Predigt vom 6. So n.Tr., 3. Juli 2016 St. Andreaskirche, Weißenburg

Predigtvom6.Son.Tr.,3.Juli2016
St.Andreaskirche,Weißenburg
LiebeGemeinde,
wasbedeutetdieTaufe?InzahllosenTaufgesprächenhabeichimmerwiederdieseFrage
gestellt. Hier die drei Top-Antworten: Taufe
bedeutet1.,dassderTäuflingjetztzurKirche
gehört, 2., dass das Kind nun unter Gottes
Schutz gestellt wird und 3., dass es jetzt zu
Gott gehört. Das alles ist völlig richtig. Nur:
Ist damit das Entscheidende der Taufe verstandenundgesagt?
Pauluswürdesagen:Nein.Undwennichden
AbsatzüberdieTaufeausdem6.KapitelseinesBriefsandieGemeindeinRomlese,dann
frageichmich,obichnichtdochvielleichtdie
eine oder andere Taufansprache umschreibenmüsste...Aberhört,wasPaulusschreibt
(Röm6,3-7.11;NeueGenferÜbersetzung):
Wisstihrnicht,wasesheißt,aufJesusChristus
getauft zu sein? Wisst ihr nicht, dass wir alle
durchdieseTaufemiteinbezogenwordensind
in seinen Tod? Durch die Taufe sind wir mit
Christus gestorben und sind daher auch mit
ihmbegrabenworden.WeilnunaberChristus
durch die unvergleichlich herrliche Macht des
Vaters von den Toten auferstanden ist, ist
auch unser Leben neu geworden, und das bedeutet: Wir sollen jetzt ein neues Leben führen.DennwennseinTodgewissermaßenunser
TodgewordenistundwiraufdieseWeisemit
ihm eins geworden sind, dann werden wir
auch im Hinblick auf seine Auferstehung mit
ihm eins sein. Was wir verstehen müssen, ist
dies: Der Mensch, der wir waren, als wir noch
ohne Christus lebten, ist mit ihm gekreuzigt
worden, damit unser sündiges Wesenunwirksam gemacht wird und wir nicht
längerderSündedienen.Dennwergestorben
ist, ist vom Herrschaftsanspruch der Sünde
befreit. ... Geht (also) von der Tatsache aus,
dass ihr für die Sünde tot seid, aber in Jesus
ChristusfürGottlebt.
LiebeSchwesternundBrüder,verstehenwir
dasrichtig,dannistdieTaufealsoeineziemlich tödliche Angelegenheit. Ich versuche
einmal zusammenzufassen: Getauft sein
heißt einerseits, mit Christus gestorben und
mitihmbegrabenzusein.Esbedeutetandererseitsaberauch,mitderKraftGottes,also
seinemGeist,beschenktzusein,dieChristus
von den Toten auferweckt hat. Diese Kraft
befähigt uns nun, ein neues, anderes Leben
zuführen.DasgeschiehtinderTaufe.
In der Taufe wird also unser Schicksal mit
dem Schicksal Jesu Christi verknüpft. Seine
Geschichte wird meine Geschichte. Ich bin
mithineingenommen,inseinenTodundseine
Auferstehung. Das, was sein Tod und seine
Auferstehung bewirkt haben, geht nun auf
michüber,giltfürmich:VergebungderSünden, Überwindung der Trennung von Gott,
Überwindung der Herrschaft der Sünde und
desTodes,undschließlich:neuesLeben,das
selbst der Tod nicht mehr besiegen kann,
ewiges Leben. (Das ewige Leben beginnt
also nicht irgendwann nach unserem physischenTod.Eshatjetztschonbegonnen,weil
wir durch die Taufe mit Christus und seinem
Schicksal verbunden wurden, weil wir mit
ihm gestorben und zu neuem Leben gekommensind.)DiesesneueLebensollenwir
nunaberauchleben,inderKraftdesGeistes
Gottes, der uns geschenkt ist. Dazu sind wir
inderTaufeberufen,wiralle.
