Das ist toll Laut einem Urteil ist „Happy Birthday“ endgültig Allgemeingut Seite 31 MITTWOCH, 29. JUNI 2016 NRW 124 Das tut weh Bud Spencer war Kindheitsheld, Schwergewicht, unschlagbar im Doppelpack mit Terence Hill. Ein Nachruf Seiten 2/3 1 EURO NACHRICHTEN Hart, aber herzlich SPORT Die Isländer und ihr Fußball-Märchen Freundlich wird der scheidende britische Premier Cameron in Brüssel begrüßt. Doch die EU-Partner machen deutlich: Wer aus der Union austritt, verliert Vorteile Wer sind diese bärtigen Kerle, die Europa verzaubern? Und woher stammt der „Hu, Hu, Hu“-Kampfruf der Fans? Antworten auf den EM-Seiten 10-14 F ünf Tage nach dem BrexitVotum verschärft die Europäische Union ihren Kurs gegenüber Großbritannien. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, Ratspräsident Donald Tusk und Bundeskanzlerin Angela Merkel warnten, dass das Land ohne Austrittsantrag keine Gespräche über sein Verhältnis zur EU und den Zugang zum Binnenmarkt führen könne. Merkel stimmte die britische Regierung auf einen harten EU-Kurs ein: „Wir werden sicherstellen, dass die Verhandlungen nicht nach dem Prinzip der Rosinenpickerei geführt werden“, sagte die Kanzlerin in einer Regierungserklärung in Berlin. Zugleich betonte sie: „Die EU ist stark genug, um den Austritt Großbritanniens zu verkraften.“ Der Ansicht des Brexit-Befürworters und früheren Londoner Bürgermeisters Boris Johnson, dass Großbritannien weiterhin vollen Zugang zum EU-Bin- WIRTSCHAFT „Dieselgate“ kostet VW fast 15 Milliarden Dollar Die Aufarbeitung des Skandals wird richtig teuer. Nach monatelangen Verhandlungen ist ein Entschädigungspaket für USKunden geschnürt. Seite 19 WIRTSCHAFT Mindestlohn steigt auf 8,84 Euro 34 Cent mehr pro Stunde: Kommission aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern einigt sich auf eine neue gesetzliche Lohnuntergrenze. Seiten 15 und 20 nenmarkt haben werde, erteilte Merkel eine klare Absage. „Wer austreten möchte, kann nicht erwarten, dass alle Pflichten entfallen, die Privilegien aber weiter bestehen.“ Die Kanzlerin kündigte an, dass die verbleibenden 27 EU-Staaten bis spätestens März 2017 beschließen sollten, wie sie die EU effektiver machen wollen. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker forderte den raschen Start des Austrittsprozesses. „Die Briten wollen raus aus der EU, dementsprechend sollte man handeln“, sagte er vor dem EU-Parlament. Doch anstatt den Austritt offiziell zu erklären, betrieben Premier David Cameron und seine Partei ein „Katz-und-MausSpiel“. Die EU könne sich keine längere Phase der Unsicherheit leisten. Juncker kritisierte „klammheimliche“ Bestrebungen in London, die Verhandlungen mit den EU-Partnern noch vor der offiziellen Austrittserklärung „in abgedunkelten Räumen“ zu beginnen und so etwa den Zugang zum EU-Binnenmarkt zu sichern. Er habe seinen Mitarbeitern einen „Mufti-Befehl“ erteilt, sich auf keinerlei derartige Gespräche einzulassen. Wenn die Verhandlungen dann offiziell starteten, „werden wir die Tagesordnung bestimmen und nicht diejenigen, die die EU verlassen wollen“. In der Aussprache des Europaparlaments redete Juncker anders als sonst nicht auf Englisch. Nur an den Brexit-Wortführer Nigel Farage wandte er sich einmal in dieser EUAmtssprache: „Ich bin überrascht, dass Sie hier sind. Sie haben für den Austritt gekämpft, die Bürger haben dafür gestimmt“, sagte Juncker. „Warum sind Sie hier?“ Die EU muss nach den Worten des französischen Präsidenten François Hollande entschlossen reagieren. „Die ganze Welt schaut auf Europa.“ Die Entscheidung der Briten sei sicher traurig – vor allem für diese selbst. „Aber Europa wird sich nicht aufhalten lassen.“ Seiten 4-7 und 15 IM INTERNET Tweets des Tages RIP Bud Spencer ... My heart goes out to your family RUSSELLCROWE Wegweisend: Angela Merkel stimmt David Cameron auf einen harten EU-Kurs ein Thank you for everything! R.I.P. #BudSpencer MESUTOZIL1088 #BudSpencer was a great sportsman, unique actor and a childhood hero to all of us. My thoughts are with his family. BSCHWEINSTEIGER Twittern, was uns bewegt twitter.com/weltkompakt E-Mail an die Redaktion [email protected] Abo & mehr www.welt-kompakt.de/abo News rund um die Uhr www.welt.de Digitale Angebote Tel. 0800 / 95 15 00 0 [email protected] Kundenservice: 0800 / 53 73 78 3 iApps 36 AP/ GEOFFROY VAN DER HASSELT; MONTAGE: DIE WELT KOMPAKT Treffpunkt für Fans facebook.com/weltkompakt © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung WELT KOMPAKT -2016-06-29-sil-16 5692aa55e384977d8b6d5a97812bb0ed 2 NACHRUF DIE WELT KOMPAKT „ ,, MITTWOCH, 29. JUNI 2016 FILMSPRÜCHE Bohnen mit dem Holzlöffel: Bud-Spencer-Filme – wie hier „Die Troublemaker“ – gerne als Klamauk-Western abgetan, wurden Kult Ist das Asthma oder Leidenschaft? (Bei einer Kneipenschlägerei in „Sie nannten ihn Mücke“) Was ist dir da aus dem Gesicht gefallen, du Arschloch? ,, Von meiner Blutprobe könnten die Bullen Betriebsfest machen ,, (An Bord eines Flugzeugs in „Zwei Himmelhunde auf dem Weg zur Hölle“) Komm her, dir werde ich auch einen vor den Ständer kleistern ,, PICTURE-ALLIANCE/ MARY EVANS PICTURES/ RIALTO FILMS / RONALD GRANT ARCH (Als sich Bud Spencer in „Vier Fäuste gegen Rio“ durch einen Ausspruch beleidigt fühlt) Weitere bärenstarke Rollen mit dem Kumpel Terence Hill: „Hector, der Ritter ohne Furcht und Tadel“ (o.) und „Die rechte und die linke Hand des Teufels“ (u.) ,, (In „Vier Fäuste für ein Halleluja“, um einen Revolverhelden von einer Theke zu vertreiben) PICTURE ALLIANCE / UNITED ARCHIV Mach schon Platz, ich bin der Landvogt! PICTURE ALLIANCE / UNITED ARCHIV (Zu Beginn einer Schlägerei in „Zwei Himmelhunde auf dem Weg zur Hölle“) © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung GETTY IMAGES Insgesamt 17 Filme machte Bud Spencer mit dem zehn Jahre jüngeren Terence Hill, darunter „Vier Fäuste gegen Rio“ (o.). Ohne Hill in „Buddy haut den Lukas“ (u.). Dort kämpft er als Sheriff mit seinem Adoptivsohn gegen Außerirdische 1952 hieß Bud Spencer noch Carlo Pedersoli und schwamm bei der Olympiade in Helsinki, hier mit der Schwimmerin Irene Strong (r.). Unten: Mit Ehefrau Maria Amato auf dem Frankfurter Opernball 1998 PICTURE ALLIANCE / UNITED ARCHIV Hat dir eigentlich schon mal einer mit einem Vorschlaghammer einen Scheitel gezogen? PICTURE ALLIANCE/ OBS (Bei einer Keilerei in „Zwei sind nicht zu bremsen“) WELT KOMPAKT -2016-06-29-sil-16 5692aa55e384977d8b6d5a97812bb0ed DIE WELT KOMPAKT NACHRUF 3 MITTWOCH, 29. JUNI 2016 Poet der Männlichkeit Der Himmelhund auf dem Weg zum Himmel: Bud Spencer ist tot. Und hinterlässt die Generation Bud – erwachsene Waisenkinder, die vom „Dampfhammer“-Schlag träumen H errje, soll man jetzt mit dem SchimanskiWort „Scheiße“ anfangen? Die Klagen über die Mortalitätsrate der internationalen Kulturszenerie sind ja längst zum Klischee geworden, jeden gottverdammten Tag neue Namen. Nun hat sich auch Carlo Pedersoli aus der Welt verabschiedet, der sich von der Mitte seines Lebens an Bud Spencer nannte, nach einer Flasche seines Lieblingsbieres Budweiser und nach Spencer Tracy, dem amerikanischen Schauspieler, der stets so weise, gütig und cool wirkte. PICTURE ALLIANCE/ KEYSTONE/ OLGUN VON HOLGER KREITLING Mit 86 Jahren ist er gestorben, da kann man nicht meckern, nach diesem Leben sowieso nicht. Das letzte Wort, das uns Bud Spencer geschenkt hat, richtete er an seinen Sohn Giuseppe. Es soll „Danke“ gewesen sein, grazie. Und in dieser heiteren Größe liegt ein Versprechen und ein kluges Vermächtnis. Der Mann, der so viel Spaß verbreitet und in seinen Filmen so viel frohen Lebenssinn bewiesen hat, bleibt sich treu bis zum Schluss: nimm’s leicht und lächle. Es wird schon. All die Erinnerung an die Toten rührt eine Generation, die sich ihrer selbst in Sentimentalität versichert und rühmt. Der späte Nachruhm Bud Spencers mit der ungeheuren Beliebtheit gerade in Deutschland, vervielfältigt durch immer neue Auftritte und Ovationen, ist ein Zeichen dafür. Bud Spencer war für die überwältigende Mehrheit der Fans und Verehrer ein Kindheitsheld, eine Identifikationsfigur in den Jahren der Herzensprägung und des überquellenden Gefühlshaushalts. Es ging los mit den Kindern der frühen Sechzigerjahre, die – wie der Autor – Bud Spencers Faust noch gewaltig und überlebensgroß im Kino gesehen haben, auf harten Holzstühlen in der Nachmittagsvorstellung, und danach überzeugt waren, später einmal so fest zuhauen zu können, wenn man nur genug Bohnen mit dem Holzlöffel oder Pasta aus dem Topf es- sen würde. Naturgemäß hat das nicht geklappt, ähnlich wie mit den Doppelohrfeigen Terence Hills. Es war Slapstick, reines Kino, die Organisation der Bilder in der Zeit, aber das wussten die staunenden Kinder damals nicht. Spätere Zöglinge haben die Filme dann im Fernsehen gesehen und genauso geliebt, in unzähligen Wiederholungen. Die Szenen vermengten sich irgendwann, sodass niemand mehr so richtig weiß, aus welchem Film welche Prügelei stammt, irgendwas mit Nilpferd oder Krokodil oder Mücke, oder Buddy oder Banana Joe, eigentlich egal, Hauptsache Dampfhammer auf die Glocke. Und dieser BudSpencer-Schlag auf den Kopf kam immer. Die bösen Kerle mühten sich, flogen durch die Räume, bis sie vor Bud Spencers Faust kamen, sie hob sich und sauste von oben auf den jeweiligen Wirsing oder Nüschel, boing und fertig. Im Kino auf den harten Holzstühlen wurde dann gelacht, gejubelt, gestrahlt, und später vor dem Fernseher wieder. Die normative Kraft des Faktischen steckte in diesem Hieb, lernte man später, auch die alles verschlingende Kraft des Spätkapitalismus oder was sonst in die Spaghettiwestern hineininterpretiert wurde, die die Vorläufer des Bud Spencerschen Oeuvres waren und nun als Komödien neue Popularität gewannen. Jedenfalls bewies der Held Mut und Güte und soziales Gewissen, er war Don Camillo ohne Kutte und Muhammad Ali in dick, er war harmlos und durchsetzungsfähig zugleich, also rundum bewundernswert. Friedensbewusst war sein Verzicht auf Schießgewehr und Revolver geradezu idealtypisch. Die Kinder lachten über seine archaischen Rituale, auch wenn sie die parodierten Originale gar nicht kannten. Und die Kinder träumten sich in die Zeiten, als Konflikte noch mit Fäusten zu regeln waren; meistens war das nämlich schon auf dem Schulhof nicht mehr der Fall. Bud Spencers Figuren waren extrem aus der Zeit gefallen, immer, und genau deshalb funktionierten sie so gut. Hinzu kam das Loblied auf die Freundschaft und die Kumpelhaftigkeit. 17 Filme machte Bud Spencer mit dem zehn Jahre jüngeren Terence Hill, der als Mario Girotti geboren wurde. Die deutschen Titel setzen auf Serienhaftigkeit: „Zwei Himmelhunde auf dem Weg zur Hölle“, „Zwei wie Pech und Schwefel“, „Zwei sind nicht zu bremsen“. Oder doppelt so stark: „Vier Fäuste für ein Halleluja“, „Vier Fäuste gegen Rio“, „Vier für ein Ave Maria“. Himmelhunde, Halleluja, Ave Maria: Es war damals offensichtlich noch recht gut um die religiöse Grundbildung der Jugend bestellt, wenn diese Schlüsselreize funktionierten. Immer rein ins Kino, das Taschengeld war super angelegt. Das deutsche Publikum hat Bud Spencer immer als Dampfhammer geliebt und erst spät begriffen, dass in dem Schwergewicht ein anderer Körper steckte, der eines choreografiebewussten Sportlers. Carlo Pedersoli aus Neapel feiert zuerst Erfolge als Schwimmer, mit 22 Jah- Kabel eins sendet Kinohits Der Privatsender Kabel eins bestückt nach dem Tod von Bud Spencer sein Programm gleich an mehreren Abenden mit dessen Kinohits. Heute sind die Filme „Die rechte und die linke Hand des Teufels“ (20.15 Uhr), „Vier Fäuste für ein Halleluja“ (22.30 Uhr), „Zwei außer Rand und Band“ (1.05 Uhr) und „Freibeuter der Meere“ (3.30 Uhr) zu sehen. Morgen lässt Kabel eins die Filme „Zwei Asse trumpfen auf“ (20.15 Uhr), „Die rechte und die linke Hand des Teufels“ (22.20 Uhr), „Das Bud Spencer Spezial“ (0.35 Uhr), „Vier Fäuste für ein Halleluja“ (1.50 Uhr) und „Zwei Asse trumpfen auf“ (3.50 Uhr) folgen. © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung ren schwamm er die 100 Meter unter einer Minute (wie der spätere Schauspieler Johnny Weissmüller), zweimal, 1952 und 1956, war er bei Olympia dabei. Er hatte Jura studiert, aber in Südamerika, wo er lange lebte, nie damit gearbeitet. Als er Ende der Fünfzigerjahre nach Italien zurückkehrte, begann er als Schlagerkomponist und Musiker. Außerdem besitzt er Patente, er erfand etwa die Einwegzahnbürste mit integrierter Zahncreme und einen Spazierstock mit eingebautem Stuhl und Tisch. 1967 kam, nach einer Reihe von Mini-Auftritten, die Rolle im ernsthaften und der Zeit entsprechenden brutalen Western „Gott vergibt … Django nie!“ Um den Namen Pedersoli nicht zu beschädigen, wählte er ein Pseudonym; auch das war üblich. Mario Girotti sprang ein, weil der ursprüngliche Darsteller sich einen Fuß gebrochen hatte. Das Publikum mochte die ungleichen Zwei, die Erfolgsformel musste sich aber wie bei Laurel & Hardy und Dean Martin & Jerry Lewis erst noch entwickeln. Ab 1970 liefen die Komödien wie am Schnürchen, eine ganz eigene commedia dell’arte mit Prügel und Happy End war geboren. Die alten Filme wurden gekürzt und neu (und möglichst schnodderig) synchronisiert und liefen dann auch. Aus „Hügel der blutigen Stiefel“ wurde, um 13 Minuten Gewalt gekürzt, „Zwei hau’n auf den Putz“. Kein Wunder, dass seriöse Filmkritiker immer verächtlich auf die zwei Komödianten blickten. Bis die Kino- und Fernsehkinder groß wurden und zeitgleich mit dem enormen gesellschaftlichen und sozialen Wandel der letzten Jahrzehnte die Verklärung einsetzte. Bud Spencer ist eben auch der väterliche Held der schlichten Lösungen, eine vormoderne Identifikationsfigur aller Jungen, die ihre Ideale unerwartet oft anpassen müssen und denen die Zeit durch die Finger zu rinnen scheint. Bud Spencers Autobiografie wurde 2011 zum Bestseller, er legte gleich nach, es gab umjubelte Auftritte. Auch wenn der alte Herr im Stuhl saß, konnte er die Faust recken. In Schwäbisch Gmünd wurde ein Freibad nach Bud Spencer benannt, dort gewann er in den Fünfzigerjahren einen Schwimmwettkampf. Der Rummel war größer als wenn jemand in die Walhalla und in die Fußball-Nationalmannschaft aufgenommen worden wäre. Carlo Pedersoli hat das alles lächelnd entgegengenommen. Weise waren seine Antworten, simpel sein Rat. Die Komödie des Lebens müsse man annehmen und feiern, das Leben sei eine Farce, eine Groteske. „Wir sind, sobald wir geboren werden, auf einer Reise zum Tod“, hat er im vergangenen Jahr noch gesagt und über seine Gelassenheit und den Glauben gesprochen. Dem Tod wolle er mit Anstand begegnen. An diesem Montag war es soweit. Grazie, signore. WELT KOMPAKT -2016-06-29-sil-16 5692aa55e384977d8b6d5a97812bb0ed 4 NACH DEM BREXIT-VOTUM KOMPAKT VEREINIGUNG Südkorea weist Vorschlag zurück Angesichts der Spannungen auf der Koreanischen Halbinsel kritisiert Südkorea einen Vorstoß Nordkoreas für eine Konferenz zum Thema Wiedervereinigung als bloße Propaganda. Das Vereinigungsministerium warf dem kommunistischen Regime des Nachbarlands gestern vor, ein heuchlerisches Angebot gemacht zu haben. Nordkorea wolle angeblich über Frieden und Vereinigung reden, während es gleichzeitig sein Atom- und Raketenprogramm vorantreibe. BND Mehr Kontrolle über Geheimdienst Für den Bundesnachrichtendienst (BND) sollen künftig präzisere Regeln für das Ausspähen von Zielen im Ausland gelten. Der vom Bundeskabinett beschlossene Gesetzentwurf sieht rechtliche Beschränkungen für das Abhören von Bürgern und Institutionen in der EU vor. Ein neues Gremium soll die Arbeit des BND kontrollieren. Der Entwurf bleibt allerdings hinter dem ursprünglich von den Koalitionsfraktionen geplanten stärkeren Schutz von Einrichtungen und Bürgern in der Europäischen Union zurück. Die EU will Einigkeit zeigen, dabei gibt es ganz unterschiedliche Ideen zur Zukunft des Kontinents N ach dem Brexit wollen die übrigen 27 EUMitglieder vor allem eines: gegenüber den abtrünnig gewordenen Briten Einigkeit demonstrieren und den Willen, die Europäische Union fit für die Zukunft zu machen. „Es ist wichtig, dass wir sagen können: Wir kommen auch voran“, sagte Angela Merkel vor Beginn des EU-Gipfels in Brüssel, zu dem auch der britische Premier David Cameron anreiste. VON CHRISTOPH B. SCHILTZ UND ANDRE TAUBER Diese Lösungen einvernehmlich zu finden, dürfte jedoch gewiss nicht einfach werden. Denn die 27 Mitgliedsstaaten sind alles andere als einig, wie die EU in Zukunft aussehen soll. Das sind die wichtigsten Strömungen. DIE VERTIEFER Die Bundespolizei hat mit ihren beiden Streifenbooten seit März mehr als 1000 Menschen vor der griechischen Ägäis-Insel Samos aus Seenot gerettet. Die Lage habe sich aber wegen der erhöhten Aufmerksamkeit der türkischen Küstenwache etwas entspannt, sagte der Präsident der Bundespolizeidirektion im schleswig-holsteinischen Bad Bramstedt, Bodo Kaping. MALI Frankreich geht gegen Terroristen vor Im unruhigen Norden Malis gehen französische Truppen seit Montagabend gegen Terroristen und Schmuggler vor. Bislang seien mindestens vier Verdächtige verhaftet worden, berichtete der französische Auslandsrundfunk RFI gestern unter Berufung auf Sicherheitskreise. Die Operation solle noch mehrere Tage andauern. Die Bundeswehr ist in Mali am UN-Einsatz Minusma beteiligt und bildet lokale Sicherheitskräfte aus. MITTWOCH, 29. JUNI 2016 Gespaltene Staaten von Europa MITTELMEEREINSATZ Bundespolizei rettete 1000 Flüchtlinge DIE WELT KOMPAKT Im März trafen sich die sozialdemokratischen Parteichefs in Paris. Auf Einladung von Frankreichs Staatspräsident François Hollande sprachen sie sich für mehr Investitionen in Europa und ein Ende der Sparpolitik aus. „Wachstum, Wachstum, Wachstum“, forderte Italiens Premierminister Matteo Renzi. Und Hollande forderte ein „politischeres Europa“ – also eines, das es Defizitsünder Frankreich erlaubt, mehr Schulden zu machen. Nun wittern die Sozialdemokraten die Chance, ihre Vorstellungen auch in die Realität umzusetzen. Als Reaktion auf den britischen Austritt mehren sich die Forderungen, endlich mehr Wachstumsimpulse zu setzen. In Berlin fürchtet man diese Dynamik. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will verhindern, dass deutsche Steuerzahler für Defizite in anderen Staaten haften. Die Sozialisten stehen unter Druck zu liefern. Die Regierungen in Rom, Paris, aber auch Madrid haben es mit eurokritischen Bewegungen von rechts wie links zu tun. In Frankreich wird kommendes Jahr gewählt, und in Italien könnten auch schon bald Neuwahlen drohen. Beide Politiker brauchen Impulse für die Wirtschaft, um die Populisten im Zaum zu halten. Und sie hoffen auf Verständnis aus Berlin. Renzi sagte dort am Montag, es könne auch die „Chance“ für einen Neustart der EU sein. DIE PRAGMATIKER Europa war für die Deutschen immer zunächst einmal die Chance, die eigene Macht zu begrenzen. Den Nachbarn sollte die Angst vor einer deutschen Dominanz Wer Angela Merkel sucht: Sie steht auf diesem Gruppenbild der EU-Staats- und Regierungschefs ausnahmsweise in der zweiten Reihe, hinter dem bulgarischen Premier Bojko Borissow (3.v.r.) genommen werden. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Und so ist man in Deutschland lange Zeit für weitere Einigungsschritte offen. SPD-Außenminister Frank-Walter Steinmeier machte den deutlichsten Schritt, indem er die anderen fünf EU-Gründungsnationen nach Berlin lud, um die Schaffung eines Kerneuropas zu diskutieren. Ein Kern der Gleichgesinnten sollte voranschreiten. So seine Idee. In den Gründungsstaaten gibt es sie noch, die Föderalisten alter Schule. In Belgien etwa forderte Premierminister Charles Michel unmittelbar nach dem britischen Referendum einen EU-Sondergipfel. Die Staats- und Regierungschefs sollten in ein Konklave gehen, um über die weiteren Schritte zu beraten. In Luxemburg und in den Niederlanden denkt man ähnlich – wobei Den Haag es sich wegen des Drucks der Rechtspopulisten kaum erlauben kann, of- Juncker blafft Farage an EU-Kommissionspräsident Juncker hat im EU-Parlament deutlich seine Gefühle gegenüber den Brexit-Befürwortern gezeigt. Besonders mit dem Ukip-Chef Nigel Farage legte sich Juncker an. So sprach Juncker nicht wie sonst Englisch, sondern nur Deutsch und Französisch. Nur einmal wech- selte er ins Englische: „Warum sind Sie denn überhaupt hier?“ blaffte er Farage an. Der giftete zurück, dass er vor Jahren noch für seine Forderung nach einem Brexit ausgelacht worden sei. „Jetzt lachen Sie nicht mehr, oder?“ sagte Farage in seiner Rede, die von BuhRufen begeleitet wurde. „Hauptsache, nicht Boris“: Auch einige Tories wollen D as britische Brexit-Drama birgt viele Lehren. Eine davon handelt von der grausamen Unberechenbarkeit der Politik. Es ist eine Lektion darüber, dass politische Triumphe nicht nur vergänglich, sondern gefährlich sind. Siege tragen fürchterliche Risiken in sich. VON EVA LADIPO AUS LONDON So erging es Premierminister David Cameron. Es ist gut ein Jahr her, seit er von einer überwältigenden Mehrheit wiedergewählt worden war und den britischen Konservativen den höchsten Wahlsieg seit 23 Jahren beschert hatte. Hätte er weniger hoch gewonnen und wieder eine Koalition mit den Liberalen eingehen müssen, hätte er das Versprechen eines Referendums nie einlösen müssen. Der Brexit wäre nie passiert. Ähnlich ergeht es jetzt dem ehemaligen Londoner Bürgermeister Boris Johnson, dem Sieger des Brexit-Referendums. Johnson dagegen soll auf das Votum, von dem er im Kellergeschoss seines Hauses vor dem Fernseher erfuhr, sofort freudlos reagiert haben. Die Rücktrittserklärung seines Rivalen Cameron kommentierte er geradezu erschrocken mit den Worten: „Oh Gott. Armer Dave. Jesus.“ Seine Siegesrede trug er wenig später mit Grabesstimme vor. Seitdem ist er abgetaucht. Boris, der Liebling der Massen, der sich zwei Tage vor dem Referendum bei der großen Abschlussdebatte im Wembley-Stadion noch frenetisch feiern ließ, versteckt sich. Und was er in seiner einzigen Wortmeldung – in seiner Zeitungskolumne für den „Daily Telegraph“ am Montag – zu sagen hatte, klang fast wie Realitätsverweigerung: Er nannte seinen klaren Sieg „nicht gänzlich überwältigend“, verleugnete die Tatsache, dass die Wähler vor allem gegen Einwanderung gestimmt hatten, und erklärte die Finanzmärkte und das Pfund gegen die offensichtliche Beweislage für „stabil“. Es besteht zwar kein Zweifel daran, dass Johnson sich © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung um den Parteivorsitz der Tories und um die Nachfolge Camerons als Premierminister bewerben wird. Die Kandidaten haben bis Donnerstag Zeit, sich zu erklären. In den nächsten Wochen wird dann die Fraktion die Liste auf zwei Kandidaten reduzieren, aus denen die Parteimitglieder in einer Urwahl den neuen Parteivorsitzenden und Premierminister wählen werden. Johnson wollte schon als Kind „Weltkönig“ werden, und er wird nicht zögern, den nächsten Schritt in diese Richtung zu machen. Doch ebenso klar wie diese Absicht dürfte derzeit Johnsons Agonie sein. Er braucht den Applaus des Publikums, die Anerkennung der Massen. Aber nun WELT KOMPAKT -2016-06-29-sil-16 5692aa55e384977d8b6d5a97812bb0ed NACH DEM BREXIT-VOTUM 5 MITTWOCH, 29. JUNI 2016 D as Nachbeben des Brexit-Votums hat jetzt auch die britische Opposition ergriffen. Die Parlamentsfraktion der Labour-Partei sprach gestern Nachmittag Jeremy Corbyn mit überwältigender Mehrheit ihr Misstrauen aus. 172 Abgeordnete stimmten gegen den Parteichef, nur 40 vertrauen ihm noch. Damit verschärft sich die Krise in Großbritannien. Das politische Vakuum, das seit Freitag bereits auf Regierungsseite herrscht, hat jetzt auch die Linke im Land angesteckt. VON STEFANIE BOLZEN AFP/ JOHN THYS AUS LONDON fen darüber zu sprechen. Auch die meisten skandinavischen Länder – mit Ausnahme Dänemarks – neigen der deutschen Position zu. