Diplomarbeit - Narzissmus, der Weg zum Ich

Diplomlehrgang Emotion Coach
EC 0508 Bern
Narzissmus und Selbstwert – Der Weg zum Ich
Pascal Scheidegger
2011/2012
Auszug aus der Diplomarbeit zum Thema Narzissmus und Selbstwert von Mentalcoach
Pascal Scheidegger
Dieser Download umfasst die themenspezifische fachliche Abhandlung.
Inhaltsverzeichnis
Narzissmus und Selbstwert – Der Weg zum Ich
1. Prolog
1.1 Bedeutung vom Narzissmus für das Individuum
1.2 Der Narzissmus in der Gesellschaft
1.3 Narzissmus, das innere Gefängnis
2. Kurze Abhandlung des Märchens ‚Der Eisenofen’
und die Erläuterungen von H.-P. Röhr
3. Die mentaltechnischen Seiten zum Thema Selbstwert
3.1 Der Weg zur Selbstliebe
3.2 Schwächen und Fehler
3.3 Weshalb wir sind wie wir sind – Grundlagen zur Arbeit an der Persönlichkeit
3.4 Die Spiegelresonanz – Wie im Innen, so im Aussen
3.5 Schattenseiten
3.6 Resonanz
3.7 Vergebung
3.8 Angst
3.9 Polarität
4 Quellenverzeichnis
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2 1. Narzissmus und Selbstwert – Der Weg zum Ich
1. Prolog
Ein gesundes Mass an Selbstwert und Selbstliebe ist essentiell für ein glückliches und zufriedenes
Leben. Der wahre Selbstwert, derjenige bei dem man sich unabhängig von eigenen Leistungen
und der Meinung anderer wohl fühlt und zufrieden ist mit sich selbst, ist jedoch nicht mehr sehr
verbreitet.
Oft hört man Geschichten von ‚unmenschlichen’ Chefs, selbstverliebten und eitlen Menschen,
aggressiven Jugendlichen, etc. Man hört auch Dinge wie ‚Sie ist sehr scheu. Er lebt nicht sein
Potential aus. Sie sagt niemals ihre Meinung. Er zieht sich lieber zurück, als dass er sich für sich
selbst einsetzt’, um nur ein paar Aussagen zu nennen.
Alle diese Aussagen betreffen Menschen mit demselben Kernproblem: Es fehlt ihnen an
gesundem Selbstwert und Selbstbewusstsein. Der einzige Unterschied dabei ist, dass der
fehlende Wert gegensätzlich gelebt wird. Die einen kompensieren, die anderen ziehen sich zurück.
Diese Problematik ist in unserer Gesellschaft sehr verbreitet. Was führt denn dazu, dass wir nicht
den Mut haben, zu uns selbst zu stehen? Weshalb verstecken wir uns, oder legen ein übertrieben
stark gespieltes selbstbewusstes Verhalten an den Tag?
Einen gemeinsamen Nenner für ein schwaches Selbstbewusstsein finden wir in der frühen
Kindheit. Als Neugeborenes und kleines Kind ist uns vor allem eines wichtig: Bedingungslose
Liebe. Wir wollen von unseren Eltern so geliebt werden, wie wir sind. Fehlt diese bedingungslose
Elternliebe, beginnen wir unser Verhalten so zu verdrehen, bis wir Liebe erfahren. Leider verlieren
wir dabei uns selbst. Wenn dann Zuneigung gegeben wird, ist diese keine wahre, bedingungslose
Liebe. Es ist Zuneigung die wir bekommen, weil wir uns so verhalten wie das Gegenüber es will.
Dieses Verhalten entspricht jedoch nicht den eigenen Werten.
Es gibt grundsätzlich zwei Verhaltensweisen der Eltern oder anderen wichtigen Bezugspersonen,
welche dazu führen, dass Kinder sich von sich selbst zu entfremden beginnen [1]:
•
•
Das Kind bekommt nicht genug Aufmerksamkeit von den Eltern. Achtung, Bestätigung und
Zuwendung ist nicht selbstverständlich.
Das Kind steht übermässig im Mittelpunkt. Es wird dauernd gelobt für seine tollen
Leistungen, sein Aussehen, seine Begabungen und Talente. Es erlebt eine übermässige
Bewunderung. Für dieses Kind ist Liebe mit Leistungen verbunden. Es schwankt zwischen
einem übertriebenem Selbstbild und der Angst, die Zuwendung aufgrund ungenügender
Leistungen zu verlieren.
Selbstverständlich gibt es noch weitere Verhaltensweisen die zur eigenen Entfremdung führen,
zum Beispiel die Partnerersatzrolle, doch dazu später mehr.
In der frühen Kindheit haben wir das Bedürfnis, bedingungslos geliebt zu werden. Fehlt uns diese
bedingungslose Liebe, brauchen wir Strategien um zu überleben, denn die Liebe ist essentiell. Es
gibt verschiedene Überlebensstrategien, welche wir unbewusst auswählen können, um zu
überleben.
• Wir können uns zurückziehen oder anpassen. Das Ziel ist, möglichst nicht negativ
aufzufallen. Denn dadurch können Konflikte entstehen, Streit ausbrechen, oder Ablehnung
aufkommen. Dies erinnert an die schmerzhaften Verletzungen der Kindheit, welche
unbedingt vermieden werden wollen. Kritik an der eigenen Person darf nicht geschehen.
• Wir legen ein übertrieben starkes Selbstbewusstsein an den Tag. Durch ein starkes
Auftreten und eine erfolgreiche Ausstrahlung kompensieren wir Mangelgefühle. Kritik und
Verletzung werden ferngehalten. Es wird ein Schutzpanzer angelegt, der heftige Gefühle
abwehrt. Die Verletzlichkeit wird verborgen.
Die Selbstliebe bleibt in beiden Fällen auf der Strecke. Die eigenen, wahren Bedürfnisse werden
vergessen. Das Selbstbewusstsein und der Selbstwert gehen verloren.
3 1.1 Bedeutung vom Narzissmus für das Individuum [1]
Die Definition von Narzissmus ist Selbstliebe. Selbstliebe ist etwas, dass wir alle brauchen. Ohne
ein gesundes Mass an Selbstliebe ist das Leben eine unbeschreibliche Last und eine persönliche
Entwicklung ist nicht möglich. Somit ist Narzissmus nicht etwas negatives, sondern eine wichtige
Eigenschaft um Wohlbefinden zu verspüren und sich selbst persönlich weiter zu entwickeln.
Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung werden vom Psychologen als
Narzissten bezeichnet. Dies sind Menschen, deren Selbstwertgefühl empfindlich gestört ist. Das
Bedürfnis nach Liebe, Anerkennung und Bewunderung ist auf krankhafte Weise übersteigert. Der
Mangel an Liebe kann auf zwei Arten kompensiert werden:
Der Narzisst ist stark selbstverliebt und sieht in sich ein grandioses Selbst. Zuneigung und
Bewunderung holt er sich durch Leistung und Erfolg. Gefühle und Bedürfnisse anderer
nimmt er nicht wahr. Um des eigenen Erfolges willen kann er sehr verletzend und
rücksichtslos agieren. Er steht gerne im Mittelpunkt und präsentiert die eigenen Leistungen.
Er trägt einen starken Panzer um Gefühle abzuwehren und die eigenen Gefühle
einzuschliessen. Er geht nicht auf andere ein. Diese starke Selbstliebe ist eine falsche
Liebe. Er liebt sich nicht so wie er ist.
• Der Narzisst „zerfliesst“ förmlich mit Anderen. Er geht übertrieben stark auf deren Gefühle
und Bedürfnisse ein. Das Wohlbefinden der Anderen ist das Wichtigste das zählt. Die
eigenen Gefühle und Bedürfnisse werden denjenigen der anderen unterstellt. Diese Form
wird auch als der ‚weibliche Narzissmus’ bezeichnet.
(Wenn in dieser Arbeit von dem „Narzissten“ geredet wird, ist das Bild des Erfolg- und
Machthungrigen Beispiels gemeint. Der weibliche Narzissmus wird jeweils explizit erwähnt).
•
Die Formen der narzisstischen Persönlichkeitsstörung können in Art und Intensität stark variieren,
von kaum wahrnehmbaren leichten Störungen der Selbstliebe bis hin zu schlimmen krankhaften
Charakterveränderungen.
Die Störung findet immer darin ihren Ausdruck, dass diese Menschen stark unter sich selbst
leiden, Symptome körperlicher und seelischer Art entwickeln und vor allem im
zwischenmenschlichen Bereich grosse Probleme haben [1].
1.2 Der Narzissmus in der Gesellschaft
In unserer westlichen Gesellschaft haben fast alle Menschen Probleme mit dem Selbstwert und
Selbstbewusstsein und trauen sich nicht, vollumfänglich sich selbst zu sein. Jedoch entwickelt nur
ein Teil eine starke eigentliche Persönlichkeitsstörung.
Diese Problematik wird unterstützt durch die mediale Präsenz im Alltag, durch perfekt dargestellte
Promis und Models, durch die Glorifizierung reicher und berühmter Menschen in Glamoursendungen, durch überdurchschnittlich begabte und intelligente Rollen in TV Serien, um nur ein
paar Beispiele zu nennen. Dadurch wird ein falsches und unrealistisches Weltbild dargestellt.
Zudem ist es oft verpönt, seine wahren Gefühle zu zeigen. Diese sind jedoch Teil von uns. Dürfen
wir sie nicht zeigen, verleugnen wir diese Seiten an uns selbst.
Menschen mit einer starken narzisstischen Persönlichkeitsstörung sind oft in führenden Rollen in
Wirtschaft und Politik zu finden. Sie sind fähig, die erfolgsbringenden Energien praktisch grenzenlos aufzubringen, alles aus dem Antrieb, Anerkennung zu erlangen. Leider gerät man durch dieses
Verhalten in einen Teufelskreis, denn man stösst die Menschen in der näheren Umgebung durch
dieses Verhalten ab. Dadurch entsteht der Eindruck, dass noch mehr Leistung und Erfolg nötig ist.
Sowohl derjenige, der sich für das grandiose Selbst als Überlebensstrategie entscheidet, wie auch
derjenige, der sich anpasst oder zurückzieht, hat das gleiche grundsätzliche Problem: Er darf nicht
sich selbst sein.
4 1.3 Narzissmus, das innere Gefängnis
Heinz-Peter Röhr, Pädagoge und Psychotherapeut an der Fachklinik Fredeburg für
Suchtmittelabhängige, ist Spezialist für die narzisstische Persönlichkeitsstörung. Er führt
Selbsthilfegruppen für Menschen mit narzisstischen Persönlichkeitsstörungen. In seinem Buch
‚Narzissmus, das innere Gefängnis’ beschreibt er Entstehung, Symptomatik und Therapierung der
narzisstischen Persönlichkeitsstörung anhand des Grimm’schen Märchens ‚Der Eisenofen’. Das
Märchen erläutert in einfacher, bildlicher Sprache, das Leiden und die Heilung eines im Eisenofen
eingeschlossenen Prinzen, welcher den Weg der Heilung begeht und die narzisstische
Persönlichkeitsstörung ablegen kann. Der Eisenofen steht in diesem Märchen für den Panzer, das
innere Gefängnis, in welches Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung sich
typischerweise selbst einsperren um sich zu schützen vor Verletzungen und Kritik, und um sich
von Gefühlen fern zu halten (siehe Kapitel 4.2).
