05.07.2016, Hassprediger in Moscheen - Religiöse Radikale

Manuskript
Beitrag: Hassprediger in Moscheen –
Religiöse Radikale
Sendung vom 5. Juli 2016
von Susanna Santina
Anmoderation:
Nochmal zurück zum Grundgesetz. Diesmal: Artikel 4. Die
Religionsfreiheit garantiert das Recht auf Ausübung einer Religion
genauso wie das Recht, frei von Religion zu bleiben. Was aber,
wenn in einzelnen Moscheen gegen „Ungläubige“ gehetzt wird?
Dann müssten die Moscheen-Betreiber, die zu Recht
Religionsfreiheit für sich beanspruchen, gegen die
Religionsfreiheitsfeinde vorgehen. Das aber geschieht nicht
immer. Susanna Santina bringt Beispiele.
Text:
Er wird Prediger des Terrors genannt, Tarik Ibn Ali. Der Imam aus
Antwerpen soll zu einem Islamisten-Netzwerk gehören, das von
einem Gericht in Belgien als Terror-Organisation eingestuft und
verboten wurde.
Der Prediger soll einen Attentäter von Paris radikalisiert haben.
Viele seiner Schützlinge kämpfen wohl in Syrien und dem Irak
den selbsterklärten Heiligen Krieg.
Unbehelligt von den Sicherheitsbehörden konnte der Belgier in
den vergangenen Jahren bei vielen muslimischen Gemeinden in
Deutschland predigen - in Frankfurt etwa, in Darmstadt, in
Wiesbaden, Karben, Offenbach und in der Al-Nur Moschee in
Berlin. Wir fragen nach. Warum laden die Moscheen Imame ein,
die als Islamisten bekannt sind? Müssen sie sich nicht den
Vorwurf gefallen lassen, dass sie mit den Hasspredigern
sympathisieren?
O-Ton Shaikh Nasser El-Issa, Al-Nur Moschee Berlin:
Ja, ja, na klar, haben Sie Recht. Ich glaube, das ist mehr
Unwissenheit, sie wissen nicht, wen sie da einladen, weil sie
wissen nicht über diese Denkweise Bescheid.
O-Ton Mounir El Horchi, stellvertretender Vorsitzender
Abubakr Moschee Frankfurt:
Dieser Tarik Ibn Ali, als er bei uns war, war nichts über ihn in
Medien bekannt, dass er eine Hassprediger ist, erst später
danach. Und dann kommt man zurück und sagt: Hey, warum
habt ihr ihn vor vier, fünf Jahren eingeladen.
Essen. Hier, in diese Moschee am Rande der Stadt, wurde Tarik
Ibn Ali erst Ende März diesen Jahres eingeladen.
Erklärungsversuch des Leiters der Moscheegemeinden:
O-Ton Muhammet Balaban, Vorstand Moscheegemeinden
Essen: Wissen Sie, wir sind ehrenamtlich. Wir haben unsere
Aufgabe, wir sehen unsere Aufgabe eigentlich an dem Ziel,
dass wir, wie gesagt, die Ängste und Bedürfnisse dieser
Gesellschaft versuchen zu erfüllen.
O-Ton Frontal 21:
Und dann gucken Sie nicht, wer da predigt?
O-Ton Muhammet Balaban, Vorstand Moscheegemeinden
Essen:
Nein, das ist nicht unsere Aufgabe.
O-Ton Frontal 21:
Aber schaden Sie nicht damit auch den friedlichen
Muslimen?
O-Ton Muhammet Balaban, Vorstand Moscheegemeinden
Essen:
Wir haben gesehen, dass da eine Lücke ist, und die wollen
wir jetzt gemeinsam auffüllen diese Lücke.
Nur nach großem öffentlichem Druck wurde Tarik Ibn Ali in Essen
wieder ausgeladen.
Die Leiter der muslimischen Gemeinden in Deutschland sind
dafür verantwortlich, ob Hassprediger auftreten dürfen oder nicht.
O-Ton Hans-Georg Maaßen, Präsident Bundesamt für
Bundesverfassungsschutz:
Wir sehen bei vielen islamistischen Moscheegemeinden,
dass sie Schutzbehauptungen aufstellen, wenn es darum
geht, dass sie Islamisten nach Deutschland einladen oder
Hassprediger in ihren Moscheen Platz geben. Das ist für uns
nicht glaubhaft. Wir schauen uns die Ausrichtung dieser
Moscheegemeinden an. Und regelmäßig passt das in dieses
Bild der Moscheegemeinden, dass wir gewonnen haben.
Auch diese Moschee in Essen gilt als Treffpunkt für Islamisten.