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hält sich mit Forderungen nach weitreichenden Integrationsschritten zurück. Sie fürchtet noch mehr Widerstand in der Bevölkerung. Indes ist sie offen für eine Debatte darüber. In der Außen- und Sicherheitspolitik wird etwa ein engerer Zusammenschluss der EUStaaten diskutiert. Auch eine weitere Integration der Euro-Zone ist aus Berliner Sicht denkbar – sofern es nicht nur um Transfers und gemeinsame Haftung, sondern vor allem auch um mehr Reformen geht. DIE NATIONALEN Die osteuropäischen Staaten, wie Polen, die Slowakei und Tschechien, aber auch Dänemark, bedauern den Austritt Großbritanniens besonders. Diese Länder verlieren mit London einen der wichtigsten Verbündeten im Kampf um Freihandel, Marktwirtschaft und eine nationale Eigenständigkeit. Diese Staaten sind äußerst skeptisch gegenüber einer weiteren wirtschaftlichen Integration, sie wollen keine Transferunion, keine gemeinsame Haushaltspolitik mit einem Finanzminister und möglichst wenige gegenseitige Haftungsrisiken. Für diese Staaten ist Eigenverantwortung deutlich wichtiger als Solidarität. Sie wollen Marktwirtschaft statt Umverteilung, mehr Wettbewerb statt mehr Konjunkturprogramme. Sie wollen auch keine automatische Aufteilung von Flüchtlingen in ganz Europa nach einem Quotenschlüssel. Obwohl die EUKommission normalerweise als Anwalt der kleineren Länder gilt, hegen diese Staaten eine relativ starke Skepsis gegenüber der Kommissionsbehörde. Sie werfen ihr vor, immer mehr Kompetenzen nach Brüssel ziehen zu wollen und teilweise gegen die Interessen der Mitgliedsländer zu agieren. Es ist zu erwarten, dass sich diese Staaten auch für eine möglichst enge Zusammenarbeit mit Großbritannien starkmachen werden. Auslöser für das Fraktionsvotum war Corbyns schwacher Wahlkampf vor dem EU-Referendum. Obwohl die Sozialdemokraten offiziell auf der Seite von „Remain“ standen, glänzte der Parteichef mit Abwesenheit oder lahmen Parolen. Der Londoner Linksaußen, der vergangenen Sommer eher durch Zufall an die Labour-Spitze geriet, konnte seine angestammte Aversion gegen Brüssel nicht vertuschen. Remain-Wahlkämpfer werfen Corbyn nachträglich vor, nicht einmal an wöchentlichen Strategietreffen teilgenommen zu haben. In der britischen Presse wird gar kolportiert, Corbyn habe am 23. Juni sein Kreuzchen für den Austritt gesetzt. Die Gründe für das aktuelle Chaos in der Labour-Partei liegen jedoch viel tiefer. Das Gros der Parteispitze, aber zunehmend auch die Basis sind überzeugt, dass mit dem 67-jährigen Pazifisten weder jetzt noch in absehbarer Zeit eine Wahl zu gewinnen ist. Eine Umfrage des Instituts BMG vom Wochenende bestätigte, dass die Wähler genauso denken. Trotz der Schwäche der Tories von NochPremier David Cameron würden derzeit nur 36 Prozent Labour wählen. Hätte die Partei einen anderen Spitzenkandidaten stiege die Zustimmung um zwölf Punkte auf 48 Prozent. Krachende Niederlage für Corbyn – aber der bleibt stur Labour spricht ihrem Vorsitzenden das Misstrauen aus und steckt damit nun ebenfalls in der Krise GETTY IMAGES/CHRISTOPHER FURLONG DIE WELT KOMPAKT Will an der Parteispitze bleiben: Jeremy Corbyn Die Corbyn zunehmend feindlich gesinnte Parteispitze ergriff deshalb jetzt die Gelegenheit zur Revolte. Seit dem Wochenende traten zwei Drittel von Corbyns Schattenministern zurück, und das in einer konzertierten Aktion beinahe im Viertelstundentakt. Den Anfang vom Ausstieg hatte am Sonntag Schatten-Außenminister Hilary Benn gemacht. Er hatte die Rücktritte organisiert, Corbyn feuerte ihn daraufhin nach Mitternacht. Alle Bitten der Parteispitze, die Krise nicht weiter zu eskalieren und freiwillig zu gehen, wies Corbyn kategorisch von sich. Am Montag gab es dann in der Labour-Fraktion im Unterhaus Augenzeugen zufolge ein verbales „Blutbad“. Corbyn versammelte daraufhin auf dem Parliament Square wenig später ein paar Hunderte Getreue seiner tieflinken Basisbewegung „Momentum“, denen er den Kampf gegen soziale Ungerechtigkeit und für die Menschenrechte versprach. Von der eigentlichen Herausforderung, dem Brexit, kaum ein Wort. Schon vor dem Votum am Dienstag hatte Corbyn einen Rückzug erneut ausgeschlossen. In den nächsten Tagen stellen sich für Labour nun zwei große Hürden. Zum einen muss die innerparteiliche Opposition einen Herausforderer für Corbyn aus dem Hut zaubern. Ein alle Seiten einigermaßen überzeugender Kandidat ist nicht in Sicht. Deshalb hatte Corbyn es schließlich auch letzten Sommer überhaupt auf den Top-Posten geschafft. Die ehemalige CorbynVertraute Angela Eagle und Partei-Vize Tom Watson gelten als wahrscheinlichste Kandidaten. Zudem kann nur eine Urwahl den Wechsel an der Spitze ermöglichen. Die „Corbynistas“ sind überzeugt, dass ihre Parteigegner keine Chance haben werden. Ein frischer Pool von mehr als 200.000 Mitgliedern kam in kürzester Zeit zu Labour, von der Linken und Corbyn selbst angezogen, und das zwischen der verlorenen Parlamentswahl im Mai 2015 und der Parteichefwahl im vergangenen September. Doch seit dem verlorenen EU-Referendum mehren sich die Stimmen einstiger Getreuer, die Corbyns Rückzug wollen. Zumal nach Camerons Rücktritt eine Neuwahl im kommenden Herbst immer wahrscheinlicher wird. Kann Labour dann keinen mehrheitsfähigen Kandidaten präsentieren, könnte die Partei auf absehbare Zeit in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Johnson als neuen Premier verhindern er den Leuten alles erzählt hat. Er war nie ein Outer. Er hat sich nur aus Eigennutz dem LeaveLager angeschlossen, weil er Pre- GETTY IMAGES/ CHRISTOPHER FURLONG ist er zum Buhmann der Nation geworden. „Ich bin so wütend auf Boris, weil ich wirklich nicht glaube, dass er geglaubt hat, was Hat auch viele Gegner in der eigenen Partei: Boris Johnson mierminister werden will und weil er dachte, es nützt seinen Ambitionen. Dabei ging es um viel mehr als um eine Person. Es ging um die Zukunft meiner Kinder und Enkelkinder.“ So macht stellvertretend für viele innerhalb ihrer Partei die Ministerin für kleine Unternehmen, Anna Soubry, ihrem Zorn Luft. Hinter den Kulissen haben Johnsons Verbündete begonnen, in der Fraktion um Unterstützer für seine Kandidatur zu werben. Schatzkanzler George Osborne hat selbst ausgeschlossen, Premier zu werden, soll aber erwägen, Johnson zu unterstützen – wenn er unter ihm Außenminister wird. Doch gleichzeitig formiert sich eine wachsende Alli- anz gegen Johnson. ABB wird dieses neue Phänomen genannt. „Anyone but Boris“ – jeder, nur nicht Boris. Nach einer Umfrage der „Times“ ist Innenministerin Theresa May, die als aussichtsreichste ABB-Kandidatin gilt, derzeit unter Parteimitgliedern beliebter als Johnson. Danach würden 32 Prozent für May und nur 24 Prozent für Johnson stimmen. Selbst der populäre Chefkoch Jamie Oliver hat sich zu ABB bekannt. „Ich flehe um eine Sache, Großbritannien“, schreibt er in den sozialen Netzwerken. „Gebt mir den verfluchten Boris Johnson als Premierminister, und ich bin fertig. Dann bin ich weg. Dann ist mein Glaube an uns für immer gebrochen.“ © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung Wie hart diese Wut Johnson treffen dürfte, und wie schlecht er damit umgehen kann, weiß man aus seiner Vergangenheit. Ken Livingstone, sein früherer Rivale um das Amt des Bürgermeisters von London, wurde Zeuge von Johnsons geradezu aberwitzigem Verlangen, gemocht zu werden. Nach einem heftigen Streit im Wahlkampf wollte Johnson sich wieder vertragen. Livingstone gab ungläubig zu Protokoll: „Das ist jemand, der eines Tages Premierminister werden kann und vielleicht das Land führen muss. Und dieser Mann war besorgt, weil ich sauer auf ihn war.“ Livingstone grinste: „Für einen Politiker ist das eine unfassbare Schwäche.“ WELT KOMPAKT -2016-06-29-sil-16 5692aa55e384977d8b6d5a97812bb0ed 6 NACH DEM BREXIT-VOTUM E ine kleine Boshaftigkeit musste am Ende doch sein. Ausgerechnet der sonst so korrekte Bundestagspräsident Norbert Lammert leistete sich als Schlusswort eine böse Spitze gegen Großbritannien, über dessen Referendum zum Ausstieg aus der EU der Bundestag in einer Sondersitzung zwei Stunden lang debattiert hatte. VON THOMAS VITZTHUM Man habe ja gerade im Fußball gesehen, dass ein großes ehrgeiziges Land von einem recht kleinen besiegt werden könne, sagte Lammert in Anspielung auf die 1:2Niederlage der Engländer gegen Island bei der EM am Vorabend. Und schickte hinterher: „Die guten Wünsche begleiten unsere Nationalmannschaft. Wo immer es um Europa geht, sollte Deutschland bis zum Schluss dabei sein.“ Kein Zweifel, Deutschlands Regierung beansprucht für sich nicht nur bis zum Schluss, sondern von Anfang an dabei zu sein, ja die Modalitäten des ganzes Prozesses zu bestimmen. Berlin war deshalb nicht zufällig Schauplatz der ersten Akte des Brexit-Dramas. Hier trafen sich die Außenminister der sechs Gründerstaaten der Union am Samstag und am Montag Frankreichs Staatspräsident François Hollande, Italiens Premier Matteo Renzi, EU-Ratspräsident Donald Tusk und Kanzlerin Angela Merkel. Erst am Dienstag verlagert sich das Geschehen nach Brüssel, wo die Staats- und Regierungschefs zu zweitägigen Beratungen zusammenkommen. Dabei hat Kanzlerin Angela Merkel ein Problem. Sie geht nicht mit voller Rückendeckung ihrer Regierung in die Gespräche. Union und SPD haben einen grundlegenden Dissens in der Frage, wie viel Druck auf Großbritannien ausgeübt werden soll. Die einen wollen den Austritt schnellstmöglich (SPD), die anderen (CDU/CSU) scheinen bereit, geduldig zu warten, bis die Briten irgendwann Artikel 50 des Lissabon-Vertrags ziehen. Bis dahin, so machte die Kanzlerin klar, werde DIE WELT KOMPAKT MITTWOCH, 29. JUNI 2016 Dieser Weg wird kein leichter sein Die Regierungserklärung der Kanzlerin legt Differenzen zum Umgang mit London offen. Die Union will behutsam vorgehen, die SPD dringt auf den schnellen Abgang. In einem sind sich die Parteien einig: Es soll keine „Rosinenpickerei“ geben es weder formelle noch informelle Austrittsgespräche geben. Dieser Dissens in der großen Koalition wird vielleicht in Brüssel noch nicht gleich wahrgenommen, im besten Fall gilt er als unerheblich. Doch er wirft seine Schatten voraus. Denn die konkreten Austrittsverhandlungen sowie die Neuausrichtung der EU dürften mit dem Bundestagswahlkampf zusammenfallen. Darauf deutet der Zeitplan hin, den Merkel in ihrer Regierungserklärung angedeutet hat. Bis zum 60. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge im März 2017 sollte die EU zu einem gemeinsamen Ergebnis gelangen, wie sie effektiver werden will. Es sei dabei falsch, die Debatte auf die Frage „mehr Europa“ oder „weniger Europa“ zu reduzieren. Dies stärke nur die Fliehkräfte in der EU. Im Bundestag erhob sich daraufhin nur schütterer Applaus. Selbst in der Union schien mancher überrascht, dass Merkel dieses weit entfernte Datum wählte, das den Briten signalisieren könnte, dass auch sie sich ruhig viel Zeit lassen können. Die Abgeordneten der SPD ließen die Hände gleich ganz ruhen. Den Sozialdemokraten geht das alles viel zu langsam. Als wäre er selbst gar nicht an dieser Bundesregierung beteiligt, sagte SPDFraktionschef Thomas Oppermann: „Es ist die Pflicht der Bundesregierung, klar zu machen, was unsere Erwartung ist. Drängen Sie, dass möglichst schnell Klarheit geschaffen wird.“ So ging es hin und her. Sein Kollege Volker Kauder betonte, man wolle nicht unnötig Druck auf die Briten aufbauen. SPD-Mann Norbert Spinrath widersprach: „Ich Gabriel: EU-Verbleib der Briten nicht mehr möglich SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel sieht keine Grundlage für Spekulationen, ein EU-Austritt Großbritanniens könne doch noch abgewendet werden. Die Briten hätten in einem demokratischen Votum den Brexit entschieden, „jetzt geht es nur noch um die Frage, in welcher Weise sie rausgehen“, sagte Gabriel bei einem Treffen der europäischen Sozialdemokraten vor dem EUGipfel in Brüssel. „Es gibt nicht die Möglichkeit, dass man in einer längeren Übergangsphase bessere Bedingungen herausverhandeln kann, um dann am Ende wohl doch noch drin zu bleiben. Das geht nicht“, sagte Gabriel. Auch dem Wunsch von der Insel nach Vorverhandlungen, bevor die Scheidung offiziell eingereicht wird, erteilte der SPD-Chef eine Absage: „Geheimverhandlungen“ über bessere Bedingungen werde es nicht geben, denn dadurch fühlten sich andere Staaten zum Nachahmen ermuntert, „das wäre der Untergang Europas“. Als Konsequenz aus dem BrexitVotum fordert der Vizekanzler eine sozialeres Europa: Es sei vor allem die Nichteinhaltung des Versprechens, „Wohlstand für alle zu schaffen“, das die Bürger von der EU entfremde. Der ewige Streit ums Sparen in der Europäischen Union D urch den Brexit droht ein alter Konflikt neu aufzubrechen: der Streit zwischen Süd- und Nordeuropa um die richtige Finanzpolitik. Deutschland und seine verbliebenen Verbündeten sagen, gerade jetzt dürfe Europa nicht vom Sparkurs abrücken, um nach dem Brexit nicht für noch mehr Unruhe an den Finanzmärkten zu sorgen. VON MARTIN GREIVE UND ANDRE TAUBER In den südeuropäischen Ländern hingegen gewinnt angesichts der hohen Arbeitslosigkeit die Kritik an Schärfe, Europa spare sich unter dem deutschen Spardiktat zu Tode. Das birgt Streitpotenzial. Aus Sicht Berlins wollen die südeuropäischen Staaten den Brexit instrumentalisieren, um ihren lang gehegten Wunsch nach einer gemeinsamen Schuldenhaftung endlich umzusetzen. Man selbst hält in einer Phase, in der gerade ein zentrales Land wegen zu viel Europa seinen Austritt aus der EU erklärt hat, wenig von einer weiteren Vergemeinschaftung. „Das würde nur weitere Referenden in anderen EU-Staaten provozieren“, heißt es aus dem Bundesfinanzministerium. Doch auch im EU-Parlament gibt es Widerstand. Einige Abgeordneten der Europäischen Volkspartei, der CDU und CSU angehö- ren, fühlten sich mit der weitreichenden Resolution überrumpelt – erst in letzter Minute konnten die Abgeordneten den Verweis auf ein EU-Budget streichen. „Dass nun husch husch ein neuer Weg in die Transferunion eingeschlagen wird, kann ich nicht akzeptieren“, sagt Gruppenchef Herbert Reul (CDU) der „Welt“. Der Druck auf Deutschland, sich zu bewegen, dürfte zunehmen. Die Bundesregierung muss sich schon lange vorwerfen lassen, der Profiteur der Euro-Krise zu sein. Je desolater die anderen Euro-Partner sind, desto mehr gelten die Bundesanleihen als sicherer Hafen. Deutschland kann sich derzeit zum Nulltarif verschulden. Seit Jahren rufen EU- Kommission und internationale Organisationen das Land auf, diesen Spielraum zu nutzen, mehr zu investieren und so die Wirtschaft in anderen EU-Ländern anzukurbeln. Die Bundesregierung argumentiert dagegen, Deutschland müsse als eines der wenigen solide wirtschaftenden Euro-Länder eine Ankerrolle auf dem Kontinent einnehmen. Und Konjunkturprogramme würden in Europa kein einziges Problem lösen. So hätten höhere Staatsausgaben in Deutschland kaum Effekte auf die Nachbarländer. Und in Südeuropa würden staatliche Ausgabenprogramme ebenfalls nicht mehr als ein Strohfeuer entfachen. Nur durch mehr Wettbe- © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung werbsfähigkeit könnten die Länder ihre Krisen bewältigen. Doch nach dem Brexit steigt der Druck, die Wirtschaft in Europa wieder anzukurbeln. In Spanien konnte sich bei den Parlamentswahlen erneut das Eurokritische Bündnis Podemos als drittstärkste Kraft behaupten. In Italien schwingt sich die linkspopulistische Bewegung Cinque Stelle in die Regierungsverantwortung. In Frankreich wird im kommenden Jahr der Staatspräsident neu gewählt – während die Chefin des rechtsnationalen Front National, Marie Le-Pen, schon längst einen Euro-Austritt des Landes fordert. Selbst der Zusammenhalt der Euro-Zone ist wieder in Gefahr. Dem Bera- WELT KOMPAKT -2016-06-29-sil-16 5692aa55e384977d8b6d5a97812bb0ed fordere Cameron auf, nicht mehr Zeit zu schinden, sondern die notwendige Mitteilung schnellstmöglich in Brüssel vorzulegen.“ Dagegen wandte sich wiederum CSULandesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt. „Wir haben behutsam, besonnen und vernünftig mit dem Ergebnis umzugehen. Ein BritenBashing ist fehl am Platz.“ Hasselfeldt schimpfte unverblümt auf die SPD, die sich mit Vorschlägen zur Reform der EU schon am Tag eins nach dem Referendum zu Wort gemeldet hatte. Dieses sozialere Europa, das die SPD fordere, müssten am Ende doch nur die Deutschen bezahlen. Hier seien die Nationalstaaten gefordert. SPD-Generalsekretärin Katharina Barley dagegen erklärte ein sozialeres Europa zur Grundvoraussetzung, damit die EU überleben könne: „Lassen sie uns end- tungsunternehmen Sentix zufolge halten es 27,2 Prozent von befragten 1305 Investoren für möglich, dass binnen zwölf Monaten ein Euro-Land die Währungsunion verlässt. Im Mai dachten dies nur 12,3 Prozent. „Das unerwartete Votum der britischen Bürger, die Europäische Union verlassen zu wollen, dürfte auch das Fundament des Euro erneut schwer erschüttern“, sagte Sentix-Geschäftsführer Manfred Hübner. Als Austrittskandidat Nummer eins gilt nach wie vor Griechenland. An zweiter Stelle folgen die Niederlande – eigentlich viele Jahre ein enger Verbündeter Deutschlands. Auch deswegen wird die EU-Kommission in NACH DEM BREXIT-VOTUM 7 MITTWOCH, 29. JUNI 2016 lich ernst machen mit dem sozialen Europa. Am Ende geht es doch um das wichtigste: Frieden.“ Es geht also nicht nur um Zeitpläne, die große Koalition spricht auch in inhaltlichen Fragen längst nicht mit einer Stimme. Der Streit, ob die Briten sich nun beeilen oder sich Zeit lassen sollen, dokumentiert einmal mehr, dass die Bundesregierung mit dem Brexit nicht wirklich kalkuliert hat. Denn über diese methodische Frage hätte man schon vor dem Votum einen Konsens erzielen können. Nun konterkariert die Auseinandersetzung die guten Absichten, die von allen Rednern geäußert werden: in Zukunft besser und anders über Europa zu sprechen. Die Kanzlerin selbst stellte den Briten keine leichten Verhandlungen in Aussicht. Der Ansicht des Brexit-Befürworters und früheren Londoner Bürgermeisters Boris Johnson, dass Großbritannien auch weiterhin vollen Zugang zum EU-Binnenmarkt haben werde, erteilte Merkel eine Absage. „Es muss und es wird einen spürbaren Unterschied machen, ob ein Land Mitglied der EU sein will oder nicht.“ Norwegen habe als Nicht-EUMitglied etwa nur vollen Zugang zum EU-Binnenmarkt, weil es gleichzeitig die vier Grundfreiheiten der EU für Menschen, Güter, Dienstleistungen und Kapital akzeptiere, und dazu gehöre eben auch die Einwanderung aus der EU. Die Ablehnung der Zuwanderung von EU-Bürgern auf die Insel war aber ein zentrales Thema der Brexit-Befürworter gewesen. „Wer austreten möchte, kann nicht erwarten, dass alle Pflichten entfallen, die Privilegien aber weiter bestehen“, sagte Merkel. „Wir werden sicherstellen, dass die Verhandlungen nicht nach dem Prinzip der Rosinenpickerei geführt werden.“ Zumindest hier gibt es keinen Streit innerhalb der Koalition. Wenngleich innerhalb der Union die Haltung deutlicher als in der SPD spürbar ist, Großbritannien für seinen unschönen Abgang nicht bestrafen zu wollen. Brüssel nun aufgefordert, bei der Überwachung der Staatsdefizite Strenge zu zeigen. „Die europäische Politik hat das Problem, dass sie die Glaubwürdigkeit verliert“, sagte Reul. „Wenn die Kommission nicht sicherstellt, dass die Regeln eingehalten werden, dann ist die Glaubwürdigkeit dahin.“ Der Appell dürfte wohl nicht gehört werden. Im Juli will die Europäische Kommission über die Budgets in Portugal und Spanien befinden. Insbesondere Spanien verfehlt derzeit die Euro-Defizitkriterien deutlich. Dass die Europäische Kommission Sanktionen verhängt, so heißt es, ist trotzdem nicht zu erwarten. London zieht nach Frankfurt Viele Finanzdienstleister dürften nach einem Brexit an den Main wechseln D ie ersten Konsequenzen wurden bereits gezogen. Nach der britischen Entscheidung für den Austritt aus der EU prüft der Versicherer Axa nun „alle Optionen“ für das 62stöckige Hochhaus, das er eigentlich in London bauen wollte. Auch „Crown Estate“, der Immobilienverwalter des Königshauses, überdenkt jetzt den Bau eines Bürogebäudes im Westend der britischen Hauptstadt. Vieles spricht dafür, dass beide Immobilien nie gebaut werden. welcometofrm.com freigeschaltet, die Banken und anderen ausländischen Unternehmen den Standort schmackhaft macht und bei allen Fragen rund um Steuerrecht, Wohnungssuche oder auch Lifestyle hilft. Michael Voigtländer, Leiter des Kompetenzfelds Finanzmärkte und Immobilienmärkte beim IW in Köln, hält den Optimismus am Main durchaus für realistisch. „Ich glaube schon, dass es einen Arbeitsplatzaufbau in Frankfurt am Main geben wird“, sagt er. Die räumliche Nä- VON KARSTEN SEIBEL UND FRANK STOCKER Denn Tausende Banker in London sind offenbar auf dem Sprung. Die Unternehmensberatung Boston Consulting Group hat unmittelbar vor dem Referendum 360 leitende Banker aus Großbritannien, Frankreich, den USA und Deutschland gefragt, was sie im Falle eines Brexit tun werden. Das Ergebnis: Rund 20.000 Arbeitsplätze im Finanzdienstleistungssektor dürften verlagert werden, weg aus London. Betroffen wären sämtliche Unternehmensbereiche, vom Investmentbanking über das Handelsgeschäft bis zum grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr. Der Grund ist, dass die Finanzfirmen besonders von einem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union (EU) betroffen wären. Sie können bisher problemlos von London aus ihre Geschäfte in der gesamten EU betreiben. Eine Investmentgesellschaft, die einen Fonds in Großbritannien verwaltet, kann diesen ohne weitere Genehmigung auch in den 27 anderen EU-Mitgliedstaaten vertreiben, eine Bank kann ihren Sitz in London haben und dennoch Deals in Bukarest, Barcelona oder Berlin abwickeln. Mit einem Austritt aus der EU wäre damit Schluss. „Wenn Großbritannien tatsächlich austritt, werden alle Banken und sonstigen Finanzdienstleister auf der Insel plötzlich genauso behandelt wie Institute mit Sitz in Brasilien oder den Vereinigten Staaten“, sagt Matthias Terlau, Leiter der deutschen Bankeneinheit bei der Kanzlei Osborne Clarke. Derzeit arbeiten in der Londoner Finanzbranche rund 360.000 Menschen. „Als Alternative zum Finanzplatz London kommt auf europäischer Ebene eigentlich nur Frankfurt in Frage“, freut sich Gordon Grundler, Vorstandsmitglied beim Immobilienvermittler Primus Valor, schon. „Wir rechnen aus diesem Grund mit einer wachsenden Nachfrage nach Geschäfts- und Wohnimmobilien in Frankfurt.“ Auch das Marketing-Unternehmen der Region Frankfurt Rhein-Main hat unmittelbar nach der BrexitEntscheidung die Internetseite „ REUTERS/ RALPH ORLOWSKI Auf dem Weg zum EUGipfel in Brüssel: Kanzlerin Angela Merkel nach der Regierungserklärung DPA/ KAY NIETFELD DIE WELT KOMPAKT Frankfurt gilt als Alternative zum Finanzplatz London Die City of London wird eine der bedeutendsten Finanzmetropolen Europas bleiben Martin Steininger, Chefvolkswirt des Immobiliendienstleisters Bulwien Gesa he zur Europäischen Zentralbank (EZB) werde sich auszahlen. „Da der Frankfurter Immobilienmarkt auch nicht so groß ist, würden sich schon 20.000 Arbeitsplätze deutlich bemerkbar machen.