Paulus fasst das in einem Satz zusammen:
„Geht(also)vonderTatsacheaus,dassihrfür
die Sünde tot seid, aber in Jesus Christusfür
Gottlebt.“(V.11)
TotfürdieSünde,willheißen:DieSündehat
unsnichtsmehrzusagen,siehatkeineAutoritätmehrüberuns!Sündeistalles,wasmich
vonGotttrennenwill.Sündebringtmichdazu, so zu leben, als ob es Gott nicht gäbe.
Sünde bringt mich dazu, zu glauben, ich sei
der Herr über mein Leben, ich entscheide,
wasrichtigundfalschist.Sündeistdas,was
das Leben zerstört. Sünde lässt mich über
Leichengehen,ummeineZielezuerreichen.
Für uns als Getaufte gilt nun: Die Sünde hat
mir nichts mehr zu sagen! Sie ist nicht mehr
die alles bestimmende Macht in unserem
Leben. Denn Christus hat uns durch seinen
Tod und seine Auferstehung davon befreit!
Nicht irgendwann, sondern heute, hier und
jetzt! Aber spricht unsere Erfahrung nicht
eineandereSprache?
Im Jahr 1863 unterschrieb in Amerika Präsident Abraham Lincoln die Emanzipationserklärung, mit der offiziell die Sklaverei abgeschafft wurde. Mit dieser Unterschrift trat
das Gesetz in Kraft. Das TragischErschütterndewarnur:DiemeistenSklaven,
dievonRechtswegenfreigewordenundfrei
gesprochen waren, lebten weiter so, wie sie
esalsSklavengewohntwaren.EinSchwarzer
wurdegefragt:„HastdunichtsvonAbraham
LincolngehörtunddasGesetz,daserimParlament durchgebracht? Du bist frei!“ Er antwortete nur: „Ich hab noch niemals nichts
über Abraham Lincoln gehört und über die
Freiheit auch nicht.“ Dass die ehemaligen
Sklavenhalter alles daran setzten, ihre ehemaligenSklavenuninformiertzuhalten,istja
klar.Tragisch.
Manchmalkommtesmirsovor,alswäredies
das tragische Bild für uns Christen. Wir wissenzwar,dasswirvorGottgerechtsind.Wir
wissen,dasswirbefreitsind,wirwissen,dass
unseinneuesLebengeschenktist–aberwir
lebenso,alsobdasallesnichtwirklichwahr
wäre. Wir betrachten uns selbst sozusagen
mit der falschen Brille. Es ist Zeit für einen
Brillenwechsel: Wir sollen jetzt und hier von
der Tatsache (!) ausgehen, dass die Sünde
ihreMachtverlorenhat(Vergangenheit!).
>>Brillewechseln
DieneueBrilleistdieBrilledesGlaubens.Mit
der neuen Brille erkennen wir: Wir haben
einenneuenHerrn,Christus.Wirsindfrei,wir
sind nicht mehr die Sklaven der Sünde! Wir
sindbefreitvomZwangsündigenzumüssen.
Wir können der Sünde widerstehen! Wir
können es, weil er sich mit uns verbunden
hat. Wir können ein anderes, neues, von
Christus bestimmtes Leben führen, weil die
KraftseinesGeistesinunswohnt.
Wiraberneigendazu,diealteBrilleaufzubehalten,weilwiressogewohntsind.Wirtun
immernochso,alsseiesvöllignormal,dass
wir ständig in Sünde fallen. Und sagen uns
dasauchoftgenug:„Sosindwirnuneinmal.
Es menschelt halt überall. Wir fallen immer
wieder und machen unsere Fehler. Daran
wird sich bis zum jüngsten Tag nichts ändern.“Tatsache.
Darficheinmalfragen:Wenndasdie„Tatsache“istvonderwirausgehen,wennwiralso
davon ausgehen, dass sich Menschen nicht
wirklich ändern können, geschweige denn
dieWelt,wennwirglauben,dassSündeund
SchuldderNormalfallsind–wozutreffenwir
uns dann hier zum Gottesdienst? Um gesagt
zu bekommen, dass sich sowieso nichts ändert, brauche ich keine Kirche. Diese „Tatsache“klingtsorealistischunddochistsienur
als Realismus getarnte Resignation. Freude
kommthiernichtauf.
