Bildung und Sport
Hochbegabung – Chancen und Risiken
Hochbegabte Kinder unterscheiden sich in manchem von ihren Altersgenossen. Das kann zu
Schwierigkeiten in der Schule und beim Umgang mit anderen führen.
Was ist Hochbegabung?
Es gibt zur Zeit keine einheitliche anerkannte Definition, was Hochbegabung eigentlich ist. Sie wird
beschrieben als eine besonders hohe Ausprägung von Intelligenz, die sich durch eine sehr hohe
Denk- und Problemlösefähigkeit auszeichnet. Ein hochbegabtes Kind ist den Gleichaltrigen auf
musischem, sportlichem oder intellektuellem Gebiet weit voraus. In der Psychologie bezeichnet
Hochbegabung ein deutlich über dem Durchschnitt liegendes Maß an Intelligenz. Als hochbegabt
gelten jene Menschen, die in einem standardisierten Intelligenztest einen IQ erreichen, der nur von
zwei Prozent ihrer Mitmenschen erreicht wird. Auf der in Deutschland verwendeten Skala wird
dieser IQ-Wert mit 130 bezeichnet.
Hochbegabungen gibt es in verschiedenen Bereichen:
•
Allgemeine intellektuelle Leistungsfähigkeit (hier schlägt der IQ-Wert zu Buche)
•
Musisch-künstlerische Begabungen (z. B. berühmte Musiker)
•
Soziale Begabungen (z. B. Personen wie Mutter Theresa)
•
Psychomotorische Begabungen (z. B. Sportprofis)
Während künstlerische und sportliche Hochbegabungen gesellschaftlich anerkannt und gefördert
werden, wird eine intellektuelle Hochbegabung häufig weder erkannt noch als förderungswürdig
eingestuft. Häufiger ist die Einschätzung, dass hochbegabte Kinder nur die Opfer ihrer
überehrgeizigen Eltern sind.
Auffälligkeiten
Kinder mit Hochbegabung unterscheiden sich voneinander genauso wie ihre normal begabten
Altersgenossen. Jedes Kind verfügt über eine individuelle Persönlichkeit, eigene Interessenschwerpunkte und ein eigenes Begabungsprofil. Hochbegabte sind typischerweise im
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Schulsystem gut integriert, sozial unauffällig, psychisch stabil und selbstbewusst. Es gibt jedoch
einer Reihe von Verhaltensweisen, die bei Hochbegabten häufiger vorkommen, als bei ihren
Altersgenossen, und durch die sie auffallen:
•
Großer Wortschatz, gutes sprachliches Ausdrucksvermögen (oftmals auch „elegante“
altersunangemessene Ausdrucksweise)
•
Lesen, Schreiben und/oder Rechnen wird schon vor der Einschulung gelernt (oftmals
scheinbar „von selbst“)
•
Genaue Beobachtungsgabe
•
Meist sehr gute Schulleistungen, manchmal aber auch sehr schlechte bis hin zum
Schulversagen
•
Hohes Lernvermögen und schnelles Lerntempo
•
Sehr gutes Gedächtnis
•
Gutes logisches Denkvermögen
•
Ausgeprägte Wissbegierde (ständiges Fragen mit dem Ziel die Umwelt zu verstehen)
•
Geringes Schlafbedürfnis
•
Hohe Abstraktionsfähigkeit
•
Oft ausgeprägte Phantasie
•
Gute Konzentrationsfähigkeit
•
Ungewöhnliche Lösungen für scheinbar klare Aufgabenstellungen
•
Interesse für „Erwachsenenthemen“ (z. B. Religion, Politik)
•
Hohe Sensibilität
•
Ausgeprägtes Gerechtigkeitsbewusstsein
•
Meist auch im Sozialverhalten ihrem Alter voraus (was allerdings häufig dazu führt, dass sie
von gleichaltrigen Kindern nicht akzeptiert werden)
Es kommt häufig vor, das Hochbegabte sich bereits im Kindergarten und später in der Schule
langweilen, da weder das Arbeitstempo noch die Lehrmethoden ihren Fähigkeiten entsprechen.
Ihre Versuche, diese Langeweile zu beseitigen, werden von vielen Erziehern als Aufsässigkeit,
Störmanöver oder altkluges Verhalten interpretiert.
In der Schule fallen Hochbegabte oftmals auf
•
weil sie sich unterfordert fühlen und dies auch zeigen
•
weil sie als Streber oder Besserwisser gelten und sich dadurch bei Mitschüler/innen
unbeliebt machen
•
weil sie den Klassenclown spielen, aus Langeweile oder um von den Mitschüler/innen
akzeptiert zu werden
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Pädagogisches Institut • Hochbegabung
•
weil sie sich von Lehrkräften und Mitschüler/innen nicht verstanden und nicht akzeptiert
fühlen
•
weil sie trotz bekannter Intelligenz "unerklärlich" schwache Leistungen zeigen
(“Underachiever“)
Diagnostik
Hochbegabungsdiagnostik sollte von einem Diplom-Psychologen, Psychologischen Psychotherapeuten oder Kinder- und Jugendpsychiater durchgeführt werden, der Erfahrung im Umgang
mit hochbegabten Kindern hat.