Noch bis vor vier Jahren besuchte der radikale Salafist Silvio K.
regelmäßig die Assalam-Moschee. Später schloss er sich in
Syrien der Terror-Organisation IS an und drohte von dort
Deutschland mit einem Anschlag: „Wir verkünden frohe
Botschaft“.
Mehr als einhundert Moscheen und islamische Vereine
hierzulande stuft der Bundesverfassungsschutz als extremistisch
ein. Die Hürden, sie zu schließen, sind hoch.
O-Ton Hans-Georg Maaßen, Präsident Bundesamt für
Verfassungsschutz:
Wir haben Religionsfreiheit, wir können nicht ohne Weiteres
eine Moschee verbieten, wir können nicht ohne Weiteres die
dort abgehaltenen Gottesdienste untersagen. Was wir
machen können ist, wenn wir Beweise, Belege haben, kann
die Verbotsbehörde dann diese Moschee schließen. Wenn
nicht, eben nicht. Dann kann der Verfassungsschutz
letztendlich nur beobachten und warnen.
Nicht im Fokus des Verfassungsschutzes, aber trotzdem ein
Problem: die Imame der DITIB-Moscheen. Die Prediger des
türkisch-muslimischen Dachverbandes werden für fünf Jahre
befristet aus der Türkei nach Deutschland entsendet. Entsendet
von der türkischen Religionsbehörde Diyanet, die sie auch
bezahlt und ideologisch schult.
O-Ton Prof. Susanne Schröter, Leiterin Frankfurter
Forschungszentrum Globaler Islam:
Die Imame, die sind türkische Staatsbeamte. Sie sind
vollkommen der deutschen Lebenswirklichkeit fremd.
Übrigens gilt auch für die DITIB als Ganzes, als Organisation,
dass sie in vielfältiger Weise organisatorisch, finanziell und
ideologisch mit dem türkischen Religionsministerium, mit
Diyanet verbandelt ist.
Und Diyanet wiederum ist direkt dem türkischen
Ministerpräsidenten unterstellt, der zu Erdogans Partei AKP
gehört.
Der türkische Präsident zeigt sich regelmäßig mit Vertretern der
Religionsbehörde Diyanet. Die ist verantwortlich für diesen
Kindercomic.
In einer Bildergeschichte voller bunter Zeichnungen schildert ein
Vater seinem Sohn, wie ehrenvoll es sei, als Märtyrer zu sterben.
Wer will denn nichts in Paradies kommen! Sagt er wörtlich.
Wir fragen bei DITIB nach. Dort ist man froh über die
Zusammenarbeit mit Diyanet und will uns anfangs nicht glauben,
als wir den Comic zeigen.
O-Ton Selcuk Dogruer, Landeskoordinator DITIB Hessen:
Das müsste erstmal nachgewiesen werden, dass das von der
Diyanet ist, weil ich es mir nicht vorstellen kann. Bei der
Diyanet arbeiten hochqualifizierte Leute.
Doch schließlich muss der DITIB-Vertreter eingestehen, dass die
Recherchen stimmen. Es folgt eine Distanzierung.
O-Ton Selcuk Dogruer, Landeskoordinator DITIB Hessen:
Der Islam fördert und fordert das friedliche Zusammenleben.
So ist diese Vermittlung des Märtyrertums an die Kinder
definitiv ein Fehler.
Die Zusammenarbeit mit der türkischen Religionsbehörde Diyanet
stellt DITIB aber nicht in Frage.
In der Türkei lässt das türkische Kultusministerium derweil ein
Dschihad-Lehrbuch verteilen. Dort heißt es zum Beispiel:
„Um das Wort Allahs zu erhöhen, sollte man auch gegen die
Ungläubigen kämpfen.“
Oder:
„Ziel des Dschihads ist es, die Herrschaft der Religion Allahs
zu etablieren.“
Ein Islamverständnis, das sich durch die DITIB-Imame auch nach
Deutschland ausbreiten könnte, warnen Experten. In deutschen
Moscheen müssten freiheitliche Prinzipien gelten.
O-Ton Prof. Susanne Schröter, Leiterin Frankfurter
Forschungszentrum Globaler Islam:
Dann müssen wir auch schauen, dass sich in den
muslimischen Communities nicht etwas ganz anderes
entwickelt. Das heißt, dass wir den ausländischen Einfluss,
den wir hier haben, einmal durch die Türkei, aber natürlich
auch durch arabische Staaten, dass wir den versuchen zu
minimieren.