Märchen sind im Verlauf der Geschichte aus Erzählungen und persönlichen Erfahrungen
entstanden. Zu einer Zeit wo es noch keine Unterhaltung in Form von Fernsehen oder Radio gab,
setzte man sich Abends zusammen und erzählte sich allerlei Geschichten. Diese wurden
weitererzählt, ausgeschmückt und erweitert. Über die Zeit entstanden dadurch ausgeprägte
Geschichten welche die Erlebnisse, Gefühlslage und Situationen der Epoche wiederspiegeln.
Märchen thematisieren häufig die narzisstischen Grundfragen; neben dem Eisenofen sei auch auf
das „Spieglein, Spieglein an der Wand“ in Schneewittchen und auf das Märchen Aschenputtel
hingewiesen.
Das Buch ‚Narzissmus – das innere Gefängnis’ bildet die Grundlage von Teil 1 der fachlichen
Abhandlung (Kapitel 4.2). Teil 1 ist eine Zusammenfassung des Buches mit den wichtigsten
Aspekten zum Thema Entstehung und Heilung der narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Die
komplette Fassung des Märchens ist im Anhang angeführt.
Im Teil 2 (Kapitel 4.3) gehe ich vertieft auf die spirituellen Seiten des Themas Selbstwert ein und
unterlege die spirituellen Ansätze mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen der Quantenphysik.
Im Teil 3 (Kapitel 4.4) beschreibe ich eine Auswahl an Coachingtools für die Arbeit am Selbstwert.
2 Kurze Abhandlung des Märchens ‚Der Eisenofen’ und die Erläuterungen von H.-P. Röhr [1]
(Ausschnitte des Märchens sind in Kursiv geschrieben. Die Erläuterungen in Normalschrift).
Im Märchen ist der Königssohn in einem tiefen Wald im Eisenofen eingesperrt, in welchen ihn eine
böse Hexe verwünscht hat, zu einer Zeit als das Wünschen noch geholfen hat (...).
In Märchen ist oft von Hexen und bösen Stiefmüttern die Rede. Diese Charakteren verkörpern die
negativen Seiten der Mutter oder anderer wichtiger Bezugspersonen eines Kindes. Diese
negativen Seiten können für das Kind bedrohlich oder gar zerstörerisch sein (der Einfachheit
halber wird in dieser Arbeit immer von der Mutter gesprochen. Dies als Sinnbild für die mütterliche,
fürsorgliche Seite, welche auch von anderen Bezugspersonen gelebt werden sollte). Die Mutter
sollte dem Kind Schutz, Geborgenheit, Wärme und vor allem Bedingungslose Liebe geben. Dabei
braucht das Kind auch genügend Freiraum zur eigenständigen Entwicklung. Aus irgendeinem
Grund kann die Mutter dies nicht tun, und verwünscht damit das Kind indirekt in den Eisenofen.
Dieses Verhalten geschieht nicht in böser Absicht. Auch sie hat ihre Vorgeschichte, und handelt so
wie sie kann. Diese Erfahrungen prägen die Mutter in ihrem Verhalten dem Kinde gegenüber.
Die Zeit, als das Wünschen noch geholfen hat, symbolisiert die Zeit, als bei dem Kleinkind der
Verstand noch nicht das Zepter übernommen hat. Realität, Phantasie und Traum vermischen sich
noch. Die Phantasie ist stärker als die Realität, das Wünschen hat geholfen in der magischen,
inneren Welt.
Der Eisenofen steht für den Schutzpanzer welcher sich das Kind angelegt hat, um die
Verletzungen aufgrund der vermissten bedingungslosen Liebe, und der damit verbundenen
Schmerzen, abzuwehren. Der Eisenofen steht isoliert im tiefen Wald. Dieses Bild symbolisiert die
Einsamkeit und die (Gefühls-)Kälte, in welcher sich der Prinz befindet.
5 Der Prinz ist im Eisenofen eingesperrt. Er kann sich nicht frei bewegen, frei fühlen, oder frei
entfalten. Das Bild verkörpert auch innere Leere und extreme Langeweile, Zustände welche bei
Narzissten immer wieder vorkommen.
Röhr bezeichnet Narzissten als Eisenofenmenschen. Dieser Begriff ist bildlich leicht zu verstehen
und ist weniger negativ behaftet als ‚Narzisst’.
Kleine Kinder erleben sich selbst noch als vollkommen. Unangenehme Erlebnisse in der
Entwicklung, in welcher das Kind nicht sich selbst sein kann, stören diese Wahrnehmung. Das
Kind zieht sich dann in seine phantastische innere Welt zurück, um den verletzlichen inneren Kern
in Sicherheit zu bringen. Geschehen diese Verletzungen vereinzelt kann das Kind sich wieder
öffnen und sein wahres Selbst leben. Je häufiger das Kind das Gefühl des Gewollt sein und des
‚sein dürfen wie du willst’ erhält, desto einfacher kann es sich wieder öffnen. Muss sich das Kind
jedoch häufig in die Isolation zurückziehen, tut es dies immer tiefer. Die Entfaltung der eigenen
Persönlichkeit wird dadurch empfindlich gestört.
Aufgrund der Signale der Erziehungspersonen, was richtig und was falsch sei, beginnt das Kind
ein Idealbild zu entwickeln. Die eigenen Anteile die nicht ins Idealbild passen werden verdrängt
und verleugnet. Das Wissen um das wahre Ich geht dabei mehr und mehr verloren.
Wenn Eltern sich nicht selbst lieben, können sie dem Kind die Selbstliebe nicht spiegeln und es
lernt nicht, wie man sich seiner selbst willen liebt. Das Kind muss wie oben beschrieben sein
Selbstwertgefühl auf krankhafte Weise herstellen.
Das Kind spürt aber auch, das die Mutter selbst bedürftig ist. Schnell stellt es die eigenen
Bedürfnisse zurück, um der Mutter zu helfen, dass es ihr besser geht. Das Ziel ist, eine Mutter zu
haben, die ihm spiegelt, willkommen zu sein, so wie es ist. Es fühlt sich schuldig, wenn ihm dies
nicht gelingt. Es ist glücklich, wenn es im gelingt. Diese Momente sind alles, das zählt. Dafür geht
das wahre Selbst verloren, die wahren Gefühle und Empfindungen müssen geopfert werden. Doch
die jetzt gespürte Liebe ist eine falsche Liebe, sie ist Anerkennung durch Leistungen. Aber das
Kind fühlt sich zumindest gebraucht und etwas wert.
Viele Menschen streben nach Anerkennung, weil sie in der Kindheit wirkliche Liebe vermissten.
Es besteht die Meinung, mit Leistung erhalte man Anerkennung. Die Anerkennung muss mit allen
Mitteln erreicht werden. Was von aussen als kühl und hoffnungslos selbstverliebt erscheinen kann,
ist in Wahrheit ein Schrei nach Liebe.
(...)Einmal kam eine Königstochter in den Wald, die hatte sich irre gegangen und konnte des
Vaters Reich nicht mehr finden (...) und stand zuletzt vor dem eisernen Kasten. (...) „Ich will dir
wieder nach Hause verhelfen, und zwar in kurzer Zeit, wenn du tust, was ich verlange. Ich will dich
heiraten (...) du sollst wiederkommen, ein Messer mitbringen, und ein Loch in das Eisen
schrappen“. (...) Da gab er ihr einen Gefährten, der ging nebenher und sprach nicht, er brachte sie
aber in 2 Stunden nach Hause. (...) Sie erzählte dem König vom dem Erlebten. Da erschrak der
König, dass er beinahe in eine Ohnmacht gefallen wäre, denn er hatte nur die einzige Tochter. Sie
beratschlagten und führten die Müllerstocher und die Schweinehirtentochter anstelle der
Königstochter zum Eisenofen. (...) Doch sie scheiterten beide und die Königstochter ging selbst.
Wie sie nun angekommen war, hub sie an zu schrappen, und das Eisen gab nach, und wie 2
Stunden vorbei waren, hatte sie schon ein kleines Loch geschabt (...).
Aus psychologischer Betrachtungsweise stehen in Märchen oft mehrere Charakteren für die
verschiedenen Seiten einer Person. Die Königstochter steht für zweierlei Dinge.
Einerseits verkörpert Sie das wahre Ich des Prinzen (des Eisenofenmenschen), das sich in der
Einsamkeit aufmachte um vom Prinzen wahrgenommen zu werden. Es ist der Anteil des
Eisenofenmenschen, der bereit ist, sich selbst anzuerkennen und sein eigenes Ich zu entwickeln.
So gelang es auch nur ihr, den Prinzen zu befreien. Die Versuche des Königs, andere Mädchen
und somit andere Seiten des Prinzen, zu ihm zu schicken, haben keinen Erfolg gebracht. Diese
6 weiteren falschen Seiten des Prinzen konnten ihn nicht befreien. Nur das Erkennen des wahren
Ichs kann den Panzer aufbrechen und den langen Weg der Heilung auslösen.
Andererseits steht die Prinzessin für den weiblichen Narzissmus. Die Prinzessin wurde durch
den Vater in die Partnerersatzrolle gedrängt: Von der Königin ist nie die Rede. Jedoch sticht immer
wieder hervor, wie der König die Prinzessin eng an sich hält. Der Vater stellt sie in die Rolle der
Mutter/Ehefrau, formt sie nach den Dingen wie er glaubt dass seine Partnerin zu sein hat. ‚Sei so
wie ich dich will. Du bist für mein Wohl verantwortlich’. Dafür erhält sie seine Zuneigung und
(falsche) Liebe. Geschickt manipuliert er sie, damit sie bei ihm bleibt und nicht auf eigenen Füssen
die Welt zu entdecken beginnt. Aus Angst sie zu verlieren, lässt er sie spüren, dass sein Wohl von
ihr abhängig ist. Mit Schuldgefühlen wird sie manipuliert. Unbewusst beginnt sie zu glauben, dass
des Vaters Wohl wirklich von ihrem Verhalten abhängt. Daher spielt sie das Spiel mit.
Auch hier fehlt dem Kind die bedingungslose Liebe. Sie lebt in einem goldenen Käfig.
Mensche mit einem weiblichen Narzissmus sind sehr fürsorglich und tun alles, damit es den
Menschen in ihrer Umgebung gut geht.
Diese Rollenverteilung geschieht oft in Familien, in welchen die Partnerschaft unglücklich verläuft,
die Partner jedoch zusammenbleiben und Konflikte still mitschwingen.
(...) Er wollte sie mit in sein Reich führen, aber sie bat sich aus, dass sie noch einmal dürfte zu
ihrem Vater gehen, und der Königssohn erlaubte es ihr, doch sollte sie nicht mehr mit ihrem Vater
sprechen als 3 Worte(...) Sie sprach aber mehr als 3 Worte und da verschwand alsbald der
Eisenofen und war weit weg gerückt über gläserne Berge und schneidende Schwerter (...)
Das Verhalten des Prinzen ist typisch. Er ist besitzansprechend, will die Prinzessin nicht teilen. Er
nimmt keine Rücksicht auf ihre Bedürfnisse, welche hier der Abschied vom Vater und ihrer Heimat
sind. Er ist ungeduldig. Als die Prinzessin zurückkommt, ist er schon fort.
Hier wird das Dilemma des Eisenofenmenschen sichtbar. Es reicht nicht, den Panzer abzulegen.
