Europäisches Parlament 2014-2019 Plenarsitzungsdokument B8-0866/2016 29.6.2016 ENTSCHLIESSUNGSANTRAG eingereicht im Anschluss an Erklärungen des Rates und der Kommission gemäß Artikel 123 Absatz 2 der Geschäftsordnung zu den Entwicklungen in Polen in letzter Zeit und ihren Auswirkungen auf die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Grundrechte (2016/2774(RSP)) Ryszard Antoni Legutko, Anna Elżbieta Fotyga, Charles Tannock, Ryszard Czarnecki, Tomasz Piotr Poręba, Karol Karski, Hans-Olaf Henkel, Zdzisław Krasnodębski, Zbigniew Kuźmiuk, Edward Czesak, Kosma Złotowski, Jadwiga Wiśniewska, Kazimierz Michał Ujazdowski, Bolesław G. Piecha, Beata Gosiewska, Stanisław Ożóg, Sławomir Kłosowski im Namen der ECR-Fraktion RE\1099340DE.doc DE PE585.303v01-00 In Vielfalt geeint DE B8-0866/2016 Entschließung des Europäischen Parlaments zu den Entwicklungen in Polen in letzter Zeit und ihren Auswirkungen auf die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Grundrechte (2016/2774(RSP)) Das Europäische Parlament, – unter Hinweis auf die Artikel 2, 3, 4, 5 und 6 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), in denen die Arten und Bereiche der Zuständigkeit der Union festgelegt sind, – unter Hinweis auf Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) und den Grundsatz der Subsidiarität, – unter Hinweis auf das Protokoll (Nr. 30) über die Anwendung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union auf Polen und das Vereinigte Königreich, – unter Hinweis auf die dem Vertrag über die Europäische Union als Anhang beigefügte Erklärung Nr. 1 zur Charta der Grundrechte der Europäischen Union, – unter Hinweis auf die dem Vertrag über die Europäische Union als Anhang beigefügte Erklärung Nr. 61 der Republik Polen zur Charta der Grundrechte der Europäischen Union, – gestützt auf Artikel 123 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung, A. in der Erwägung, dass die amtierende polnische Regierung über das stärkste demokratische Mandat in der Geschichte des Landes seit dem Zusammenbruch des Kommunismus verfügt; B. in der Erwägung, dass gemäß den Artikeln 2 bis 6 AEUV die Bereiche öffentliche Sittlichkeit und Familienrecht vom Zuständigkeitsbereich der EU ausgeschlossen sind und Entscheidungen in diesen Bereichen nach wie vor ausschließlich von den Mitgliedstaaten getroffen werden; C. in der Erwägung, dass die Charta der Grundrechte der Europäischen Union für die Maßnahmen der EU und der Mitgliedstaaten zur Umsetzung des EU-Rechts gilt; D. in der Erwägung, dass die Anwendung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union auf Polen nach Maßgabe des Protokolls (Nr. 30) eingeschränkt ist; in der Erwägung, dass außerdem in der Erklärung Nr. 61 der Republik Polen zur Charta der Grundrechte der Europäischen Union betont wird, dass die „Charta […] in keiner Weise das Recht der Mitgliedstaaten [berührt], in den Bereichen der öffentlichen Sittlichkeit, des Familienrechts sowie des Schutzes der Menschenwürde und der Achtung der körperlichen und moralischen Unversehrtheit Recht zu setzen“; E. in der Erwägung, dass in der Erklärung Nr. 1 zur Charta der Grundrechte der Europäischen Union festgelegt ist, dass die „Charta […] weder den Geltungsbereich des PE585.303v01-00 DE 2/4 RE\1099340DE.doc Unionsrechts über die Zuständigkeiten der Union hinaus [ausdehnt] noch […] neue Zuständigkeiten oder neue Aufgaben für die Union [begründet] und […] die in den Verträgen festgelegten Zuständigkeiten und Aufgaben [nicht ändert]“; F. in der Erwägung, dass die polnische Regierung nicht vorhat, die derzeit gültigen Rechtsvorschriften über Abtreibung zu ändern; in der Erwägung, dass mehrere NGOs im Rahmen einer Bürgerbewegung Unterschriften für einen Antrag auf Änderung dieser Rechtsvorschriften sammeln; in der Erwägung, dass die europäische Bürgerinitiative „Einer von uns“, die darauf abzielt, der EU-Finanzierung von