LiebeSchwesternundBrüder,dasistdiealte
Brille, die Brille des Unglaubens. Wir brauchenaberdieneueBrille,dieBrilledesGlaubens, die von der Tatsache ausgeht, dass wir
für die Sünde tot sind, aber in Jesus ChristusfürGottleben.WirsindalsGetauftedazu
berufen zu lernen, uns und unsere Welt
durchdieseBrilledesGlaubenszusehenund
von der Tatsache auszugehen, dass sich
durchdieKraftGottesallesändernkann.Wir
haben einen neuen Herrn mit dem wir aufs
engste verbunden sind – Christus. Und darum – nur darum! – können wir lernen der
Sünde zu widerstehen und ein anderes Lebenzuführen!
„Lernen“ – das heißt versuchen, scheitern,
wiederversuchen,wiederscheiternusw.,bis
uns etwas in Fleisch und Blut übergegangen
ist. Bis wir nicht mehr nachdenken müssen,
wennwiretwastun,sondernesganzselbstverständlich wird. Was meinen Sie, warum
Jesus Jünger berufen hat? Eben. Sie sollten
im Leben mit ihm lernen, immer mehr so zu
werden wie er. Scheitern inbegriffen. Aber
fürJüngerJesuistnichtdasScheiternansich
derNormalfall,sonderndasLernen!
WiegehtdasLernen?DreikurzeImpulse:
(1) Paulus fährt in Röm 6 fort (V. 13): Denkt
vielmehr daran, dass ihr ohne Christus tot
wart und dass Gott euch lebendig gemacht
hat, und stellt euch ihm als Werkzeuge der
Gerechtigkeit zur Verfügung, ohne ihm irgendeinen Bereich eures Lebens vorzuenthalten.
„SichselbstGottzurVerfügungstellen“.Das
ist eine bewusste Entscheidung. Konkreter
Vorschlag für eine solche Übung: Ich stelle
michimSupermarktbewusstinderlängsten
SchlangeanderKassean.Warumsollteich?
WeilesisteineEinübungdarinist,sichselbst
nicht so wichtig zu nehmen. Weil es eine
Chance ist, sich in Geduld zu üben, für Zeit
zumGebet,zumanderenVortrittlassen,sich
selbstnichtsowichtigzunehmen,sichnicht
demDiktatundderHerrschaftdesTerminkalenders und der Hetze zu beugen. Wenn ich
dasimmermache,wirdmichdasverändern.
(2) Wie wäre es, wenn wir jeden Tag nach
demAufstehenganzbewusstdieneueBrille
aufsetzen,z.B.miteinemGebetwiediesem:
„Jesus,dubistmeinHerrundRetter.Ichbin
dein Kind – von dir befreit und völlig abhängig von deiner Kraft. Und das will ich auch
sein. Deshalb ist dieser Tag, Herr, dein Tag.
Ich will ihn leben zu deiner Ehre. Gebrauche
meine Augen, meinen Mund, meine GedankenundmeinTun,dieneLiebezubezeugen.
Ich stelle mich dir zur Verfügung und vertraueaufdieKraftdeinesGeistes,dendumir
geschenkt hast. Die Sünde hat mir nichts
mehrzusagen,denndualleinbistmeinHerr.
Amen.“
(3) Regelmäßig zum Abendmahl gehen. Das
Abendmahl ist der Ort der Vergewisserung,
derOrtderGegenwartJesu,derErneuerung
derVerbindungmitihm.DerOrt,andemich
neu begreifen darf: Ich bin Gott gegenüber
immerEmpfangender.Vorihmsteheichmit
leeren Händen – aber er füllt sie mir gerne.
Alles,wassichzumneuenLebenbrauche.
DarumlasstunszumTischdesHerrngehen,
mitderneuenBrille,durchdiewirsehen,wie
reichGottunsbeschenkthat!Amen.
Pfr.FriedemannBüttel