Kommission schlägt neue Vorschriften zur Verbesserung des

Europäische Kommission - Pressemitteilung
Kommission schlägt neue Vorschriften zur Verbesserung des Schutzes von
Kindern in grenzüberschreitenden Familiensachen vor
Brüssel, 30. Juni 2016
Die Europäische Kommission schlägt heute Verbesserungen der EU-Vorschriften zum Schutz
von Kindern im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Verfahren betreffend die
elterliche Verantwortung in Bezug auf Sorgerecht, Umgangsrecht und Kindesentführung vor.
Durch die neuen Vorschriften werden die Rechts- und Verwaltungsverfahren beschleunigt, und es wird
gewährleistet, dass das Wohl des Kindes stets Berücksichtigung findet.
Die grenzüberschreitende justizielle Zusammenarbeit ist unerlässlich, damit die Kinder im Falle von
Familienstreitigkeiten oder der Trennung internationaler Paare über einen sicheren Rechtsrahmen
verfügen, um die Beziehungen zu beiden Elternteilen (und Erziehungsberechtigten), die unter
Umständen in verschiedenen europäischen Ländern leben, aufrechtzuerhalten.
Der Erste Vizepräsident, Frans Timmermans, erklärte dazu: „Kaum etwas traumatisiert ein Kind mehr
als Streitigkeiten zwischen den Eltern. Wenn diese Streitigkeiten dann in Gerichtsverfahren mit
grenzüberschreitender Dimension enden, liegt es in der Verantwortung der EU, eine möglichst
reibungslose und wirksame Lösung zu gewährleisten. Die vereinfachten neuen Vorschriften, die wir
angenommen haben, werden Familien und Kindern Vorteile bringen. Dazu gehören kürzere Fristen für
den Abschluss von Verfahren und die Vermeidung der hohen finanziellen Kosten, die häufig im
Zusammenhang mit solchen Verfahren anfallen. Wir müssen dafür sorgen, dass die verschiedenen
Rechtsordnungen miteinander vereinbar sind, um Komplikationen und Verzögerungen sowie Sorge und
Unsicherheit zu reduzieren.“
Věra Jourová, EU-Kommissarin für Justiz, Verbraucher und Gleichstellung, meinte: „Die Kinder stehen
im Mittelpunkt dieser Reform. Die Trennung ihrer Eltern ist bereits schwierig genug. Die betroffenen
Kinder verdienen daher Gerichtsverfahren, in denen ihre Situation so rasch wie möglich geklärt und das
Kindeswohl berücksichtigt wird. Wir legen heute einen Vorschlag vor, um die bestehenden
Rechtsvorschriften auf der Grundlage der praktischen Erfahrungen aus den letzten zehn Jahren zu
verbessern. Der Schwerpunkt dieser Reform liegt auf der Hand: Wir müssen die Verfahren in
grenzüberschreitenden Fällen beschleunigen. Der Zeitfaktor ist für das Kindeswohl von entscheidender
Bedeutung, daher brauchen wir diese neuen Vorschriften möglichst schnell.“
Die neuen Vorschriften beruhen auf der Bewertung der bestehenden Vorschriften und sollen die
festgestellten Mängel beheben. Ein wichtiges Ziel besteht insbesondere darin, die Verfahrensdauer zu
verkürzen, da der Zeitfaktor für den Schutz des Kindeswohls in grenzüberschreitenden Verfahren
betreffend die elterliche Verantwortung von entscheidender Bedeutung ist. Im Einzelnen werden
folgende konkrete Änderungen vorgeschlagen:
- Effizientere Verfahren in Fällen grenzüberschreitender Kindesentführung durch einen
Elternteil
Die Fristen für die verschiedenen Phasen des Kindesrückgabeverfahrens werden auf eine maximale
Gesamtdauer von 18 Wochen beschränkt (höchstens sechs Wochen für die Zentrale Behörde zur
Bearbeitung des Antrags, sechs Wochen für das erstinstanzliche Gericht und sechs Wochen für das mit
dem Rechtsbehelf befasste Gericht). Gegen eine Entscheidung über die Rückgabe eines Kindes kann
nur einmal ein Rechtsbehelf eingelegt werden, und es wird im Ermessen des Richters liegen, diese
Entscheidung in der Zwischenzeit für vollstreckbar zu erklären.
Unter uneingeschränkter Wahrung der Struktur der nationalen Rechtssysteme wird sichergestellt, dass
nur eine begrenzte Anzahl von Gerichten für Fälle von elterlicher Kindesentführung zuständig ist, damit
Richter die erforderliche Fachkompetenz aufbauen können.
- Anhörung des Kindes
Ein Kind, das fähig ist, sich seine eigene Meinung zu bilden, wird die Möglichkeit haben, diese in jedem
Verfahren zu seinem Fall zu äußern. Dies wird insbesondere für die Verfahren über das Sorge- und
Umgangsrecht und über die Rückgabe von Kindern im Falle einer Entführung durch einen Elternteil
gelten.