Durch die „Entblössung“ folgt die Flucht hinter gläserne Berge und schneidende Schwerter (auf
deren Bedeutung wird später eingegangen). Für die Prinzessin, das wahre Ich des Prinzen,
beginnt jetzt die lange und mühselige Reise, hin zur Integration und Vereinigung der beiden Seiten
des Eisenofenmenschen und zur Entwicklung des wahren Ichs des Prinzen.
(...) Sie ging wieder in den Wald und suchte den Eisenofen. Allein der war nicht zu finden. Neun
Tage suchte sie, da ward ihr Hunger so gross, dass sie sich nicht mehr zu Helfen wusste, denn sie
hatte nichts mehr zu leben. (...) Da sah sie von fern ein kleines Lichtchen (...) Da kam sie zu einem
kleinen Häuschen (...) guckte durchs Fenster hinein und sah nichts darin als dicke und kleine
Itschen (Kröten), aber einen Tisch, schön gedeckt mit Wein und Braten (...) Da nahm sie sich ein
Herz und klopfte an. (...) Wie sie eintrat, hiessen alle sie willkommen, und sie musste sich setzen.
(...) Die Itschen teilten ihr mit, sie müsste über einen hohen gläsernen Berg, und über drei
schneidende Schwerter und über ein grosses Wasser. Nun gab sie(die Itsche) hiermit 3 Teile,
nämlich 3 grosse Nadeln, ein Pflugrad und 3 Nüsse. Hiermit reiste sie ab. (...)
Die Prinzessin widerspiegelt die Suche des Eisenofenmenschen nach sich selbst. Doch dieser
hatte sich hinter die nächste Isolation zurückgezogen (Glasberge). Wieso tut er das? Durch das
Verlassen des Eisenofens ist er ein Risiko eingegangen: Er wird verletzlich. Die Flucht zurück ist
fast schon eingeplant. Denn das einst selbst gebaute Gefängnis ist sicherer, vertrauter und
weniger schmerzhaft als das Neue, das Freie, das Unbekannte. Er hat sich in seinem inneren
Gefängnis eine Komfortzone eingerichtet, in welcher es sich ganz gut leben lässt. Darin kann er
sich aufhalten, ohne den Gefahren des offen seins ausgesetzt zu sein.
Der Eisenofen kann nicht dadurch abgelegt werden, indem man das Glück von jemand anderem
geschenkt bekommt. Es braucht die Auseinandersetzung mit sich selbst. Oft ist man erst dazu
bereit wenn die Situation stark verzweifelt ist. Dann ist man bereit, das Lichten am Horizont zu
sehen. Im Märchen ist dies das Häuschen mit den Itschen.
7 Das Häuschen der Itschen mit seiner ordentlichen und wertvollen Einrichtung steht für die
scheinbar heile Welt, in der sich der Eisenofenmensch befindet. Es ist Sinnbild für eine materielle
Scheinwelt. Äusserlichkeiten sind für Eisenofenmenschen sehr wichtig. Es muss alles korrekt
erscheinen.
Die Itschen, wollen gar nicht in dieses Bild der gemütlichen, ordentlichen Welt passen. Hier
beginnt die Auseinandersetzung mit sich selbst. Das genauere Hinschauen auf die Ist – Situation
wird aufzeigen, was nicht ins Bild passt; nämlich die Itschen selbst. Sie stehen für die krötenhaften
Teile der Persönlichkeit des Eisenofenmenschen. Dies sind die Anteile der Persönlichkeit, die nicht
ins selbst gemachte Idealbild passen und die verleumdet und nicht angesehen werden wollen
(Mehr dazu beim Kapitel 4.3.5 Schattenseiten).
Die Prinzessin jedoch, das wahre Selbst des Prinzen, lässt sich einladen und freundet sich mit
ihnen an. Die Itschen schenken ihr darauf hin drei Hilfsmittel für ihre weitere Reise (3 Nadeln, 1
Pflugrad und 3 Nüsse) über Glasberge, schneidende Schwerter und ein grosses Wasser. Dies
verdeutlicht, dass das Idealbild abgelegt werden muss. Die Anerkennung der ungewollten
(krötenhaften) Seiten wichtig ist, um in der persönlichen Entwicklung weiter zu kommen.
(...)und wie sie vor den gläsernen Berg kam steckte sie die 3 Nadeln als hinter die Füsse und dann
wieder vorwärts und gelangte so hinüber (...). Danach kam sie vor die 3 schneidenden Schwerter,
da stellte sie sich auf ihr Pflugrad und rollte hinüber. Endlich kam sie vor ein grosses Wasser, und
wie sie hinüber gefahren war, in ein grosses Schloss.
Der Prinz versteckt sich hinter Glasbergen. Die Glasberge sind eine Metapher für den erneuten
Panzer des Prinzen, hinter den er sich nach der Ablegung des Eisenofens zurückgezogen hat. Sie
stehen für seine kalte, glatte Oberflächlichkeit. An dieser Oberflächlichkeit prallt jegliche Kritik ab.
Für den Eisenofenmenschen ist Kritik etwas Vernichtendes. Er sieht sie als etwas rein Negatives.
In Kritik zu geraten bedeutet für ihn, Schwächen zu haben. Konstruktive Kritik kennt er nicht.
Will sich der Eisenofenmensch weiterentwickeln, muss er lernen Kritik konstruktiv zu sehen. Er
muss lernen, diese „Nadelstiche“ zu ertragen. Die Nadelstiche, welche die Prinzessin ihm versetzt,
sind die bewusst akzeptierten Kränkungen. Mit diesen Kränkungen kann sich der Prinz
weiterentwickeln und beginnen, die wahre Persönlichkeit zum Vorschein zu bringen.
Die Schwerter sind das kämpfende Verhalten des Eisenofenmenschen gegen seine Schwächen.
Aggressiv wehrt er sich gegen Leute, die ihm diese Schwächen aufzeigen könnten. Mit Ironie,
Abwertung und Verletzungen hält er sich diese Leute auf Distanz. Er verhält sich perfektionistisch
und sucht nach Fehlern bei den anderen.
Die Prinzessin pflügt diese Schwerter nieder. Dies ist ein bildlicher Hinweis darauf, dass es
produktiver ist, zu säen anstatt zu kämpfen. Die Anerkennung der eigenen Schwächen ist der
erste Schritt. Dadurch wird es möglich, sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Das Ziel ist, sich mit
den Schwächen anzufreunden, das heisst, sie als ein Teil des Selbst anzunehmen und nicht mehr
als etwas Negatives anzusehen.
Röhr gibt dem See den Namen „See der Erinnerung“. Der See steht in der Tiefenpsychologie für
das Unbewusste. Die Prinzessin muss diesen See überqueren, um zum Schloss ihres Geliebten
zu gelangen. Dies bedeutet, dass der Eisenofenmensch sein Unbewusstes anschauen muss.
Durch das Überwinden der Glasberge und der Schwerter hat er begonnen, sich mit seinem
wahren Selbst auseinanderzusetzen. Jetzt gilt es, tiefer zu gehen. Alte Erinnerungen müssen
angeschaut und die Gefühle verarbeitet werden.
Die Sprache des Unbewussten sind Gefühle. Der Eisenofenmensch ist jedoch ein rationeller
Kopfmensch. Sein Geist und Körper sind im Ungleichgewicht. Er kann nicht mehr fühlen. Jetzt
muss er lernen, Gefühle wieder wahrzunehmen. Das Wahrnehmen von Gefühlen hilft, Geist und
Körper wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Dadurch kann sich das Unbewusste wieder zu Wort
melden und entdeckt werden.
8 Sie ging hinein und hielt um einen Dienst als Magd an. (...) Also ward sie angenommen zum
Küchenmädchen für geringen Lohn. Nun hatte der Königssohn schon wieder eine andere an der
Seite, denn er dachte, sie wäre längst gestorben.
Abends, wie sie aufgewaschen hatte und fertig war, fühlte sie in die Taschen und fand die drei
Nüsse, (...). Biss ein auf und siehe, da war ein stolzes königliches Kleid drin. Wies nun die Braut
hörte, kam sie und hielt um das Kleid an und wollte es kaufen und sagte, es wäre kein Kleid für
eine Dienstmagd. Da sprach sie nein, sie wollts nicht verkaufen, doch wann sie ihr ein Ding wollte
erlauben, so sollte sies haben, nämlich eine Nach in der Kammer des Bräutigams zu schlafen. Die
Braut erlaubte es ihr, weil es so schön war und sie noch keins so hatte. Wies nun Abend war,
sagte sie zu ihrem Bräutigam „das närrische Mädchen will in deiner Kammer schlafen“. „Wenn dus
zufrieden bist, bin ichs auch“ sprach er. Sie gab aber dem Mann ein Glas Wein, in das sie einen
Schlaftrunk gegeben hatte. Also gingen beide in die Kammer schlafen' und er schlief so fest, daß
sie ihn nicht erwecken konnte. Sie weinte die ganze Nacht und rief 'ich habe dich erlöst aus dem
wilden Wald und aus einem eisernen Ofen, ich habe dich gesucht und bin gegangen über einen
gläsernen Berg, über drei schneidende Schwerter und über ein großes Wasser, ehe ich dich
gefunden habe, und willst mich doch nicht hören.' Die Bedienten saßen vor der Stubentüre und
hörten, wie sie so die ganze Nacht weinte, und sagtens am Morgen ihrem Herrn. Und wie sie im
andern Abend aufgewaschen hatte, biß sie die zweite Nuß auf, da war noch ein weit schöneres
Kleid drin; wie das die Braut sah, wollte sie es kaufen. Aber Geld wollte das Mädchen nicht und bat
sich aus, daß es noch einmal in der Kammer des Bräutigams schlafen dürfte. Die Braut gab ihm
aber einen Schlaftrunk, und er schlief so fest, daß er nichts hören konnte. Das Küchenmädchen
weinte aber die ganze Nacht und rief 'ich habe dich erlöst aus einem Walde und aus einem
eisernen Ofen, ich habe dich gesucht und bin gegangen über einen gläsernen Berg, über drei
schneidende Schwerter und über ein großes Wasser, ehe ich dich gefunden habe, und du willst
mich doch nicht hören.' Die Bedient en saßen vor der Stubentüre und hörten, wie sie so die ganze
Nacht weinte, und sagtens am Morgen ihrem Herrn. Und als sie am dritten Abend aufgewaschen
hatte, biß sie die dritte Nuß auf, da war ein noch schöneres Kleid drin, das starrte von purem Gold.
Wie die Braut das sah, wollte sie es haben, das Mädchen aber gab es nur hin, wenn es zum
drittenmal dürfte in der Kammer des Bräutigams schlafen. Der Königssohn aber hütete sich und
ließ den Schlaftrunk vorbeilaufen. Wie sie nun anfing zu weinen und zu rufen 'liebster Schatz, ich
habe dich erlöst aus dem grausamen wilden Walde und aus einem eisernen Ofen,' so sprang der
Königssohn auf und sprach 'du bist die rechte, du bist mein, und ich bin dein.'
Röhr bezeichnet das Schloss als „das Schloss der unechten Gefühle“. Wie kommt er auf diesen
Ausdruck? Eisenofenmenschen sind nicht sich selbst und ihre Beziehungen haben einen
merkwürdigen unechten Charakter. Man bekommt den Eindruck, dass sie eine Rolle spielen, die
perfekt den Erfordernissen gerecht wird. Wenn es Vorteile bringt, ist jedes Mittel recht. So werden
auch „Gefühle“ gezeigt, wenn es erforderlich ist und persönlichen Nutzen mit sich bringt.