Forschungstätigkeiten in den Bereichen Abtreibung und Embryonen Einhalt zu gebieten, in der gesamten EU 1,8 Millionen Unterzeichner gefunden und in 20 Mitgliedstaaten die Mindestzahl an Unterschriften erreicht hat; G. in der Erwägung, dass Bürgerinitiativen eines der wichtigsten Instrumente jeder Gesellschaft sind, um ihre demokratischen Rechte auszuüben; in der Erwägung, dass die EU diesem Umstand mit der Einführung der Europäischen Bürgerinitiative Rechnung getragen hat; H. in der Erwägung, dass derzeit Konsultationen zwischen der Kommission und der polnischen Regierung mit Blick auf das Verfassungsgericht stattfinden; in der Erwägung, dass das Mitglied der Kommission Timmermans nach seinem letzten Besuch in Polen deutlich machte, die polnische Regierung habe jedes Recht, alle Programme, die sie ihren Wählern versprochen habe, umzusetzen, und empfahl, das damalige Format seiner Besuche in Polen beizubehalten; 1. betont, dass Polen im Einklang mit dem Protokoll (Nr. 30) nur in dem Maße an die Grundsätze der Charta der Grundrechte der Europäischen Union gebunden ist, in dem diese Grundsätze durch das Recht oder die Praxis Polens anerkannt sind; 2. betont, dass in Artikel 5 EUV über den Grundsatz der Subsidiarität verankert ist, dass „die Union in den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, nur tätig [wird], sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten [nicht] ausreichend verwirklicht werden können“; 3. unterstreicht, dass für Bereiche wie Freiheit und Recht sowie Umwelt die geteilte Zuständigkeit gemäß Artikel 4 AEUV gilt, dass Kultur ein Bereich ist, in dem die EU lediglich Maßnahmen zur Unterstützung und Koordinierung der Maßnahmen der Mitgliedstaaten ergreifen darf und dass öffentliche Sittlichkeit und Familienrecht nicht in den Zuständigkeitsbereich der EU fallen; 4. betont deshalb, dass die EU bei neuen Rechtsvorschriften in Polen wie zum Beispiel dem Anti-Terror-Gesetz, Änderungen der Strafprozessordnung, der Reform des Justizsystems oder dem Gesetz über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht eingreifen sollte, da die Ziele dieser Rechtsvorschriften gemäß dem Grundsatz der Subsidiarität am besten von den polnischen Behörden verwirklicht werden können; 5. bekräftigt, dass dem polnischen Parlament kein neues Abtreibungsgesetz vorgeschlagen wurde, und weist jegliche Einmischung der EU-Organe in die Bereiche der öffentlichen Sittlichkeit und des Familienrechts, die ausschließlich auf der Ebene der Mitgliedstaaten geregelt werden, mit Nachdruck zurück; RE\1099340DE.doc 3/4 PE585.303v01-00 DE 6. stellt fest, dass derzeit Konsultationen zwischen der Kommission und Polen im Gange sind; betont, dass der Vorsitzende des Sejm (Unterhaus) der Republik Polen eine Sachverständigengruppe einsetzte, die Bevollmächtigten aller im Parlament vertretenen Parteien offenstand und die mit der Aufgabe betraut war, Empfehlungen für die künftige parlamentarische Arbeit auszuarbeiten und die Empfehlungen der Venedig-Kommission so weit wie möglich umfassend umzusetzen; unterstreicht, dass diese Gruppe ihre Tätigkeit abgeschlossen und die Ergebnisse offiziell der Kommission übermittelt hat; 7. fordert die Entscheidungsträger in den Organen der EU und den Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, die Ergebnisse des Referendums vom 23. Juni 2016 im Vereinigten Königreich als deutliches Signal für eine verbreitete Unzufriedenheit zu betrachten; fordert sie auf, Überlegungen dazu anzustellen, wie die Union reformiert werden sollte, um den Entscheidungsprozess den Bürgern näherzubringen und eine bessere Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips zu gewährleisten; 8. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Europarat sowie der Europäischen Kommission für Demokratie durch Recht zu übermitteln. PE585.303v01-00 DE 4/4 RE\1099340DE.doc
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