- Zügige Vollstreckung von Entscheidungen in anderen Mitgliedstaaten
Zurzeit müssen Eltern häufig beantragen, dass eine Entscheidung über das Sorge- oder Umgangsrecht
in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckt wird. Mit den neuen Vorschriften wird das
Exequaturverfahren, ein Zwischenverfahren für die Vollstreckung einer Entscheidung in einem anderen
Mitgliedstaat, abgeschafft. In Fällen, in denen die Entscheidung nach sechs Wochen noch nicht
vollstreckt wurde, wird das Gericht die ersuchende Zentrale Behörde im Ursprungsmitgliedstaat oder
direkt den Antragsteller darüber informieren, warum die Vollstreckung nicht fristgerecht erfolgt ist. Um
die Vollstreckung zu beschleunigen, kann das Gericht, das die Entscheidung erlassen hat, diese für
vorläufig vollstreckbar erklären.
- Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Behörden der Mitgliedstaaten
Die gute Zusammenarbeit zwischen den Zentralen Behörden in Kindschaftssachen ist eine zwingende
Voraussetzung für das gegenseitige Vertrauen zwischen den Behörden verschiedener Mitgliedstaaten.
Mit den neuen Vorschriften wird eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Zentralen Behörden
gefördert, da diese die direkte Anlaufstelle für Eltern darstellen und eine Schlüsselrolle einnehmen,
wenn es darum geht, die Richter bei der Anwendung der Vorschriften zu unterstützen. Darüber hinaus
werden Kinderschutzbehörden besser in die grenzübergreifende Zusammenarbeit einbezogen.
Diese neuen Vorschriften werden Familien und Kindern Vorteile bringen. Dazu gehören kürzere
Fristen für den Abschluss von Verfahren und die Vermeidung der hohen Kosten, die gewöhnlich im
Zusammenhang mit solchen Verfahren anfallen. In Rückgabeverfahren zum Beispiel werden die Regeln
für Eltern klarer festgelegt, und sie werden darin ermutigt, Mediation in Anspruch zu nehmen, um
mögliche Gerichtskosten zu sparen, die durchschnittlich 2200 EUR für das gesamte Verfahren
betragen. Die Abschaffung der Exequaturverfahren wird in einigen Mitgliedstaaten Kosteneinsparungen
von ca. 1100 bis 4000 EUR pro Fall ermöglichen. Darüber hinaus können Familien aufgrund der
rascheren Vollstreckung die Kosten für einen Fachanwalt sparen, die je nach Mitgliedstaat
schätzungsweise bei 1000 bis 4000 EUR für jeweils weitere zehn Arbeitsstunden liegen.
Die nächsten Schritte
Der heute von der Kommission angenommene Vorschlag wird nun dem Rat der EU vorgelegt. Der
Beschluss wird gemäß dem besonderen Gesetzgebungsverfahren für justizielle Zusammenarbeit in
Familiensachen (Artikel 81 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union)
einstimmig im Rat gefasst. Das Europäische Parlament wird zu dem Vorschlag angehört.
Hintergrund
Die Brüssel-IIa-Verordnung bildet den Eckpfeiler der justiziellen Zusammenarbeit der EU in Ehesachen
und Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung, einschließlich Sorgerecht, Umgangsrecht und
Kindesentführung durch einen Elternteil. Sie dient der Beilegung von Zuständigkeitskonflikten zwischen
den Mitgliedstaaten. Außerdem enthält sie Bestimmungen über die Anerkennung und Vollstreckung von
Entscheidungen in anderen Mitgliedstaaten und erleichtert somit den freien Verkehr gerichtlicher
Entscheidungen in der EU. In Fällen grenzüberschreitender Kindesentführung durch einen Elternteil
sieht die Verordnung ein Verfahren für die Rückgabe des Kindes an den Ort seines gewöhnlichen
Aufenthalts vor. Die Verordnung gilt seit dem 1. März 2005 und wird in allen Mitgliedstaaten außer
Dänemark angewandt.
Grenzüberschreitende Rechtsstreitigkeiten in Familiensachen haben in der EU infolge der steigenden
Zahl von Familien mit internationalem Hintergrund zugenommen, die derzeit auf 16 Millionen geschätzt
wird und weiter ansteigt. Die Zahl der internationalen Scheidungen liegt in der EU derzeit bei etwa
140 000 pro Jahr. Auch die Zahl der außerehelich geborenen Kinder internationaler Paare hat
zugenommen, und es gibt jährlich bis zu 1800 Fälle von Kindesentführungen durch einen Elternteil
innerhalb der EU.
Um die Wirksamkeit der Vorschriften zu bewerten, hat die Kommission im April 2014 einen Bericht
über das Funktionieren der Verordnung in der Praxis angenommen und eine öffentliche Konsultation
durchgeführt, in deren Rahmen Sachverständige angehört wurden, um die notwendigen Änderungen
zur Verbesserung der bestehenden Vorschriften zu ermitteln.
Weitere Informationen
Verordnungsvorschlag
Fragen und Antworten
Factsheet mit konkreten Beispielen
Broschüre: Grenzüberschreitende Kindesentführung durch einen Elternteil
Broschüre: Sorge- und Umgangsrecht innerhalb der EU
Europäisches E-Justizportal: Sorge- und Umgangsrecht
Europäisches E-Justizportal: Elterliche Kindesentführung
Video on child custody and visiting rights across EU borders
IP/16/2351
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