“ Denn bisher sind in den Frankfurter Banken nur gut 62.500 Beschäftigte tätig. Platz wäre für neue Kollegen aber auf jeden Fall, denn rund elf Prozent der Frankfurter Büroflächen stehen derzeit leer. Und im Finanzdistrikt werden derzeit diverse neue Bürohäuser hochgezogen. Auch Anwaltskanzleien wittern daher schon das große Geschäft. Auf ihren Internetseiten können potenzielle Klienten ausführlich nachlesen, wie sich ein Austritt Großbritanniens aus der EU auf ihr Geschäft auswirken könnte und was alles zu beachten ist. Nun muss schnell geklärt werden, ob © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung es überhaupt zu Umzügen aus London kommen muss – und wenn ja, auf welche Stadt die Wahl fällt. Frankfurt kann außer mit Europas größter Volkswirtschaft auch mit dem Sitz der EZB sowie der europäischen Versicherungsaufsicht und der Deutschen Börse punkten. Doch auch Dublin, Luxemburg und Paris machen sich große Hoffnungen. Der Standortwettbewerb ist bereits voll entbrannt. So punktet Luxemburg mit einer schnellen Umsetzung von EU-Recht und einer unkomplizierten Verwaltungspraxis. Dublin wiederum bietet den Vorteil der englischen Sprache. Zudem winkt hier eine Unternehmenssteuer von gerade mal 12,5 Prozent. Auch Paris will nicht leer ausgehen, was sich vor allem bei der Frage zeigen dürfte, wo die Europäische Bankenaufsicht EBA künftig ihren Sitz haben wird. Bisher ist dieser in London. Dass die EBA von dort abzieht, wenn Großbritannien wirklich aus der EU austritt, ist bisher die einzige gesicherte Tatsache. Um die Voraussetzungen für einen EU-Bankenpass zu erfüllen, ist es allerdings nicht zwingend notwendig, dass alle Mitarbeiter aus London mit umziehen. „Es reicht, wenn die Führungsmannschaft innerhalb der EU sitzt, das Fußvolk kann weiterhin in England arbeiten“, sagt Tim Brandi, Spezialist für grenzüberschreitende Firmenverschmelzungen bei Hogan Lovells. Die Mitarbeiter würden dann formal von der EU-Gesellschaft nach London ausgelagert. Dies ist aber mit Unsicherheiten verbunden. „Wenn die Datenserver einer Bank außerhalb der EU stehen, kommen sofort Fragen des Datenschutzes und der Datensicherheit auf“, so Brandi. Die Aufsichtsbehörden könnten Einwände haben und die Banken vor die Wahl stellen, entweder das gesamte Geschäft in die EU zu holen oder den Pass zu verlieren. Deshalb geht er davon aus, dass es von Anfang an nicht nur zu Sitz-, sondern auch zu Mitarbeiterbewegungen kommen wird. Doch es gibt auch Stimmen, die den ganzen Aktionismus für verfrüht halten. Martin Steininger, Chefvolkswirt des Immobiliendienstleisters Bulwien Gesa, mahnt beispielsweise zur Vorsicht, was die Größe des Effekts einer möglichen Abwanderung aus London angeht. „Die City of London wird weiterhin eine der bedeutendsten Finanzmetropolen Europas bleiben“, sagt er. „Zudem können positive Effekte von Verlagerungen durch die weiter notwendige Konsolidierung innerhalb der Bankenbranche überlagert werden.“ Womöglich stopfen also übersiedelnde Banker aus London nur die Lücken, die durch den Stellenabbau bei Deutsche Bank & Co. gerissen werden. WELT KOMPAKT -2016-06-29-sil-16 5692aa55e384977d8b6d5a97812bb0ed KULTUR DIE WELT KOMPAKT MITTWOCH, 29. JUNI 2016 SEITE 8 KOMPAKT ABSCHIEDE „Fluxus“-Künstler Patterson ist tot Silvia Tennenbaum stirbt mit 88 Jahren PRIVATARCHIV SILVIA TENNENBAUM Die US-amerikanische Schriftstellerin Silvia Tennenbaum (Foto) ist tot. Die aus einer großbürgerlichen jüdischen Frankfurter Familie stammende Autorin sei im Alter von 88 Jahren auf Long Island gestorben, teilte der Schöffling-Verlag in Frankfurt mit. Tennenbaum besuchte in den vergangenen Jahren immer wieder ihre alte Heimat, um vom Schicksal ihrer Familie in der NS-Zeit zu erzählen Rettungshund im Archiv PA/ DPA/ POP TBA Einer der Mitbegründer der Avantgardebewegung „Fluxus“, Benjamin Patterson, ist tot. Der 82-Jährige sei in seiner Wiesbadener Wohnung gestorben, teilte der Nassauische Kunstverein mit. Der Amerikaner lebte seit Jahrzehnten in der hessischen Landeshauptstadt. Unter dem Motto „50 Jahre Fluxus“ hatte der Kunstverein Patterson 2012 mit einer großen Retrospektive geehrt. Der Musiker hatte 1962 die „Festspiele Neuester Musik“ mitorganisiert, die als Geburtsstunde der Bewegung gelten. Sprache lebendig halten: Marcel Beyer – Erzähler, Dichter, Archivar I n Marcel Beyers Gedichtband „Graphit“ findet sich ein Zyklus über den Einsturz des Kölner Stadtarchivs 2009. Er trägt den sarkastischen Titel „Das Rheinland stirbt zuletzt“ und entfaltet ein postapokalyptisches Szenario, ein geschichtliches Schreckensbild. „Himmel, hier sieht es aus / Blick aufs felsgraue, / abschüssige Schuttfeld, die / tristen, die tief-, die todgrau / lackierten Blechwände der / zerlegten, zerdrückten / Aktenschränke Einschlüsse / im Stein“. VON RICHARD KÄMMERLINGS und für ein friedliches Miteinander von Religionen und Kulturen zu werben. Dafür erhielt sie 2012 die Goethe-Plakette des Landes Hessen. BERLIN Eine Ausstellung über Redensarten Das Museum für Kommunikation in Berlin ist „Redewendungen auf der Spur“. In einer Ausstellung mit dem Titel „Mein Name ist Hase“ lernen Besucher die Wurzeln von Sprichwörtern, geflügelten Worten und Redensarten kennen. Dabei sollen unterhaltsame interaktive Stationen sowie Workshops helfen. Viele der rund 300.000 Redewendungen stammen aus der Bibel. Vor allem Luthers Übersetzung beeinflusste den Sprachschatz immens. Idee und Konzept der Schau stammen vom Germanisten RolfBernhard Essig. Für den 1965 in Baden-Württemberg geborenen, aber unter anderem im Rheinland aufgewachsenen und sozialisierten Dichter wurde der Unfall zum Menetekel einer „zusammengefalteten Welt“, eines unwiederbringlichen Verlusts von Sprache, Tradition und Erinnerung. „Südstadt. Im Flutlicht liegt / das größte Lawinenfeld / nördlich der Alpen. Ein buch-, ein buchstabenübersäter / Lawinengarten.“ Eine Katastrophe der Schrift, die allerdings ganz real zwei Menschenleben forderte. Die Rettungshunde, die sich auf der Suche nach den verschütteten Opfern „mit rauer Stimme durch die Papiere arbeiten“, sind Sinnbilder einer Welt nach dem tödlichen Zusammenbruch von Kultur und Zivilisation. „Zwischen Stahlbeton und Ofenrohr und Mörtelstaub und Inkunabeln“ nehmen die Huskys schließlich Witterung auf. Sprache sei für Beyer „immer auch Erkundung“, heißt es in der Begründung der Deutschen Akademie, die ihm nun – völlig zu Recht – den bedeutendsten Literaturpreis des Landes zuerkannt hat. Beyer widme sich „der Vergegenwärtigung deutscher Ver- Archäologie ist eine Sache der Sprache: Der Dichter und Romanautor Marcel Beyer erhält völlig zu Recht den renommierten Büchner-Preis der Deutschen Akademie gangenheit mit derselben präzisen Hingabe, mit der er die Welten der Tiere und Pflanzen erforscht“. Das in Trümmern liegende Archiv ist Beyers Domäne, er ist selbst eine Art von Lawinenhund, der in seinem Werk nach Spuren und Fährten sucht und nach den Opfern (und Tätern) gräbt und die Vergangenheit bewahrt. „Flughunde“, der Roman, der Beyer Mitte der 90er bekannt machte, unternahm eine Tiefen- „Flughunde“ unternahm eine Tiefenbohrung im dunkelsten Schutt der deutschen Geschichte bohrung im dunkelsten Schutt der deutschen Geschichte. Auf virtuose Weise wird darin die Biografie des Akustikers und Stimmenforschers Hermann Karnau mit dem Schicksal der Kinder von Magda und Joseph Goebbels verknüpft. So hatte sich noch niemand getraut, vom Ende des Dritten Reichs zu erzählen. Beyer verbindet eine Nahaufnahme aus dem Führerbunker – wo die sechs Geschwister schließlich ermordet wurden – mit einer Reflexion über eine vermeintlich unpolitische Wissenschaft, die glaubt, als reiner, objektiver Beobachter unschuldig zu bleiben. In „Flughunde“ spielt das nach der Wende entdeckte Schallarchiv Karnaus eine wichtige Rolle. Die Überlieferung hält die Erinnerung an die Opfer wach und dokumentiert das Verbrechen. Auf den Rillen der Matrize sind die Stimmen der Kinder, die Karnau heimlich aufzeichnete. „Flughunde“ war einer der wichtigsten Romane der 90er, er erschien im gleichen Jahr wie Christian Krachts „Faserland“ und steht ähnlich repräsentativ für den Aufbruch einer Nachwendeliteratur, die Geschichtsbewusstsein, Erzählvermögen und poetologische Reflexion auf neue Weise verband. 1996 hat Beyer Dresden zu seiner Wahlheimat gemacht und seinen Blick in die Tiefenschichten der Gegenwart in Richtung Ostdeutschland erweitert. Der Roman „Kaltenburg“ (2008) wandte sein kriminalistisch-rekonstruktives Erzählverfahren auf die DDR-Geschichte an, die an der Biografie des Zoologen Ludwig Kaltenburg erzählt wird. Auch hier gelingen Beyer atmosphärisch dichte Schilderungen, etwa eine erschütternde Beschreibung des Dresdner Zoos nach der Bombardierung 1945, aber der Roman war doch eine Enttäuschung – auf hohem Ni- © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung veau. Vier Romane in 25 Jahren sind ein schmales Werk; der Büchner-Preis könnte daher manchen überraschen. Aber das übersähe, dass Beyer eben auch einer unserer sprachmächtigsten Dichter ist. Geschult an Friederike Mayröcker, deren Werkausgabe er mit herausgab, und an Thomas Kling, hat Beyer über die Jahre ein lyrisches Werk vorgelegt, das in der Vielfalt seiner souverän beherrschten Formen und seiner Themen seinesgleichen sucht. Sprache, so führt Beyer immer wieder vor, ist nicht unschuldig, und Dichtung umgekehrt wild und gefährlich: „Wespe, komm in meinen Mund, / mach mir Sprache, innen / und außen mach mir was am / Hals, zeigs dem Gaumen, zeig es / uns“, heißt es in dem 2014 erschienenen Buch „Graphit“, das kein schmaler Lyrikband ist, sondern auf 200 Seiten die Essenz aus 15 Jahren bietet. Das ist hoch konzentrierte Sprachkunst, die ihr Material und ihre Mittel nie aus Selbstzweck vorführt, sondern als historische Vergewisserung und Kritik an einer konsumistischen, massenmedial geprägten und oberflächlichen Gegenwart. Wenn die Worte begraben sind, unter Trümmern und Schutt unserer Zeit, wenn sie niemand mehr verstehen kann, wenn ganze Sprachschichten absinken ins kulturelle Nirvana, dann wächst auch das Rettende. Dann wird die Literatur zum bewahrenden Museum, zum „brennenden Archiv“, wie ein nachgelassenes Gedicht von Thomas Kling heißt. Marcel Beyers Werk beweist, dass Dichtung die subversive Kraft innewohnt, die symbolischen Ordnungen aufzulösen, die Sprache heiß und flüssig und formbar, mit einem Wort: lebendig zu halten. WELT KOMPAKT -2016-06-29-sil-16 5692aa55e384977d8b6d5a97812bb0ed „Start me up!“ – Deutschlands Gründerwettbewerb mit dem höchstdotierten Hauptpreis GRATU LIERT DEM GEWINNER DES START ME UP! GRÜNDERWETTBEWERBES 2016 Die ArtiMinds Robotics GmbH entwickelt und vertreibt die Software „ArtiMind Robot Programming Suite“ (RPS). Die RPS ist eine Entwicklungssoftware, mit der Programmcode für die Ausführung komplexer Industrieroboteraufgaben intuitiv und teilautomatisch auch von wenig erfahrenen Bedienern schnell erzeugt werden kann. Dabei stehen vor allem Aufgaben mit Prozessvarianzen im Fokus, bei denen sensor-adaptive Roboterbewegungen für die robuste Ausführung eingesetzt werden müssen. Die RPS unterstützt dabei kraftsensitive und -geregelte Roboterbewegungen. Die Unterstützung industrieller Bildverarbeitung für die intuitive Programmierung komplexer visuell-adaptiver Bewegungen ist ebenfalls vorhanden. Eine Initiative für Gründergeist und innovatives Unternehmertum unterstützt von: © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung WELT KOMPAKT -2016-06-29-sil-16 5692aa55e384977d8b6d5a97812bb0ed EM 2 16 Der Sieg für die Ewigkeit TOP 3 Jedes Spiel ein Klassiker Die Top-Duelle zwischen dem DFB und Italien Island schafft die große Sensation und ringt England nieder. Der Trainer kündigt bereits die nächste Großtat an 1 17. Juni 1970, Mexiko-Stadt Das Jahrhundertspiel im Halbfinale der WM: Die Verlängerung erzwang Karl-Heinz Schnellinger (Foto oben) mit dem späten 1:1 (90.). Gerd Müller brachte Deutschland zwischenzeitlich in Führung, am Ende siegten die Italiener 4:3. E r wartete nun schon mehr als eine halbe Stunde. Am Schalter der Autovermietung hatte sich eine lange Schlange gebildet. Der Schweiß rann ihm das blasse Gesicht hinunter auf die blau-rote Fahne, die er sich um den Hals gebunden hatte. Doch Aron Saevarsson grinste. Nichts auf dieser Welt konnte ihm seine gute Laune an diesem Tag verderben. Hinter dem 19Jährigen lag die schönste Nacht seines Lebens. 2 4. Juli 2006, Dortmund Das Ende des Sommermärchens. Italien war im WMHalbfinale besser, siegte in der Verlängerung 2:0 (Torschütze Fabio Grosso im Foto links) und holte fünf Tage später den Titel. VON LUTZ WÖCKENER AUS NIZZA Im Stadion von Nizza hatte er miterlebt, wie Sportgeschichte geschrieben wurde. Ein 2:1-Sieg über England. Im EM-Achtelfinale. Auch nach zwölf Stunden und ein bisschen Schlaf wirkte der Triumph immer noch schier unglaublich. Es ist der größte Erfolg in der Historie des isländischen Verbandes und ein Märchen, wie es der europäische Fußball noch nicht erlebt hat. Gemeinsam mit 5000 Landsleuten hüpften Aron und seine fünf Freunde geschockt und glückselig zugleich auf der Tribüne. Sie klatschten, sangen, schrien, weinten – genau wie sein zwölf Jahre älterer Bruder unten auf dem Rasen: Birkir Saevarsson. 3 19. Juni 1996, Manchester Torwart Andreas Köpke (Foto) parierte Chancen in Serie, hielt einen Elfmeter. Italien war nach dem 0:0 draußen, Deutschland holte später den dritten EM-Titel. BILD DES TAGES Der Rechtsverteidiger von Hammarby IF hatte ein herausragendes Spiel abgeliefert. Aus dem Duell mit Manchester Citys Raheem Sterling war er als klarer Punktsieger hervorgegangen, und in der 73. Minute wäre ihm bei einem seiner Vorstöße beinahe das vorentscheidende 3:1 gelungen. Sein Schuss strich nur um Zentimeter über das Lattenkreuz. „Vielleicht war es das beste Spiel seines Lebens“, sagte Aron am Tag danach voller Stolz. Das Spiel des Lebens. Nicht weniger hatten die elf tapferen Isländer gegen England gezeigt. 90 Minuten für die Ewigkeit. Sie alle spielen in der Diaspora des europäischen Fußballs. In Norwegen, Schweden und Dänemark. Für Odense, Bodö Glimt, Sundsvall und den 1. FC Kaiserslautern. Kapitän Aron Gunnarsson und Johann Berg Gudmundsson haben es immerhin bis nach Großbritannien geschafft: Zweite Liga in Cardiff und Charlton. Klubs, die die englischen Superstars allenfalls aus dem FA-Pokal kennen. Allein Sterling kostet mehr als doppelt so viel wie der gesamte isländische 23-Mann-Kader. „Wenn du das Beste im Leben willst, musst du bereit sein, wenn sich die Möglichkeit dazu bietet“, sagte Trainer Heimir Hallgrimsson, im echten Leben Zahnarzt. „Das heute war ein Tag, über den wir bis zu unserem Tod sprechen werden.“ Große Worte, die dem Ereignis durchaus entsprachen. Bereits die erstmalige Qualifikation für das kontinentale Kräftemessen war eine Überraschung. Die Isländer hatten dafür gesorgt, dass die Niederlande die EM nur am Fernseher erleben. Als sie dann auch noch ungeschlagen aus den Gruppenspielen gegen Portugal, Ungarn und Österreich hervorgingen, war die Sensation perfekt. Gegen England folgte nun das Fußballwunder, bestaunt und gefeiert auf der ganzen Welt. Island, das am Sonntag einen Historiker zum neuen Präsidenten wählte, erlebt bewegte Wochen. Und nun wollen sie in der Heimat ihren Helden alle ganz nah sein. Am Dienstagmorgen habe die Nachfrage nach Frankreich-Flügen das Angebot der nächsten Tage überstiegen, erzählen sich die Fans. 20.000 Isländer, und damit mehr als sechs Prozent der Bevölkerung, sind bereits mit der Mannschaft in „Es ist wie ein wunderschöner Traum“ Online „He has good Technik“: Lothar Matthäus glänzt im britischen TV mit akzentgeprägten Sätzen als FußballEM-Experte. welt.de/sport PA/LACI PERENYI (2); PA/DPA/WEREK; GETTY IMAGES/ MONTAGE DIE WELT Kommentator Gudmundur Benediktsson ist nach seinen Jubelschreien im TV in der Welt bekannt – S ie haben es wieder getan – die Mannschaft und er auch. Die isländische Nationalelf steht im Viertelfinale, und TV-Kommentator Gudmundur Benediktsson ließ sich von dem Sieg des Überraschungsteams wie beim 2:1 gegen Österreich zu einer emotionsgeladenen Berichterstattung hinreißen. VON LUTZ WÖCKENER AUS NIZZA Schon beim zweiten Tor der Isländer verlor er phasenweise seine Stimme, nach dem Schluss- pfiff hüpfte der 41-Jährige freudetrunken über die Pressetribüne im Stadion von Nizza. Eine Stunde und zwei Bier später hatte er sich zumindest wieder ein wenig beruhigt. DIE WELT: Herr Benediktsson, was war da los beim Abpfiff? GUDMUNDUR BENEDIKTSSON: Keine Ahnung. Aber es war völlig anders als gegen Österreich. Damals standen wir in der Schlussphase massiv unter Druck. Es schien nur noch eine Frage der Zeit, wann wir das zweite Gegentor bekommen würden. Es hätte das Aus bedeutet. Und dann schossen wir stattdessen selbst eins. Wahnsinn! Aber gegen die Engländer hatte ich in der zweiten Hälfte keine Bedenken. Wir hatten das Spiel völlig unter Kontrolle. Sie mussten nur am Ende zwei heikle Situationen überstehen. Ja, wir sehnten uns natürlich alle nach dem Abpfiff. Aber ich muss auch mal sagen, dass es nicht fair war. Die Uhren in Frankreich sind kaputt. Die gehen viel zu langsam. Meine Güte! Im Ernst: Es ist großartig, einfach großartig. © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung Kein Wunder, dass Sie beim Abpfiff völlig ausflippten. Wirklich? Ich habe keine Ahnung, was ich gesagt oder gemacht habe. Ich kann mich wirklich nicht mehr an den Moment erinnern. Ich plane da auch nichts vorher oder lege mir etwas zurecht, falls Sie das fragen wollen. Ich bin einfach nur ich selbst. Sie sind Journalist und Isländer. Wie schwierig ist es, diesen Erfolg sachlich einzuordnen? Sehr schwer. Es ist wie ein wunderschöner Traum. WELT KOMPAKT -2016-06-29-sil-16 5692aa55e384977d8b6d5a97812bb0ed DIE WELT KOMPAKT EM 2016 11 MITTWOCH, 29. JUNI 2016 Islands Coup: Erst trifft Sigurdsson (u. l.), dann Sigthorsson (u. r.). Der Rest ist eine große Party (o.) Die Wikinger mit den komischen Nachnamen Warum heißen Islands Spieler alle „-son“? Und wo spielen die 100 Profifußballer des Landes? A ls das Wunder vollbracht war, zeigten die erschöpften Männer noch mal ihren beeindruckenden Schlachtruf. Doch woher stammt das Ritual, und wie kommt dieses kleine Volk zu großen sportlichen Erfolgen? Die „Welt“ beantwortet die wichtigsten Fragen. GETTY IMAGES; REUTERS; AFP; DPA WARUM HEISSEN ALLE SPIELER „-SON“? Frankreich unterwegs. Am Morgen danach sah man viele von ihnen im Bahnhof und vor den Autovermietungen in Nizza stehen. Flüge wurden storniert, Urlaube verlängert, Unterkünfte gebucht. Streiche: Reykjavik, setze: Paris. Viertelfinale. In der Hauptstadt. Gegen den Gastgeber. Am Sonntag. Keiner will jetzt nach Hause. Niemand will das Märchen verpassen. Sie wollen das nächste Kapitel mitschreiben. „Das Duell mit den Franzosen wird ein unglaubliches Spiel“, sagte der Schwede Lars Lagerbäck, der sich mit seinem ehemaligen Assistenten Hallgrimsson das Trai- neramt teilt: „Vielleicht bin ich der einzige in der Mannschaft, der das so empfindet. Aber es ist größer als das England-Match.“ Nein, Angst haben sie nicht. So sachlich und mutig, wie sie in den 70 Minuten nach dem zweiten Tor gegen England ihr Programm abspulten, werden sie auch den Franzosen begegnen. „Wir wollen etwas dominanter spielen“, sagt Sigurdsson, „ich erwarte eine gute französische Mannschaft, ähnlich wie England.“ Hallgrimmson lacht: „Tja, die Spieler haben ihre Hürde genommen.“ Er zuckt mit den Schultern: „Jedes Hindernis wirkt nun kleiner. Das hilft und schafft Selbstbewusstsein. Wenn die Spieler es weiterhin so angehen wie heute, können wir jede Mannschaft schlagen.“ Ein Halbfinale? Gegen Deutschland? Aron Saevarsson hält nichts für ausgeschlossen. Er glaubt an diese Mannschaft – und an seinen Bruder. Bis Sonntag wollen sie sich Paris anschauen. Und wenn er nach Hause kommt, wird trainiert. Er habe Talent, sagt einer seiner Freunde. Womöglich steht er bei der nächsten EM selbst auf dem Rasen – und nicht mehr in der Warteschlange der Autovermietung. im Interview spricht er über Islands Nationalteam Wie gehen Sie damit um, dass Sie spätestens seit ihrem Kommentar beim Sieg gegen Österreich die halbe Welt kennt. Da hat sich für mich gar nichts geändert. Ich bin immer noch Gummi Ben, so wie mich jeder in Island nennt. Ich verstelle mich nicht und bin mir immer treu geblieben. Fußball ist mein Job, ich liebe ihn und versuche ihn so gut zu machen, wie ich kann. Seit wann arbeiten Sie für das isländische Fernsehen? PA/DPA Vielleicht können Sie ja noch ein wenig länger träumen? Ja, hoffentlich. Weshalb nicht? Gern bis zum 11. Juli. Moderator und Ex-Nationalspieler: Gudmundur Benediktsson Ich kommentiere seit 2004 die Spiele der englischen und spanischen Liga, Champions League und seit der vergangenen Saison auch die der Bundesliga. Mein Leben dreht sich jeden Tag nur um Fußball. Ich war ja selbst Profi in Belgien, habe auch ein paar Länderspiele gemacht. Es ist der großartigste Sport der Welt, und ich bin sehr, sehr dankbar, dass ich in diesem Umfeld meiner Arbeit nachgehen kann. Jetzt geht es in Paris weiter. Gegen den Gastgeber. Im Viertelfinale der EM. möglicht – auch während der extrem kalten und schneereichen Winter. WO SPIELEN DIE ISLÄNDER? In der heimischen Liga, in der zwölf Teams zwischen Frühjahr und Sommer um die Meisterschaft kämpfen, verdient kein einziger Spieler aus Islands EMKader sein Geld. Die Isländer sind quer durch die europäischen Ligen verteilt. Innenverteidiger Ragnar Sigurdsson läuft für FK Krasnodar in der ersten russischen Spielklasse auf. Seine Kollegen sind überwiegend in Norwegen, Schweden und Dänemark unter Vertrag, bei Odense, Bodö Glimt, Sundsvall, Hammarby oder Norrköping. Alles keine Schwergewichte in Europas Klubfußball. Kapitän Aron Gunnarsson und Johann Berg Gudmundsson verdienen ihr In Island ist die Familie wichtig. Und das spiegeln auch die Namen wider. Denn der Vorname des Vaters wird in den Nachnamen des Sohnes weitervererbt. „Son“ bedeutet also „Sohn“. Ein Beispiel: Heißt der Vater Olaf mit Vornamen, wird der Sohnemann Olafsson mit Nachnamen heißen. Das oftmals verwendete doppelte „s“ entsteht durch den Genitiv (Olafs Sohn). Der häufigste männliche Vorname in Island ist übrigens Jon. Jetzt dürfen Sie Registrierte Fußballer raten, was der bei den EM-Viertelfinalisten häufigste Deutschland 6.308.946 Nachname ist. Frankreich 1.794.940 Und was Italien 1.513.596 macht man, 656.964 Polen wenn man eine Tochter be443.383 Belgien kommt? Ganz 132.734 Portugal einfach und lo67.550 Wales gisch: Statt 21.503 Island „Son“ hängt Quelle: Fifa man „Dottir“ (Tochter) an. Olafs Tochter hieße also Olafsdottir mit Nach- Geld immerhin in Großbritannamen. Dieses Namensgebungs- nien – allerdings in der Zweiten system galt früher in vielen Liga, in Cardiff und Charlton. Ländern Skandinaviens. Norwegen und Schweden sind inzwi- WOHER STAMMT DER „HU, schen zum Familiennamensys- HU, HU“-KAMPFRUF DER tem übergegangen. In Däne- FANS? mark ist die Verwendung von Vatersnamen aber noch erlaubt. Die Männer von der Insel im hohen Norden spielen gern mit ihWIE WICHTIG IST DER FUSSrem Wikingerimage. Gehörnte BALL FÜR ISLAND? Helmattrappen, wilde Bärte und breitflächige Tattoos gehören Island ist eine sehr sportbegeis- zum Standartrepertoire der islänterte Nation. Neben Handball ist dischen Fans in Frankreich. Noch dabei Fußball die mit Abstand eindrucksvoller als das äußerliche populärste Sportart. Das kleine Erscheinungsbild ist jedoch die Land hat zuletzt einen rasanten enorme Lärmkulisse auf den RänAufstieg erlebt – vom Punktelie- gen. Um ihr Team anzufeuern, inferanten hin zum ernst zu neh- tonieren die Isländer ein lautes menden Konkurrenten. 2010 „Hu“, gefolgt von einem rhythminoch jenseits der besten 100 im schen Klatschen. In immer Fifa-Ranking, belegt Island aktu- schnellerer Abfolge schwillt der ell Platz 34. Und das bei nur Kampfruf der Nordeuropäer zu 21.500 aktiven Spielern, davon einem ohrenbetäubenden Getöse rund 100 Profis. Nachdem die an. Ein Fangesang wie Donnerhall Teilnahme an der WM 2014 in – der in seiner einschüchternden Brasilien noch knapp in den Play- Wirkung ein bisschen an den Haoff-Spielen gegen Kroatien ver- ka-Tanz des neuseeländischen passt worden war, qualifizierte Rugbyteams erinnert. Das Ritual sich Island in diesem Jahr erst- geht in diesem Falle aber nicht mals für ein großes Turnier. auf die Wikinger zurück. Die Grund für den Aufschwung ist furchteinflößende Form, ihr der Bau von überdachten Sport- Team anzufeuern, haben sich die plätzen Mitte der 1990er-Jahre, Anhänger im heimischen Klubder das ganzjährige Training er- fußball abgeschaut. © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung WELT KOMPAKT -2016-06-29-sil-16 5692aa55e384977d8b6d5a97812bb0ed 12 EM 2016 DIE WELT KOMPAKT B eschämt flüchteten Wayne Rooney und die Kollegen so schnell wie möglich vom Ort ihrer historischen Demütigung. Nach dem peinlichen Aus hat der englische Fußball einen neuen Tiefpunkt erreicht – mit Hohn, Spott und blanker Verachtung. „In Englands 144-jähriger Geschichte ist nichts mit dieser Schande vergleichbar. Nichts. Nach 959 Spielen war das die demütigendste Niederlage“, ätzte die „Times“ über „hirntoten Fußball“ beim 1:2. „Gegen ein Land von 330.000 Einwohnern, trainiert von einem Zahnarzt. England hat letzte Nacht aufgehört, ein Fußballteam zu sein und ist nur noch eine Lachnummer.