Betroffenheit, Anteilnahme, Wertschätzung, Unterwerfung, Überbelastung, Trauer, Macht und
Stärke, können je nach Situation zu den eigenen Vorteilen an den Tag gelegt werden.
Eisenofenmenschen haben grosse Schwierigkeiten damit, tiefe Trauer und echte Freude zu
empfinden. Freude wirkt nach außen oft maskenhaft. Wut und Hass sind zentrale und
unterschwellig oft dauernd mitschwingende Gefühle. Im Falle einer Kränkung kann die Wut
überschäumen und ein regelrechter Kontrollverlust eintreten.
Die falsche Braut ist als ein weiterer Bestandteil der Persönlichkeit des Eisenofenmenschen zu
deuten. Sie ist ein weiteres Bild für sein falsches Selbst. Das falsche Selbst ist für Eisenofenmenschen eine (Über-) Lebenshaltung. Sie mussten dieses Verhalten entwickeln, weil sie nur
Liebe bekamen, wenn sie nicht sich selbst waren und sich den Erwartungen anderer anpassten.
Für die falsche Braut sind Wohlstand und Statussymbole sehr wichtig. Für den Erhalt der schönen
Kleider tut sie alles. Sie betrügt sowohl Königstochter wie Königssohn, um die schönen Kleider zu
besitzen. Diese Darstellung spiegelt die Wichtigkeit von Statussymbolen für Eisenofenmenschen
wieder. Statussymbole stehen für Erfolg, Eigenständigkeit, Erfolg und Macht. Dafür sind
Eisenofenmenschen bereit, sowohl andere Personen wie auch sich selbst zu betrügen.
Die falsche Braut betäubt den Königssohn mit einem Schlafmittel, um ihn tief schlafen zu lassen.
Was bewegt sie dazu, wie kann diese Tat aus dem Märchen in die Realität übersetzt werden?
9 Eisenofenmenschen neigen zur sofortigen Bedürfnisbefriedigung, denn Spannungen können nur
schlecht ertragen werden. Es sind alle Mittel recht, um eine schnelle Erleichterung zu bewirken.
Ebenso müssen innere Leere, Langeweile und depressive Verstimmungen, oft häufige Zustände
des Eisenofenmenschen, bekämpft werden. Hierzu eignen sich Betäubungsmittel vorzüglich. In
erster Linie sind dies Alkohol, Tabak, Drogen und Medikamente. Aber auch Kaufen, Essen,
Spielen, Arbeiten, Fernsehen, Autofahren oder Aktionismus können die Funktion von Beruhigungsmitteln haben. Die falsche Braut betäubt den Königssohn, damit er die Königstochter nicht erkennt.
Hier ist eine klare Parallele zum alltäglichen Leben zu sehen: Der Eisenofenmensch hat eine
riesige innere Spannung. Er hat sich schon sehr weit entwickelt, das wahre Ich kommt immer mehr
zum Vorschein und steht im Konflikt mit dem falschen Selbst. Diese nicht aushaltbare Spannung
unterdrückt er durch die Einnahme von Betäubungsmitteln
Der Verzicht auf Betäubungsmittel führt dazu, dass der Eisenofenmensch sich mit seinem inneren
Konflikt auseinandersetzen muss. Um das wahre Ich wirklich annehmen zu können, braucht er die
schmerzhafte Erkenntnis, dass er sich lange Zeit selbst betrogen hat.
Doch wie kann der Eisenofenmensch denn überhaupt so weit kommen, dass er auf die Betäubungsmittel verzichtet? Schließlich hat er alles, was er zum Leben braucht. Er hat Erfolg, Geld,
Macht und schöne Besitztümer. Wieso sollte er dies aufgeben und sich auf schmerzliche
Erkenntnisse einlassen? Der Grund ist ganz einfach: Der reine Wohlstand reicht ihm nicht mehr
aus. Er will mehr.
An diesem Punkt im Märchen ist die Königstochter bereits einen sehr weiten Weg gegangen.
Dieser Weg hat zur Reifung der Persönlichkeit geführt. Der Eisenofenmensch will nun mehr als
den reinen Wohlstand. Er will lieben können und den inneren Spannungen entsagen. Er will die
innere Ruhe finden.
Im Märchen ist die Königstochter stark verzweifelt und weint laut. Beim dritten Mal verzichtet der
Prinz auf den Becher Wein mit dem Schlafmittel und kann schließlich die Königstochter, die wahre
Braut, erkennen.
Die Parallele im Leben des Eisenofenmenschen ist offensichtlich: Die innere Verzweiflung,
ausgelöst durch den Wunsch nach Selbstliebe und der Unfähigkeit diese zu leben, treibt ihn dazu,
auf sich selbst zu hören. Denn je länger er weghört, desto lauter wird die Stimme der inneren
Verzweiflung. Nimmt er die Verzweiflung deutlich wahr, ist er auch bereit, auf die Suchtmittel zu
verzichten. Nun kann er seine inneren Bedürfnisse wahrnehmen und sich mit seinem wahren
Selbst verbinden.
Darauf setzte er sich noch in der Nacht mit ihr in einen Wagen, und der falschen Braut nahmen sie
die Kleider weg, daß sie nicht aufstehen konnte.
Der Königssohn ist an seinem Ziel angelangt. Er hat die Königstochter erkannt und sich mit ihr
vereint: Der Eisenofenmensch hat sein wahres Ich angenommen. Doch wieso nehmen sie der
falschen Braut die Kleider weg?
Die falsche Braut soll ihnen nicht folgen können. Das falsche Selbst soll keinen Einfluss mehr auf
den Eisenofenmenschen haben.
Die bisherige Entwicklung hat dazu geführt, dass der Eisenofenmensch das falsche Ich ablegen
konnte. Nach dieser Entsagung geht es darum das alte und falsche Ich definitiv hinter sich zu
lassen. Im Märchen wird die falsche Braut ziemlich einfach zurück gelassen. In der Realität kann
dieser Weg langwierig und beschwerlich sein. Wichtig ist, dass auf altes Verhalten gänzlich
verzichtet wird und keine Halbheiten gelebt werden.
Der Suchtkranke kann nur genesen werden, wenn er gänzlich auf den Konsum verzichtet. Somit
müssen auch die alten Verhaltensmuster gänzlich abgelegt werden. Doch das Leben geht weiter
und hält dauernd Herausforderungen und Prüfungen bereit. Diese Herausforderungen können
dazu führen, dass man in alte Muster zurück fällt. Diese „Fehler“ dürfen passieren, wichtig dabei
ist, dass der Eisenofenmensch sich seinem Verhalten bewusst ist und realisiert, dass er im alten
Muster gehandelt hat. Wenn es zu Rückschlägen kommt, können diese mitunter sehr schmerzhaft
sein. Diese Rückschläge sind Hinweise auf die nicht gelungene Weiterentwicklung der Persönlichkeit.
10 Für den geheilten Eisenofenmenschen ist es sehr wichtig, dass er sich nach diesen Situationen
selbst vergibt und nicht im Frust stecken bleibt. Anstatt sich zu Grämen und ein schlechtes
Gewissen zu haben, sollte er seine „Schwäche“ zugestehen. Es braucht Geduld das Verhalten zu
ändern und es braucht Zeit, die neuen Verhaltensweisen zu festigen.
Als sie zu dem großen Wasser kamen, da schifften sie hinüber (...)
Im Märchen gehen die Königstochter und der Königssohn den ganzen Weg gemeinsam zurück.
Was ist die Bedeutung dieser erneuten Wanderung?
Die erneute Überquerung des Sees und der Berge hat schon einen viel
Aus einem Neurotiker,
tieferen Charakter. Der Eisenofenmensch findet jetzt den Zugang zu
der meditiert, wird
tieferen Schichten des Unbewussten.
bestenfalls ein
Menschen mit emotionalen Problemen versuchen oft, direkt die zweite
erleuchteter
Seeüberquerung anzustreben um möglichst schnell ans Ziel zu
Neurotiker
gelangen. Sie versuchen über die Hinwendung esoterischer Praktiken
Kent Wilber
Erlösung zu erlangen. Dies birgt einige Risiken. Kent Wilber, einer der
bedeutendsten transpersonaler Psychotherapeuten bemerkte dazu: „
Aus einem Neurotiker, der meditiert, wird bestenfalls ein erleuchteter Neurotiker“.
Es geht darum, die Wunden der Kindheit zu heilen. Durch die bisherige Auseinandersetzung mit
sich selbst wurde dieser Prozess in Gang gesetzt. Jetzt kann die zweite Überquerung begangen
werden. Graf Dürkheim drückte dies so aus, dass durch die zweite Seeüberquerung der Zugang
zu der zweifachen Natur gefunden wird, also auch zu der spirituellen Natur. Wenn die Wunden
nicht geheilt sind, ist der vertiefte Einblick ins Unbewusste ein Fass ohne Boden, Fortschritte sind
nicht nachhaltig und es beginnt ein Wandel im Kreise.
Wie darf die spirituelle Natur verstanden werden?
Das mythologische Bild der Vertreibung des Menschen aus dem Paradies beschreibt die Trennung
des Menschen von der Natur. Er ist zwar Bestandteil der Natur, aber er fühlt sich getrennt von ihr.
Ein Säugling fühlt sich Eins mit der Mutter und der Natur. Das Leben verläuft traumnah und
instinkthaft, alles ist Eins und verbunden miteinander. Mit der Zeit, wenn der Verstand erwacht,
beginnt das Kind wahrzunehmen, dass es räumlich getrennt ist von der Umgebung. Diese
Erfahrung ist schmerzhaft und das Kleinkind muss lernen, dies zu ertragen. Ein Zurück in den
Zustand der Verbundenheit scheint unmöglich. Es bleibt nur das Leben in Angst, denn das Gefühl
der Trennung erzeugt Angst und Unbehagen. Diese Entwicklung durchläuft jeder Mensch in seiner
Entwicklung.
Die Geborgenheit und das Sich-geborgen-Wissen in einer sozialen Gruppe kann das Gefühl der
Angst lindern, aber nie vollkommen auflösen. Der Eisenofenmensch fühlt sich durch seine
Kindheitserfahrungen extrem getrennt vom Umfeld. Angst und Einsamkeit sind sehr stark in ihm
vorhanden, auch wenn er sich dies nie zugestehen würde. Die Verletzungen der Kindheit, welche
die Gefühle von Angst und Einsamkeit auslösen, wollen geheilt werden. Danach oder während
diesem Prozess kann er seine spirituelle Natur zu entdecken beginnen und tiefer ins Unbewusste
eintauchen. Er kann beginnen, sich geborgen und mehr Eins zu fühlen. Er kann beginnen, die
Verbindung jenseits der räumlichen Struktur wahrzunehmen.
(...) und vor den drei schneidenden Schwertern, da setzten sie sich aufs Pflugrad, und vor dem
gläsernen Berg, da steckten sie die drei Nadeln hinein.
Königssohn und Königstochter überqueren erneut die schneidenden Schwerter. Bei der ersten
Überquerung ging es darum, das aggressive Verhalten abzulegen und Kritik konstruktiv zu
betrachten.
Durch die Auseinandersetzung mit sich selbst und der Vereinigung mit dem wahren Selbst erkennt
der Eisenofenmensch, dass das Leben kein Kampfplatz ist, sondern ein Ort für den Austausch mit
Anderen.
