vier steht der Aufwand der Vertragsausarbeibeteiligten Banken geführt, alle an einen tung nicht in Relation. Wenn die KfW Tisch gesetzt und die Konditionen aussich an einem Konsortium beteiligt, achgearbeitet. ten wir meist darauf, dass unser Anteil Rapp: Das ist in der Tat nicht üblich bei mindestens 10 Millionen Euro umfasst. Konsortialkrediten. Meist läuft die AusWagner: Das Erreichen eines bestimmarbeitung des Finanzierungskonzeptes ten Investitionsvolumens war auch bei über den Konsortialführer. Weshalb sind uns ein Thema vor der Aufnahme des Sie anders vorgegangen? ersten Konsortialkredits. Um eine GröWagner: Wir wollten ein Gefühl dafür ßenordnung zu erreichen, in der sich bekommen, wie alle Partner zum Deal das Instrument lohnt, haben wir unsere stehen. In der Vertragsverhandlung mit Finanzplanung umgestellt. Wir planen Banken hört man oft: „Das ist Standard“, nun nicht mehr von Jahr zu Jahr, sonwir wollten aber vom Standard abweidern in Dreijahreszyklen. chen und die Möglichkeiten dafür mit 07-08 // Juli-August 2016 allen Beteiligten abklären. Das hat auch gut geklappt, da wir die Banken alle vorher bereits kannten. Milde: Wir hören in unseren Verhandlungen mit Banken auch ungern, dass irgendetwas Standard ist. Für uns ist das oft Anlass dafür, uns bekannte Banken einzubeziehen – bilateral oder als „Club Deal“, um im Nachgang nicht noch breiter syndizieren zu müssen. Wiebus: Je breiter ein Kredit syndiziert ist, desto näher bewegt er sich typischerweise am Standard der Loan Market Association (LMA). Wer mit bekannten Banken einen individuellen Konsortialkredit abschließt, kann in der Regel eher ein schlankes Vertragswerk verhandeln, das dann vielleicht auch noch besser zum Unternehmen passt. Wagner: Aus unserer Sicht hat sich der Aufwand gelohnt, wir haben jetzt eine Dokumentation, auf die wir alle weiteren Konsortialkredite aufsetzen können. So waren die weiteren Finanzierungspakete nach gleichem Muster schnell geschnürt. MuM: Wenn ein Unternehmen einmal den Schritt zu Konsortialkrediten gewählt hat, gibt es dann einen Weg zurück zu bilateralen Krediten, Herr Rapp? Rapp: Da gibt es grundsätzlich alle Optionen. Konsortialkredite laufen meist über mehrere Jahre, binden Kreditgeber stärker an ihre Kunden und bilden typischerweise den Kern der Unternehmensfinanzierung – das sind echte Vorteile, die Finanzvorstände auch zu schätzen wissen. Den Weg zurück zu bilateralen Krediten nutzen Mittelständler durchaus immer wieder. Dies vor allem dann, wenn große anlassbezogene Finanzierungen wieder zurückgeführt worden sind. Je nach spezifischer Situation nutzen Unternehmen bilaterale Kredite auch parallel zum Konsortialkredit, um die Flexibilität weiter zu erhöhen; man wendet sich dadurch nicht vom Konsortialkredit ab. Wiebus: Wir beobachten durchaus, dass sich einige Firmen wieder auf bilaterale Kredite rückbesinnen. Vor einigen Jahren noch musste ein Unternehmer eine Bank davon überzeugen, bei ihm einzusteigen – jetzt ist es andersherum. Die Banken stehen bei erfolgreichen Unternehmen regelrecht Schlange. Die Firmen treten in der Verhandlung mit Banken daher selbstbewusster auf und schaffen es, auch auf bilateraler Ebene passende Konditionen für den eigenen Finanzierungsbedarf auszuhandeln. Milde: Wir bei Katjes International nutzen Lars Wagner, Treasurer des Automobil-Entwicklungsdienstleisters IAV eine Kombination 07-08 // Juli-August 2016 unterschiedlicher Finanzierungsformen. Ich denke, das ist überall im Mittelstand mittlerweile üblich. MuM: Welche Finanzierungsprodukte können in den kommenden Jahren für den Mittelstand relevant sein oder es noch werden? Rapp: Ich glaube, dass das Segment der Schuldscheine weiter wachsen wird. Es ist ein kapitalmarktnahes Finanzierungsinstrument und ermöglicht die Verbreiterung der Refinanzierungsquellen, ohne Publizitätspflichten – wie zum Beispiel bei Anleihen – auszulösen. Schon ab einem Investitionsvolumen von 25 Millionen Euro kann sich etwa ein Schuldschein lohnen, das ist für Mittelständler potentiell sehr interessant. Milde: Ich denke zudem, dass Kapital marktinstrumente weiter Relevanz haben werden. Die Verhandlung von Krediten, seien sie konsortial oder bilateral, ist in der Regel anlassbezogen und nimmt oft viel Zeit in Anspruch. Zudem würden uns zusätzliche Covenants die Flexibilität für kurzfristige Akquisitionen nehmen, die Teil unserer Wachstumsstrategie sind. Wagner: Für uns funktionieren die Konsortialkredite so gut, dass wir erst einmal dabeibleiben. Dennoch halten wir uns offen, auch nochmal einen Schuldschein zu begeben, wenn en bloc ein hoher Mittelabfluss bei IAV ansteht. Die Ausgabe unseres Schuldscheins hat gut funktioniert, und wir könnten auf die Dokumentation jederzeit unproblematisch aufbauen. Wiebus: Meiner Ansicht nach ist ein Kredit ein Kredit. Ob er als Schuldschein verbrieft ist oder als Konsortialkredit ausgegeben wird, ist nahezu egal. Alle Instrumente geben Firmen die Möglichkeit, mit Fremdkapital zu wachsen. Und das werden Mittelständler immer selbstbewusster für sich nutzen. << [email protected] M A R K T u n d M I T T E L S TA N D 45
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