“ Der ehemalige englische Nationalspieler und heutige TVExperte Gary Lineker höhnte: „Die schlimmste Niederlage unserer Geschichte. England wird von einem Land mit mehr Vulkanen als Profifußballern geschlagen.“ Schlagzeilen und Expertenmeinungen werden die Spieler auch die nächsten Tage verfolgen. Auf Milde dürfen sie nicht hoffen. „Der Grund, warum die Nation damit kämpft, Mitgefühl oder eine Verbindung zu vielen dieser Spieler aufzubauen, ist das Ego“, analysierte der „Independent“ und versah die Profis mit den Attributen: „Zu berühmt, zu wichtig, zu reich, zu arrogant.“ Nur 19 Minuten nach Vollendung des „erbärmlichen Scheiterns“ („Sun“) vollzog Trainer Roy Hodgson den unvermeidlichen Schritt und verkündete seinen „Brrrexit“ („Mirror“). Mit aschfahlem Gesicht setzte sich der 68-Jährige in den kargen Presseraum des EM-Stadions von Nizza, verlas 155 Sekunden lang monoton sein Rücktrittsstatement und ging durch den Seitenausgang. „Es tut mir leid, dass es so enden muss“, erklärte Hodgson – und kam seinem Rausschmiss damit lediglich zuvor. Vorbei alles Gerede von einer vermeintlich leuchtenden Zukunft die- Achtelfinale 1 Sa., 25.6. 15 Uhr 5 Schweiz 6 AFP/PAUL ELLIS Zum Heulen Trotz großer Talente scheitert England früh – und erntet Hohn. Trainer Hodgson muss gehen ser jungen Generation. Vorbei die Träume von einem Ende des halben Jahrhunderts voller Schmerz ohne Titel. Nur zwei Jahre nach dem schmachvollen Vorrundenaus bei der WM in Brasilien ist jede Hoffnung erneut dahin. Selbst das 0:1 gegen Fußballentwicklungsland USA bei der WM 1950 fällt in der Peinlichkeitenrangliste dahinter zurück. Dabei hat Achtelfinale 3 Sa., 25.6. 21 Uhr St. Etienne : Raus gegen Island: Das ist zu viel für die Nerven dieses jungen Fans n.E. 0 1 Kroatien Polen Achtelfinale 2 n.V. 1 Portugal Wales : Sieger Polen AF 1 So., 26.6. 21 Uhr 0 0 3 4 Sieger AF 3 Portugal Sieger Wales AF 2 Klopp verpflichtet Sadio Mané Nach dem Mainzer Torwart Loris Karius holt der FC Liverpool auch Mittelfeldspieler Sadio Mané vom FC Southampton. Eine genaue Ablösesumme nannte der Verein nicht. Laut Medienberichten unterschrieb Mané einen Fünf-Jahres-Vertrag und wechselte für rund 34 Millionen Pfund (etwa 41 Millionen Euro). In der abgelaufenen Saison erzielte er in 43 Spielen 15 Treffer und bereitete neun weitere vor. Deutschland Belgien Achtelfinale 7 Mo., 27.6. 18 Uhr Lille : 0 2 Slowakei Viertelfinale 2 Fr., 1.7. 21 Uhr Marseille : EM-Endrunden-Match gewonnen, in dem es ums Weiterkommen ging. Vor allem ist es ein Versagen der Führungsspieler. Keeper Joe Hart wird im Internet für seinen Patzer vor dem ent- Achtelfinale 5 So., 26.6. 18 Uhr Toulouse : Ungarn Nordirland Viertelfinale 1 Do., 30.6. 21 Uhr Achtelfinale 6 Sa., 25.6. Paris, Parc des 18 Uhr Princes Lens : England zurzeit eins der größten Reservoirs an vielversprechenden Talenten im Weltfußball. Im Mittelfeld bilden bereits jetzt der defensive Eric Dier (22), Spielmacher Dele Alli (20) und Slalom-Dribbler Raheem Sterling (21) die Achse der Nationalelf. Mittelstürmer Harry Kane (22) ist in der abgelaufenen Saison mit 25 Treffern Torschützenkönig der Premier League geworden. Und dann ist da noch Marcus Rashford (18), der in dieser Saison einen märchenhaften Aufstieg vom Jugendspieler bei Manchester United zum EM-Teilnehmer hingelegt hat. Wie schon in den Vorrundenpartien wusste diese zweitjüngste Mannschaft des Turniers ihre Dominanz nicht zu nutzen und schied am Ende hilf-, kraft- und einfallslos völlig verdient aus. Seit mehr als einem Jahrzehnt wartet England nun auf einen Sieg in der K.o.-Runde eines großen Turniers. Noch nie haben die Three Lions außerhalb Englands ein : Sieger AF 6 Belgien Sieger AF 5 Deutschland Achtelfinale 8 Lyon Mo., 27.6. 21 Uhr Irland England 1 Frankreich Viertelfinale 3 Sa., 2.7. 21 Uhr Lille : 1 Nizza : 2 Island Viertelfinale 4 So., 3.7. 21 Uhr Bordeaux : Sieger AF 7 Italien Sieger AF 4 Frankreich Paris, St. Denis : SiegerIsland AF 8 Halbfinale 2 Do., 7.7. 21 Uhr Lyon : Sieger VF 1 2 Spanien Halbfinale 1 Mi., 6.7. 21 Uhr Achtelfinale 4 0 Italien scheidenden Gegentor zum 1:2 verspottet, Wayne Rooney konnte dem Offensivspiel nach seinem Foulelfmetertor zum 1:0 keine dauerhafte Ordnung verleihen. „Es ist beschämend für uns. Wir sind alle bitter enttäuscht, wir wissen, dass wir die Verantwortung dafür tragen“, gestand der Kapitän. Im Gegensatz zu Hodgson will der 30-Jährige jedoch weitermachen und sein Team durch die Qualifikation unter anderem gegen die Slowakei und Schottland zur WM 2018 führen. Doch mit welchem Coach? „Jetzt ist es an der Zeit für jemand anderen, den Fortschritt dieser jungen, hungrigen und extrem talentierten Gruppe zu verantworten“, erklärte Hodgson, der mit der unterirdischen Bilanz von drei Siegen in elf Turnierspielen abtritt. Der Trainer-Routinier hatte das Team kurz vor der EM 2012 übernommen. Doch die Nachfolgeoptionen für Hodgson klingen keinesfalls so verlockend. Als Favorit wird U21Coach Gareth Southgate gehandelt, dem jedoch die Erfahrung auf großer internationaler Bühne fehlt. Die restlichen Kandidaten sind eine Mischung aus Trainern mittelmäßiger bis schlechter englischer Klubs (Alan Pardew, Sam Allardyce), Ausländern über ihrem Zenit (Arsene Wenger, Rafael Benitez) oder TV-Experten, die sich selbst ins Gespräch brachten (Alan Shearer). Bleiben Überraschungskandidaten. Eigentlich pocht der Verband auf Premier-LeagueExpertise an der Seitenlinie. Doch so verzweifelt wie die aktuelle Lage ist, wäre selbst ein Deutscher aus den belächelten USA nicht undenkbar: Jürgen Klinsmann. Der 69 Jahre alte Trainer Harry Redknapp sagte: „Die FA (englischer Verband, d. Red.) muss wirklich ein Kaninchen aus dem Hut zaubern, weil es anscheinend keine offensichtlichen Kandidaten da draußen gibt.“ So., 26.6. 15 Uhr Paris, St. Denis : MITTWOCH, 29. JUNI 2016 Marseille : Finale Sieger VF 2 So., 10.7. 21 Uhr Sieger VF 3 Sieger VF 4 Paris, St. Denis : Sieger HF 1 Sieger HF 2 Stand 20 Uhr © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung WELT KOMPAKT -2016-06-29-sil-16 5692aa55e384977d8b6d5a97812bb0ed EM 2016 13 MITTWOCH, 29. JUNI 2016 ) Weltmeister haben keine Angst S (2 AUS EVIAN Löw erzählt diese Anekdote manchmal, wenn er gefragt wird, wie er Deutschland zum Weltmeister gemacht hat. Er erzählt, dass da dieses Aufbäumen war nach der EM 2012. So wie damals beim FC Bayern, der das Champions-League-Finale 1999 so tragisch in den letzten Minuten gegen Manchester United verlor, dass die Wut darüber zwei Jahre später zum Titelgewinn führte. Das Gleiche habe er 2012 verspürt; an jenem Abend, an dem die Spieler sich schworen, die Schmach auszuwetzen. Kurz zuvor hatte Schiedsrichter Stephane Lannoy aus Frankreich das Halbfinale abgepfiffen. Deutschland hatte gegen Italien keine Chance gehabt, zwei Tore von Mario Balotelli hatten Löws Team den Garaus gemacht, der verwandelte Elfmeter von Mesut Özil in der Nachspielzeit war nur noch Ergebniskosmetik gewesen. Es war Löws Niederlage, er hatte sich vercoacht. Hatte Müller draußen gelassen, hatte drei Wechsel im Vergleich zum Mario Balotelli (l.) feiert bei der EM 2012 sein Tor zum 2:0 gegen Deutschland, Thomas Müller weint hinterher auf der Bank. War das Spiel die Geburtsstunde einer großen Mannschaft? AG E VON LARS WALLRODT brillanten 4:2-Viertelfinalsieg gegen Griechenland vorgenommen, hatte Toni Kroos ins Zentrum beordert, um dort die Kreise des Spielmachers Pirlo zu stören. Nichts klappte. Es sollte die bitterste Niederlage in Löws Karriere werden und die Stunde Null für die spätere Weltmeistermannschaft. 2014 wurden viele Spieler Weltmeister, die schon 2012 dabei waren. Und Joachim Löw sagt heute: „Im Nachhinein hat uns das Aus gegen Italien geholfen, auch wenn es natürlich eine bittere Niederlage war. Es war für mich eine gute Lehre. Ich habe in Brasilien oft daran gedacht, habe die Erfahrung in einige Entscheidungen einfließen lassen.“ Und nun wieder: Italien. „Angstgegner“ schreien die Schlagzeilen. Tatsächlich hat Deutschland noch nie in einem großen Turnier gegen die Squadra Azzurra gewonnen. Viermal gab es ein Unentschieden in der Vorrunde, viermal eine Niederlage in der K.-o.-Phase. Auch das „Sommermärchen“ 2006 wurde von den Italienern im Halbfinale beendet. „Angstgegner?“, fragt Joachim Löw und zieht eine Augenbraue hoch, „nein, einen Angstgegner haben wir nicht.“ Zwei Kontrahenten auf Augenhöhe sieht der Bundestrainer am kommenden Samstag (21.00 Uhr) im Viertelfinale in Bordeaux aufeinandertreffen. Aber Angst kennt der Weltmeister nicht. Und einschüchtern von Statistiken lässt er sich schon gar nicht. „Das ist doch kalter Kaffee. Ich aber bevorzuge heißen Espresso“, kalauerte Löw. Noch nach dem 3:0 gegen die Slowakei im Achtelfinale hatte er gewarnt, war mit beiden Fü- Y IM ar die größte Niederlage gleichzeitig die Geburtsstunde der Sieger von morgen? War das der Urknall, der Deutschland zwei Jahre später zum Weltmeistertitel katapultierte? 28. Juni 2012, kurz vor elf Uhr abends: Thomas Müller sitzt weinend auf der Bank des Warschauer EM-Stadions. Andere Kollegen liegen auf dem Rasen, blicken ins Nichts. Bundestrainer Joachim Löw steht stumm an der Seitenlinie, die Hände in den Hüften, das Gesicht leer vor Enttäuschung. Dann kommen nacheinander zwei Spieler zu ihm, Miroslav Klose und Per Mertesacker. Beide schauen ihm in die Augen und geben Löw ein Versprechen: Das war es noch nicht, diese Niederlage werden wir wieder gutmachen. TT W GE DIE WELT KOMPAKT sie sich in ihre weltberühmte Abwehrformation zurück. „ItalieDas DFB-Team will ner“, schmunzelte den Italien-Fluch Löw, „gehören zu den wenigen Fußballern, endgültig besiegen die den Ball auch mal mit einem Lächeln auf die Tribüne hauen und sich auch ßen auf die Euphoriebremse ge- über ein 0:0 freuen.“ stiegen und hatte gemahnt, seiEs wird das Duell der jüngsne Spieler müssten sich stei- ten gegen die älteste Manngern: „Die Slowakei war kein schaft des Turniers. Italiens alMaßstab. Jetzt kommen ganz te Säcke, angeführt vom 38-jähandere Kaliber.“ Er wusste da rigen Torwart Gianluigi Buffon, noch nicht, dass Italien dieses haben bislang eine starke LeisKaliber werden würde. Nun tung gezeigt. In der Vorrunde freut er sich auf das Duell der schlugen sie Belgien 2:0, distanGiganten. Nach vier Gegnern, zierten Schweden mit 1:0 und die sich einmauerten, kommt schonten dann im letzten Vornun ein echter Prüfstein. rundenspiel acht Stars, was zu Mit einer brillanten Taktik einer (einkalkulierten) Niederhatten die Italiener am Montag- lage gegen Irland führte. abend in Paris Titelverteidiger Da schnalzte mancher ExperSpanien ausgeschaltet. Eine te mit der Zunge. Eigentlich halbe Stunde spielten sie die war die Mannschaft von TraiIberer an die Wand, dann zogen ner Antonio Conte maximal im erweiterten Favoritenkreis angesiedelt worden. Und dann rauschte sie durch die vermeintlich stärkste Vorrundengruppe, schaltete zudem den Titelverteidiger aus. „Einige hatten Italien vor der EM ja schon fast abgeschrieben. Aber ich wusste, was sie für eine Qualität haben. Es wird schwierig gegen sie. Sie haben Erfahrung und Klasse, sind athletisch und psychisch sehr stark. Italien ist stärker als 2008, 2010 oder auch 2012“, sagte Löw. Das wäre eigentlich eine beängstigende Aussage. Doch auch Löws Elf ist eine andere als noch vor vier Jahren. „Die Tagesform wird entscheiden“, sagt der Bundestrainer. Er werde jedenfalls die lange Zeit bis zum Viertelfinale nutzen, um seine Spieler auf alle Wahrscheinlichkeiten einzustellen, die gegen die Taktikgenies aus Italien zu erwarten ist: „Und dann werden wir ja sehen …“ Bei Italien ist der Trainer der Star Der geschickte Tiefstapler Antonio Conte hat seiner Mannschaft neuen Geist eingehaucht – die Spieler folgen ihm blind ntonio Conte lässt sich Zeit. Es scheint, als könne er nicht genug bekommen von den Huldigungen seiner Landsleute, die sich nach dem Sieg über Spanien vor ihm in den Staub werfen. VON SIMON PAUSCH AUS PARIS Mehr als eine halbe Stunde lang parliert Italiens Trainer über die beeindruckende Leistung seiner Spieler, die Komplimente an die eigene Adresse nimmt er leise lächelnd zur Kenntnis. Als er sich im gewal- tigen Pressesaal im Bauch des Stade de France erhebt, verabschiedet er sich mit einer Ankündigung: „Wir werden hart arbeiten bis zum Spiel gegen Deutschland. Das entspricht unserem Charakter.“ Bundestrainer Joachim Löw sagt: „Antonio Conte hat erkannt, dass Catenaccio allein kein Turnier mehr gewinnt“. Es kling ein wenig ehrfürchtig: „Früher war Italien vorne nicht so durchschlagskräftig. Er hat der Offensive mehr Gewicht gegeben.“ Titelverteidiger Spanien spielten die Italiener im Achtelfinale 75 Minuten lang an die Wand und hatten dabei so viele Torchancen wie früher in einer gesamten Gruppenphase. Die Mannschaft folgt dem 46Jährigen Conte beinahe blind. Seine Leidenschaft, die selbst die Sprints und Sprünge von Trainerirrwisch Jürgen Klopp in den Schatten stellt, ist einer der Mosaiksteine im italienischen Gefüge. Conte lebt vor, was er von seinen Spielern erwartet: Einsatz, Hingabe und die Bereitschaft, bis an die körperlichen Grenzen zu gehen. Mit seinem Pragmatismus führte der Ex-Juve-Spieler die Auswahl in die Zeit nach An- drea Pirlo, der jahrelang Herz und Hirn der Squadra gewesen war. Dessen Rolle teilen sich nun unermüdliche Balljäger wie Daniele De Rossi, Marco Parolo und Emanuele Giaccherini, davor lauern die kantigen Grazia- DPA/PETER KNEFFEL A Ein verschworenes Team: Antonio Conte und seine Spieler © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung no Pellè und Éder. Auf seine Abwehr kann sich Conte ohnehin verlassen. Andrea Barzagli, Giorgio Chiellini, Bonucci und Buffon standen schon beim Halbfinalsieg gegen die Deutschen in der Startelf. Conte tut bereits alles, um sich als Außenseiter zu positionieren. „Deutschland ist die mit Abstand beste Mannschaft bei dieser EM. Wir werden eine titanische Leistung brauchen und unseren besten Fußball spielen müssen“, sagte er. Es darf eher als geschickte Tiefstapelei denn als aufrichtige Ehrfurcht verstanden werden. WELT KOMPAKT -2016-06-29-sil-16 5692aa55e384977d8b6d5a97812bb0ed 14 EM 2016 DIE WELT KOMPAKT E Zwei Deutsche in Wimbledon weiter D GETTY IMAGES FOR LTA ustin Brown mit großem Kampf, Benjamin Becker ohne Mühe: Nach dem frühen Aus von Philipp Kohlschreiber sind zwei deutsche Tennis-Herren in die zweite Runde von Wimbledon eingezogen. Brown kämpfte sich nach einem Auf und Ab in einem Fünf-Satz-Match gegen Dusan Lajovic erfolgreich weiter. Mit 4:6, 6:3, 3:6, 6:3 und 6:4 behauptete sich am Ende der Niedersachse. „Die Volleys und Returns sind am Anfang überall hingeflogen. Aber das Wichtigste war, dass ich immer daran glaube, dass Gras mein Belag ist“, erklärte Brown. In der zweiten Runde trifft er auf den Australier Nick Kyrgios, der – wie er selbst – als Paradiesvogel gilt. „Die Leute werden ein Spektakel erwarten, ich Angriffslustig: Brown fürchtet auf Rasen keinen Gegner werde mir keinen Kopf machen“, sagte Brown. „Wir sind Freunde, ich will Spaß haben.“ Der Saarländer Becker setzte sich anschließend klar mit 6:3, 6:3, 6:1 gegen den Argentinier Facundo Bagnis durch. Auf den Weltranglisten-102. wartet in London nun der an Position zehn gesetzte Tscheche Tomas Berdych oder Ivan Dodig aus Kroatien. Von anfangs sechs gestarteten Herren war am Eröffnungstag neben der deutschen Nummer eins Kohlschreiber auch Jan-Lennard Struff gescheitert. Titelverteidigerin Serena Williams (34) zog hingegen souverän in die zweite Runde ein. Die 21-malige Grand-SlamSiegerin aus den USA gewann gegen die Schweizer Qualifikantin Amra Sadikovic 6:2, 6:4. s hat lange gedauert, und natürlich musste erst das Ausscheiden kommen. Aber letztlich blickten zumindest manche Spanier nach dem 0:2 (0:1) gegen Italien der Wahrheit ins Auge, allen voran Innenverteidiger Gerard Piqué. Zwei Sätze blieben hängen von seiner Analyse: „Wir müssen anerkennen, dass wir derzeit nicht zu den Besten gehören“. Und: „Diese Mannschaft hat nicht mehr das Niveau derjenigen, die WM und EM gewann.“ VON FLORIAN HAUPT AUS PARIS Schon als das letzte Vorbereitungsspiel gegen Georgien verloren ging, habe er innerlich von jeder Favoritenrolle Abstand genommen, berichtete Piqué. Zwar trugen die Spieler nach den Auftaktsiegen gegen schwache Tschechen und Türken ein betont monströses Selbstbewusstsein vor sich her. Aber das klang immer ein bisschen nach dem Pfeifen im Walde. Das Express-Aus bei der WM 2014 hat das Selbstverständnis der „Selección“ in seinen Grundfesten erschüttert. Seitdem reichten Kleinigkeiten, um sie aus der Bahn zu werfen. Tatsächlich lieferte schon die verpatzte Generalprobe gegen den Weltranglisten-137. eine Blaupause dafür, was Italien umso drastischer offenlegte – der Europameister von 2008 und 2012 sowie Weltmeister von 2010 ist dabei, sich in einer Kultur des Verlierens einzurichten. Niederlagen bekommen etwas Selbstverständliches. Das Unglaubliche ist nicht, dass Spanien gegen Italien ausgeschieden ist. Sondern dass Spanien von Italien dominiert wurde. Noch vor wenigen Jahren sahen die Spiele der Spanier so aus: Der Ball gehörte ihnen, die Chancen mochten manchmal auf sich warten lassen, aber Gefahr liefen sie eigentlich nie, und der eigene Torwart war GETTY IMAGES/CLIVE ROSE Dustin Brown: „Gras ist mein Belag“ maximal für die eine entscheidende Parade bei einer Konterchance gefordert. Notfalls musste der Gegner erst müde gespielt werden, und es wurde schließlich mit einem späten Tor oder in der Verlängerung gewonnen. MITTWOCH, 29. JUNI 2016 teidiger zeigte deutlich, dass die WM vor zwei Jahren mehr als ein Ausrutscher war. Gegen taktisch innovative Rivalen wirkte die Elf von Trainer Vicente del Bosque schon damals überfordert. Nun trieb sie ihren Verfall auf die Spitze. dem WM-Debakel nicht notwendigerweise eine „Lame Duck“. Neue Impulse schaffte er jedoch auch nicht. Aufgrund seiner einmaligen Verdienste – WM und EM nacheinander – wird del Bosque immer eine Lichtgestalt in der spanischen Fußballgeschichte bleiben. Aber vielleicht hätte es dieses Turnier nicht mehr gebraucht. „Italien war die bessere Mannschaft“, räumte der Trainer später unumwunden ein, wie immer zeigte er Anstand und Sportlichkeit in der Niederlage. Genauso gefasst würde er eine Entlassung Das EM-Aus offenbart: akzeptieren und hätte Spanien braucht einen das auch schon vor zwei Jahren getan. Mit 65 JahNeustart – ohne Trainer ren hat er den Ruhestand del Bosque allemal verdient. Doch nicht zuletzt aus Loyalität zum spanischen Fußballverband hat er diesen bisher nie erklärt. Die Funktionäre sollen ihn schon damals zum Weitermachen überredet haben und zeigen sich auch in diesem Sommer hartnäckig untätig. Attraktive Kandidaten wie der waghalsige Paco Jémez (Granada) oder der weltläufige Quique Sánchez Flores (zuletzt Watford, Ratlos jetzt Espanyol und kraftlos: Barcelona) haSpanien ist nicht ben inzwischen mehr wiederbei neuen Verzuerkennen einen unterschrieben. Verbliebene Anwärter wie die Liga-Fahrensmänner Joaquín Caparrós und Pepe Mel oder der ehemalige U21- und FCPorto-Trainer Julen Lopetegui reißen im PubliAm Montag erlebten die ZuVor allem in der ersten Halb- kum niemanden zu Begeisteschauer im Stade de France vor zeit war keine Spannung in ei- rungsstürmen hin. Dennoch allem in der ersten Halbzeit die ner Mannschaft, die ihre An- gilt eine weitere Beschäftigung Umkehrung aller Werte. Die hänger schon in den vergange- del Bosques nach dem OffenbaMannschaft, die entschlossen nen Tagen mit beleidigter rungseid gegen Italien als ausnach vorn spielte, war Italien. Selbstgerechtigkeit irritiert geschlossen. Der Trainer verDer Torwart, der unter Be- hatte und bei diesem Turnier passte in Frankreich die Mögschuss stand, war David de Gea, über weite Strecken in eine Pa- lichkeit, von sich aus den Weg der seine Elf mit mehreren rallelwelt geflüchtet war. Die frei zu machen. „Ich werde mit Glanzparaden im Spiel hielt. Niederlage gegen Kroatien et- dem Präsidenten darüber spreSpaniens Rest giftete sich wa verklärte sie zu einer bloßen chen, was das Beste für den spaschon nach einer Viertelstunde Laune des Schicksals. Auch del nischen Fußball ist“, sagte er. an (Jordi Alba und Nolito), pro- Bosque pflegte diesen Diskurs, Del Bosque weiß sicher selbst duzierte ungewohnte Fehler in er ist nicht unschuldig daran, zu gut, dass es auf diese Frage Serie (Sergio Ramos) oder ver- dass die „Selección“ so morsch nur eine Antwort geben kann: sank im Phlegma. Der Titelver- daherkommt. Zwar war er nach den Neuanfang. Das Ende einer Ära ANZEIGE KI1604-D01-WK01SZ | KI1604-D01-WK03SZ | KI1604-D01-WK05SZ Länger lesen lohnt sich: 35 €-Gutschein sichern! 1-Monats-Angebot 4 Wochen frei Haus lesen + 10-€-Gutschein zur Wahl. 2-Monats-Angebot 2 Monate frei Haus lesen + 20-€-Gutschein zur Wahl. 