Beitrag als PDF - Kirchenzeitung für das Bistum Eichstätt

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religiöse
Thema
Nr. 27 · 3. Juli 2016
Ein besonderer himmlischer Schutz
Die Eichstätter Diözesanheiligen als Schutzpatrone eines schwäbischen Adelshauses
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er erste Sonntag im Mai ist
in der Stadt Scheer an der
Donau unweit von Sigmaringen
ein ganz besonderer Tag. Morgens
um Sechs werden die Bürger mit
Musik und Böllerschüssen
geweckt. Um zehn Uhr folgt dann
das feierliche Hochamt in der
Stadtpfarrkirche St. Nikolaus.
Nach dem Gottesdienst beginnt die
Reliquienprozession vom Kirchberg hinunter in die Stadt. Dabei
werden die drei Büstenreliquiare
der Heiligen Walburga, Willibald
und Wunibald, die während des
Jahres ihren Platz auf der Mensa
des sogenannten Dreiheiligenaltars in der Pfarrkirche haben,
von Gemeinderäten auf Sänften
am Rathaus vorbei bis zur Donaubrücke und von dort wieder zurück
hoch zur Pfarrkirche getragen. An
diesem Sonntag hat die Prozession
Vorfahrt. Sogar der Verkehr auf
der Bundesstraße 32 wird wegen
ihr angehalten.
Verordnung
ist
Ursprung
Zeiten
Ansicht von Scheer: Schloss und Pfarrkirche mit den drei
Hauspatronen Wunibald, Walburga, Willibald des Hauses Waldburg, das heute in allen Zweigen über 100 lebende Mitglieder zählt.
em. Ernst Reiter stellte dabei im
Festvortrag die drei Heiligen und
die Geschichte ihrer Verehrung in
der Stadt an der oberen Donau vor.
Denn das Maifest mit seiner Reliquienprozession hat seinen Ursprung
nicht in der Volksfrömmigkeit, sondern geht auf eine Verordnung des
Landesherren – die Adelsfamilie
der Reichserbtruchsessen von
Waldburg – zurück.
Erbtruchsess Christoph, Herr zu
Friedberg, Scheer, Dürmentingen
und Trauchburg, wählte 1603 die
drei heiligen Geschwister zu den
Schutzheiligen seines Hauses aus,
weil er empfand, dass dem Haus
Waldburg stark zugesetzt werde.
Zur Unterstützung sei ihm unter
anderem „auch ein geistliche
Hülf eingefallen“, schrieb er an
seinen Vetter Heinrich. Diese
geistliche oder himmlische Hilfe
erwartete sich Christoph, der seit
1589 Senior des Gesamthauses
war, von den heiligen Geschwis-
des
Umbruchs
Das 16. und 17. Jahrhundert
waren unruhige Zeiten für das
Haus Waldburg, das zu den ältesten und angesehensten Adelsgeschlechtern Schwabens gehört.
Nicht nur der Dauerstreit mit den
Habsburgern, Schulden, Erbstreitereien und Konflikte mit den Untertanen setzten der Familie zu,
sondern vor allem der Umstand,
dass ein Teil der Familie zum evangelischen Glauben übergetreten
war. Deutlich wird dies an zwei
Vertretern der Familie dem Augsburger Bischof und Kardinal Otto
Truchsess von Waldburg-Trauchburg einem Streiter für die Reform
und die Erneuerung der Kirche,
und seinem Neffen, dem Kölner
Kurf ürsten und Erzbischof
Fotos: Stadt Scheer
Seit über 400 Jahren ist die Verehrung der drei Eichstätter Diözesan
heiligen in Scheer Tradition –
Anfang Mai 2006 wurde das
Jubiläumsmaifest „400 Jahre Reliquienverehrung der drei Heiligen
Wunibald, Willibald und Walburga
in Scheer“ festlich begangen. Prof.
tern, deren Lebensbeschreibung
er aus der Feder des Eichstätter
Bischofs Philipp von Rathsamhausen kannte. Auch glaubte er,
dass die heilige Walburga nicht
nur eine Namensvetterin, sondern
ihre Familie auch Wappengenossen der Waldburger sei. „Dass
St. Walburg nit allein den Namen
gefirt, sondern neben dem Wappen
auch unser Wappen, als der drey
schwarzen Löwen im gelben Feld
gefirt“, so teilte er seinem Vetter
brieflich mit.
Heute in der Pfarrkirche St. Nikolaus: Seit dem Verkauf der Herrschaft Friedberg-Scheer 1786 an die Fürsten von Thurn und Taxis
befinden sich das Wunibald- (r.) und das Walburga-Reliquiar nicht mehr in der Scheerer Schlosskapelle.
Nr. 27 · 3. Juli 2016
Gebhard I. von Waldburg, der im
Dezember 1582 zum Luthertum
übertrat und zwei Monate darauf
seine Geliebte heiratete. Wie sehr
dies Erbtruchsess Christoph belastete, wird an dem Schwur deutlich,
den er seinen Sohn Wilhelm-Heinrich leisten ließ: immer der katholischen Kirche treu zu bleiben und
es nie Christophs Brüdern gleich
zu tun, die vom wahren Glauben
abgefallen seien „also dass billig
wir Erbtruchsessen und alle unsere
Nachkommen darob ein abscheulich Exempel haben“.