Mit dem Kind wird ein standardisierter Intelligenztest durchgeführt, um einen möglichst objektiven
Vergleich mit Kindern gleichen Alters durchführen zu können. Von Hochbegabung spricht man
üblicherweise, wenn die Intelligenzleistung des Kindes besser ist als bei 98% der gleichaltrigen
Kinder. Dies entspricht einem IQ von mindestens 130.
Eine weitere wichtige Informationsquelle sind Beobachtungsverfahren. Eltern, Lehrkräfte und das
Kind selber werden gebeten, das Verhalten zu beschreiben. Auch der Diagnostiker selber macht
sich ein Bild vom Denken und Verhalten des Kindes im Gespräch und in der Testung. Erfahrene
Psychologen sehen Intelligenztests nur als ein Werkzeug zur Diagnose von Hochbegabung an. Sie
berücksichtigen auch die Ergebnisse einer Vorbesprechung mit Kind und Eltern sowie das
Verhalten des Kindes während des Tests.
Aus diesen Informationen lässt sich dann ableiten, ob bei einem Kind eine Hochbegabung vorliegt.
Mögliche Probleme und Underachievement
Schwierigkeiten entstehen, wenn die hochbegabten Kinder ständig unterfordert werden. Dies kann
sich im Kindergarten oft dadurch zeigen, dass die Kinder unter psychischen Problemen leiden.
Diese zeigen sich manchmal im Körperlichen, sie werden z. B. unsauber, haben Kopfschmerzen,
Bauchweh oder weinen, wenn sie in den Kindergarten gehen müssen. In der Schule kommt es
oftmals zu Langeweile, die Kinder streiten sich mit den Lehrkräften oder werden von den
Klassenkamerad/innen nicht angenommen. Festzuhalten bleibt, dass Lehrkräfte mit den
unterforderten Schüler/innen nicht selten überfordert sind. Die hochbegabten Kinder erkennen
durch ihre schnelle Auffassungsgabe, dass sie einigen Lehrkräften geistig überlegen sind und
spielen dies aus. Sinnvoll ist es somit, dass die Lehrkräfte von Hochbegabten eine spezielle
psychologische Ausbildung erhalten, um angemessen mit den Kindern umgehen zu können. Eine
Unterrichtsmethode, die einer allzu deutlichen Unterforderung von Hochbegabten vorbeugt, ist
beispielsweise die Methode „Lernen durch Lehren“.
Das Phänomen der Minderleistung („Underachievement“) zeigt bei manchen Hochbegabten den
großen Unterschied zwischen geistigen Fähigkeiten gemäß IQ und intellektuellen Leistungen im
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wirklichen Leben. Wer einen IQ von über 130 erreicht und bei der Schulleistung unter Prozentrang
50 zu finden ist, ist ein sogenanntes Underachiever-Kind. Die Minderleistung muss aber mindestens
über 1-2 Jahre vorhanden sein, ansonsten kann ein negativer Einfluss der Lehrkraft nicht
ausgeschlossen werden, wobei Underachievement in vielen Fällen von den Lehrkräften bzw. dem
Schulsystem, das die Interessen und Stärken der betroffenen Hochbegabten nicht fördert bzw. oft
nicht einmal erkennt, mitverursacht wird. Festzuhalten bleibt, dass Underachievement sich nicht nur
bei Hochbegabung, sondern bei jeder beliebigen Intelligenzausprägung finden lässt.
Hochbegabte Kinder werden als solche keineswegs immer erkannt. Obwohl die weit überwiegende
Zahl von ihnen, wie viele wissenschaftliche Studien zeigten, gute bis sehr gute schulische
Leistungen erzielen und keine besonderen psychosozialen Probleme haben, gibt es unter ihnen
auch die Minderheit der sogenannten Underachiever, die trotz hoher Intelligenz aus verschiedenen
Gründen nur schlechte Schulleistungen erbringen, oft psychosoziale Schwierigkeiten haben und
Hilfe benötigen.