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Die Härte, mit der Angela Merkel von London eine klare Entscheidung verlangt und jedwede Hoffnung auf britische Sonderkonditionen zunichte macht, könnte bedeuten: Überlegt es euch gut – und zwar um des politischen Ganzen willen. Denn das Europa der unterschiedlichen historischen und politischen Bewusstseinsstände ist viel zu gefährdet, um jetzt durch Halbheiten immer neue Begehrlichkeiten zu wecken. Die EU-freundlichen Schotten, die am Dienstag im EU-Parlament an den Kontinent appellierten, sie nicht im Stich zu lassen, sind keineswegs eine willkommene Stimme. Wenn sie tatsächlich ein Unabhängigkeitsreferendum ansetzen und so dem Begriff „sich abschotten“ einen ganz neuen Sinn geben, nämlich „sich abseilen“ – dann können sie in der EU noch viel mehr Chaos anrichten, als es jetzt schon herrscht. Die Katalanen oder die bosnischen Serben warten nur darauf, dass ein Abspaltungsreferendum mit der EU-Mitgliedschaft belohnt wird. Es gibt eben nicht nur eine EU der unterschiedlichen Währungen. Es gibt vor allem auch eine EU der gänzlich unterschiedlichen historischen Bewusstseinsstände. Diese bisher gerne ignorierte Schwachstelle im EU-Fundament ist gerade dabei, die Stabilität des ganzen Gebäudes zu gefährden. Die Hafenstadt Dover hat mit 60 Prozent für den Brexit gestimmt – Dover, wo der Kanaltunnel endet, an dessen französischem Eingang Tausende Flüchtlinge unter chaotischen Bedingungen hausten; vor allem aber auch dasjenige Dover, das 1940 in Erwartung der Deutschen auf die Kontinentalküste starrte, in Erinnerung an die Normanneninvasion 1066, an die spanische Armada oder an Napoleon. Die Küstenbezirke von Nordirland und Nordostengland votierten für den Austritt – die Bezirke, in denen die großen Werften lagen, die Großbritanniens maritime Weltgeltung möglich machten. Die Hafenstädte dort wiederum stimmten für die EU: Sie profitieren vom Binnenmarkt. Gibraltar wollte zu fast 96 Prozent in der EU bleiben – der Außenposten gegenüber Afrika, das wie kein anderes britisches Gebiet auf eine starke EU-Außengrenze hofft. TORSTEN KRAUEL ǑǑ Für den Markt historischer Befindlichkeiten gibt es keinen Brüsseler Kommissar und keine EU-Regeln Vorbei. Vor dem 60. Gründungstag der EWG im März nächsten Jahres fordern 1000 Jahre europäischer Geschichte, die für die EU-Staaten so gänzlich unterschiedlich verlaufen ist, ihren Tribut. Großbritannien ist womöglich erst der Anfang. Wie für viele Briten, so sind auch für viele Polen Ereignisse aus dem Mittelalter, der frühen Neuzeit oder aus dem 18. Jahrhundert bewusstseinsbildend. Auch an der Weichsel sind 1939 bis 1944 Schlüsseljahre des politischen Empfindens, besonders für Jaroslaw Kaczynski, dessen Vater am Warschauer Aufstand teilgenommen hatte. Kaczynski liebäugelt mit einem Referendum. Für Slowenien oder Estland gilt das Gegenteil. Diese und einige andere Länder haben Europa als Befreiung empfunden. Für sie sind estnische oder slowenische EU-Kommissare die Erfüllung der Geschichte. Für den Markt historischer Befindlichkeiten gibt es keinen Brüsseler Kommissar und keine EU-Regeln. Die Hälfte der EU-Länder, von Schweden bis nach Portugal, hatte seit den Zeiten Karls des Großen imperiale Ambitionen, die in ihr Weltbild eingebunden sind. Die andere Was sich mindestens lohnt Hälfte der EU-Staaten hatte von Tschechien bis Estland eine Unterdrückungsgeschichte. Manche hatten beides. Für die unterschwellige Gefühlslage gegenüber „Brüssel“ gilt aber: Nur eine Minderheit der EU-Mitglieder betrachtet die gleichberechtigte Position im Europäischen Rat oder eigene EU-Kommissare als eine nationale Aufwertung. Die Mehrheit der Staaten empfindet die Teilung der Macht und die Abgabe von Souveränitätsrechten als nationale Abwertung. Diese Mehrheit fühlt sich angesichts der europäischen Kompromisszwänge oft wie der in den Kriegen vertriebene, verarmte „Etagenadel“. Man hatte ein Gut, eine Herrschaft sogar. Nun muss man den Parkplatz teilen, den Lift und den Keller, und jeder Umbau muss genehmigt werden. In diesem Europa wird Deutschland mehr denn je zur Führungsmacht wider Willen. Es vereint beide Sichtweisen auf die EU in sich. Das 800 Jahre alte frühere Königreich Bayern hat einen britischen Blick auf die EU. Die nach 1945 kunstgeschöpften Bindestrichländer wie Nordrhein-Westfalen oder RheinlandPfalz sehen Brüssel eher so, wie Estland oder Slowenien es tun. Der Umgang mit den Folgen des Brexit ist für Angela Merkel und Sigmar Gabriel eine Übung in angewandtem Föderalismus. Das Nahziel ist es, Nachahmer zu entmutigen. Marine Le Pen möchte mit einem Referendum aus dem Euro austreten. Die Niederländer könnten bei der Parlamentswahl im Frühjahr mit Geert Wilders einen europaskeptischen Politiker zum Premier machen. In Dänemark regt sich der Stolz einer oft übersehenen alten Seefahrernation, die einschließlich Grönlands für Jahrhunderte das größte Flächenland Europas war. Angela Merkel hat im Bundestag den eigenen Führungswillen unterstrichen. Sie sagt seit Jahren, Europa müsse gegenüber Weltmächten wie Google oder China zusammenstehen. Sie hat verschiedentlich angedeutet, die EU brauche dafür eine Reform an Haupt und Gliedern. Es wäre ein Projekt nach ihrem Geschmack, so wie sie 1995 als Umweltministerin in letzter Minute die UN-Klimakonferenz rettete und 2007 als Kanzlerin den EU-Reformvertrag von Lissabon. Aber sie hat mit ihrer Flüchtlingspolitik etliche EU-Partner gegen sich aufgebracht, und sie regiert mit einer Koalition, die vor dem Wahljahr 2017 auseinanderzustreben beginnt. Die Sozialdemokraten nähern sich der EU-skeptischen Linkspartei als möglichem Partner an. Sie sehen in Paris und Rom Verbündete für eine andere EU-Wirtschaftspolitik, die nach dem Ausscheiden Londons aus der EU sehr an Gewicht gewinnen. Eine stärker links ausgerichtete EU erscheint ihnen möglich. Es ist deshalb fraglich, ob die SPD einen britischen Verbleib in der EU so begrüßen würde, wie Merkel und Wolfgang Schäuble es wohl täten. Für einen solchen Verbleib müsste das britische Parlament das Referendum ignorieren, was rechtlich möglich wäre. Damit könnte Merkel eher leben als Gabriel, dessen erwünschter künftiger Koalitionspartner Linkspartei auf der absoluten Wertigkeit von Volksabstimmungen beharrt. Der Riss in Großbritannien und Europa geht auch durch das Bundeskabinett. ie Mindestlohnkommission hat ihren ersten Test bestanden. Eineinhalb Jahre nach seiner Einführung plädierten die Experten von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite dafür, den Mindestlohn um 34 Cent anzuheben. Damit steigt die gesetzliche Lohnuntergrenze Anfang 2017 von 8,50 Euro auf 8,84 Euro pro Stunde. Mit dieser Entscheidung bewegt sich die Kommission in einem vernünftigen Rahmen. Schnaps-Forderungen nach einer Anhebung auf zehn Euro hat sich das Gremium nicht hingegeben. Stattdessen hat es sich an die Richtschnur gehalten, den Mindestlohn entsprechend der Lohnsteigerungen der vergangenen eineinhalb Jahre zu erhöhen. Allerdings ist diese erste Entscheidung noch lange kein Beleg dafür, dass die Kommission immer weise Entscheidungen treffen wird, wie Regierungspolitiker nun jubeln. Schon die nun beschlossene erste Anhebung liegt knapp über den 8,77 Euro, mit denen im Vorfeld gerechnet worden war. Denn auf Druck der Gewerkschaften floss in die Berechnungen auch der jüngste, allerdings noch nicht wirksame Tarifabschluss für den öffentlichen Dienst mit ein. Und angesichts der Flüchtlingskrise hätte die Kommission auch darüber nachdenken können, den Mindestlohn gar nicht anzuheben. Denn je höher die gesetzliche Lohnuntergrenze für Migranten ist, desto schwieriger wird ihre Arbeitsmarktintegration. Vor allem aber steht der Kommission der wahre Praxistest erst noch bevor. Der Mindestlohn hat bislang nicht, wie von einigen Ökonomen vorhergesagt, Hunderttausende Jobs vernichtet. Das bedeutet aber keinesfalls, dass er nicht das Potenzial dazu hätte. Ob und wie viele reguläre Arbeitsplätze er gefährdet, wird sich erst im nächsten Abschwung zeigen. Und erst dann lässt sich mit Gewissheit sagen, ob die Mindestlohnkommission stark genug ist, auf die schwierige wirtschaftliche Lage entsprechend zu reagieren. Denn sollten in einer Rezession die Löhne sinken, müsste das Gremium auch den Mindestlohn nach unten anpassen. Solange sich der Mindestlohn nicht im Abschwung bewährt hat, sind alle Jubelmeldungen verfrüht. [email protected] [email protected] © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung MARTIN GREIVE D WELT KOMPAKT -2016-06-29-sil-16 5692aa55e384977d8b6d5a97812bb0ed 16 REPORT DIE WELT KOMPAKT MITTWOCH, 29. JUNI 2016 A DW uf der Suche nach Kerim Ucar versuchten wir, sittsam auszusehen. Es ist wahr, wir versuchten es, obwohl wir natürlich gar nicht unsittsam aussahen. Wir sahen nur aus wie zwei Frauen, die bei 35 Grad arbeiten gehen, kurze Ärmel, kurze Röcke. VON KATHRIN SPOERR Der Handschlag ist ein Ritual, das verbindet M ANDREA an mag dacht, die sich SEIBEL der Lehhöflich verhalten, rerin eiund weit noch ist ner Berliner Prider Weg bis zum vatschule VerSittenverfall und bohrtheit unterUntergang des stellen. SchließAbendlandes. lich hatte der weAber nichts ist gen Auffälligkeimehr selbstverten seines Sohnes ständlich, alle geladene Imam Regeln und Autogleich bei Eintritt ins Leh- ritäten müssen neu begrünrerzimmer erklärt, dass er det werden. Sie müssen geeiner Frau aus religiösen wollt sein. Im Umgang mit Gründen nicht die Hand ge- Fremden, die sehr klar – und ben könne und als Ehrerbie- manchmal auch militant – tung die Hand aufs Herz ge- ihre Rituale und Verhaltenslegt. Die Lehrerin jedoch be- weisen anwenden wollen, stand auf dem Handschlag. erkennt der autochthone Vielleicht erinnerte sie sich Deutsche seine Schwäche. an einen Fall in der Schweiz, Und er richtet sich wieder wo die Schulbehörde die etwas auf an seiner TraditiPflicht zum Händedruck on, wo es schon keine Hüte durchsetzte, da das öffentli- mehr gibt, die man lupfen che Interesse an der Gleich- kann und nur noch der Russtellung von Mann und Frau se und Österreicher einer sowie die Integration von Dame die Hand zu küssen Ausländern „erheblich“ die pflegt. Glaubensfreiheit überwiege. Der Handschlag ist eleDer erzürnte Berliner Imam mentar wie die Sprache eihingegen sagte in Inter- nes Menschen. Denn durch views, man könne von ihm die Berührung erfährt man erwarten, dass er sich an die viel über den anderen und Gesetze des Landes halte, erlebt zudem eine Anerkenaber nicht, dass er alle kultu- nung durch den direkten rellen Gepflogenheiten der Blick in die Augen. So steht Deutschen kopiere. Die es noch heute im Knigge. Schule eiert, weil sie Scha- Seit biblischen und antiken den befürchtet. Denn es gibt Zeiten wird auf diesem Wenicht wenige Stimmen, wie ge Vertrauen hergestellt, etwa die der ersten Auslän- werden Verträge geschlosderbeauftragten des Berli- sen, zeigen Krieger, dass sie ner Senats, Barbara John keine Waffe mehr in der (CDU), welche die Lehrerin Hand haben. Man ertastet kritisieren und mehr „Gelas- den Charakter des anderen. senheit“ anmahnen im Um- Aus dem innermännlichen gang mit den Muslimen. Ritual ist im Laufe der Zeit Zurück zur Lehrerin: War ein gleichberechtigtes Signal sie wirklich verbohrt? Hätte geworden: Die Frau gibt dem sie nicht nachgeben können? Mann die Hand. Und er Gelassenheit ist ein großes nimmt sie. All die Betonung Wort. Es endet verlogen in von Leitkultur und GrundWurstigkeit. Und das ist gesetz verkennt: Es sind die doch das eigentliche, das kleinen Gesten des Alltags, deutsche Problem: Rituale die Respektbezeugungen, und Höflichkeitsformen die das Zusammenleben prädrohen aus dem öffentlichen gen. Es ist eine Bringschuld Raum zu verschwinden. derjenigen mit MigrationsWelcher Jugendliche gibt hintergrund, da somit signanoch Erwachsenen freiwillig lisiert wird, das Land, in die Hand? Welcher junge dem man lebt, als VorderMann hält noch einer Frau grund zu sehen. Und deshalb die Tür auf? Wer grüßt fröh- sollten das auch Muslime lich seine Mitmenschen und beherzigen. Sie müssen ja bekommt auch noch umge- kein Bier trinken oder hend ein „guten Morgen“ Schweinefleisch essen. Aber zurück? Es sind noch immer sie sollten sich endlich in die viel mehr Menschen als ge- Hände der Frauen begeben. Auf der Suche nach Kerim Ucar versuchten wir, so auszusehen, dass Kerim Ucar uns nicht für unsittsam halten würde. Also so, wie wir glaubten, dass Herr Ucar sich eine sittsame Frau vorstellt. Obenrum: ein Tuch, mit dem man die aus Imamsicht möglicherweise unsittsam freien Schultern bedecken können würde und die grüne Strickjacke einer Kollegin, die ungefähr 20 Zentimeter kleiner ist als wir. Untenrum war schwieriger. Wir fragten Kolleginnen nach eventuell im Büro vorrätig gehaltenen langen Röcken. Wir verwarfen den Gedanken, bei H & M vorbeizufahren, um uns kulturell respektvoll einzukleiden. Wir wollten einen Imam in seiner Moschee besuchen. Gehst du in eine Moschee, halte die Regeln der Moschee ein, darum ging es. Schließlich, in einem Anfall kultureller Selbstbesinnung, beschlossen wir, es anpassungsmäßig beim Obenrum zu belassen. Wir zupften unsere Röcke ein bisschen tiefer, ungefähr bis ans Knie. Reichte das nicht als Zeichen des Respekts? Doch. Also los. Zuvor hatten wir ihm eine Mail geschrieben: Wir würden gern „Herrn Ucar die Gelegenheit geben zu erklären, warum es ihm verboten ist, einer Frau die Hand zu geben.“ Niemand antwortete. Es ist jetzt natürlich nötig, zu erklären, wer Kerim Ucar ist. Bis vor ein paar Tagen war er ein relativ unbekannter Berliner Türke, Beruf: Imam. Seit Freitag ist er der türkische Berliner Imam, welcher der Lehrerin seines Sohnes nicht die Hand geben wollte. Der Imam war mit seiner Frau zum Elterngespräch gebeten worden, weil sein Sohn sich auf dem Schulhof geprügelt hatte. Es handelte sich um die Platanusschule in Pankow, eine Privatschule, bilingual geprägt. Englisch und Deutsch haben hier Priorität. Eltern, die ihre Kinder hier lernen lassen, sind vermutlich nicht total desinteressiert an europäischen Werten. Die Lehrerin empfing die Eltern. Sie reichte beiden die Hand, die Mutter nahm sie, der Vater jedoch nicht. Die Lehrerin forderte den Imam nun auf, ihre Hand zu greifen, er lehnte ab. Einmal, zweimal, dreimal und viermal. Der Grund: die Lehrerin sei eine Frau, und er, Kerim Ucar, gebe Frauen nun mal nicht die Hand, auch dann nicht, wenn er viermal dazu aufgefordert werde. Die Lehrerin erklärte dem Imam, dass er sich den Regeln, der Kultur seines Gastlandes anzupassen habe. Der Imam wies das später im Gespräch mit dem rbb (Rundfunk Berlin-Brandenburg) zurück. Er sagte, dass er lediglich die Gesetze des Gastlandes berücksichtigen müsse. Kulturelle Anpassung sei nicht seine Pflicht. Kerim Ucar lebt seit 15 Jahren in Deutschland und spricht nur wenig Deutsch. Dem rbb erklärte er den Grund für seine schlechten Deutschkenntnisse: Er habe sich um seine Gemeindearbeit gekümmert, hatte also keine Zeit, Deutsch zu lernen, sagte er. Imam! Was ist so schlimm an einer Frau? Er wollte der Lehrerin seines Sohnes nicht die Hand geben. Wir suchten den Geistlichen in seiner Moschee in Berlin-Wedding. Und fanden etwas anderes heraus – über uns selbst RBB PRO Kerim Ucar gemeinsam mit seiner Frau Dilek © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung WELT KOMPAKT -2016-06-29-sil-16 5692aa55e384977d8b6d5a97812bb0ed DIE WELT KOMPAKT REPORT 17 MITTWOCH, 29. JUNI 2016 Es wird schon so sein, dass der Imam viel zu tun hat. Hinzu kommt aber auch, dass in Berlin weder Deutschkenntnisse noch kulturelle Integration wirklich erforderlich sind, um sehr gut durch den Alltag zu kommen. Richtig ist außerdem, dass die Gesetze Deutschlands niemanden zwingen, die hiesige Kultur anzuerkennen. Was soll das auch sein, die deutsche Kultur? Es gibt Leute, die permanent Hände schütteln wollen, es gibt Leute, die zum Wangenkuss übergegangen sind. Es gibt Leute, die aus Angst vor Bakterien jeglichen Körperkontakt meiden. Es gibt ziemlich viel Kultur in Deutschland. Das wusste sicherlich auch die Lehrerin, als sie den Imam aufforderte, ihre Hand zu schütteln. Man wüsste gern, warum sie beim Imam aufs Handschütteln bestand. Leider kann man sie nicht fragen, denn sie und die Schulleitung reden nicht mit den Medien. Man kann nur mutmaßen. Vorstellbar ist, dass es die Lehrerin nervte, dass Kerim Ucar ihre Hand zurückwies, dass es sie nervte, weil sie wusste, dass es damit zu tun hatte, dass sie eine Frau ist. Möglicherweise war das ihr Anspruch: Gehst du in eine Schule, halte dich an die Regeln der Schule. Kerim Ucar sah es anders. Auch außerhalb der eigenen Kultur zog er seine Regeln durch. Und sie ebenso. Toleranz und Respekt, zwei Grundsätze der Demokratie, prallten also an der Platanusschule ziemlich exemplarisch gegeneinander. Das Elterngespräch eskalierte und wurde abgebrochen. Der Imam kündigte an, seinen Sohn von der Schule abzumelden. Er ging zur Polizei und zeigte die Lehrerin an. Und irgendwie irrsinnigerweise könnte er damit durchkommen. Denn Frauen die Hand zu schütteln gebietet in Deutschland niemand. Religionen zu achten schon. Die Sache mit der Hand war der Grund, warum wir Kerim Ucar suchen gingen. Wir wollten ihn fragen: Was ist an einer Frauenhand so schlimm? Was ist an einer Frau so schlimm? Was ist los mit dem Islam, mit dem Koran und mit den muslimischen Männern? Die Moschee liegt in Wedding, einem Stadtteil, der überwiegend von Türken bewohnt wird. Es handelte sich um die Cafer-Sadik-Moschee, und es steigerte nicht gerade unser gutes Gefühl, dass Google erhellte, dass diese Moschee ein „geheimer Treffpunkt der Hisbollah“ ist oder war. „Imam Khomeini hat der ganzen Welt die Tore der Liebe und Brüderlichkeit der islamischen Religion geöffnet. Die Menschen haben durch diese großartige Persönlichkeit gesehen, was für eine schöne Gesellschaft der Koran schaffen kann“ – das soll Imam Ucar vor ein paar Jahren bei einem Besuch im Iran gesagt haben. Der Imam selbst sah bei Google ganz nett aus. Ein Typ mit schwarzem Hipsterbart, Scheitel und weißen Zähnen. Er sah aus wie einer, der absolut nichts gegen Frauen in kurzen Röcken hat. Es war gar keine unangenehme Vorstellung, ihm gleich in seinem Imambüro kräftig die Hand zu schütteln. Es war dann aber doch ein komisches Gefühl, vor der Moschee zu stehen. Sie sah aus wie ein Mietshaus.Das Haus hatte so viel mit unse- rer Vorstellung von einer Moschee zu tun, wie eine HEM-Tankstelle mit einer gotischen Kathedrale. In einer Vitrine waren die geistlichen Werke von Kerim Ucar ausgestellt, auf Türkisch natürlich. Ob er in seinen Werken wohl noch immer die Weisheit des Ajatollah Khomeini preist? Und wenn ja, wie viel geht uns das eigentlich an in einem Land, in dem alle Religionen unter Verfassungsschutz stehen? Die Sonne knallte auf unsere Strickjacke und das Tuch. Die Tür ließ sich öffnen, einfach mit dem Türdrücker. Was würden sie mit uns machen, da drin? Sie machten dann gar nichts mit uns. Sie – das waren ungefähr fünf Männer, die in der Teestube der Moschee saßen. Die Männer saßen da und tranken vermutlich keinen Tee, denn es war ja Ramadan. Wir näherten uns ihnen – vorsichtig und zielstrebig, wie man sich einem Kind nähert, das gerade eingeschlafen ist. Die Männer waren nicht mehr die Jüngsten. Sie sahen uns an. Nicht unfreundlich. Auch nicht böse. Auch nicht abweisend. Auch nicht frauenfeindlich. Sie sahen uns an, wie man vielleicht eine Fehllieferung von Amazon ansieht. Wie etwas, das einen zwar interessiert, das man aber keinesfalls behalten und bezahlen will. Ihr Deutsch war eher mittelmäßig. Die Sache mit der Hand. Ja, ja, davon hatten sie gehört. Wir zeigten uns gegenseitig unsere Hände, schüttelten sie in der Luft, um sicherzugehen. Man kann auf diese Weise sehr viel erklären. Zum Beispiel: Frauen berühren geht nicht. Die Männer schüttelten die Köpfe. Folgende Frauen berühren geht: Mutter, Schwester, Tante, Tochter, Nichte, Cousine, Ehefrau. Jede andere Frau anfassen geht nicht. Aus Achtung. Was an einer Berührung respektlos sei? Die Begierde. Der Imam hatte also Angst gehabt, die Lehrerin begehren zu können, und das vermeiden wollen. Ähm. Okay. Hatten sie alle ernsthaft noch nie eine Frau mit der Hand begrüßt? Doch. Doch? Wenn es nicht anders geht oder wenn die Situation missverständlich oder unübersichtlich sei, wenn eine Frau, die es nicht wissen kann, eine Deutsche zum Beispiel, ihnen die Hand hinstreckt, dann, sagten die Männer, reichen sie ihr ebenfalls die Hand, um sie nicht zu beleidigen. Oder, um beim Bild von oben zu bleiben: Kommt einer in die Moschee, der die Regeln der Moschee nicht kennt, mach kein Drama draus. Zumindest darin unterscheiden sich die Männer der Cafer-Sadik-Moschee von ihrem Imam, aber auch von der Lehrerin der Platanusschule. Man muss sagen, dass wir uns mit den Männern prima verstanden. Sie ließen uns leider ausrichten, dass Imam Kerim Ucar nicht da sei, was vielleicht stimmte, vielleicht aber auch nicht. Wenn du in eine Moschee gehst, richte dich nach den Regeln der Moschee. Wir richteten dem Imam zum Abschied Grüße aus. Grüße ausrichten gehört sich in Deutschland. Die Männer lächelten. Wir gaben uns nicht die Hand. CONTRA Nicht zum Handschlag zwingen F EVA MARIA ührt eiBotschaft ist, KOGEL gentlich ethnologisch gejemand eisprochen, immer ne Statistik darüdieselbe. Wenn Franzosen sich ber, wie viele Luftküsse auf Männer gerade Wangenhöhe zuFrauen den werfen, wenn Handschlag verDeutsche sich weigern? In die die Hand geben, Öffentlichkeit wenn Araber gelangen solche Fälle jedenfalls immer häu- sich die Hand aufs Herz lefiger. Es scheint ein emotio- gen, dann heißt das so viel nales Thema zu sein. In wie: hallo. Ich trage keine Schweden trat im April ein Waffe bei mir, ich komme in Politiker – der einem musli- Frieden. Diese kulturellen mischen Bekenntnis folgt – Codes sind wichtig für das zurück, weil er einer Jour- soziale Miteinander. Wer nalistin nicht die Hand ge- sie bricht, wer keinem Rituben wollte (das lag daran, al folgt, der ist verdächtig. dass es sich um eine Frau Denn er hat den Respekt handelte, und nicht, weil sie verweigert. Im Berliner Fall hat der Journalistin war). Die CDUVorsitzende in Rheinland- Imam die kulturellen Codes Pfalz Julia Klöckner weiger- nicht gebrochen. Er hat nur te sich im vergangenen einen Code benutzt, den Jahr, einen Imam zu tref- die Lehrerin nicht verstanfen, nachdem er angekün- den hat – oder, möchte man digt hatte, ihr den Hand- fast vermuten: nicht versteschlag zu verwehren. Und hen wollte. Zur Begrüßung in der Schweiz wurde hat der Imam stattdessen jüngst von Amts wegen ge- einen Ersatz geboten: Als klärt, dass zwei muslimi- Zeichen der Ehrerbietung sche Schüler dazu ver- hat er sich die Hand auf die pflichtet seien, ihrer Lehre- Brust gelegt. Das ist in vierin die Hand zu geben. Es len Gesellschaften eine scheint zumindest, als wür- durchaus gängige Formel. den sich Fälle dieser Art Der deutschen Lehrerin reichte das nicht, sie fühlte häufen. In Deutschland könnte sich herabgesetzt, und zwar die Frage, wie man sich in ihrer Rolle als Frau. Wer denn nun am besten be- hat eigentlich bestimmt, grüßt, demnächst ein Fall dass man sich als Zeichen Respekts anfassen für die Behörden werden. des Der Berliner Polizei liegt muss? Respekt kann man die Anzeige eines Vater auch anders zollen. Was auffällt an den ganvor, der sich von der Lehrerin seines Sohnes diskri- zen Fällen, die durch die miniert fühlt. Die hatte bei Öffentlichkeit geistern: Es mehreren Treffen darauf handelt sich nur um Vorfälbestanden, ihm die Hand le, bei denen Muslime den verweigern. zu schütteln. Der Vater, Handschlag ein Imam, hat das stets Dabei ist auch anderen orBekenntnissen verweigert. Die Lehrerin thodoxen wurde wütend, sehr wü- der Hautkontakt zwischen tend, schnell war die Rede Mann und Frau verboten. von mangelndem Respekt, Wie oft haben orthodoxe die Lehrerin soll am Juden schon Frauen in Schluss gebrüllt haben. Deutschland nicht die Hand Der Vater fühlte sich da- geben wollen? Und wenn von diskriminiert. Und sie es verweigern: Wird es trug den Streit um ein als dann auch als grundsätzlifalsch empfundenes Gruß- ches Zeichen der Missachtung gelesen? Es scheint ritual zur Judikative. Dabei könnte alles so ein- beinahe, als stünden Muslifach sein. Wenn Menschen me hier häufiger im Fokus. sich begegnen, dann begrü- Es wird Zeit, dass wir ehrlißen sie sich. Das ist in allen cher sind bei diesen DiskusKulturen so, nur die Rituale sionen – und nicht mit dafür sind verschieden. Die zweierlei Maß messen. © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung WELT KOMPAKT -2016-06-29-sil-16 5692aa55e384977d8b6d5a97812bb0ed 18 BILDER DIE WELT KOMPAKT MITTWOCH, 29. JUNI 2016 Fischen mit Feuer © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung REUTERS/ TYRONE SIU (5) Unter dem nachtschwarzen Himmel Taiwans setzt eine Gruppe Fischer Segel Richtung der nordöstlichen Küste. Die Bambusstäbe in ihren Händen sind getränkt mit brennbaren Chemikalien. Streichholzfunken springen auf die Stäbe über und erleuchten die Dunkelheit. Die Gruppe muss nicht lange warten: Wie ein Magnet zieht das Licht Hunderte Fische aus dem Wasser. Die Männer schwingen ihre Netze und ziehen den Fang in die Boote. Von anfänglich 300 Booten sind nur drei geblieben. Feste Einkünfte hat keiner der Männer. In einer guten Nacht lassen sich schon mal 4000 Euro mit einem Fang verdienen – die Ausnahme. Doch die Regierung unterstützt die Fischer, damit sie auch in Zukunft ihre traditionelle Technik des Feuerfischens fortsetzen können. WELT KOMPAKT -2016-06-29-sil-16 5692aa55e384977d8b6d5a97812bb0ed WIRTSCHAFT nsgesamt 15 Milliarden Dollar, umgerechnet 13,6 Milliarden Euro, wird Volkswagen die Abgasaffäre in den USA kosten – eine Mega-Strafe im Vergleich zu dem, was andere Autobauer bei Abgasmanipulationen zahlen mussten. Die Wolfsburger werden auch deshalb so hart rangenommen, weil sie die Behörden getäuscht und vorsätzlich betrogen haben und weil sie zu Beginn der Affäre auch noch mauerten, anstatt mit aufzuklären. VON NIKOLAUS DOLL UND PHILIPP VETTER Doch die Strafe ist vor allem deshalb so drakonisch, weil Volkswagen ein tausendfacher Umweltsünder ist, weil die rund 475.000 Autos in den USA mit ihrer Betrugssoftware die Luft verschmutzt und die Gesundheit von US-Bürgern gefährdet haben. Die US-Umweltbehörden EPA und CARB reiten mit dieser Begründung ihre heftigen Attacken auf den Autobauer. Nur: Die Strafen und die Auflagen zur Wiedergutmachung werden der Umwelt in den Vereinigten Staaten kaum etwas bringen. Denn als Folge des Vergleichs, den Volkswagen mit den Vertretern der US-Kläger schießt, werden Zehntausende fahrbereite Autos, viele davon so gut wie neu, einfach verschrottet werden. Ein