Fehler anderer und Unzulänglichkeiten können jetzt viel besser angenommen und ertragen
werden. Fehler dürfen selber gemacht werden. Das gute Gefühl bleibt, es ist normal und gehört
11 zum Lernprozess des Lebens. Das Vertrauen in das Leben und das Universum („Alles ist richtig so
wie es passiert“) ist das Erstrebenswerte hohe Ziel. Dieses Ziel setzt die Selbstliebe voraus. Das
Menschsein macht Freude, Unzulänglichkeiten sind Chancen. So findet er Sicherheit in sich
selbst.
Die erneute Überquerung der Glasberge ist ein symbolisches Bild für die Erkenntnis, dass die
harte, kalte Fassade nur eine Maske zum Selbstschutz war. Rückschläge können passieren in
schwierigen Situationen. Jedoch kennt der Eisenofenmensch jetzt die andere, weiche Seite und
die Unterschiede der beiden Seiten. Er kann sich jetzt einfacher für die neue Seite entscheiden. In
dieser Phase kann die Hilfe einer Gruppentherapie oder die mentale Begleitung sehr wertvoll sein
um sich mit den alltäglichen Erfahrungen auseinanderzusetzen und damit zu wachsen.
Da der Eisenofenmensch sich nun geöffnet hat, die harte Schale aufweichte, Selbst-Bewusstsein
aufbaute und sein wahres Ich kennengelernt hat, ist die erneute Überquerung viel intensiver. Das
Gefühl andere kontrollieren zu müssen um sich wohl zu fühlen ist abgelegt. Er kann Ärger und Wut
ebenso zeigen wie Schmerz und Trauer. Er beginnt zu verstehen, dass Angst ein Teil von ihm ist,
und keine Schwäche. Er kann Freude spüren und strahlt zunehmend Ruhe und Gelassenheit aus.
So gelangten sie endlich zu dem alten kleinen Häuschen, aber wie sie hineintraten, wars ein
großes Schloß, die Itschen waren alle erlöst und lauter Königskinder und waren in voller Freude.
Da ward Vermählung gehalten, und sie blieben in dem Schloß, das war viel größer als ihres Vaters
Schloß. Weil aber der Alte jammerte, daß er allein bleiben sollte, so fuhren sie weg und holten ihn
zu sich, und hatten zwei Königreiche und lebten in gutem Ehestand.
Das Haus mit den Itschen steht für die krötenhaften Seiten, welche nicht angenommen werden
wollten. Die erstmalige Auseinandersetzung mit diesen Seiten verhalf zu wichtigen Werkzeugen
für die Entwicklung hin zur Vereinigung mit dem wahren Selbst.
Nach der Vereinigung geht es nun um die gänzliche Anerkennung und Integration dieser Seiten.
Durch den Eintritt in das Häuschen nimmt das königliche Liebespaar diese Seiten gänzlich an. Aus
dem Häuschen wird ein Schloss. Bildlich ist hier die Anerkennung der Königswürde angesprochen.
Ein jeder ist ein Prinz oder eine Prinzessin. Durch die Selbstliebe und die Integration der
krötenhaften Seiten erwacht die Königswürde. Ich bin wertvoll. Ich bin Ich. Die krötenhaften
Schattenseiten sind nicht mehr Erschreckend. Die Königskinder beschreiben die ins Schöne
transformierten Elemente des Ichs.
Früher lösten die Itschen nach aussen gespiegelt Ablehnung aus (siehe Kapiel 4.3.4 Die
Spiegelresonanz – Wie im Innen, so im Aussen). Heute lösen sie Herzlichkeit aus.
Der Vater jammerte über sein Alleinsein. Das Brautpaar holt den Vater ins eigene Schloss und
lebte in gutem Ehestand. Wie kann diese Tat aus der Märchensprache in die Realität übersetzt
werden?
Am Anfang wie am Ende stehen die Eltern. Sind es die Eltern (oder andere wichtige
Bezugspersonen) welche die Eisenofenproblematik auslösten, betrifft der letzte Schritt der Heilung
ebenfalls die wichtigen Bezugspersonen.
Im Märchen wird nicht darüber gesprochen dass der Vater sein Verhalten änderte. Sie lebten
trotzdem glücklich und zufrieden bis ans Ende ihrer Tage.
Bewusst oder unbewusst besteht ein Zorn auf die Eltern, da sie vermeintlich verantwortlich sind für
den Schmerz. Um die innere Ruhe zu erlangen ist es unabdingbar, dass den Eltern vergeben wird.
Dadurch löst sich viel Schmerz und Verletzungen können geheilt werden.
Auf die Vergebung wird vertieft im Teil 2 eingegangen.
3. Die mentaltechnischen Seiten zum Thema Selbstwert
Das Märchen ‚Der Eisenofen’ wiederspiegelt das Thema Selbstwert bei Menschen mit einer
krankhaften Persönlichkeitsstörung, der narzisstischen Persönlichkeitsstörung, oder das
„Eisenofensyndrom“, wie von Autor Heinz-Peter Röhr betitelt.
12 Das Eisenofensyndrom ist eine stark verwurzelte und sehr intensive Form der Selbstwertlosigkeit.
Das von Eisenofenmenschen an den Tag gelegte starke Selbstbewusstsein, die enorme
Zielstrebigkeit, die Härte und das grandiose Selbst sind eine Maske, um den verletzten inneren
Kern zu schützen und von den eigenen Schwächen und der Hilfsbedürftigkeit abzulenken. Es sind
Werkzeuge, um Anerkennung zu erhalten und das Gefühl des geliebt werden wahrzunehmen. Es
ist eine Überlebensstrategie um die seelischen Verletzungen und den damit verbundenen
Schmerz zu unterdrücken. Dieses Verhalten läuft meist unbewusst ab. Das Verhalten ist Selbsthilfe zum Selbstschutz.
Auf die Entstehung des Syndroms wurde in der Einleitung und vertieft in der Märchenabhandlung
eingegangen. Hierzu nochmals so viel:
Dem Neugeborenen ist vor allem eines wichtig; bedingungslos geliebt zu werden. Dem
Eisenofenmenschen fehlte die bedingungslose Liebe seiner wichtigsten Bezugspersonen während
seiner frühkindlichen und kindlichen Entwicklung. Das Verlangen nach Liebe ist so gross, dass er
seine eigene Persönlichkeit opfert, um Anerkennung zu erhalten. Das wahre Ich wird verraten und
aufgegeben. Um zu überleben entwickelt er ein falsches Selbst.
Auf der Suche nach Liebe und Anerkennung veränderte der Eisenofenmensch sein Verhalten
immer mehr in der Hoffnung, dasjenige Verhalten zu finden, welches ihm Anerkennung bringt. In
unserer Gesellschaft hat er nun erfahren, dass Leute mit Geld, Prestige, Erfolg und Macht eine
Form der Anerkennung erleben. Diese Form der Anerkennung will er unbedingt erleben und wird
daher selbst Geld, Prestige, Erfolg und Macht anstreben. Jedoch ist diese Form der Anerkennung
keine bedingungslose Liebe und kann somit den erlebten Schmerz nicht heilen. Es muss noch
mehr Leistung vollbracht werden. Der Eisenofenmensch ist in seinem Dilemma gefangen und die
Spirale beginnt sich zu drehen.
Zum eigenen Schutz mussten Gefühle unterdrückt werden. Da er seine Gefühle einerseits nicht
zeigen darf, und andererseits diese Gefühle zu schmerzhaft sind um wahrgenommen zu werden,
wiederholt sich diese Unterdrückung dauernd. Dies führt dazu, dass er das Fühlen verlernt. Die
Gefühle sind nicht mehr wahrnehmbar. Zurück bleiben Leere, Einsamkeit, Langeweile. Zorn und
Wut sind ständige Begleiter und ein Zeichen für seine unterdrückten Gefühle. Jedoch schiebt er
auch Zorn und Wut dauernd beiseite.
Will der Eisenofenmensch den Weg zu sich selbst begehen, kommt er nicht darum herum, das
Fühlen wieder zu erlernen. Hierzu gibt es viele Möglichkeiten. Eine schöne Möglichkeit beschreibt
das Buch „Das Einmaleins der Achtsamkeit“ von Jessica Wilker, eine Art Wochenanleitung, um zu
beginnen, sich selbst wieder zu spüren.
3.1 Der Weg zur Selbstliebe
Der Eisenofenmensch durchlebt eine Extremform der Selbstwertlosigkeit. Viele Menschen haben
Probleme mit dem Selbstwert und der Selbstliebe. Praktisch alle Menschen leben nicht
vollkommen ihr wahres Selbst, sie wurden geprägt in der Entwicklung und haben ihr Verhalten
angepasst. Nur wenige jedoch entwickeln eine ausgeprägte Persönlichkeitsstörung. Die in dieser
Arbeit beschriebenen Ansätze und Hintergrundinformationen für die Arbeit mit einer narzisstischen
Persönlichkeitsstörung können für jegliche Personen mit Selbstwertproblemen hinzugezogen
werden.
Wenn sich ein Mensch mit der narzisstischen Persönlichkeitsstörung entscheidet, an seinem
Thema zu arbeiten, hat er schon einen grossen Schritt getan. Nun wird er einen weiten Weg mit
Höhen und Tiefen vor sich haben. Das Ziel dieser Reise wird sein, Selbstwert und Selbstliebe zu
erfahren. Erreicht er dieses Ziel, wird er Liebe und Wertigkeit auch von aussen erfahren. Die
wahre Liebe und den Wert für seine Persönlichkeit muss er jedoch zuerst in sich selbst finden,
bevor er sie von aussen bekommen kann (siehe Kapitel 4.3.4 Spiegelresonanz).
Doch wie kann er dies tun?
Auf seinem Weg wird er mit seinen Schwächen, Ängsten, Schattenseiten und
Kindheitsverletzungen konfrontiert werden. Mit diesen Schwächen, Ängsten, Schattenseiten und
Kindheitsverletzungen wird er sich auseinandersetzen müssen. Er wird sie als Teil seiner selbst
anerkennen müssen. Das grosse Ziel ist sagen zu können „Ich bin Ok so wie ich bin, mit allen
13 Stärken UND Schwächen, mit allen Ängsten und Schattenseiten. Diese sind ein Teil von mir und
gehören zu mir. Es ist normal, diese Seiten zu haben. Ich mag mich mit ALLEN meinen Seiten“.
Im alten Testament diktiert Gott Moses einen einzigen Satz, welcher all dies zusammenfasst, und
den Moses als seine Botschaft an die Menschheit bringen sollte:
„Ich bin Ich“.
3.2 Schwächen und Fehler
Dem Eisenofenmenschen muss klar werden, dass Schwächen und Fehler dazu gehören. Der
Mensch macht Fehler und hat Schwächen. Die Schwächen und Fehler anzuerkennen ist nicht ein
Zeichen von Schwäche, sondern Stärke.
Schwächen zeigen Chancen auf, wo man sich entwickeln kann. Es sind Chancen zu lernen. Etwas
nicht zu können oder das Gefühl zu haben damit nicht umgehen zu können ist ein normaler Teil im
Lernprozess des Lebens. Kein Mensch kommt auf die Welt und versteht alles. Er muss von den
Eltern, den Geschwister, den Grosseltern und den Freunden lernen, wie man das tun könnte. Trifft
man auf eine Schwäche im Erwachsenenalter hat man vielleicht den Eindruck dass man das
schon wissen oder können müsste, schliesslich wissen und können es die Leute im Umfeld. Es ist
peinlich dies nicht zu wissen oder können. Schwierig wird’s, wenn man erlebt hat, dass das Umfeld
mit Hohn uns Spot auf Nicht-wissen oder Nicht-können reagiert. Man verbirgt seine „Schwäche“.