Bonn-Bad Godesberg. Die Fahd-Akademie wurde vom
saudischen König persönlich mit 14 Millionen Euro finanziert. In
der Religionsschule wird der Wahhabismus gelehrt. Der Einfluss
ist auf den Straßen rund um die Schule sehen. Für diese
muslimischen Frauen ist die Vollverschleierung Pflicht. Eine
Auslegung des Korans, die die saudische Staatsreligion lehrt.
O-Ton Muhammad Sameer Murtaza, Islamwissenschaftler
Stiftung Weltethos:
Sie tritt mit dem Anspruch auf, dass ihr eigenes
Islamverständnis das einzig Wahre ist und alle anderen
Verständnisse von dem, was Islam ist, ausgemerzt werden
müssen, nur dann kann sich die muslimische
Religionsgemeinschaft erneuern. Und diese Botschaft
beinhaltet natürlich ein enormes Radikalisierungspotenzial,
weil der Wahhabismus legitimiert es, dass man gegen
Andersdenkende, Andersglaubende, andershandelnde
Muslime, die sich nicht fügen wollen, mit Gewalt vorgeht.
Den Einfluss von Staaten wie Saudi-Arabien oder der Türkei
möchte der der Bundestagsabgeordnete Alexander Radwan
verringern - vor allem den der ausländischen Imame. Deswegen
fordert er eine Moscheesteuer.
O-Ton Alexander Radwan, CSU, MdB, Mitglied Auswärtiger
Ausschuss:
Wenn man diesen Einfluss zurückführt oder stoppen möchte,
dann muss man ein Alternativangebot machen. Das Angebot
ist eine Finanzierung der Moslems in Deutschland, selber für
ihren Bereich es zu organisieren und damit auch einen Islam
zu kreieren, der auf unserem Grundgesetz basiert.
Das dürfte nicht leicht werden: Radikale Imame hetzen auch
außerhalb offizieller großer Moscheen. Das hat Yasmin erlebt.
Die junge Muslimin will nicht erkannt werden.
O-Ton Yasmin, Muslimin:
Der Imam, der mit gebrochenem Deutsch gesprochen hat,
hat in seiner Predigt sehr viel Hass und Intoleranz geschürt.
Also, er fing damit an, dass die Deutschen die Ungläubigen
sind, und dass wir, die Muslime in Deutschland unseren
Mitbürgern überlegen sind, aufgrund unseres Glaubens.
In diesem Berliner Hinterhof soll der Imam den Hass gegen
Deutsche gepredigt haben. Yasmin sei hier zum ersten Mal
gewesen, sagt sie, kannte den Veranstalter bis dahin nicht.
O-Ton Yasmin, Muslimin:
Die DMG hat dieses Gebet organisiert. Und dieser Imam
gehörte auch zu dieser DMG.
DMG, die deutschsprachige muslimische Gemeinschaft mit Sitz in
Braunschweig. Wir fragen nach zu den Vorwürfen, bekommen
keine Antwort. Im Internet finden zahlreiche Videos. Die Titel: „Die
zwei Gesichter des Westens“, der „Terror der Islamhasser“.
Dieser Imam prophezeit allen Nicht-Muslimen die Hölle.
O-Ton Imam, Videoausschnitt „Terror der Islamhasser“,
Quelle: DMG-BS.de:
Und sie bringen noch mehr Zweifelkeiten und noch mehr
Gelüste in dem Spiel, dass wir uns noch mehr spalten und
noch mehr trennen von der wahren Religion.
Außerdem wird klar: die DMG arbeitet mit Pierre Vogel
zusammen. Der Konvertit aus dem Rheinland ist einer der
einflussreichsten deutschen Salafisten-Prediger. Auch einige
seiner Anhänger haben sich der Terrororganisation IS
angeschlossen.
Pierre Vogel selbst hat den Wahhabismus zwei Jahre lang in
Saudi-Arabien studiert und befürwortet auch die Scharia-Strafen.
O-Ton Pierre Vogel, Salafistenprediger, Quelle: YouTube
islamiminaar:
Prinzipiell, das was ich in dieser Sache bisher gefunden
habe, ist ein Konsens der Gelehrten, dass derjenige, der vom
Islam abfällt, getötet wird.
Gewalt predigen, gegen Andersgläubige hetzen, radikalisieren.
Es sind gefährliche Verführer, die ihr falsches Islambild in
Deutschland verbreiten können.
Abmoderation:
Die Religionsfreiheit gehört zu Deutschland. Religionsfreiheit
bedeutet, den Andersgläubigen auszuhalten, auch wenn man ihn
als Zumutung empfindet. Das gilt für islamistische Hass-Prediger
genauso wie für Islam-Hasser.
Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur
zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der
engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten
unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen
Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem
Stand des jeweiligen Sendetermins.