großer Teil der Fahrzeuge mit Betrugssoftware kann nicht mit vertretbarem Aufwand so umgerüstet werden, dass sie die USUmweltgesetze einhalten. Genutzt werden können sie damit nicht mehr. Eine Ausfuhr in ein Land außerhalb der USA ist aber auch nicht möglich. „Produkte, die nicht mit den Gesetzen der Vereinigten Staaten im Einklang stehen, können nicht einfach exportiert werden. Sie sind illegal und das Problem kann nicht gelöst werden, in dem man es einfach außer Landes schafft“, sagt eine mit den Vergleichsverhandlungen vertraute Person in den USA gegenüber der „Welt“. Volkswagen hat für eine ganze Reihe von Fahrzeugen noch immer keine technische Lösung zur Umrüstung vorgelegt, die von EPA oder CARB akzeptiert wird. Sollte VW am Ende keinen Plan zur Nachrüstung präsentieren können, den die USUmweltbehörden annehmen, müssen die entsprechenden Autos zerlegt werden, am schlimmsten Fall in die Schrottpresse. Dabei kann es sich um Tausende Autos handeln. Selbst wenn vorab viele Teile ausgebaut und wiederverwertet werden können: Gut für die Umwelt ist das nicht. Mit insgesamt 15 Milliarden Dollar wird der Vergleich für VW nun noch einmal erheblich teurer als in den vergangenen Tagen angenommen. Die Summe selbst geht aus der außergerichtlichen Einigung hervor, die gestern offiziell beim Gericht in San Francisco eingereicht wird. Demnach wird VW den größten Teil, nämlich 10,03 Milliarden Dollar (9,06 Milliarden Euro) an die Besitzer der betroffenen Autos zahlen müssen. Das Geld wird für den Rückkauf der Fahrzeuge, ihre Reparatur und die Entschädigung der Eigentümer eingesetzt. Besitzer, die sich entscheiden, das Auto an VW zurückzugeben, bekommen je nach Alter, Zustand und Laufleistung nach „Welt“-Informationen für ihren VW zwischen 12.475 und 32.867 Dollar. AudiFahrer bekommen bis zu 44.176 Dollar. Entscheiden sich die VW- und Audi-Kunden dafür, das Auto kostenlos nachrüsten zu lassen, gibt es dafür zwischen 5100 und 9852 Dollar. Die Entschädigung, die zusätzlich zum Rückkaufpreis bezahlt wird, richtet sich ebenfalls nach dem Alter und Wert des Autos. Besitzer bekommen zusätzlich einen Aufschlag von 20 Prozent des Fahrzeugwertes plus knapp 3000 Dollar. Maximal kann die Entschädi- Endstation Schrottpresse „Dieselgate“ wird Volkswagen in den USA 13,6 Milliarden Euro kosten. Dieser Deal könnte für eine gigantische Umweltsünde sorgen PA/ DPA/ INGO WAGNER I MITTWOCH, 29. JUNI 2016 VW-Neuwagen stehen in Emden zur Verschiffung bereit gung damit rund 10.000 Dollar zusätzlich zum Fahrzeugwert betragen. Wer das betroffene Auto nur geleast hat, kann den Vertrag vorzeitig beenden und muss dafür keine Strafgebühr bezahlen. Zusätzlich erhält jeder Leasing-Nehmer die Hälfte der Entschädigung, die einem Käufer des gleichen Modells zugestanden hätte. Die Entschädigung bewegt sich damit zwischen 2550 und 5000 Dollar. Zusätzlich zum Rückkaufpreis und der Entschädigung bekommen die Kläger auch ihre vollen Anwaltskosten von VW erstattet. Bei der Summe von 10,03 Milliarden Dollar handelt es sich um den Maximalbetrag, wenn tatsächlich alle betroffenen Besitzer ihre Autos zurück- geben würden. Sollten einige ihre Fahrzeuge weiterfahren wollen, könnten die Kosten für VW niedriger ausfallen. Es ist nicht damit zu rechnen, dass alle VW-Kunden tatsächlich reagieren und ihr Auto zurückgeben oder umrüsten lassen. Rückrufe können in den USA nicht wie in Deutschland rechtsverbindlich durchgesetzt werden. Darüber hinaus verstoßen die betroffenen Wagen von VW trotz Einsatzes der Betrugssoftware in vielen USBundesstaaten nicht gegen die Umweltgesetze. Volkswagen hat für die Abgasaffäre bislang 16,2 Milliarden Euro zurückgestellt. Weitere 2,7 Milliarden Dollar (2,4 Milliarden Euro) muss VW an die Umweltschutzbehörden EPA und CARB SEITE 19 bezahlen, die mit dem Geld einen Fonds finanzieren, der Stickoxide in der Umwelt reduzieren soll. Das Geld soll über drei Jahre eingezahlt werden. Damit könnten unter anderem Anlagen zur umweltfreundlichen Energiegewinnung gebaut oder ein Netz von Ladesäulen aufgebaut werden. Zwei Milliarden Euro muss der Wolfsburger Konzern zudem in die Entwicklung von Techniken investieren, die Fahrzeuge komplett ohne schädliche Abgase antreiben. Das könnte unter anderem dadurch passieren, dass Volkswagen im US-Werk Chattanooga (Tennessee) Produktionslinien zum Bau von Elektroautos aufbaut. 603 Millionen Dollar bekommen die US-Bundesstaaten. Mehrere Staaten hatten wegen der Abgasaffäre Volkswagen verklagt – wie es auch das US-Justizministerium und mehrere Landkreise (Countys) getan hatten. Das Gesamtpaket wurde am Dienstagvormittag (Ortszeit) in Kalifornien von den drei Klägern eingereicht. Neben dem US-Justizministerium, das die Umweltschutzbehörden EPA und CARB vertritt, werden auch die Handelskommission Federal Trade Commission (FTC) und die Vertreter der privaten Sammelkläger dem Gericht Dokumente übergeben. Am Donnerstag wird es dann eine kurze Anhörung vor Richter Charles Breyer geben, der sich die Einigungen dann genau ansehen wird. Einen knappen Monat später, am 26. Juli, muss das Gericht dann entscheiden, ob der Vergleich fair und vernünftig ist. Allerdings kann der Richter nur zustimmen oder den Vergleich komplett ablehnen, eine Änderung der Summen kann er nicht veranlassen. Für VW-Kunden in Europa hat der US-Vergleich keine Auswirkungen. Außerhalb der Vereinigten Staaten plant VW keine Entschädigungszahlungen für Besitzer der betroffenen Autos. ANZEIGE Meine Stallhilfe. Mit dem Wissen und der Erfahrung von Landwirten, Wissenschaftlern und Ingenieuren werden Roboter zu Stallhilfen. Vollautomatisch übernehmen sie sämtliche Schritte der Fütterung, von der Zubereitung bis zur Verteilung, bedarfsIGTGEJVWPFƔGZKDGNťUQJCDGP.CPFYKTVGOGJT<GKVUKEJ um das Wohl der Tiere zu kümmern. Weitere Themen auf OQFGTPGNCPFYKTVUEJCHVFGǭ Julia Nissen Landwirtin aus Schleswig-Holstein © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung WELT KOMPAKT -2016-06-29-sil-16 5692aa55e384977d8b6d5a97812bb0ed 20 WIRTSCHAFT M KOMPAKT NACH TODESFÄLLEN Ikea ruft Schränke in Nordamerika zurück Nach mehreren Todesfällen von Kleinkindern durch umkippende Schränke ruft Ikea in den USA und Kanada Kommoden der Serie Malm zurück. Der Rückruf sei auf Nordamerika begrenzt, sagte eine Ikea-Sprecherin. Auf allen anderen Märkten erfüllen die Kommoden demnach die „Anforderungen an die Stabilität“. DEUTSCHE POST Abmahnung wegen Dumpingpreisen Die Bundesnetzagentur wirft der Deutschen Post vor, in Teilen des Marktes für Werbebriefe Wettbewerber mit Dumping-Preisen verdrängen zu wollen. Der Bonner Konzern müsse entsprechende Praktiken bis Ende Juni abstellen, teilte die Regulierungsbehörde mit. FINANZMÄRKTE DATEN VON Marktstimmung in Deutschland gemessen am Angst-Index VDax - - Aktuell W Euphorie Vorheriger Handelstag W Beschwingtheit W Niedergeschlagenheit W Verzweiflung W Gleichgültigkeit Dax Punkte Euro-Stoxx-50 28.06. 9447,28 Dow Jones 28.06. 2758,67 Gold Punkte 28.06. Punkte $/Feinunze 17309,94 28.06. 1309,70 onatelang hatten Gewerkschaften und Arbeitgeber um jeden Cent gefeilscht. Doch am Ende einigte man sich auf ein Ergebnis, mit dem beide Seiten leben können: Der gesetzliche Mindestlohn steigt zum 1.1.2017 um 34 Cent auf 8,84 Euro brutto. Dies gab der Vorsitzende der Mindestlohnkommission, Jan Zilius, in Berlin bekannt. DIE WELT KOMPAKT Ab Januar gibt es 8,84 Euro Arbeitgeber und Gewerkschaften einigen sich in der Kommission auf eine Anhebung des Mindestlohns VON DOROTHEA SIEMS Relative Höhe des Mindestlohns Zwar ist die neue Lohnuntergrenze weit von der gewerkschaftlichen Zielmarke von zehn Euro entfernt. Dennoch ist Stefan Körzell, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), zufrieden: „Bei einer Vollzeitstelle mit 37,5 Wochenstunden bedeutet die Anpassung immerhin 55 Euro mehr im Monat.“ Der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Reinhard Göhner, unterstrich, dass der Kompromiss zeige, dass die Anpassung des Mindestlohns nach klaren Regeln erfolge: „Es gibt weder politischen Händel noch Tarifverhandlungen, sondern eine Erhöhung, die die Tariflohnentwicklung nachzeichnet.“ Es ist die erste Anpassung des vor eineinhalb Jahren eingeführten gesetzlichen Mindestlohns. SPD und Union hatten entschieden, dass eine paritätisch mit Vertretern der Sozialpartner besetzte Kommission alle zwei Jahre die Erhöhung ermittelt. Basis ist dabei die vorangegangene Entwicklung der Tariflöhne. Bei der ersten Anwendung dieser Regel stritten beide Seiten allerdings bis zuletzt darüber, welche Tarifvereinbarungen einzubeziehen seien. Strittig waren dabei die Einigungen in der Metallbranche sowie die im öffentlichen Dienst. Während die Metallvereinbarung jetzt außen vor blieb, weil sie ab 1. Juli gilt – und damit erst nach dem vereinbarten Stichtag Ende Juni greift – floss der Abschluss des öffentlichen Dienstes in die Neuberechnung des Monatlicher Mindestlohn (1473 Euro bei Vollzeitbeschäftigung) in Prozent des Durchschnittsverdienstes von Vollzeitbeschäftigten, 2014 Kaitz-Index in Prozent unter 40 40 bis unter 45 45 bis unter 50 50 bis unter 55 55 bis unter 60 60 bis unter 65 65 und mehr Quelle: Statistisches Bundesamt Mindestlohns ein, da dieser rückwirkend zum 1. März wirksam wird. Das Gremium legte auch einen ersten Bericht über die Auswirkungen des Mindestlohns vor. Allerdings sei es zu früh, um die Wirkung fundiert beurteilen zu können, sagte der Kommissionsvorsitzende. Weder könnten die Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Betriebe eindeutig beurteilt werden, noch die langfristigen Folgen für die Beschäftigung. Zumal die Einführung des Mindestlohns in einem ei- nem konjunkturell guten Klima stattgefunden habe, sagte Zilius. Der Bericht zeigt, dass die von vielen Ökonomen befürchten negativen Folgen für den Arbeitsmarkt bisher weitgehend ausgeblieben sind. Lediglich bei den Minijobs gab es einen spürbaren Rückgang. So lag die Zahl der Minijobber im Frühjahr 2015 im Vergleich zum Vorjahresmonat um fast 130.000 niedriger. Zum Teil wurden die geringfügigen Beschäftigungen allerdings in sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze umgewandelt. Auf MITTWOCH, 29. JUNI 2016 die Zahl der Erwerbslosen hatte der Abbau der Minijobs keine nachweislichen Folgen, zumal viele der geringfügig Beschäftigten Rentner und Studenten sind, die nicht arbeitslos sein können. Auch haben zahlreiche Arbeitnehmer den Minijob nur als Nebenerwerb zu einer regulären Stelle und sind somit ebenfalls nicht erwerbslos, falls ihr Minijob abgebaut wurde. Doch nicht nur die Warnungen vor Bremsspuren auf dem Arbeitsmarkt haben sich bislang als übertrieben erwiesen. Auch die Erwartungen, dass die gesetzliche Lohnuntergrenze ein wirksames Instrument zur Armutsbekämpfung sei, wird durch die Statistiker widerlegt. Denn die Zahl der sogenannten Aufstocker, die zusätzlich zu ihrem Lohn ergänzende Hartz-IV-Leistungen beziehen, ging im vergangenen Jahr lediglich um zwei Prozent zurück, wie Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigen. Und so beziehen hierzulande trotz des Mindestlohns noch immer rund 1,25 Millionen Erwerbstätige ergänzende HartzIV-Leistungen. Denn ein Großteil der Aufstocker arbeitet nur Teilzeit, oft wenige Stunden in der Woche: Bei ihnen handelt es sich um Hartz-IV-Bezieher, die sich ein Taschengeld hinzuverdienen. Unter den Vollzeit Beschäftigten, die von ihrem Lohn nicht leben können, dominieren Eltern mit mehreren Kindern. Auch hier hilft der Mindestlohn in aller Regel nicht, da der Monatslohn, der sich daraus ergibt, bei gut 1470 Euro liegt und somit bei großen Familien nicht ausreicht, um das Existenzminimum plus Wohnkosten abzudecken. Bislang profitieren nach amtlichen Schätzungen bis zu vier Millionen Beschäftigte vom Mindestlohngesetz: 2,9 Millionen im Westen und 1,1, Millionen im Osten. Damit erhalten knapp elf Prozent der Beschäftigen in den alten Bundesländern seit 2015 mehr Geld. In den neuen Ländern ist die Quote doppelt so hoch. DAX Name Schluss 28.06. Adidas NA 122,65 124,00 Allianz SE vNA BASF NA 65,81 89,14 Bayer NA Beiersdorf 80,57 BMW St 65,83 Commerzbank 5,94 170,00 Continental Daimler NA 53,68 Deutsche Bank NA 12,65 Deutsche Börse NA 73,67 24,26 Deutsche Post NA Deutsche Telekom NA 14,40 8,36 E.ON NA Fres. Med. Care 76,75 63,64 Fresenius SE&Co HeidelbergCement 67,65 105,40 Henkel Vz. Infineon NA 12,63 Linde 122,35 Lufthansa vNA 10,40 Merck 88,16 Münchner Rück vNA 145,10 38,21 ProSiebenSat.1 RWE St. 12,71 SAP SE 66,40 Siemens NA 89,19 ThyssenKrupp 17,54 107,85 Volkswagen Vz. Vonovia SE 32,14 +/% +2,42 +3,20 +0,95 +2,48 +1,86 +0,24 +1,09 +2,04 +0,58 +0,84 +4,30 +2,47 +3,04 +1,60 +4,52 +2,74 +2,55 -0,43 +2,19 +0,87 +3,48 +2,70 +0,94 +0,55 +4,74 +1,84 +2,06 +3,18 +1,65 -0,33 52 Wochen Hoch Tief 124,8 62,51 170,0 119,1 85,87 56,01 138,0 83,45 89,54 67,92 104,9 65,01 12,30 5,76 231,9 165,9 86,59 52,00 32,31 12,07 87,41 69,80 29,10 19,55 17,57 13,39 12,69 7,08 83,17 63,10 70,00 52,39 79,99 58,17 113,1 87,17 14,20 8,32 182,6 113,5 15,41 9,90 98,82 70,68 193,7 142,8 50,95 37,00 20,58 9,13 75,75 53,91 100,9 77,91 25,13 12,56 218,6 86,36 33,10 24,92 Die Milch macht’s – nicht mehr Krisengebeutelt mit unrentablen Preisen hoffen Landwirte zum Bauerntag auf die Politik M itten in der Milchkrise wollen Landwirte auf dem Deutschen Bauerntag ab Mittwoch wichtige Weichen für ihre Zukunft stellen. „Wir erwarten, dass uns die Politik in der Krise flankierend durch Kostenreduzierungen und Wirtschaftsprogramme hilft“, erklärte am Dienstag der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbands (BDV), Bernhard Krüsken, vor Journalisten in Han- nover. Gesunkene Weltmarktpreise und der russische Importstopp für EU-Agrarprodukte haben bei vielen Betrieben zu heftigen finanziellen Einbußen geführt. Betroffen sind vor allem Milchbauern, doch auch bei Schweinefleisch sowie bei Obst und Gemüse war die Lage kritisch. Das von der Bundesregierung in Aussicht gestellte Unterstützungspaket sei „noch nicht in trockenen Tüchern“, sagte Krüsken. Sowohl Bun- deslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) wie auch EU-Agrarkommissar Phil Hogan stünden am zweiten Tag des Bauerntages daher bei ihren Reden vor den rund 600 Delegierten in der Pflicht. Sie sollen sich konkreter zu ihren Versprechungen einer weiteren Unterstützung für die in Finanznot geratenen Milchbauern äußern. Mit Blick auf Hilfe aus Brüssel meinte Krüsken: „Die Unbekannte liegt im Moment in © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung Europa, da ist noch keine Richtung erkennbar.“ Für den Bund hatte Schmidt bei einem Milchgipfel mit Vertretern von Bauern, Molkereien und Handel Ende Mai bereits Nothilfen von „100 Millionen plus X“ zugesagt. Dabei geht es zum großen Teil um weitere Bundeszuschüsse zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung. Die Größenordnung des X soll Schmidt auf dem Bauerntag konkretisieren. WELT KOMPAKT -2016-06-29-sil-16 5692aa55e384977d8b6d5a97812bb0ed ANZEIGE RENAULT TALISMAN GRANDTOUR Willkommen in der Komfortzone Der Renault Talisman Grandtour im Überblick 1 Wahrer Komfort ist, wenn Ihnen Ihr Wagen schon vor dem Einsteigen die nächste Fahrt so angenehm wie möglich macht – so wie der Renault Talisman Grandtour. Mit der Keycard Handsfree werden die Türen und/oder die Heckklappe bei Annäherung schon automatisch entriegelt. Zudem begrüßt der Wagen den Fahrer, indem er den Innenraum erleuchtet, die Außenspiegel aufklappt und die Tagfahrlichter sowie die Ambiente-Beleuchtung4 einschaltet. Dabei lässt sich vorab über das MULTI-SENSE System für verschiedene Stimmungen die AmbienteFarbe einstellen. Zur Verfügung stehen Grün, Blau, Sepia, Rot und Violett. Auch alle motor-, getriebe- und fahrwerksbezogenen Technologien, aber auch die Komfortfunktionen wie die Massagesitze6 und der Motorsound lassen sich über dieses System von einem zentralen Punkt aus steuern. Komfortabel ist beim Renault Talisman Grandtour auch, dass sich die elektrische Heckklappe mit Fußsensor2 öffnen lässt, indem einfach ein Fuß unter den hinteren Stoßfänger gehalten wird. Dadurch wird das Be- und Entladen vereinfacht, selbst wenn die Hände nicht frei sind. Wer hinter dem Steuer Platz nimmt, spürt den Unterschied sofort. Die großzügige Bewegungsfreiheit, die handwerklich perfekte Verarbeitung der hochwertigen Materialien und die durchdachte Ergonomie vermitteln das gute Gefühl eines gehobenen Lebensstils. Der Komfort geht dabei aber nicht zulasten der praktischen Eigenschaften. Das Laderaumvolumen lässt sich durch ein paar einfache Handgriffe auf 1.681 Liter (nach VDA-Norm) erweitern, damit auch größere Transporauf- > Design: stillvolle Persönlichkeit und unverwechselbare Eleganz > Fahrspaß: individualisierbares MULTI-SENSE System und dynamische Allradlenkung 4CONTROL2 > Komfort: gehobene Verarbeitung und innovative Technologien > Einstiegspreis: ab 28.950,– Euro3 gaben gemeistert werden können. Auch Sicherheit wird im Renault Talisman Grandtour großgeschrieben. Deswegen verfügt er neben seiner vorbildlichen passiven Sicherheitsausstattung über zahlreiche Fahrerassistenzsysteme, die je nach Ausstattungsniveau serienmäßig oder optional sind: Der Notbremsassistent2 warnt per optischem und akustischem Signal, wenn gebremst werden muss. Erfolgt keine oder keine ausreichende Bremsung, greift er ein und bremst das Fahrzeug automatisch ab. Der adaptive Tempopilot2 reguliert die Geschwindigkeit und hilft, einen zuvor festgelegten Sicherheitsabstand zum vorausfahrenden Fahrzeug einzuhalten. Hinzu kommen Spurhalte-, Sicherheitsabstandund Toter-Winkel-Warner2, Verkehrszeichenerkennung5, Rückfahrkamera2, Fernlichtassistent5 und ein Head-up-Display2. Zu den Ausstattungsmerkmalen des Renault Talisman Grandtour gehören zudem eine AkustikVerglasung der Windschutzscheibe, elektrische Fensterheber vorn und hinten sowie eine 2-Zonen-Klimaautomatik. Sie ist nicht nur mit Partikel- und AktivkohleFiltern ausgestattet, sondern hat auch einen Beschlagsensor, um je nach Bedarf für freie Sicht zu sorgen. Wird am Ziel der Motor ausgeschaltet, fährt der Fahrersitz um 50 Millimeter zurück 2, um das Aussteigen zu erleichtern. Jede Fahrt mit dem Renault Talisman Grandtour wird so zum komfortablen Erlebnis. HEAD-UP-DISPLAY BOSE ® SURROUND SOUND-SYSTEM RAUMANGEBOT ZUM WOHLFÜHLEN Vorausblickend ausgestattet Der richtige Klang Einladend intelligent Ein praktisches Ausstattungsmerkmal des Renault Talisman Grandtour ist das Head-up-Display2, das Warnmeldungen, aber auch Navigations- und Geschwindigkeitshinweise direkt ins Blickfeld projiziert und damit für maximale Aufmerksamkeit sorgt, ohne dass der Blick von der Straße genommen werden muss. Das BOSE® Surround Sound-System2 sorgt im Renault Talisman Grandtour mit 12 Hochleistungslautsprechern für kristallklaren Klang. Es wurde speziell an den Innenraum des Wagens angepasst, sodass alle Passagiere auf jedem Platz von kraftvollem und ausgeglichenem Klang umgeben sind. Beim Renault Talisman Grandtour erwartet die Passagiere ein großzügiges Raumangebot mit Wohlfühlcharakter. Dafür sorgen zum Beispiel der Fahrer- und Beifahrersitz mit ihrer Massagefunktion6 und die hochwertigen Materialien im Innenraum, die ein luxuriöses Gefühl vermitteln. Renault Talisman Grandtour ENERGY dCi 110: Gesamtverbrauch innerorts/außerorts/kombiniert (l/100 km): 4,2/3,5/3,7; CO2-Emissionen kombiniert (g/km): 98. Renault Talisman Grandtour: Gesamtverbrauch kombiniert (l/100 km): 6,0–3,7; CO2-Emissionen kombiniert (g/km): 135–98 (Werte nach Messverfahren VO [EG] 715/2007). 1) 3 Jahre Renault Neuwagengarantie und 2 Jahre Renault Plus Garantie (Anschlussgarantie nach der Neuwagengarantie) gem. Vertragsbedingungen für 60 Monate bzw. 100.000 km ab Erstzulassung; 2) Serienmäßig oder optional (gegen Aufpreis), verfügbar ab Ausstattungsniveau Intens; 3) UPE zzgl. Überführung für einen Renault Talisman Grandtour Life ENERGY dCi 110; 4) Serienmäßig ab Ausstattungsniveau Intens; 5) Je nach Version serienmäßig oder optional (gegen Aufpreis). 6) Fahrersitz mit Massagefunktion serienmäßig. Für Beifahrersitz gilt: serienmäßig oder optional (gegen Aufpreis), verfügbar ab Ausstattungsniveau Intens. Renault Deutschland AG, Postfach, 50319 Brühl DER RENAULT TALISMAN IST WELT-KLASSE. MEHR INFORMATIONEN UNTER WWW.WELT.DE/WELT-KLASSE © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung WELT KOMPAKT -2016-06-29-sil-16 5692aa55e384977d8b6d5a97812bb0ed 22 WIRTSCHAFT DIE WELT KOMPAKT MITTWOCH, 29. JUNI 2016 Foodwatch kritisiert Cola-Werbung EM-Kampagne wider gesunde Ernährung D Am durchgestrichenen Barcode – hier rot gefärbt – scheiden sich die Geister M it so einem Wirbel hatte FacebookNutzer Sascha sicher nicht gerechnet, als er der bayerischen Brauerei Neumarkter Lammsbräu seine scheinbar harmlose Frage stellte. Dem aufmerksamen Kunden war ein seltsamer Querbalken über dem Barcode auf der Bierflasche aufgefallen. COCA COLA VON PHILIPP VETTER Coca-Cola wirbt auf den Getränkedosen mit der Nationalelf nen, gesunden Ernährung“. „Flüssiger Zucker in Form von Cola und Limonade ist besonders gefährlich. Schon eine Dose am Tag erhöht das Risiko für Übergewicht und Typ-2-Diabetes“, erklärte DDG-Präsident Baptist Gallwitz. Eine Dose Cola mit 0,33 Litern Inhalt enthält 35 Gramm Zucker. Coca-Cola wollte keine Stellungnahme abgeben. Der USKonzern ist Hauptsponsor der Euro 2016 und Partner des Deutschen Fußballbundes (DFB). Foodwatch, die DDG und der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte hatten den DFB kürzlich aufgefordert, Werbeverträge mit Coca-Cola, Ferrero und McDonald's zu kündigen. Der DFB solle sein Sponsoring-Konzept überdenken, um seiner Vorbildfunktion und gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden, erklärte DDG-Präsident Gallwitz. „Hallo Lammsbräu, ich bin ein großer Fan eurer Produkte und was ich schon immer mal fragen wollte: was soll der Querstrich im Barcode?“, schrieb er in der vergangenen Woche auf der Facebook-Seite der Brauerei. Seitdem tobt dort ein Glaubenskampf. Viele Nutzer stoßen sich vor allem an der Antwort von Lammsbräu: „Manche Menschen haben Sorge, Barcodes könnten Energien bündeln und würden damit die Qualität von Nahrungsmitteln beeinflussen“, schreibt die Brauerei. „Eine Wirkung, die sich deren Meinung nach durch einen Querstrich im Barcode neutralisieren lässt. Beides ist bisher wissenschaftlich nicht hinreichend belegt, weshalb wir dieser Theorie neutral gegenüberstehen.“ Da es für Hersteller und Handel keinen Unterschied mache, komme man aber „diesem speziellen Kundenwunsch nach“. Tatsächlich gibt es im Internet eine nicht gerade kleine Gemeinde von Verschwörungstheoretikern, die dem Barcode quasi magische Kräfte zu- Bar jeder Vernunft Einige Unternehmen drucken für Verschwörungstheoretiker Querbalken über ihre Strichcodes. Andere Kunden sind deshalb empört schreibt. Sie glauben, dass durch das Scannen des Strichcodes an der Kasse die Lebensmittel in der Verpackung negativ verändert werden. Wissenschaftlich gesehen, ist das purer Unsinn. Doch einige Unternehmen wollen wie Lammsbräu auch diese Menschen als Kunden für sich gewinnen und drucken deshalb den Querbalken auf ihren Strichcode. Doch das lässt wiederum die Kunden Sturm laufen, die mit dem Aberglauben nichts anfangen können. „,Weshalb wir dieser Theorie neutral gegenüberstehen’ – ernsthaft? neutral?“, regt sich ein Facebook-Nutzer auf. „Das ist schwarze Farbe auf Papier. Schwarze Farbe. Auf. Papier! Ich empfehle dringend einen Psychiater aufzusuchen.