Es bleibt aber zu bedenken, dass in einem anderen Umfeld ebenfalls diese „Schwäche“ existiert,
und dass der Spottende ebenfalls seine Schwächen hat, sein Verhalten nur eine Taktik ist, von
seinen eigenen Schwächen abzulenken.
Der Eisenofenmensch hat Angst davor, Fehler zu machen. Doch was sind Fehler denn genau?
Betrachtet man das Wort „Der Fehler“ genauer, heisst es nicht mehr, als der Fehlende, oder der
Teil der fehlt. Somit ist ein Fehler ein Hinweis darauf, was noch fehlt. Dieses Fehlende kann
hinzugefügt werden. Somit verliert das Wort „Fehler“ viel von seinem destruktiven Charakter. Ein
Fehler ist eine Chance etwas anzunehmen und eine Lücke aufzufüllen.
3.3 Weshalb wir sind wie wir sind – Grundlagen zur Arbeit an der Persönlichkeit [2,3,7]
Die meisten Menschen haben durch die Prägungen in ihrer Entwicklung ein Teil ihrer
Persönlichkeit aufgegeben und sich dem Umfeld angepasst. Die Intensität der Anpassung hängt
davon ab, wie sehr wir in unserer Entwicklung uns selbst sein durften.
Das Gemeinsame bei allen Menschen ist jedoch, dass sowohl das angepasste und auch das
ursprüngliche Verhalten wie ein Programm abläuft: Von aussen kommt ein Input und wir reagieren
automatisch und ganz unserer Prägungen zufolge auf diesen Input.
Doch wie funktioniert dieses System und wie können wir uns unserer Prägungen bewusst werden?
Wollen wir einen Einblick in unser Unbewusstes erhalten, welches uns steuert und bestimmt wie
unser Leben abläuft, müssen wir uns unserer Gedanken bewusst werden, die in bestimmten
Situationen automatisch einsetzen. Denn die Gedanken sind der Teil, welcher es uns ermöglicht,
einen Einblick in unser Unbewusstes zu erhalten:
Wir haben Gedanken. Diese Gedanken lösen Gefühle aus. Diese Gefühle beeinflussen direkt
unser Handeln. Unser Handeln bestimmt, was wir im Leben erfahren.
Gedanken →
Gefühle → Handlung →
Resultate
Doch was steckt unter diesen Gedanken, die am Anfang der
Kreation unseres alltäglichen Lebens zu stehen scheinen?
Wieso denken wir so wie wir denken? Was genau ist es denn,
„Unser Leben ist das Produkt
unserer Gedanken“.
(Marcus Aurelius, römischer Kaiser,
Eroberer und Philosoph)
14 das schlussendlich über die Gedanken zu den Gefühlen und über das Handeln unser Leben
bestimmt?
Genau hier arbeiten die Prägungen unserer Entwicklung. Indem wir Dinge erlebten, hörten, sahen
etc. haben wir angefangen, diese Dinge als die Wahrheit zu nehmen. Sie sind in unserem
Unbewussten abgespeichert und werden aktiviert, sobald ein äusserer Input diese Prägungen
anregt.
Wenn wir es zum Beispiel lieben mit den Händen im Dreck zu wühlen, aber ein oder beide
Elternteile darauf jedesmal mit ‚Hör auf damit, das ist dreckig, da sind Krankheitskeime drin die
dich krank machen’, reagieren, beginnen wir es zu glauben und es wird zu unserer Wahrheit. Wir
werden richtiggehend darauf programmiert, und immer wenn wir Dreck sehen, und ganz unserer
persönlichen Natur zufolge den Drang verspüren mit den Händen darin zu wühlen, denken wir
‚Das ist dreckig, da sind Krankheitskeime drin, die machen mich krank’. Folglich fühlen wir Angst
vor dem Krankwerden, und somit handeln wir indem wir nicht im Dreck wühlen. Was ist die Folge,
das Resultat? Wir tun nicht was wir wollen und verleugnen einen Teil von uns Selbst. Die
Programmierung verrichtet ihre Arbeit. Wir haben die Glaubenssätze unserer Bezugspersonen,
der Eltern, der Lehrer, der Nachbarn, der ganzen Gesellschaft übernommen und leben danach.
Somit ist der Spruch „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“ in seiner Bedeutung bestätigt.
Dieses Prinzip ist für alle Lebensthemata das gleiche. Ob Finanzen („Geld stinkt“, „Reiche
Menschen sind Gesellschaftsschmarotzer und böse Menschen“), Partnerschaft („Männer sind
Schweine“, „ Liebe ist Schmerz“), Arbeit („Für Erfolg muss man hart arbeiten“, „Arbeit ist eine
Pflicht um zu überleben“) oder jegliches sonstiges Thema, es sind immer die abgespeicherten
Programme, die bestimmen, was wir schlussendlich denken, fühlen, tun und im Leben dafür
erhalten. (Natürlich hat jeder Mensch auch positive Programme, z.B „Ich liebe Geld, es erleichtert
mein Leben“, „Liebe gibt Geborgenheit“, Meine Arbeit erfüllt mich“, doch fallen diese nicht so stark
auf, weil sie für uns selbstverständlich sind).
Folglich ist die komplette Formel:
Programme →
Gedanken →
Gefühle → Handlung →
Resultate
Es gibt zwei Möglichkeiten, wie sich Programme in uns manifestieren. Entweder durch dauernde
Wiederholungen, oder durch ein einmaliges, stark emotionales Erlebnis.
Diese steuernden Programme arbeiten dauernd unbewusst mit und bestimmen unsere Welt.
Darüber hinaus ziehen sie Dinge in unser Leben, die mit ihnen in Resonanz sind (siehe Kapitel
4.3.6 Resonanz’)
Der Eisenofenmensch hat ganz starke Programme die ähnlich klingen mögen wie „Ich reiche nicht
aus um geliebt zu werden“, „Ich bin nicht liebenswert so wie ich bin“, „Ich muss grossartige
Leistungen vollbringen um anerkannt zu werden“, „Ich muss mich anpassen um nicht abgestossen
zu werden“ und so weiter. Die Programme „Ich liebe dich, egal wie du bist“, oder „du bist
liebenswert“, oder „Du darfst Fehler machen, aus Fehlern lernt man“ hat er nicht abgespeichert, da
er diese Erfahrungen im Leben nicht gemacht hat.
Das Umprogrammieren der negativen und destruktiven Glaubenssätze ist wichtig für den
Eisenofenmenschen, um zu seinem wahren Selbst zu finden und sagen zu können „Ich bin Ich“.
Er muss hinschauen, wahrnehmen und annehmen. Durch das Beobachten seiner Gedanken kann
er Rückschlüsse auf die Programme ziehen. Ist er sich der Programme bewusst, kann er
entscheiden, ob er sie behalten will oder ob er sich andere Programme an derer Stelle wünscht.
Das erkennen der Programme läuft einerseits über das genaue Beobachten der Gedanken ab,
und andererseits über das Beobachten des alltäglichen Umfeldes und seiner Reaktionen darauf
(siehe Kapitel 4.3.4 Die Spiegelresonanz).
Verspürt er in gewissen Situationen Zorn und Wut, ist dies ein Anzeichen für eine unterdrückte
Seite seiner Selbst. Nimmt er positive und angenehme Emotionen wahr, ist es ein Zeichen für
seine wahren Seiten. Durch Beobachten und Dokumentieren kann er Muster erkennen.
15 Das Lösen ungewollter Programme setzt voraus, dass der Eisenofenmensch die negativen
Emotionen neutralisieren kann. Wichtig hierfür ist, dass er die positiven Seiten des Programms
sieht und erkennt, was es ihm bis anhin in seinem Leben gebracht hat. Denn wie in der Physik hat
jedes - auch sein + (Siehe Kapitel 4.3.9 Polarität).
Ist er dazu bereit, kann er sich auch in einer meditativen Trancereise Programme aufzeigen
lassen, welche ihn stark beeinflussen und nicht sein Selbst sind. Dabei kann er sich auch
aufzeigen lassen, welches Programm denn sein eigenes Programm wäre und dieses Programm in
seinem Unbewussten programmieren. Diese Programme programmiert man so, wie man sie in der
Entwicklung eingespeist bekommen hat: durch häufige Wiederholung. Mit dem Programm sind
Bilder, Gedanken, Emotionen verbunden. Durch regelmässiges Reinfühlen wie es denn ist wenn
das Programm da ist (so tun als ob), wird das Programm langsam ins Unbewusste abgespeichert.
3.4 Die Spiegelresonanz – Wie im Innen , so im Aussen [2,8,9]
Das Prinzip der Spiegelresonanz besagt „Wie im Innen so im Aussen“. Das heisst dass alles, was
uns im Aussen begegnet ein Spiegel unseres Inneren, unserer Einstellungen und unserer
Programmierungen ist.
Wollen wir wissen, wie wir aussehen, müssen wir in einen Spiegel sehen. Ohne Spiegel wissen wir
nicht wie wir aussehen. Wir könnten uns höchstens vorstellen, wie wir aussehen würden. Dabei
würden unschöne Partien ausgeblendet. Denn wer will schon freiwillig zugeben, ein Makel zu
haben?
Genau so ist es mit unserem Inneren. Unser Inneres wird uns durch die Leute in unserem Umfeld
gespiegelt. Unser Inneres spiegelt sich in unseren Mitmenschen.
Diese Spiegelung passiert tagtäglich, mit jeder Person oder Situation die uns begegnet und die
eine Emotion in uns auslöst. Unsere Reaktion auf eine Begegnung, ob wir uns über eine Person
ärgern oder freuen, ob wir etwas mögen oder es verabscheuen, es ist ein Hinweis ob uns das
Gespiegelte gefällt oder nicht. Haben wir eine negative Emotion in uns, sollten wir genauer
hinschauen, denn es deutet auf eine abgelehnte Seite in uns hin. In unangenehmen Situationen
sollten wir uns also fragen: „Was hat das mit mir zu tun?“ anstatt jemanden oder etwas zu
verurteilen.
Wenn wir in den Spiegel schauen und uns etwas nicht gefällt, fragen wir uns ja ebenfalls, was
könnten wir denn tun um besser auszusehen.
Schauen wir nicht hin, kreieren wir uns ein schönes Bild von uns
selbst und blenden die unschöneren Dinge aus.
Wenn wir fähig sind die unangenehmen Seiten unserer
Mitmenschen anzunehmen, haben wir die Bereitschaft, diese Seite
an uns selbst anzunehmen.
„Schau, mit wem du
dich umgibst, und du
siehst dich selber“
(unbekannt)
Dies ist der Grund, weshalb der Eisenofenmensch zuerst den
Selbstwert und die Selbstliebe in sich selbst entdecken muss. Sobald er diese Werte in sich selbst
entdeckt hat und diese Programme für ihn arbeiten, kann das Aussen ihm Selbstwert und Liebe
spiegeln und er kann sie wirklich erfahren. Wenn er diese nicht in sich hat, kann es ihm nicht vom
Aussen gespiegelt werden.