Das bedeutet konkret, dass es Menschen gibt, die sich auf der Realschule, Hauptschule oder sogar
der Förderschule befinden bzw. befanden oder sogar überhaupt keinen Schulabschluss haben,
obwohl sie intellektuell den meisten Menschen überlegen sind. Die Gruppe der Underachiever ist
nicht einheitlich; oft sind es aber Menschen, die im normalen Schulsystem methodisch nicht zurecht
kommen (Unterforderung, "Ausbremsen" durch Lehrkräfte) oder bei denen die Hochbegabung
zusammen mit einer neurologisch-psychiatrischen Störung vorliegt (ADS, Autismus etc.). Oft gehen
sie sogar von der Schule ab, da sie durch die ständigen Wiederholungen noch weiter unterfordert
sind. Underachiever wollen oft nur oder zumindest vorwiegend in den sie interessierenden
Bereichen Leistung erbringen (Hyperfocus), was im allgemein gehaltenen Lehrplan des
Gymnasiums nur selten möglich ist. Diese Menschen erbringen an der Universität oft einen
sprunghaften Anstieg an Leistung.
Gründe für dieses Verhalten
Es besteht ein kompliziertes Gefüge aus Persönlichkeits- und Umweltgegebenheiten. Niedrige
Motivation kann etwa durch eine niedrige Leistungserwartung der Eltern entstehen oder durch zu
niedrige Anforderungen der Lehrkräfte - etwa durch Verweigerung, alltägliche Fragen zu
beantworten oder Langeweile, die durch die ständigen Wiederholungen und die für die Betroffenen
oft zu langsame Unterrichtsgeschwindigkeit entsteht. Es kann aber auch sein, dass trotz
Hochbegabung eine Teilleistungsstörung, wie Dyskalkulie, Dyslexie oder Legasthenie vorliegt und
diese besonders schwierige Kombination von Eltern, Lehrkräften und Betreuer/innen nicht
verstanden wird; gerade von ADS Betroffene werden oft als "faul" angesehen, da sie sehr gute
Leistungen erbringen können, wenn sie sich in den Hyperfocus bringen können, ansonsten aber
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"nicht arbeiten". Da den Hochbegabten Eigenständigkeit und Interesse für tiefergehende Fragen
nachgesagt wird, können auch die Wertvorstellungen der Schule nebst Bewertungssystem
insgesamt in Frage gestellt werden und dies zu Ablehnung der Schule führen.
Was können Eltern und Lehrkräfte tun?
Wichtig ist zunächst, dass die Eltern ihr Kind mit der Hochbegabung akzeptieren und nicht als
Vergleichsmaßstab die durchschnittlich begabten Altersgenossen heranziehen.
Für die gesunde Entwicklung ist zudem eine über das schulische Maß hinausgehende intellektuelle
Förderung notwendig und sinnvoll. Beispielsweise bieten Elternselbsthilfegruppen oder Vereine
hochbegabter Menschen Ferienkurse für hochbegabte Kinder an. Hier kommt das Kind auch in
Kontakt mit Gleichbegabten, die es im Alltag nur selten treffen wird.
Die Förderung von Kontakten mit gleichaltrigen Kindern fördert die lebensnotwendige Fähigkeit des
Kindes, mit normal begabten Menschen positive Beziehungen zu gestalten. Möglicherweise bieten
sich Möglichkeiten in Bereichen, wo das hochbegabte Kind selbst „normale“ Leistungen erbringt, z.
B. beim Sport, beim Basteln oder in der Musik.
Viel Zeit verbringt das Kind auch in der Schule. Hier sollte nach Möglichkeit die Begabung des
Kindes gefördert werden. Viele Lehrkräfte sind bereit, die Herausforderung, die ein hochbegabtes
Kind darstellt, anzunehmen und in Zusammenarbeit mit den Eltern das Kind in die Klasse zu
integrieren. Bei Kindern, die sich in der Schule ständig langweilen, kann es sinnvoll sein, dass Kind
eine Klasse überspringen zu lassen. Dies muss jeweils im Einzelfall entschieden werden, da es
immer zahlreiche Unwägbarkeiten gibt.
Nicht immer läuft die Zusammenarbeit mit der Schule reibungslos. Wenn es zu belastenden
Spannungen zwischen Eltern, Lehrkräften und Kind gekommen ist, die sich nicht mehr aus dem
Weg räumen lassen, kann ein Schul- oder Klassenwechsel dem Kind Entlastung verschaffen und
ihm einen neuen Start ermöglichen.
Sollten bereits gravierende Verhaltensauffälligkeiten vorhanden sein, kann auch eine psychotherapeutische Behandlung des Kindes sowie eine begleitende Beratung der Eltern durch einen
Diplom-Psychologen sinnvoll sein.
Der behandelnde Psychologe sollte Erfahrung mit hochbegabten Kinder haben oder bereit sein,
sich intensiv mit diesem Thema zu befassen.
Begabung ist lediglich ein Potential. Um dieses Potential in Leistung umsetzen zu können, ist es
notwendig, dass die besondere Begabung von Eltern, Umfeld und Schule erkannt und akzeptiert
wird und das Kind eine entsprechende Förderung erfährt. Erkennen und Fördern setzt aber das
Wissen um Hochbegabung voraus.
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