“ Immerhin 255 andere klicken „gefällt mir“. Bei Lammsbräu will man sich zu der Diskussion nicht äußern. Ein Sprecher verweist lediglich auf einen Facebook-Beitrag des Unternehmens, in dem der Querstrich erklärt wird. Eingeführt wurde der Balken über dem Strichcode beim Bier erst im vergangenen Jahr. Das Mineralwasser, das die Brauerei ebenfalls abfüllt, wird bereits sei 2013 „entstört“. So nennen die Verschwörungstheoretiker die angebliche Neutralisierung des Codes durch einen Querstrich. Die bayerische Brauerei ist längst nicht das einzige Unternehmen, das sich den wilden Theorien angepasst hat, um möglichst keine Kunden abzuschrecken. Vor allem auf ÖkoProdukten in Reformhäusern findet sich der durchgestrichene Code. Als eines der ersten Unternehmen „entstörte“ der österreichische Tee- und Gewürzhersteller Sonnentor seine Produkte ab 2007. „Wir hatten einige Kundenanfragen dazu, und es FACEBOOK.COM/ LAMMSBRAEU ie Verbraucherschutzorganisation Foodwatch und die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) haben einen sofortigen Stopp der Werbekampagne von Coca-Cola zur Fußball-Europameisterschaft gefordert. Sie legten beim Deutschen Werberat Beschwerde wegen Verstoßes gegen drei Verhaltensregeln für Lebensmittelwerbung ein, wie beide Organisationen am Dienstag mitteilten. Der Getränkekonzern werbe mit den Idolen Müller, Schweinsteiger und Co. und torpediere damit die Bemühungen zahlreicher Eltern und Lehrer, Kinder für eine gesunde Ernährung zu gewinnen, kritisierten Foodwatch und die DDG. Bei der Kampagne „Hol Dir das Team auf 24 Sammeldosen“ sind die Gesichter der Fußballnationalspieler auf Cola-Dosen abgebildet. Damit sei die Kampagne eine direkte Aufforderung zum Kauf oder Konsum an Kinder, erklärten Foodwatch und die DDG. Zweitens nutze der Getränkekonzern das besondere Vertrauen aus, das Kinder „Personen wie den deutschen Fußball-Nationalspielern entgegenbringen“. Drittens erschwere die Werbekampagne das „Erlernen einer ausgewoge- Der Barcode einer LammsbräuFlasche ist per Linie „entstört“ © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung war für uns kein großer Aufwand“, erklärt eine Sprecherin. Doch auch Sonnentor bekam schnell Gegenwind von Kunden, die nicht an die Magie der Streifen glauben. „Wir haben uns dann intensiver damit beschäftigt und beschlossen, dass wir keine Unsicherheiten oder Ängste schüren wollen mit dem Querstrich“, sagt die Sprecherin. Deshalb habe man ihn 2013 wieder abgeschafft. Auch der deutsche Safthersteller Voelkel hat seit einigen Jahren einen „Entstörer“ auf dem Etikett. „Wir wollten die Meinung der Kunden ernst nehmen und dachten: Das tut keinem weh, das kann man als Lebensweise einfach akzeptieren“, sagt eine Sprecherin. Doch da hatte das Unternehmen die Rechnung ohne die Gegner der Verschwörungstheorien gemacht. Nachdem in den vergangenen Monaten vermehrt Proteste gegen den unsinnigen Querbalken eingegangen sind, hat man bei Voelkel beschlossen, den Strich auf dem Barcode wieder zu streichen. Das ist ganz im Sinn von Mercedes Schulze. Sie arbeitet bei GS1 Germany, dem Unternehmen, das die Barcodes vergibt, sodass jede Kombination von dicken und dünnen Strichen genau einem Produkt zugeordnet werden kann. Sie kann über die Theorie vom aktiven Strichcode, der entstört werden muss, nur den Kopf schütteln. „Diese Verschwörungstheorien kommen immer wieder auf“, sagt Schulze. „Der Code ist rein passiv, es gibt keine Strahlung, es ist nur schwarze Tinte auf Papier.“ WELT KOMPAKT -2016-06-29-sil-16 5692aa55e384977d8b6d5a97812bb0ed Guten Morgen. Mittwochmorgen, genaugenommen. So wie es aussieht ein ganz normaler Mittwoch in Deutschland. Aber fangen wir von vorne an: Wenn Sie diese Anzeige lesen, sind Sie vermutlich schon wach. Der Durchschnittsdeutsche ist heute übrigens um 6.48 Uhr aufgestanden, die Männer haben etwa 18 Minuten im Bad verbracht, die durchschnittliche Frau 24,5 Minuten. Sollten Sie jetzt gerade frühstücken: Dafür brauchen die meisten Deutschen weniger als 12 Minuten. Wenn Sie diese Anzeige von vorne bis hinten lesen, wird es heute natürlich etwas länger dauern. Danach geht es an die Arbeit, zu der ja auch die Hausarbeit gehört. In ganz Deutschland werden heute in fast 10 Millionen Haushaltswaschmaschinen 46.000 Tonnen Wäsche gewaschen. Unser Mitleid gilt den Tausenden von Hausmännern und –frauen, die eine Socke in der Wohnung finden, nachdem sie den Waschgang gestartet haben. Noch mehr allerdings werden sich die Menschen ärgern, die nach der Wäsche eine einzelne Socke aus der Waschtrommel ziehen. Diese Socke wird nach unserer Erfahrung für immer alleine bleiben. 19.753.000 Menschen werden heute in einem Restaurant essen. (Falls Sie zu den Menschen gehören, für die eine Fast-Food-Theke kein Restaurant ist, reduziert sich die Zahl auf 5.561.640.) Der Rest wird daheim essen oder ist auf Diät. 9 der Restaurantbesucher werden die Gelegenheit nutzen, ihrem Partner oder ihrer Partnerin einen Heiratsantrag zu machen (es könnten auch 11 werden, reine Nervensache). Wir wünschen viel Erfolg, obwohl auch eine Ehe ... Aber das wissen Sie wohl schon. Und wo wir gerade von der Liebe sprechen: Heute werden wahrscheinlich 2.229 Kinder geboren. 1.143 davon Jungen, 1.086 Mädchen. Herzlichen Glückwunsch an dieser Stelle den stolzen Eltern. 26 der Mädchen bekommen den schönen Namen Mia, 22 Söhne werden Ben genannt (zwei oder drei davon werden „Big Ben“ auf der Geburtsanzeige stehen haben, was allerdings nur ein Teil der Empfänger lustig findet). Bleiben wir noch einen Moment beim Thema Beziehung und Familie. Heute Abend ist in Frankreich Fußballpause. Eine schöne Gelegenheit, dem inneren Bundestrainer für einen Abend spielfrei zu geben und sich anderen Beschäftigungen zuzuwenden. Insgesamt werden trotz Fußballpause knapp 25 Millionen Deutsche ihren Abend vor dem Fernseher verbringen. Um die Gunst der Zuschauer buhlen unter anderem „Die 10 überraschendsten Liebesgeschichten“ und „15 Dinge, die Sie über Sex wissen müssen“. Vielleicht sollten Sie beide Sendungen parallel schauen, diese Dinge haben ja häufig miteinander zu tun. Etwa 3,3 Millionen Zuschauer werden keines der beiden Informationsangebote wahrnehmen, sondern sich für die Krimiwiederholung entscheiden. Und nun zum Wetter: Da ist heute für jeden etwas dabei. Im Norden werden es eher 19, im Süden eher 28 Grad. Einen Schirm dabei zu haben, kann nicht schaden. Insgesamt ist das Wetter heute also eher durchwachsen. Trotzdem werden alle Solarpanels in Deutschland heute gegen Mittag etwas mehr als 19 Gigawatt Leistung produzieren, das entspricht etwa einem Viertel des Bedarfs. Gemeinsam mit etwa 12 Gigawatt Windenergieleistung, den Wasserkraftwerken und den konventionellen Kraftwerken wird die Erzeugung von Strom heute wohl deutlich über dem Verbrauch liegen. Sie müssen aber deswegen nicht den ganzen Tag vor dem Fernseher sitzen oder bügeln, der Überschuss kommt unseren Nachbarn in Europa zugute. So landet ein Teil des deutschen Solarstroms vielleicht heute auch in Évian-les-Bains, wo sich die deutsche Nationalmannschaft auf das Viertelfinale gegen Italien am Samstag vorbereitet. Wie immer Ende Juni geht die Sonne um 21.40 Uhr unter. Für die Romantiker: Mondaufgang ist erst um 1.54 Uhr. Sie sehen: ein ganz normaler Mittwoch in Deutschland. Aber für uns ist es ein ganz besonderer Tag. Denn ab heute gibt es innogy. Ab heute wollen wir anders mit der Energie umgehen, die hinter allem steckt, was an einem ganz normalen Tag in Deutschland passiert. Wir wollen Strom nachhaltiger erzeugen, Energie intelligenter verteilen und cleverer nutzen. Und das wird alles ändern. Heute fangen wir an. © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung WELT KOMPAKT -2016-06-29-sil-16 5692aa55e384977d8b6d5a97812bb0ed 24 BÜCHER HARDCOVER Das ist ja unerhört! VON PHILIPP HAIBACH DIE WELT KOMPAKT MITTWOCH, 29. JUNI 2016 F rüher einmal war es hier wie bei Tschechow. Die Bohemiens haben sich im Dorf getroffen, um zu schwadronieren und Landleben zu spielen. Jetzt ist es Achtzigerjahreprovinz und Perestrojka. Riesenhafte Leninstatuen überragen den alten Bahnhof, es gibt chemisch bunte Zuckerwatte und ein aus Tankwagen gezapftes Getränk namens „Kwas“. VON PAUL JANDL Wer hier aufwächst, der sieht die Sterne des Kommunismus und die Sterne am Firmament. Das eine ist so wenig Trost wie das andere, aber es lässt sich daraus ein Roman zwischen Wünschen und Hoffen machen. „Das kalte Licht der fernen Sterne“ (Frankfurter Verlagsanstalt) heißt das Debüt von Anna Galkina. Es ist ein böse literarisches Märchen aus einer surrealen Wirklichkeit, die vielleicht noch nicht zu Ende ist, sondern in Putins Russland gerade noch einmal wahr wird. Im ost-westlichen Austausch der Literatur scheint es ein Muster zu geben: Die mitunter pittoresken, von Kinderblick und Kommunismus aufs Archaische heruntergerechneten frühen Jahre im Osten werden neben die später im Westen gemachte Erfahrungen gehalten. Und der Mehrwert besteht in der Einsicht, dass beide Hälften nur dann ein Ganzes geben, wenn die Dialektik des Lebens es so will. Das war bei Saša Stanišićs „Wie der Soldat das Grammofon repariert“ so, bei Melinda Nadj Abonjis „Tauben fliegen auf“ und bei Olga Grjasnowas „Der Russe ist einer, der Birken liebt“. Auch Anna Galkina, nahe Moskau aufgewachsen und mit ihren Eltern 1996 nach Deutschland gekommen, beginnt ihren Roman wie eine Fahrt in ein verzaubertes Gestern. Ins russische „Städtchen“ ihrer Jugend kehrt die IchErzählerin Nastja nach zwanzig Jahren zurück, und dort wird aus der Gegenwart Erinnerung. Das Lametta der Kindheit, die Hinterhofträumereien und unschuldigen Spiele von gestern verdichten sich nach und nach zu einer I m vorvergangenen Jahrhundert hat sich die britische Literatur in der Hervorbringung höchst eigenwilliger Charaktere und starker Werke derart verausgabt, dass man ihr nicht hätte böse sein dürfen, wenn sie im vergangenen einfach mal auf Urlaub gegangen wäre. Das ist sie zum Glück natürlich nicht. VON ELMAR KREKELER Sie machte einfach weiter. So sehr, dass selbst ein notorischer Literaturdefibrillator wie Arno Schmidt an der Aufgabe, wirklich alle britischen Originalgenies des 19. Jahrhunderts wachzuküssen, scheitern musste. An John Meade Falkner beispielsweise haben bis- Vom Werden und Vergehen Anna Galkinas Debütroman „Das kalte Licht der fernen Sterne“ erzählt von einer sowjetischen Éducation sentimentale und warum Thomas Anders so unerreichbar scheint monströsen Täuschung. Wie man die Unschuld verliert, weil man allzu fest an sie glaubt, davon erzählt Anna Galkinas Debüt. Nicht zuletzt deshalb treibt dieser Roman auch mit der Naivität sein Spiel. Er kommt am Anfang mit großen Kinderaugen daher, in denen sich die Welt spiegelt, und schärft zusehends seinen Blick. Das ist sein Glück und seine Kunst. Am Waldrand steht das stolz verlotterte Eltern- haus in einem Garten. Es ist aus groben Holzstämmen gezimmert, die mit Werg abgedichtet sind. Es gibt ein Plumpsklo, um sich zu erleichtern, und einen literarischen Hausaltar, um sich zu erbauen. Die Gedichte von Zwetajewa, Achmatowa, Mandelstam und Rilke stehen im Regal, und sie sind der Gegenpol zur Welt, die da draußen gärt, den „Aromen“, wie Galkina das nennt, die sich die Dorfstraße entlangzie- hen. Es riecht nach Kohl und Möhren, die im Gemüseladen verrotten, nach Honigkuchen und einem Kettenhund. Und nach den Männern, die vor der Kneipe „Drei Ferkel“ auf die Straße kippen. Der Alkohol spielt im Roman eine große Rolle. Er imprägniert die Menschen und eine Wirklichkeit, die auch so schon hart genug ist. Im Kindergarten werden die Neuankömmlinge erst einmal Das Abenteuer des Sommers beginnt hier John Meade Falkners „Moonfleet“ ist in England weltberühmt. Ein Schauerroman mit Geistern, Schmugglern, Mord und Totschlag her alle Reanimationsunterfangen versagt. Bedauerlich. Aber „Moonfleet“, Meades zweiter Roman, dessen dritter Übersetzer in 60 Jahren nun Michael Kleeberg ist – erschienen bei Liebeskind –, sollte es schaffen. Er bringt wirklich alles mit, was es braucht, um sich im Kopf erwachsener Leser mit wacher Erinnerung an die Jahre anfallartiger Lektüre von Abenteuerliteratur von Stevenson bis Enid Blyton festzusetzen. Wer besonders mutig ist, hört Chris de Burghs Themenalbum dazu. Das heißt sogar „Moonfleet“. Muss man aber nicht. Macht nämlich irgendwie jung, das Buch, und geistig rege. Ein © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung WIKIMEDIA S o neu ist das mit der Novelle nun auch wieder nicht, wenn man zu den Kulturteil-Lesern des Berliner „Tagesspiegel“ zählt: Joachim Lottmann („Endlich Kokain“) hat sich naseweis und blauäugig ebenjener Gattung verschrieben, ist aber zunächst mit dem „Alterswerk“ auf dem Beifahrersitz in den Graben gefahren – auf dem Weg nach Italien. Glücklicherweise musste der „Lügenbaron“ sich danach nicht selbst am Schopfe fassend hinausziehen. Das überstandene Insolvenzverfahren seines Verlages ist durchstanden; „Hotel Sylvia“ (Haffmans & Tolkemitt) konnte erscheinen. Sonst hätte ihn gar ein anderer, auch so ein ganz großer deutscher Literat, mit seiner Version einer Italien-Novelle überholt: Bodo Kirchhoff kommt aber nun erst im Herbst mit seinem Alterswerk „Widerfahrnis“ (FVA) um die Ecke gerast – eine „großartige Novelle von der Möglichkeit einer Liebe sowie die Parabel von einem doppelten Sturz“. Mehr als diesen Klappentext-Auszug darf ich wegen der drakonischen Strafen, die einem beim Durchfahren der Sperrfrist drohen, nicht zitieren. Auf jeden Fall – wir haben die Novelle schon zur Hälfte überflogen – ist der Held ein Mann mit vielen Eigenschaften. Und bei Lottmanns Road-Novel? Wie wir seit Robert Musil wissen, braucht jede Novelle eine plötzliche geistige „Erregung“. Diese bricht über den Dichter herein, sie ist gleichsam eine Erschütterung. Bei Lottmann ist der eine Bruder so etwas wie ein doppeltes Lottmännchen, der den Bruder auf eine sentimental journey mitnimmt, um den vermeintlich Kranken seelisch aufzupäppeln. Der ist aber nur ein geiziger Hohlkopf, und die heiße 28-jährige Agnes, die das dolce vita befeuern sollte, vergnügt sich lieber mit dem 18-jährigen italienischen Dorftrottel. Das ist ja unerhört! Aber weniger im Goethe’schen Sinne, also die Novelle betreffend. Jene „unerhörte Begebenheit“ meinte ja etwas Sonderbares, Wunderbares und nicht derart Profanes. Aber manchmal reicht auch das. „Man schaut doch auch den schönen Vollmond an, obwohl man nicht dorthin fliegen möchte“, heißt es in „Hotel Sylvia“. John Meade Falkner (1858-1932) ist für „Moonfleet“ bekannt Schauerroman mit Gespenstern, Schmugglern, Mord und Totschlag, Verrat und Verschwörung, voller Zeichen aber auch, literarischer Anspielungen, ein Doppelgängerroman voller Doppelebenen, über die flüssig und geradezu garstig geschmeidig hinweg erzählt wird. John Meade Falkner ist nicht nur ein Zeitge- WELT KOMPAKT -2016-06-29-sil-16 5692aa55e384977d8b6d5a97812bb0ed BÜCHER 25 MITTWOCH, 29. JUNI 2016 Anna Galkina, geboren und aufgewachsen in Moskau, kam 1996 mit ihren Eltern nach Deutschland nosse von Thomas Hardy. Er kommt auch aus der gleichen Gegend. Wuchs in Dorchester auf. Das ist aber auch schon so ziemlich die einzige Verwandtschaft mit dem großen Realisten Südenglands. Falkner stapfte mit eigensinniger Kraft eher Wege weiter, die Dickens und Wilkie Collins eingeschlagen haben. Literatur war dabei nur eine seiner vielen Nebenbeschäftigungen. Neben Heraldik betrieb er Bibliothekswesen und Pädagogik. Während des Ersten Weltkriegs war er Vorstandsvorsitzender der größten britischen Waffenfabrik. „Moonfleet“ ist in England weltberühmt. Wurde mehrfach – die Briten verstehen sich besser auf die Pflege ihrer literarischen Tradition als die Deutschen – verfilmt. Einmal sogar von Fritz Lang. John Trenchard erzählt darin sein Leben. Ein Waisenjunge, der mitten in den Salzmarschen aufwächst. Einer Gegend, die besonders fruchtbar für britische Romane des 19. Jahrhunderts zu sein scheint. Er geht gern über Kirchhöfe. Schaut übers Meer. Außer Schmuggel und Wrackplünderei gibt es nicht viel. Wir sind mitten im 18. Jahrhundert. Und Moonfleet, dessen Name sich nicht vom Mond, sondern vom längst ruinierten Adelshaus derer von Mohune ableitet, ist ein von gespenstischen Phänomenen volles Sammelsurium ver- VICTOR VASIN unter offizieller Aufsicht der Erzieherinnen von den anderen zusammengeschlagen. Man nimmt dieses frühe Initiationsritual gelassen, weil es noch gar nichts ist gegen das, was noch kommt. Für Nastja ist es auch bei der eigenen Mutter nicht besser. Sie droht ihr mit der Strafanstalt für Minderjährige. Da ist Nastja gerade einmal sechs. Wie Schlagwörter eines Inventars klingen die Überschriften in Anna Galkinas Roman. „Skandal“, „Aufklärung“ und „Exhibitionismus“ sind die Wegmarken einer ernüchternden Adoleszenz, „Lebensmittel“ und „Die Planungsabteilung“ handeln von der durch den Faktor Mensch verschärften sowjetischen Mangelwirtschaft. Galkina erzählt mit diesen Vignetten die Geschichte ihrer Figur, sie erzählt von den Lehrjahren der Gefühle in der spätkommunistischen Sowjetunion. Schon leuchtet der Westen herüber. Als erste Liebe. Ausgerechnet die Modern-TalkingHälfte Thomas Anders wird zur Apotheose der weiten Welt: „Er ist glänzend, geheimnisvoll und unerreichbar wie eine Fata Morgana.“ Und unerreichbar bleibt er selbst, als die „Thomas-Anders-Show“ in Moskau gastiert. Das Konzert im Moskauer Olympiastadion ist für die Nachkommen russischer Kriegsveteranen reserviert. „Das kalte Licht der fernen Sterne“ betreibt keine detailgetreue Bestandsaufnahme der politischen Lage in der Sowjetunion der Achtzigerjahre, aber gerade in seinen antiidyllischen Übertreibungen zeigt der Roman die Spuren, die das System in den Menschen hinterlassen hat. Die selbst fabrizierten Träume und die staatlich gelenkte Ernüchterung. Und Träume gibt es nicht zu knapp. Nastjas Vater ist verschollen, und so sucht die Mutter nach Ersatz. Es kommt der einsilbige Robert aus Riga, und mit dem Alarmanlageningenieur beginnt ein postkartengroßes Glück, während es rundum an Gewalt nicht mangelt. Schmächtig ist der Freund Wassja, aber sein Vater hat „eine breite Faust“. „Die Faust war blind und gierig. Wen oder was sie traf, war ihr egal, den Sohn, die Ehefrau, die Katze, den Hund, eine Fensterscheibe, eine Tür.“ Mitsamt seiner Faust zieht er sich aber eines Tages selbst aus dem Verkehr. Der Sohn findet ihn in einer Wäscheleinenschlinge an einem Dachbalken hängend. Bei Anna Galkina ist es ein Werden und Vergehen, und dazwischen gibt es das Verkommen. Ihm widmet man sich mit Hingabe und fragwürdigem Alkohol. Es wird getrunken, bis man sich prügelt, und aus dem deliranten Bestiarium der Dorfbewohner ragt zu jeder Stunde krude Sexualität. Unter den Mädchen ist die Abtreibung weniger gefürchtet, als sie als Initiation gilt. Gefährlich sind allein die Methoden, aber so ist es mit allem. Das Leben ist ein Provisorium, ein Plumpsklo im Garten, wo man aufpasst, sich den Hintern nicht mit den Zeitungsbildern des Politbüros abzuwischen. Mit fünfzehn arbeitet Nastja in der Brotfabrik, zieht mit einer Art Mädchengang um die Häuser und lernt Dima kennen, den jungen Soldaten aus der Ukraine. Es beginnt eine Flucht vor dem Bataillon, zu dem er nach seinen freien Tagen zurückkehren sollte. Die jungen Leute finden Verstecke, in denen sie die Nächte verbringen können, aber der Arm der Armee ist mächtig. Mit gebrochenen Rippen landet Dima im Militärhospital. Anna Galkina lässt in ihrem Roman vieles offen, es ist ein kontingentes und literarisch durchaus überhöhtes Dasein, in dem die Figuren leben. Kaum ein paar Tage, die im Voraus zu planen wären, und so hat auch das Episodische seinen Grund. Am Ende tritt noch ein Fotograf auf, der zu erzählen hat, wie die Bibliotheksdirektorin ihren Mann in mörderischer Absicht aus dem Fenster gestoßen hat, und der mit Papageien und Fischen in seinem Atelier lebt. Seine durch die Zumutungen des Alltags ruinierte Physiognomie hat ihr paradoxes Äquivalent in einem großen Gefühl für Schönheit. Die Schönheit der mittlerweile achtzehnjährigen Nastja entgeht ihm ebenso wenig wie ein in dieser Hinsicht emblematischer Augenblick. Das Haus wird verkauft, mit Mutters Robert geht es nach Riga, wo sich bald der Eiserne Vorhang heben wird. Noch einmal steht Nastja vor dem Haus und den glücklosen Wünschen einer Kindheit. Der zahnlose Fotograf erkennt die Aura der Szene, sagt etwas von Sehnsucht und drückt ab. Ein Schnitt durch die Zeit ist Anna Galkinas Roman, und er ist auch eine Operation am offenen Herzen seiner Figuren. Tragisch, hart und komisch. Anna Galkina: Das kalte Licht der fernen Sterne Frankfurter Verlagsanstalt 224 S., 19,90 Euro fallender Häuser. Gespenstisch. Der Diamant eines Schmugglerkönigs namens Schwarzbart spielt eine Rolle, der Buchstabe Y im Wappen der Mohunes. Zeichen stehen an den Wänden, Sinnsprüche pflastern Johns abenteuerlichen Weg. Man kann gar nicht aufhören damit. Wünscht sich, es wäre Winter, im Kamin prasselte ein Feuer. John Meade Falkner: Moonfleet Liebeskind 351 S., 24 Euro Ihr WhatsApp-Märchenprinz war ein Gotteskrieger Güner Balci erzählt von der Radikalisierung junger deutscher weiblicher Muslime E ine Szene aus Berlin-Neukölln: Italienische Hipstertouristen haben ein Geschäft an der Sonnenallee entdeckt – und was für eines! Eines, vor dem man wilde Fotos schießen kann. Für sie ist das Schaufenster mit voll verschleierten Frauen- und Kinderpuppen ein Showroom für Schabernack mit Selfiestange. VON MARC REICHWEIN In „Das Mädchen und der Gotteskrieger“ ist der Laden allerdings auch Schauplatz realer Dschihadistenbrautwerbung, mitten unter uns. Er ist der Initiationsort einer Geschichte, die die türkischstämmige Journalistin Güner Balci erzählt. Wie schon in ihren früheren Veröffentlichungen hat die Berliner Autorin („Arabboy“) und ehemalige Sozialarbeiterin im Mädchentreff Neukölln reale Begebenheiten aufgegriffen und zu einer Dokufiktion verarbeitet. Nimet, die Heldin ihrer Geschichte, ist 16 Jahre und ausgehfreudig. Eher zufällig lernt sie die zum Islam konvertierte Cousine einer Schulfreundin kennen: Nour, die am Anfang des Buchs nur den abfälligen Spitznamen „Schleiereule“ trägt, weil sie mit „Ganzkörper-Augenschlitz-Schleier“ unterwegs ist. Nour ist herrisch, wie nur Mädels mit 16 untereinander herrisch sein können, aber sie scheint – auf der Basis ihres Glaubens – selbstbewusster als ihre Alterskolleginnen. Sie engagiert sich in der Flüchtlingshilfe und wird Nimet zum Vorbild: Seit Nimet auch im Ehrenamt aktiv wird, tritt sie in der Schule viel selbstsicherer auf. Was Nimet nicht weiß: Nour hat Nimets Handynummer nicht nur an die Flüchtlingshilfe, sondern auch an Saed weitergegeben, einen deutschen Dschihadisten, der als ISKämpfer nach Syrien gegangen ist. All das stellt sich aber erst im Laufe heraus, denn zunächst erhält Nimet ganz normale Chatnachrichten: „Es gibt keine Zufälle, es gibt nur Bestimmung.“ 16- jährige Mädchen lieben solche Flirtsprüche. Er kümmert sich um Flüchtlingscamps in der Türkei und raunt: „Ich bin wie du Moslem, da gibt es nicht sehr oder wenig, sondern nur gläubig.“ Es ist die Geschichte einer jungen Muslimin, die, gerade weil sie weitgehend weltlich sozialisiert wurde, einen Jungen, der für muslimische Verbindlichkeit steht, als verlässlich empfindet. Das Kollektiv der Muslime wird zum sozialen Schmierstoff für sinnsuchende Jugendliche. Gesellschaftliche Ausgrenzungsnarrative wie „Ihr Muslime“ betreffen einen nämlich gleichwohl, nicht zuletzt in den Schulen. Sie machen auch und gerade junge Mädchen, die dem Ehrbegriff der muslimischen Mentalitätsgemeinschaft ausgesetzt sind, für Propaganda empfänglich, Kopftuch und islamische Regeln versprechen Schutz. In der Debatte über die Radikalisierung junger Muslime liegt das Augenmerk oft auf Männern – weil sie es sind, die Attentate verüben und somit sinnbildlich die Anfälligkeit für islamischen Extremismus repräsentieren. Die muslimische Frau bleibt in diesem Szenario oft im Hintergrund. Güner Balcis Buch gibt ihr eine Stimme. Nimet glaubt, ihren WhatsApp-Märchenprinzen zu treffen; tatsächlich landet sie im türkisch-syrischen Grenzgebiet, wo Frauen rudelweise zur Belohnung für Gotteskrieger bereitgehalten werden. Balcis Buch zeigt, wie schnell die Identitätssuche von Jugendlichen zur Aufgabe der eigenen Identität, ja zum Verlust der Menschenrechte führen kann. Es sollte in keinem Deutschunterricht fehlen! Güner Yasemin Balci: Das Mädchen und der Gotteskrieger S. S. Fischer 320 S., 19,99 Euro PA/ ZUMAPRESS.COM/DPA/ MAJDI FATHI DIE WELT KOMPAKT Der Islam gehört zu Deutschland. Aber auch der fundamentalistische? © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung WELT KOMPAKT -2016-06-29-sil-16 5692aa55e384977d8b6d5a97812bb0ed 26 INTERNET DIE WELT KOMPAKT MITTWOCH, 29. JUNI 2016 ENTSCHÄDIGUNG TWITTER 10.000 Dollar für Zwangsupdate Zur Wahlprognose ungeeignet Microsoft entschädigt erstmals eine Nutzerin für ein sogenanntes Zwangsupdate auf das neue Betriebssystem Windows 10. Wie die „Seattle Times“ online berichtete, war der Software-Konzern zunächst gegen ein Urteil in Berufung gegangen, einigte sich dann jedoch mit der betroffenen Anwenderin Teri Goldstein aus Kalifornien auf eine Zahlung von 10.000 Dollar. Die Frau aus Sausalito hat demnach glaubhaft machen können, dass das Upgrade auf das neue Betriebssystem fehlerhaft war und ihren Rechner für Tage unbrauchbar gemacht habe. „Ich habe nie von Windows 10 gehört“, erklärte sie. „Niemand hat mich gefragt, ob ich ein Update möchte.