Entdeckt er die Selbstliebe und den Selbstwert in sich, wird er dieses auch im Aussen erfahren
und automatisch Leute anziehen, welche ebenfalls Selbstliebe und Selbstwert im Inneren entdeckt
haben (siehe Kapitel 4.3.6 Resonanz), oder er sieht jetzt diese Seiten an den Menschen in seiner
Umgebung.
3.5 Schattenseiten [2,8,9]
Schattenseiten sind diejenigen Seiten, welche man von sich selbst nicht anerkennen möchte. Im
Märchen ist dabei bildlich von den Itschen gesprochen. Wie im Märchen gezeigt wird, ist die
Anerkennung dieser Schattenseiten von grosser Wichtigkeit für den gesamten Weg des
Eisenofenmenschen hin zu seiner wahren Persönlichkeit.
16 Unsere Eigenschaften werden uns, wie in Abschnitt Spiegelresonanz beschrieben, von aussen
gespiegelt. Die Menschen, mit denen wir uns gerne umgeben und deren Charakterzüge uns
gefallen, spiegeln uns diejenigen Seiten an uns selbst, die wir gerne in uns beherbergen.
Wir erkennen unsere eigenen tollen Charakterzüge in diesen Menschen. Deshalb verbringen wir
gerne Zeit mit diesen Menschen.
Wir treffen jedoch auch auf Leute, die wir nicht mögen, über die wir uns ärgern, die wir als
unsympathisch bezeichnen und mit denen wir keine Zeit verbringen wollen. Diese Menschen
spiegeln uns Eigenschaften, welche wir an uns nicht mögen. Diese Seiten wollen wir nicht
wahrhaben, wir wollen sie verdrängen. Damit uns diese unsympathischen Leute nicht dauernd
daran erinnern, meiden wir sie gerne. Und das was sie uns spiegeln, sind unsere Schattenseiten.
Diese Schattenseiten anzuerkennen kann sehr unangenehm scheinen oder sehr schwierig sein.
Jedoch birgt genau das Anerkennen dieser Schattenseiten grosse Qualitäten. Das Leben wird
einfacher und freier, wenn man eine erkannte Schattenseite voll und ganz annehmen kann. Der
Druck verschwindet, und es ist mehr Energie vorhanden welche in anderen Lebensbereichen als
dem Verdrängen genutzt werden können. Hierbei ist es enorm wichtig, dass man nicht nur mit dem
Verstand anerkennt, denn dabei kann es leicht vorkommen, dass man sich einredet, diese Seite
anerkennt zu haben. Das Verdrängen geschieht dann nur auf einer anderen Ebene. Man muss
diese Schattenseiten auch mit dem Herzen annehmen. Dafür ist es wichtig, dass man die positiven
Seiten der Schattenseite erkennt. Denn wie alles im Leben haben die Schattenseiten eine positive
und eine negative Seite (siehe 4.3.9 Polarität). Leider ist der Verstand oft nicht fähig, diese
positiven Seiten heraus zu kristallisieren. Man kann sie sich jedoch zum Beispiel in einer
Meditation aufzeigen lassen. Dabei macht es Sinn, sich führen zu lassen, da es sonst passieren
kann, dass man sich Schlupflöcher baut, um den Punkt nicht zu erkennen. Der Verstand ist genial
darin, wenn es darum geht, den Punkt zu umgehen um nicht erkennen zu müssen. Denn das
Gehirn gebraucht am liebsten die alt bekannten und tausendfach erprobten Wege, als dass es
neue unbekannte Wege auszubauen beginnt.
3.6 Resonanz [2,4,7,8,9]
Das Gesetz der Anziehung besagt, dass das was wir aussenden auch wieder zu uns
zurückkommt. Somit ziehen wir an, was wir aussenden [6].
Wir senden dauernd Gedanken und Gefühle aus. Folglich diesen Gedanken und Gefühle ziehen
wir das Entsprechende wieder an.
Gedanken und Gefühle sind Energien. Energien sind Schwingungen. Diese Schwingungen senden
wir aus. Sie treffen auf andere Schwingungen. Passen diese Schwingungen energetisch
zusammen, gehen sie miteinander in Resonanz, sie bringen sich gegenseitig in Schwingung, und
ziehen sich an.
Ein negativer Mensch wird vermehrt in einem negativen Umfeld zu finden sein, ein positiver
Mensch im positiven Umfeld. Eine Frau die vom Vater geschlagen wurde, wird mit grosser
Wahrscheinlichkeit vom Partner geschlagen werden. Ein Kind, das erlebt dass Geld einfach zu
verdienen ist, wird Geld einfacher verdienen als ein Kind, welches erlebt hat dass Geld verdienen
anstrengend ist. Die Gedanken und Gefühle sind in die jeweilige Richtung ausgerichtet und ziehen
genau das wieder an.
Wir sind dauernd in Resonanz mit der Umgebung. Wenn wir einen Raum betreten oder auf eine
Gruppe Menschen treffen gehen wir mit den vorhandenen Schwingungen in Kontakt. Unsere
eigenen Schwingungen werden angeregt. So kann uns eine Person, eine Gruppe Menschen oder
eine Umgebung mit ihrer Stimmung anstecken, ob positiv oder negativ. So können wir in der Natur
ruhig und entspannt werden, im Stau nervös und gereizt, im Ausgang ausgelassen oder
gelangweilt, je nach dem wie die Schwingung im Raum ist.
Wie im Kapitel 4.3.3 Weshalb wir sind wie wir sind beschrieben, liegen unter den Gefühlen und
Gedanken Programme. Und genau diese Programme liegen am Ursprung der Schwingungen die
wir aussenden.
17 Erlebte jemand in den prägenden Phasen Betrug, hat er ein Programm, das „betrogen werden“
aussendet. Gleichzeitig gibt es irgendwo eine Person, welche „Ich betrüge“ aussendet. Sie ziehen
sich gegenseitig an, und beide erhalten das Erlebnis, welches ihr Programm ausgesendet hat.
Das Gegenüber konnte gar nicht anders, als zu betrügen. Der Betrogene hat es bestellt, die
Bestellung wurde ausgeliefert.
Spinnt man diesen Gedanken weiter, kommt man zum Schluss, dass alles was uns widerfährt, von
uns selbst kreiert und angezogen wurde. Unsere Resonanzen bestimmen unser Leben.
Wollen wir also im Leben diese Dinge nicht mehr anziehen, ist es unumgänglich, die
Programmierung im Unbewussten zu ändern. Doch wie kann man das tun?
Als erstes muss man die Programme erkennen. Diese werden gespiegelt, man kann sie sich durch
genaue Beobachtung des Lebens erkenntlich machen. Die Frage „Was hat das mit mir zu tun?“ ist
sehr hilfreich in Situationen, welche uns nicht passen.
Nun ist es wichtig zu verstehen, dass man selbst verantwortlich ist dafür was einem geschieht. Es
ist das eigene Programm, man hat die Erfahrung selbst angezogen.
Hat man das verstanden, ist es zum eigenen Vorteil, wenn man die positiven Seiten des
Programms erkennt. Dadurch geht viel Druck weg. Das gleiche gilt auch für die mit dem Programm
verbundenen Gefühle und Emotionen.
Wenn man diese Schritte vollzogen hat, spürt man schon eine Veränderung. Druck fällt weg, und
wir können bewusst anders handeln.
Das Lösen von Programmen ist von Person zu Person und von Fall zu Fall unterschiedlich. Wie
man das jeweils tun soll, lässt man sich am besten in einer Session aufzeigen.
3.7 Vergebung [4,12]
Wenn man den Grundsatz des Gesetzes der Anziehung genau betrachtet, kommt man zum
Schluss, dass man alles im Leben anzieht. Wenn man alles im Leben anzieht, dann zieht man
auch Krankheiten, Entlassungen, Vergewaltigungen, Armut, Konkurs und so weiter an.
Diesen Gedanken muss man sich erst einige Male durch den Kopf gehen lassen. Denn er kann
sehr erschreckend wirken. Aber das Verständnis über ihn ist enorm wichtig um zu verstehen,
weshalb uns etwas im Leben widerfährt. Und er ist besonders wichtig für die Vergebung. Für
Eisenofenmenschen wird das Thema Vergebung früher oder später aufkommen. Sie müssen ihren
Eltern oder Bezugspersonen vergeben, welche ihnen das Gefühl nicht geben konnten, geliebt und
gewollt zu sein.
Viele Menschen leben im Opferdasein. Unser Bewusstsein ist erfüllt vom Eindruck, dass das
Aussen für unsere Miseren und Misserfolge verantwortlich ist. Es ist die einfachste
Verhaltensweise, um nicht Verantwortung übernehmen zu müssen. Die anderen sind Schuld. Mit
mir hat das gar nichts zu tun. Ich kann nichts dafür. Nun besagt aber das Gesetz der Anziehung
genau das Gegenteil, nämlich dass wir selbst verantwortlich sind dafür. Solange wir in der
Opferrolle verharren, ist eine tiefe und endgültige Vergebung unmöglich.
Wie im Kapitel ‚Resonanz’ beschrieben, hat auch das Gegenüber seine Programme, und somit
ziehen wir ihn an, er aber auch gleichzeitig uns. Dieses Verständnis birgt die Grundlage für die
Vergebung. Wenn wir verstehen dass sein Programm und unser Programm gar nicht anders
konnten als sich zu finden, beginnt man zu verstehen. Ein Perspektivenwechsel in die Rolle des
anderen verhilft hier zu wahrhaftig grossartigen Erkenntnissen über das gesamte Geschehen. (Ein
Paradebeispiel solch eines Rollenwechsels beschreibt Colin Tipping in seinem Buch ‚Ich vergebe
– der radikale Abschied vom Opferdasein’. Diese Geschichte ist auch auf dem Internet zu finden:
http://www.tipping-methode.de/jills-geschichte.php. Viele Leser erkennen sich selber in dieser
Geschichte ).
Der Grosse Nachteil am Nicht-Vergeben ist tiefgreifend: Weder geht es dem Nicht-Vergebenden
besser, noch geht es dem „Schuldigen“ schlechter. Nicht zu vergeben ist wie wenn man jeden Tag
einen Schluck Gift trinkt, und hofft, dass es dem anderen schadet.
18 Die Tatsache dass man alles im Leben anzieht ist sehr tiefgreifend und manchmal schwierig zu
verstehen. Besonders in akuten Fällen von körperlichen und seelischen Misshandlungen, nach
Entlassungen oder finanziellen Pleiten, oder bei schweren Erkrankungen ist es fast unmöglich, den
Sachverhalt zu sehen, es selbst angezogen zu haben. Oft braucht es einiges an Vorarbeit, bevor
der Vergebungsprozess eingeleitet werden kann.
Der Eisenofenmensch, welcher seine Situation erkannt hat und bereit ist an sich selbst zu
arbeiten, ist unbewusst offen für diese Erfahrungen. Ansonsten hätte er sich nicht bereit erklärt, an
seiner Persönlichkeit zu arbeiten. Die Konfrontation mit der Tatsache dass er alles selbst
angezogen hat, gefolgt vom Vergebungsprozess wird ihm neue Horizonte eröffnen und er wird mit
anderen Augen sein Leben betrachten können.
Es gibt verschieden Vergebungsansätze. Eine kurze Zusammenfassung zu diesen Prozessen ist
in Kapitel 4.4.3 Vergebungsjourneys beschrieben.
