Substantivierung und Scheinsubstantivierung

~ Substantivierung
und Scheinsubstantivierung
Genauhier ist nun der Übergangzu den Nicht-Substantiven gegeben.Die
Kleinschreibungder Nicht-Substantive,wie sie im Wörterbuch stehen,ist das
Normale. Man kann aber- im Gegensatzzur Desubstantivierungder Substantive - jedesNicht-Substantiv im Text substantivieren, d. h. in der Funktion
einesSubstantivsgebrauchen.Das amtliche Regelwerk (§ 57) nennt für das
Erkennender Substantivierungdrei Kriterien (die natürlich auchfür Substantive zutreffen):
- den Artikel: der Delegierte
- dasvorhergehendeoder folgendeAttribut: müdeDelegiertedesParteitags
- die Funktion als kasusbestimmtesSatzgliedoder Attribut: Man weiß,
Delegierte sind weisungsgebunden.
Gerade das Letztere ist in der syntaktischen Fundierung das entscheidende
Kriterium; Artikel und Attribut(fähigkeit) sind nur mögliche Folgeerscheinungen. Dennoch, so denken wir, ist diesesKriterium den Lernenden am fernliegendsten. In (21) wird daher der Artikel als wichtigstes Kriterium genannt,
dann in (22) das Attribut und in (23) statt des Kasuskriteriums der hinzusetzbare Artikel; z. B. denn (die) Delegierten sind weisungsgebunden; du sollst
Gleiches (= das Gleiche) nicht mit Gleichem (= dem Gleichen) vergelten.
Geht man so eindeutig von dem Artikel aus, dann führt er in einigen Fällen
in die Irre, man spricht dann von Scheinsubstantivierung. Deshalb sind
Fälle wie ein jeder (28) oder der eine - der andere (29) Ausnahmen. Der
Bereich der Scheinsubstantivierung ist durch die Neuregelung bedeutend
vermindert worden, z. B. nun: Es ist das Beste, ...; im Großen und Ganzen;
auf dem Trockenen sitzen (auch in metaphorischer Bedeutung).
Viele Substantivierungen sind lexikalisiert, d. h., sie stehen im Wörterbuch,
sie werden also nicht ad hoc gebildet: die Delegierten, die Verlobten, die Grünen, die Gefangenen. Für sie können wir daher auch ein Schreibschemamit
großem Anfangsbuchstaben annehmen. Die Fehlerverlockung zur Kleinschreibung ist zumindest geringer als bei Ad-hoc-Substantivierungen.
Man muss den Vorgang der Substantivierung unterscheiden von der Nullableitung oder Konversion. Das heißt, manchmal stehen Substantive und
Nicht-Substantive wortgleich nebeneinander:
Das Schwein ist zu fett.
Allzu viel Fett ist ungesund.
Das bankrotte Unternehmen
Das Unternehmen macht Bankrott.
Die stolze Mutter
Der Stolz der Mutter
In einigen Fällen stehensogar Adjektiv, Substantivund Substantivierung
nebeneinander:
Er ist kein übler Kerl. Das Übel... packen.Soviel Übles...
Das Zimmer ist dunkel. Das Dunkel der Nacht. EtwasDunkles...
In zwei Fällen führt diese Nullableitung zu Fehlerverlockungen: bei Farben
und Sprachen:
Die Ampel steht auf Rot.
Er sagt esauf Deutsch. Er spricht deutsch/Deutsch.
FolgendeHinweise möchtenwir noch für den Unterricht geben:
- Siesollten nicht sagen:"Wenn ein Artikel davorsteht...", sondern "wenn
sich ein Artikel darauf bezieht...". Das vermeidetFalschschreibungen
wie
::.der Grüne
hut. Dann lässt sich auch besserder Fehlerverlockung vorbeugen
in folgendem Satz (24): Die Verkäuferin zeigte mir eine Auswahl von Blusen,
die gestreiften gefielen mir am besten. Lernende neigen dazu gestreiften großzuschreiben wegen des vorhergehenden die, das sich aber elliptisch auf Blusen
bezieht.
- Die Desubstantivierung behandelt zum Teil Fälle, die den Schülerinnen und
Schülern auch von der Bedeutung her unbekannt sind, z. B. (20) dank deiner
Hilfe; kraft des Gesetzes.Sie sollten so etwas nicht zu früh üben.
- Wenn man die Substantivierungen, die im Wörterbuch stehen, mit zu den
Substantiven rechnet, die durch Schemaeinprägung gespeichert sind, dann
machen die Ad-hoc-Substantivierungen im fortlaufenden Text gerade einmal
drei Prozent aller Wortartgroßschreibungen aus. Lehrende wissen aber um die
Verunsicherung der Kinder, wenn sie Großschreibung von Nicht-Substantiven
einführen. Sie sollten u. E. diesesPhänomen nicht zu früh thematisieren.