Am Willibaldstag, dem 7. Juli
1603, stellte Christoph das ganze
Haus Waldburg unter den besonderen Schutz der Eichstätter Diözesanheiligen. Zudem führte er in seinem Territorium für die heilige
Walburga vier Feiertage: 25.
Februar (Todestag), 1. Mai (Heiligsprechung), 4. August (Abreise
von England) und 12. Oktober
(Translation) sowie den jeweiligen kirchlichen Gedenktag der
Heiligen Willibald und Wunibald (7. Juli und 18. Dezember) als
verbindliche Festtage ein. Anfang
des Jahres 1604 einigte man sich
auf einer Familienkonferenz auf
die Einführung der neuen Feiertage in allen waldburgischen Herrschaften.
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bald samt dem Büstenreliquiar aus
vergoldetem Kupfer, das aus dem
11.-13. Jahrhundert stammt. Da
Christoph das wertvolle Geschenk
in Ansbach nicht persönlich abholen konnte, ließ er es von seiner
Frau Maria Anna abholen und am
27. April 1606 feierlich nach Scheer
überführen. Das Reliquiar wurde
bei seiner Ankunft in Scheer am
30. April mit einer feierlichen
Prozession empfangen und in der
Hofkapelle eingesetzt.
Wertvolle Reliquiare
Das Willibald-Reliquiar: 1609 ein Geschenk des Eichstätter
Bischofs Johann Konrad von Gemmingen.
Reiche Stiftungen
Scheer an der oberen Donau: Die Donau macht um den Berg,
auf dem Schloss und Kirche liegen, eine enge Schleife.
Fotos: Stadt Scheer
Zudem stiftete Christoph für diese
neuen Feiertage Messen in der
Scheerer Hofkapelle. Er und seine
Frau Anna Maria, geborene Gräfin
von Fürstenberg, stifteten den Unterhalt einer Lampe am Walburgisgrab in Eichstätt und eine goldene
Schale für das Walburgisöl, die
im Beisein des Erbtruchsessen im
Altar der Klosterkirche St. Walburg
am 1. Mai 1604 eingesetzt wurde.
Die Schale wurde im Dreißigjährigen Krieg von den Schweden
geraubt.
Das Einführen der Feiertage
war das eine, Christoph wünschte
sich aber auch Reliquien der neuen
Hauspatrone. Auf sein Betreiben
wurden 1606 die Gräber Walburgas
und Wunibalds in der Klosterkirche Heidenheim geöffnet.
Doch sie waren leer. Markgraf
Joachim-Ernst von Brandenburg
zu Ansbach schenkte dem Waldburger als Anerkennung für seine
Dienste für die Markgrafen,
das Haupt des heiligen Wuni-
Maiprozession: Gemeinderäte tragen die Reliquiare auf Sänften
von der Pfarrkirche an die Donau und zurück.
Das Wunibalds-Reliquiar ist
37,5 Zentimeter hoch und hat an
der Vorderseite unten einen Nischenfries mit je einer kleine Büste
der Heiligen Margaretha, Katharina, Bonifatius, Willibald, Walburga, Wunibald und Richard, in der
Mitte eine Kreuzigungsgruppe
und auf der Unterseite den eingravierten Schenkungsbericht.
In den folgenden Jahren bemühte
sich Christoph, auch von den
beiden Geschwistern Wunibalds
Reliquienbüsten zu bekommen.
Mit Erfolg. 1609 erhielt er vom
Eichstätter Bischof Johann Konrad
von Gemmingen ein Walburgaund ein Willibald-Reliquiar, die der
Eichstätter Oberhirte von einem
Goldschmied nach dem Vorbild
des Wunibald-Reliquiars hatte anfertigen lassen.
Das Reliquiar des Eichstätter
Bistumsgründers ist 40 Zentimeter
hoch, die Reliquien stammen aus
dem Dom. Willibald trägt das
Rationale, auf dem fünf Tugenden
stehen, unten ein Nischenfries mit
zwölf Heiligen und in der Mitte
ein Medaillon mit der Krönung
Mariens.
Das 43 Zentimeter hohe Walburga-Reliquiar hat ebenfalls
einen Nischenfries mit zwölf
Heiligen und in der Mitte eine
Nische mit einem kleinen Brunnen
für das Walburgisöl. Die Reliquien
Walburgas sind ein Geschenk der
Äbtissin Susanna Lodenmayrin von
Sankt Walburg. Christoph freute
sich über das wertvolle Geschenk
aus Eichstätt: „Die Bilder sein gar
hipsch und wol gemacht, kosten
nachher bey 400 fl., aber der Herr
Bischof hat mirs verehrt“, schreibt
er 1609 an seinen Vetter Froben,
den jüngeren Bruder Heinrichs und
Begründer der Linie Waldburg-Zeil.
Klaus Kreitmeir