Als Vorarbeit ist es wichtig, dass der Eisenofenmensch versteht, dass er selbst die Verantwortung
trägt. Er muss auch offen sein dafür, dass man den Konflikt aus einer anderen Perspektive
betrachten kann. Eben jener Perspektive, in welcher das Gegenüber gar nicht anders reagieren
konnte.
Durch empathische Gespräche kann der Klient langsam zu diesem Verständnis geführt werden.
Jedoch braucht es Zeit, bis man offen ist für diese Erkenntnisse. Eine Vergebung ist selten der
optimale Ansatz für eine erste Sitzung.
3.8 Angst [2]
Ängste haben in unserer Gesellschaft einen komplett falschen Ruf. Würde der Mensch keine
Angst verspüren, wäre er schon in der Urzeit ausgestorben. Die Angst ist ein Überlebensgefühl.
In der Urzeit diente sie dazu, dem Menschen in gefährlichen Situationen die Sinne zu schärfen und
sich vollumfänglich auf das Überleben zu fokussieren. In einer lebensbedrohlichen Situation
werden Adrenalin und andere Hormone ausgeschüttet. Alle Körperfunktionen die nicht direkt am
Überleben beteiligt sind werden heruntergefahren. Die Sinne werden schärfer, die Muskeln sind
betriebsbereit, Energie für den Notfall wird bereitgestellt. Die rationelle Hirnfunktion wird herunter
gefahren. Wenn der Steinzeitmensch einem Säbelzahntiger gegenüber stand, haben sich diese
Funktionen eingestellt. Er hatte nur noch 3 Möglichkeiten: Flucht, Starre, Angriff. Etwas anderes
existierte nicht mehr in diesem Moment.
Mit der Entwicklung der Zivilisation hat sich das Umfeld des Menschen stark verändert. In unserer
Gesellschaft ist der Mensch nicht mehr den Urzeitgefahren ausgeliefert. Er muss nicht mehr gegen
wilde Tiere kämpfen. Das Überleben ist nicht mehr direkt durch die Umgebung gefährdet. Die
Angst hat sich evolutionär jedoch nicht verändert in dieser Zeit. Wenn eine Angst aufkommt
reagiert der Körper immer noch genau gleich wie vor einer Million Jahre. Die
Reaktionsmöglichkeiten sind die drei gleichen geblieben: Flucht, Starre, Angriff.
Ein aggressiver Mensch, jemand der alle und jeden in seiner Umgebung anprangert, reagiert so
weil er tief in sich Ängste hat. Er fühlt sich angegriffen und bedroht und hat sich für die
Wahlmöglichkeit ‚Angriff’ entschieden. Die Ängste unter diesem Verhalten können sehr vielseitig
sein. Denn für alle Ängste gilt: Flucht, Starre, Angriff. Andere Menschen fliehen von solchen
Situationen, wieder andere verfallen in eine Art Starre, eine Reaktionsträgheit.
Eisenofenmenschen sind sehr häufig aggressiv im Umgang mit ihren Mitmenschen. Hier stecken
Ängste darunter. Diese können in ihrer Art sehr unterschiedlich sein. Angst verletzt zu werden,
Angst vor Einsamkeit, Angst zu versagen etc.
Wie bei allem in unserer Welt hat diese Angst auch ihre positive Seite. Diese zu erkennen ist von
grosser Bedeutung für den Umgang mit der Angst. Aus ihr kann gelernt werden, so dass bei der
nächsten Situation die Reaktion sinnvoll genutzt werden kann. Wie bei allen Gefühlen kann durch
die Kommunikation mit der Angst ein tieferes Bewusstsein entdeckt werden. So wird die Angst
zum Freund und Helfer und unterstützt darin, so zu reagieren, dass ein positives Ergebnis erzeugt
werden kann.
19 Diese Ängste haben ihren Ursprung oft in der frühkindlichen Entwicklung. Sie zeigen auf, wo in
unserem System Stress verborgen ist. Durch die Arbeit mit Ängsten können alte Verletzungen
ausgeheilt werden. Mit jedem Ausheilen einer Verletzung ist ein weiterer Schritt zu seinem wahren
Selbst getan.
3.9 Polarität [2,5,7]
In der Physik unserer Welt gibt es nichts, von dem es nicht auch ein Gegenstück gibt. Tag –
Nacht, Warm – Kalt, Sommer – Winter, Berg – Tal, Plus – Minus, Proton – Elektron. Aber auch
Erfolg – Misserfolg, Freude – Trauer, starr – beweglich, weiblich – männlich etc. Jede Energie hat
seine Gegenenergie.
In der Schule lernen wir, dass die gesamte Materie aus Atomen aufgebaut ist. Diese Atome
bestehen aus Protonen(P), Neutronen(N) und Elektronen(E). Mehrere Atome setzen sich zu
Molekülen zusammen. Grosse Mengen dieser Moleküle ergeben die von uns wahrgenommene
Materie.
In der Quantenphysik weiss man heute, dass es im Grunde keine Materie gibt. Die Materie die wir
sehen, spüren, riechen, schmecken oder hören sind Sinneseindrücke, welche sich im Hirn zu
Bildern zusammensetzen und uns den Eindruck von Materie geben. Die Quantenphysik weiss,
dass sich die Atome aus noch kleineren Teilchen zusammensetzen als P,N und E. Sie bestehen
aus sogenannten Quanten. Dies sind kleinste schwingende Energieeinheiten. Demzufolge sind
Atome Ansammlungen von Energieeinheiten. Spinnen wir den Gedanken weiter, sind auch
Moleküle reine Energie. Folglich ist Materie Energie. Da die Atome der Grundbaustein von Allem
sind, ist alles Energie.
Genau das Gleiche gilt für Gedanken und Emotionen. Sie sind Energie. Alles ist Energie.
Die Physik hat uns gelernt dass alles sein Gegenstück besitzt, und ohne sein Gegenstück nicht
existieren kann. Wie kann also Freude ohne Trauer existieren, Vertrauen ohne Angst,
Geborgenheit ohne Einsamkeit, Bewunderung ohne Verabscheuung, Liebe ohne Hass? Ganz
genau, es geht nicht.
Wieso also wehren wir uns gegen gewisse Gefühle, andere nehmen wir aber dankend an?
Bedenkt man, dass das eine ohne das andere nicht existieren kann, kommt man auf die
Schlussfolgerung dass das Zerstören des einen nicht ohne zerstören des anderen einhergeht.
Nun ist es bekannt, dass Energie nicht zerstört werden kann oder aus dem Nichts erschaffen wird.
Energie kann lediglich von einer Form in eine andere transformiert werden.
Genau so ist es mit Gefühlen. Wir können sie nicht zerstören. Wir können sie nur transformieren.
Wenn wir also ein Gefühl haben, welches uns stört, sollten wir nicht darüber nachdenken, was wir
tun können, um es loszuwerden. Wir sollten darüber nachdenken, was wir tun können, um es zu
transformieren. So wie die Bewegungsenergie des Autos durch das Bremsen in zum grössten Teil
Wärme umgewandelt wird, können Gefühlsenergien durch spezifische Aktivitäten in andere
Energien transformiert werden.
Das Gefühl zu unterdrücken bringt nichts. Es ist wie mit dem Ball im Wasser. Wenn wir einen Ball
unter Wasser halten wollen, müssen wir dauernd Kraft aufbringen um ihn unten zu halten.
Irgendwann ist die Kraft aufgebraucht und der Ball springt hoch. Je tiefer wir ihn nach unten
gedrückt haben, desto höher springt er auf und desto mehr Wasser spritzt hoch.
Genau gleich verläuft es mit den Gefühlen. Sie zu unterdrücken verbraucht viel Kraft. Wenn die
Kraft erschöpft ist, kommt das Gefühl wieder hoch. Je tiefer wir das Gefühl unterdrückt haben,
desto mehr wird die Oberfläche (das Bewusste) erschüttert. Das ist Physik.
Für den Prozess der Transformation ist es wichtig, den positiven Nutzen der negativen Energie zu
erkennen. Was hat es mir bis jetzt gebracht? Was verdanke ich dieser Energie? Weshalb habe ich
diese Energie angestellt, was ist mein Lernprozess mit dieser Energie?
20 Die Erkenntnisse über die positiven Seiten der Energie bringen schon deutlich mehr Fluss in das
System. Es wird einfacher die Energie anzunehmen wenn sie aufkommt.
Die Energie wird immer wieder aufkommen, denn sie kann nicht zerstört werden. Aber sie stört
nicht mehr, sie ist nicht mehr destruktiv oder blockierend. Wir können sie aufkommen und ziehen
lassen, ohne uns daran zu stören. Sie ist ein ganz normaler Teil von uns. Falls die Energie noch
stört, ist dies ein Zeichen, dass noch nicht alle Erkenntnis daraus gezogen wurde. Es muss noch
einen weiteren Lernschritt mit dieser Energie geben. Hierzu gibt es schöne Ansätze im
Mentalcoaching wie man mit diesen Energien kommunizieren kann und die Erkenntnisse
gewinnen, welche es braucht um sie zu neutralisieren (siehe Kapitel 3, Abschnitt Neutralisation).
Das Wichtigste an diesem Prinzip ist das Gleichgewicht. Die verschiedenen Energien wollen im
Gleichgewicht sein.
Wenn die Natur ins Ungleichgewicht geräht, gleicht sie dies durch Gewitter, Stürme oder
Naturkatastrophen wieder aus.
Wenn in uns Energien im Ungleichgewicht sind, gleicht die Natur aus. Wenn wir dieses
Ausgleichen unterdrücken, gleicht sie noch mehr aus. Je länger wir gewisse Gefühle unterdrücken
und mit dem Gegengefühl nicht ins Gleichgewicht kommen, desto stärker versucht die Natur dies
auszugleichen. Wir können nur so lange Unterdrücken, bis die Kraft erschöpft ist. Je länger das
dauert, desto intensiver wird der Ausgleich ablaufen. Je länger wir Unterdrücken, desto höher wird
der Ball springen.
Wenn wir das Positive an der Energie verstehen, könne wir ihr Raum geben. Sie wird
dann im ganz normalen Zyklus von selbst weiterziehen und der nächsten Energie
Platz bereiten. Dies kann man als Transformation bezeichnen.
4 Quellenverzeichnis
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Irene & Thomas Frei. Das Lebensspiel, 1. Auflage 2011, Arkana Verlag München
T. Harv Eker. So denken Millionäre (Hörspielfassung), Rusch Verlag AG Lenzburg
Colin C. Tipping. Ich vergebe – Der radikale Abschied vom Opferdasein, 11. Auflage 2010,
J.Kamphausen Verlag
Siegfried Kiontke. Physik biologischer Systeme, 1. Auflage 2006, UnderConstruction München
Jerry & Esther Hicks. The Law of attraction, 2008, Allegria Verlag
Auszug Artikel PM. Können unsere Gedanken Materie verändern? PM, 03/2010
Thomas Frei. Die sieben Spielregeln des Lebens, http://www.derfilmdeineslebens.com/de/
Der Film Deines Lebens. TRIAS Power Films, 2010
Diana Wartmann. Skript Innere Heilung/Inneres Kind, Dipl. Emotion Coach HLS, Mai 2011
Julia Kümin. Skript Grundlagen, Dipl. Emotion Coach HLS, April 2011
Julia Kümin. Skript Vergebung, Dipl. Emotion Coach HLS, August 2011
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