“ Aus den Erwähnungen von politischen Parteien oder Themen im Kurznachrichtendienst Twitter ist es einer Studie zufolge nicht möglich, verlässliche Prognosen für den Ausgang einer Wahl oder eines Referendums zu erstellen. Bei der Bundestagswahl 2013 habe es insbesondere bei den großen Parteien einen großen Unterschied zwischen der Häufigkeit der Nennungen und den tatsächlichen Wahlergebnissen gegeben, sagte Andreas Jungherr, Juniorprofessor an der Universität Konstanz, gestern auf einer Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung. CDU und SPD hätten im Vergleich prozentual viel mehr Wählerstimmen Wahl als Erwähnungen auf Twitter bekommen. Die Piratenpartei, die AfD und die FDP konnten ihre Erfolge auf Twitter nicht in Wählerstimmen umwandeln. Auffällig sei, wie sich die auf Twitter diskutierten Themen von der „öffentlichen Agenda“ unterschieden hätten. LINE-AKTIEN Messenger setzt Preisspanne fest Der Kurzmitteilungsdienst Line könnte bei seinem anstehenden Börsengang umgerechnet über 1,1 Milliarden Dollar heben. Der aus Japan stammende Konkurrent von Facebook-Diensten wie Messenger und WhatsApp setzte am Dienstag die Preisspanne für die Aktie auf 2700 bis 3200 Yen fest. Damit könnte die Platzierung inklusive der sogenannten Mehrzuteilungsoption für teilnehmende Banken bis zu 128,8 Milliarden Yen schwer werden. Es wird der bisher größte Tech-Börsengang des Jahres. Als Termin für den Börsengang wird zunächst weiterhin Mitte Juli angepeilt. DER MOBILE VIDEO-TIPP Es ist wieder soweit: Sommer, Sonne, Strand – und Strandfigur. Zeit, sich aufzuraffen und los zu legen. Also, hoch den Hintern und rein ins Gym. Aber bitte schön vorsichtig! http://bit.ly/1HcAHT0 Siemens zahlt Kreativen eine Milliarde Euro für neue Ideen S iemens stellt kreativen Köpfen eine Milliarde Euro zur Verfügung, damit sie herkömmliche Wege verlassen und neue Ideen ausprobieren. „Scheitern gehört zum Programm“, sagte Technikvorstand Siegfried Russwurm gestern in München. Die neue eigenständige SiemensTochter Next47 sei „die Innovations-Pipeline für die übernächste Generation“. Der Elektrokonzern müsse „schneller werden und offen auch für Leute, die sagen, wie machen das ganz anders“, sagte Russwurm. Die neue Truppe in München, Berkeley und Schanghai werde mit unzähligen Start-ups arbeiten und be- komme viel Freiheit zum Experimentieren. Siemens sei 1847 selbst ein Start-up gewesen, von zwei Männern gegründet in einem Berliner Hinterhof. Next47 im Geist dieser HinterhofWerkstatt sei heute „der Grundstein für Innovationen, die nicht Mainstream sind“. Siemens brauche frischen Wind, um gegen neue Wettbewerber bestehen zu können. „Das Ganze ist uns eine Milliarde wert in den nächsten fünf Jahren.“ Erstes Projekt von Next47 ist ein Elektromotor für Flugzeuge. Mit Airbus wolle man bis 2020 zeigen, dass das technisch machbar sei. GOOGLE KOMPAKT Die Kartenanwendung „Maps“ wurde jüngst mit Bildern in höherer Auflösung aktualisiert G oogle hat ein neues Abbild der Welt in seine Kartendienste Maps und Google Earth eingestellt – und das ist deutlich detailreicher, kontraststärker und störungsärmer als die Version, die die eine Milliarde Nutzer des Dienstes bislang sehen konnten. Die Maps-Entwickler stellten jetzt neue Satellitenbilder online, die mehrfach höher aufgelöst sind als das bisher in dem Dienst verwendete Material. Googles Update der Welt VON BENEDIKT FUEST Erstmals ist zudem die Detailansicht der Erde komplett wolkenfrei und frei von Artefakten durch atmosphärische Störungen – dazu setzte das Google-Team automatisiert die Aufnahmen mehrerer Satellitenüberflüge so zusammen, das jeweils die qualitativ besten Bilder verwendet wurden. Das Mega-Update von Googles Weltbild wurde technisch möglich, weil die US-Weltraumagentur Nasa 2013 den neuen Erdbeobachtungssatelliten „Landsat 8“ in seine Erdumlaufbahn geschossen hat. Der Satellit liefert deutlich bessere Bilder als der Vorgänger „Landsat 7“. Google konnte seine Aufnahmen aus einem Mehrfach-Abbild der Erde mit einer Auflösung von insgesamt 700 Billionen Pixeln auswählen. Damit zeigen Google Earth und Maps nun eine Fülle neuer Details. Insbesondere die Satellitenaufnahmen von Landstrichen außerhalb großer Ballungsräume wurden aktualisiert und verbessert: Die Alpen werden erstmals vollständig in hoher Auflösung angezeigt, die Gletscher Alaskas sind nun Mit Maps gibt es selbst für entlegene Ecken detailliertes Material. Bei deutschen Städten herrschen jedoch noch Probleme Kartellamt gegen Internetriesen Die Wettbewerbshüter wollen laut Medienberichten Google in dessen Kerngeschäft härter rannehmen. Die EU-Kommission bereite konkrete Vorwürfe gegen das Vorgehen bei Online-Werbung vor. Die Kommission auch im Fall der Shopping-Suche mit weiteren Vorwürfen nachlegen. © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung ebenso im Detail sichtbar wie diverse unbewohnte Inseln im Südpazifik. Die Satellitenbilder sind zugleich wesentlich aktueller als das bisher verwendete Material, das zum Teil über zehn Jahre alt war. Damit werden etwa tauende Gletscher nun in ihrer aktuellen Größe angezeigt, auch die Auswirkungen von Urbanisierung oder der Abholzung von Regenwäldern sind nun deutlicher sichtbar. Auch in Großstädten wie New York konnte Google die Auflösung seiner Aufnahmen nochmals steigern und zeigt nun aktuelle Bauentwicklungen und selbst kleine Details wie die Linien von BaseballSpielfeldern in den Parks der Stadt. Doch nicht überall hat Google seine Luftbilder aktualisiert: Für deutsche Städte zeigt Maps weiterhin ältere Luftbilder an, die eindeutig nicht aus dem aktuellen Satellitendatensatz stammen. In Berlin etwa wird der Baugrund am Leipziger Platz, auf dem die 2014 eröffnete Mall of Berlin steht, weiterhin als Brachfläche und Abrissgelände angezeigt. Das Problem: Der Satellit liefert zwar neue Aufnahmen, diese jedoch nur in einer Detailauflösung von 15 Metern pro Pixel. Das reicht aus für Landschaftsbilder, ist jedoch zu grob jedoch für Detailaufnahmen von Städten, wo selbst einzelne Gebäudedetails angezeigt werden. Hier verwendet der Konzern klassische Luftfotografieaufnahmen, die meist von niedrig fliegenden Vermessungsflugzeugen aufgenommen werden. Diese Bilder sind zwar hoch aufgelöst, jedoch teilweise mehrere Jahre alt. WELT KOMPAKT -2016-06-29-sil-16 5692aa55e384977d8b6d5a97812bb0ed INTERNET 27 MITTWOCH, 29. JUNI 2016 B auklötze sind eines der beliebtesten Spielzeuge für Kinder. Allerdings war das dem Gründer von Tinkerbots zu wenig: Mit einem Robotik-Baukasten will Matthias Bürger Kinder zu Roboter-Entwicklern machen –nach dem Lego-Prinzip. Und wer will, kann die gebauten Spielzeug-Roboter auch gleich noch programmieren. Herr Bürger, Sie haben einen High-Tech-Spielzeug-Baukasten auf den Markt gebracht. Was können Kinder damit machen? Sie können ihre eigenen Roboter bauen – Tiere, Autos, Monster und Maschinen, die auf ihr Kommando hören. Die Kästen bestehen aus einzelnen Modulen mit integrierter Strom- und Datenübertragung. Ein Modul ist für die Steuerung zuständig, andere setzen Bewegungen um, etwa Drehen oder Greifen. Mit kleinen Plastik-Bausteinen kann man die Roboter umbauen und ihnen so eine individuelle Form geben. Herzstück Ihrer Erfindung ist das sogenannte Powerbrain, das als Steuerungsmodul fungiert. Wie lässt es sich bedienen? Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Die Bewegungsmodule haben vorprogrammierte START-UP-HELDEN TEIL 169 Roboter fürs Kinderzimmer VON ELISABETH NEUHAUS IN KOOPERATION MIT WWW.GRUENDERSZENE.DE MATTHIAS BÜRGER DIE WELT KOMPAKT Dr. Matthias Bürger ist Geschäftsführer der Kinematics GmbH, die er 2014 in Leipzig gründete. Als Tinkerbots vertreibt das Unternehmen Robotik-Spielzeug, das programmiert und per App bedient werden kann. Crowdfunding brachte dem Start-up 300.000 Euro ein. Bewegungsabläufe eingespeichert. Vor allem kleine Kinder müssen dann nur auf den PlayKnopf des Powerbrains drücken - schon bewegen sich die Teile wie voreingestellt. Außerdem kann man Bewegungen aufnehmen, die sich unsere Module merken und sie anschließend automatisch ausführen. Dann lässt sich ein fertiger Roboter auch per App fernsteuern. Durch Sensor-Module können Roboter Hindernissen ausweichen und auf Licht reagieren. Kinder sollen Ihre Maschinen programmieren können. Wie soll das funktionieren? Unsere Technologie ist mit einer Open-Source-Plattform zur Programmierung von Soft- und Hardware kompatibel. Sie kann bereits genutzt werden, allerdings arbeiten wir gerade an einer besseren Dokumentation: Wie man das Steuerungsmodul an den Computer anschließt, was man sich dafür herunterladen muss – bis hin zur eigentlichen Programmierung. Über einen Adapter passen auch klassische Lego-Steine auf Ihre Module. Besteht eine Kooperation zwischen Ihnen und dem dänischen Unternehmen? Aktuell besteht keine Kooperation mit Lego. Andere Firmen wie Mega Bloks nutzen die Steckverbindung ebenfalls. Rechtlich sind wir da also auf der sicheren Seite. Auch Lego verkauft RobotikBaukästen, mit denen Kinder Programmieren lernen können. Was grenzt Ihr Produkt davon ab? Wir richten uns an eine Zielgruppe ab fünf bis sechs Jahren. Deshalb ist unser System so einfach wie möglich gehalten. Man muss nicht programmieren, wenn man nicht möchte, kann es aber tun. Deswegen funktioniert unsere Technologie auch kabellos, im Prinzip kann man also nichts falsch zusammenbauen – auch, weil es für jede Bewegungsart ein eigenes Modul gibt, und nicht, wie bei vielen Anbietern, nur einen Motor. Wo werden die TinkerbotsTeile hergestellt? Aktuell komplett in Deutschland. Die Plastikteile kommen von einem Unternehmen aus Thüringen, die Platinen werden in Berlin bestückt. Hier in Bernau setzen wir die Module und Pakete zusammen, verpacken und verschicken sie. Aber wir wollen weiter skalieren. Deshalb sprechen wir gerade mit externen Fertigungsbetrieben in Fernost und Osteuropa. Deutsche mit Optimismus online I mmer mehr Menschen in Deutschland können sich ein Leben ohne Internet nicht mehr vorstellen. „Das Internet ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen“ – das ist die Kernaussage einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI). Dabei sei „ein ausgeprägter Internet-Optimismus und -Pragmatismus“ erkennbar. Denn demnach sieht mit 72 Prozent die große Mehrheit der Bevölkerung wesentlich mehr Chancen als Gefahren im Netz. Zugleich bezweifeln aber 68 Prozent der Befragten, dass Datensicherheit überhaupt möglich ist. „Es hat sich eine realistische, aber auch sehr pragmatische Grundhaltung in Sicherheitsfragen etabliert, teils gleichgültig, teils resigniert“, sagte Kammer. Den Menschen sei bewusst, dass es in puncto Sicherheit keine einfachen Lösungen gebe. Die Nutzer verwiesen bei der Frage nach der Verantwortung für Sicherheit und Datenschutz gleichermaßen auf sich selbst (82 Prozent), den Staat (70 Prozent) und Unternehmen (88 Prozent). JETZT AM KIOSK AUCH ALS Wertvernichtung. Wertvermehrung. © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung WELT KOMPAKT -2016-06-29-sil-16 5692aa55e384977d8b6d5a97812bb0ed * 0,20 /Anruf aus dem dt. Festnetz. Aus dem Mobilnetz max. 0,60/Anruf Jetzt am Kiosk. Oder im Abo: Tel. 0180 6 480 3000* oder www.focus-money.de ANZEIGE 28 WISSEN DIE WELT KOMPAKT MITTWOCH, 29. JUNI 2016 KOMPAKT ROVER-MISSION Der Mars hatte wahrscheinlich einst eine sauerstoffreiche Atmosphäre. Das schließen Forscher aus dem Nachweis von Manganoxid im Gestein. Das Mineral forme sich unter sauerstoffund wasserreichen Bedingungen, schreiben die Forscher in „Geophysical Research Letters“. „Curiosity“ hatte Adern im Sandstein des Roten Planeten analysiert, die geologisch dem jungen Mars zugeordnet werden. Dabei stieß der Rover auf große Anteile Manganoxid. MITTELMEER Giftige Feuerfische breiten sich aus Die exotischen und giftigen Rotfeuerfische fühlen sich wegen der steigenden Temperaturen im Mittelmeer immer wohler. Die Art Pterois miles habe innerhalb eines Jahres fast die gesamte Südostküste von Zypern besiedelt, schreiben Forscher in „Marine Biodiversity Records“. Zuvor waren die Tiere eher selten. Feuerfische ernähren sich ausschließlich von Fisch und Krustentieren. Sie können sich schnell vermehren und dann die Artenvielfalt gefährden. UMWELTORGANISATION Petition gegen Nahrungspatente 800.000 Unterschriften gegen Lebensmittelpatente haben Umweltorganisationen in ganz Europa gesammelt. Diese wollen sie heute beim Europäischen Patentamt (EPA) in München abgeben. Anlässlich der Verwaltungsratssitzung der Europäischen Patentorganisation (EPO) wollen sie das Amt erinnern, dass Patente auf Pflanzen und Tiere gestoppt werden müssen, teilte das Bündnis „Keine Patente aus Saatgut“ mit. Gegner kämpfen seit Langem gegen Patente auf konventionell gezüchtete Tomaten, Sojapflanzen oder Paprika. GÜRTLERS GESAMMELTE GRÜTZE Die Republik Kongo und Nigeria sind die einzigen Staaten, in denen es keine spezielle Strafunmündigkeit für Kinder gibt. MEHR GRÜTZE: WELT.DE/GRUETZE DPA/ FRISO GENTSCH Mars: Hinweise auf Sauerstoff „Außerordentlicher Glücksfall“: Die Münzen sind bei Osnabrück aufgetaucht Der Legionär und sein Goldschatz Ein sensationeller Fund auf dem Gelände der Varusschlacht fasziniert die Archäologen. Ein Römer vergrub dort offenbar ein Vermögen, als er um sein Leben kämpfte G old oder Leben, dem römischen Legionär blieben wohl nur wenige Augenblicke, um die Entscheidung zu treffen. Offenbar wählte er die Flucht und vergrub seine Barschaft. Vielleicht traf ihn aber auch zuvor der tödliche Hieb, und er bedeckte den wertvollen Beutel mit seinem Körper. Auf jeden Fall war es ein kleines Vermögen, das er da in die Urwälder Germaniens mitgenommen hatte, Spargroschen für einen ruhigen Lebensabend, den er damit nun nicht mehr finanzieren konnte. VON BERTHOLD SEEWALD Acht römische Goldmünzen sind der jüngste herausragende Fund, den Archäologen auf dem Gelände des mutmaßlichen Varusschlachtfelds bei Kalkriese nördlich von Osnabrück gemacht haben. Nachdem während der aktuellen Grabungskampagne erst vor wenigen Wochen neue Spuren am Rande des Schlachtfelds entdeckt wurden, die womöglich von fliehenden Römern stammen, können die Archäologen nun einen Fund präsentieren, der die Zahl der geborgenen Goldmünzen auf dem Schlachtfeld gleich mehr als verdoppelt. Auf dem Gebiet am Oberesch waren bislang nur zwei Goldmünzen bekannt. Die übrigen fanden sich auf den übrigen Flächen des Geländes, das seit Ende der 80erJahre systematisch untersucht wird. Grabungsleiter Salvatore Ortisi von der Universität Osnabrück spricht von „außerordentlichen Glücksfällen“. Bei den Münzen handelt es sich ausnahmslos um solche vom Typ Gaius/Lucius. So bezeichnen Numismatiker die wertvollen Stücke, die zwischen den Jahren 2 v. Chr. und 4/5 n. Chr. in der großen Münzstätte in Lugdunum (Lyon) geprägt wurden. Ihr Bildprogramm sollte die damals geltende Nachfolgeregelung des Kaisers Augustus bekannt machen. Der hatte die beiden Söhne seines Freundes und Schwiegersohns Agrippa, Gaius und Lucius, adoptiert und als Nachfolger designiert. Nach ihrem frühen Tod 2 und 4 n. Chr. übernahm Tiberius ihre Rolle, die Botschaft der Münzen erübrigte sich von nun an also. Sieben der Münzen sind prägegleich und zeigen zum Teil nur geringe Abnutzungsspuren. Da in dem Fundzusammenhang keine Bronze- oder Silbermünzen gefunden wurden, mit denen Römer ihre täglichen Ausgaben bestritten, geht Ortisi davon aus, dass es sich buchstäblich um eine Art Sparstrumpf gehandelt haben muss. Ihr Eigentümer wird sie in einem Beutel oder einem Kästchen mit sich geführt haben. Das zumindest zeigen die Torfspuren im feuchten Erdreich. Acht Goldmünzen waren ein kleines Vermögen. Wenn man bedenkt, dass ein Handwerker in der frühen Kaiserzeit mit einem Denar am Tag in Rom sei- ne Familie durchbringen konnte, ein Aureus aber 25 Denare wert war und die Preise in der nördlichen Provinz deutlich niedriger anzusetzen sind, handelte es sich um ein Jahresgehalt. Das würde auf einen erfahrenen Legionär oder Unteroffizier als letzten Eigentümer schließen lassen. Bei dem Fund handelt es sich um Münzen vom Typ Gaius/Lucius Zu der großen Debatte über die Datierung des Schlachtfelds tragen die acht Münzen allerdings wenig bei. Alle Münzen, die seit Beginn der Grabungen in Kalkriese gefunden wurden, wurden vor dem Jahr 9 n. Chr. geprägt, als der Feldherr und Statthalter Varus seine drei Legionen nach Germanien führte, wo sie von den Cheruskern unter Arminius vernichtet wurden. Bei den Typen Gaius/Lucius handelt es sich sogar um „Schlussmünzen“, also die jüngsten Stücke, die exakt datiert werden können. © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung Kritiker der weithin geteilten Ansicht, bei Kalkriese hätten die Legionäre des Varus ihr letztes Gefecht geschlagen, argumentieren mit der Umlaufzeit römischer Münzen. Danach seien die Kupfermünzen, die in größerer Zahl in Kalkriese gefunden wurden und die sogar den Stempel des Varus tragen, auch noch Jahre nach seinem Tod als Sold an die Legionen ausgegeben worden. Zusammen mit anderen Indizien, so die Kritiker, verweise dies auf einen späteren Kriegszug. Zwischen den Jahren 14 und 16 führte der römische Prinz Germanicus zahlreiche Legionen nach Germanien, um Rache für den Tod des Varus und seiner 20.000 Soldaten zu nehmen. In diesem Zusammenhang fand an den „pontes longi“ (Langen Brücken) eine Schlacht statt, für die, so die Argumentation, die Lokalität von Kalkriese durchaus passen könnte. Der Archäologe Ortisi will an der Deutung festhalten. Welche Überraschungen sich hier noch finden, zeigten erst vor wenigen Wochen Grabungen zwischen Oberesch und Großem Moor. Reste römischer Ausrüstungsgegenstände lassen die Hypothese zu, dassLegionäre versuchten, sich nach Norden durchzuschlagen. „Es ist klar, dass wir am Oberesch noch eine ganze Reihe neuer Befunde erwarten können“, sagt Ortisi. „Nach jedem müssen wir unsere bisherige Interpretation aufs Neue hinterfragen.“ WELT KOMPAKT -2016-06-29-sil-16 5692aa55e384977d8b6d5a97812bb0ed DIE WELT KOMPAKT RÄTSEL 29 MITTWOCH, 29. JUNI 2016 HOROSKOP WIDDER (21.03.–20.04.) Lassen Sie es heute mal nicht darauf beruhen und geben Sie der Sache einen kleinen Ruck. Dann kommt alles in Schwung. Ein kleiner Lauf weckt in Ihnen den Appetit auf Sport. Ihre Vitalität ist ungebremst. Dies wird ein wirklich schöner Tag. STIER (21.04.–20.05.) Ihr Leistungs- und Konzentrationsvermögen ist niedrig. Laden Sie sich keine zusätzlichen Pflichten auf. Verlustgefahr! Vorsicht ist bei geschäftlichen und finanziellen Dingen geboten. Überschlafen Sie jetzt lieber eine wichtige Entscheidung. ZWILLINGE (21.05.–21.06.) Vertrauen Sie auf das, was auf Sie zukommt. Sie packen die Dinge richtig an und nähern sich damit Ihrem persönlichem Ziel. Abenteuer! Genießen Sie die aufwühlenden Stunden. Aber wenn dann wieder etwas Ruhe einkehrt, sollten Sie Bilanz ziehen. SUDOKU UND KREUZWORTRÄTSEL VON STEFAN HEINE Auflösung der letzten Rätsel: KREBS (22.06.–22.07.) Erhalten Sie sich auch im Alltag eine abwechslungsreiche Beziehung. Kleine Aufmerksamkeiten wirken Wunder. Bleiben Sie doch einfach so, wie Sie sind! Niemand, der Sie so liebt, wie Sie sind, würde ernsthaft eine Veränderung von Ihnen erwarten. LÖWE (23.07.–23.08.) Die Sterne appellieren an Ihre Toleranz. Damit es keinen Frust gibt, sollten Sie auf die Bedürfnisse des Partners eingehen. Sie sind im Allgemeinen in einer recht beschaulichen Verfassung. Gestehen Sie sich einen Hang zur Gemütlichkeit zu. JUNGFRAU (24.08.–23.09.) Mars verleitet Sie zu spannenden Beziehungen. Mittelgroße Bisswunden sind bei einer Risikopartnerschaft vorprogrammiert. Ein energiegeladener Lebensabschnitt steht bevor. Wie wäre es mit einem Waldlauf? Aber bitte nicht alle Bäume ausreißen! Jede Ziffer von eins bis neun wird in jeder Spalte, jeder Zeile und in jedem 3x3-Feld genau einmal eingetragen. Das linke Sudoku ist von mittlerer Schwierigkeit, das Rätsel rechts daneben etwas leichter. Mehr Sudoku-Rätsel auf welt.de/sudoku WAAGE (24.09.–23.10.) Machen Sie einen Bogen um Ihre Laster, dann kann Ihr Körper seine Abwehrkräfte aufstocken. Das gefällt dem Gewissen! Betreiben Sie im Job etwas Imagepflege! Sagen Sie mal Nein, auch wenn Sie das Verlangte erfüllen könnten. Freundlich bleiben! SKORPION (24.10.–22.11.) Sie fühlen sich fit und leistungsfähig. Auch Ihre Sterne geben Ihnen Vorfahrt. Nun kann Sie nichts mehr aufhalten. Sie sind gefragt wie nie. Und da sich Angebot und Nachfrage bedingen, können Sie sich am Arbeitsplatz viel besser durchsetzen. SCHÜTZE (23.11.–21.12.) Sie gehören zu den Menschen, die mit Vorliebe überstürzt handeln, aber in dieser Situation tun Sie gut daran, bedacht zu handeln. Ihr bisheriger Weg wird in Frage gestellt. Die Unsicherheitsgefühle sind unnötig. Es ist Ihr Job, durchzuhalten. STEINBOCK (22.12.–20.01.) Wenn Sie sich lautstark in den Vordergrund drängen, fallen Sie höchstens unangenehm auf. Starke Gefühle sorgen für Verwirrung! Sie dürfen sich weiterhin viel zumuten, doch sollten Sie nicht mit Riesenschritten ans Werk gehen. Sie haben Zeit! WASSERMANN (21.01.–19.02.) Sie besitzen die nötige Lockerheit und die Bereitschaft, um sich auf zärtliche Stimmungen einzulassen. Wer teilt das Glück? Gute Geschenke von Mars: Sie haben eine Bombenkondition. Lassen Sie Ihren Elan aber nicht zu Freizeitstress ausarten. FISCHE (20.02.–20.03.) Positive planetarische Einflüsse schenken Ihnen wieder Temperament und gute Laune. Sie sind widerstandsfähig und topfit. Sterne, die Ihnen Kraft schenken, stehen Ihnen zur Seite. So können Sie heute schwierige Situationen mit links meistern! © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung WELT KOMPAKT -2016-06-29-sil-16 5692aa55e384977d8b6d5a97812bb0ed 30 TV-PROGRAMM DIE WELT KOMPAKT MITTWOCH, 29. JUNI 2016 ARD ZDF RTL SAT.1 PRO 7 VOX 5.30 ¥ g Morgenmagazin 9.00 ¥ Tagesschau 9.05 ¥ Rote Rosen 9.55 Sturm der Liebe 10.45 ¥ g Gefragt – Gejagt 11.35 ¥ g Seehund, Puma & Co. 12.00 ¥ Tagesschau 12.15 ¥ g ARD-Buffet U.a.: Orientalischer Picknick-Kuchen 13.00 ¥ g Mittagsmagazin 14.00 ¥ Tagesschau 14.10 ¥ Rote Rosen Telenovela 15.00 ¥ Tagesschau 15.10 Sturm der Liebe Telenovela 16.00 ¥ Tagesschau 16.10 ¥ g Panda, Gorilla & Co. 17.00 ¥ Tagesschau 17.15 Brisant Boulevardmagazin 18.00 ¥ Wer weiß denn sowas? 18.50 ¥ g Hubert und Staller Krimi-Serie Der kleine Unterschied 19.45 ¥ g Wissen vor acht 19.50 g Wetter/Börse 20.00 ¥ Tagesschau 20.15 ¥ Besondere Schwere der Schuld Thriller (D 2014) Mit Götz George, Hanno Koffler, Hannelore Elsner Regie: Kaspar Heidelbach 21.45 ¥ g Plusminus U.a.: Nach dem Brexit – Wer sind die Gewinner, wer die Verlierer? 22.15 Tagesthemen Mit Wetter 22.45 ¥ g Maischberger Rote Karte für Brüssel: Besiegen Populisten Europa? Gäste: Viviane Reding, Heinz-Christian Strache u.a. 0.00 ¥ g Nachtmagazin 0.20 ¥ Besondere Schwere der Schuld Thriller (D 2014) Mit Götz George (Wh.) 1.55 H ® Kanaille von Catania Satire (I 1954) Mit Alberto Sordi. Regie: Luigi Zampa 3.20 ¥ g Maischberger Talkshow (Wh.) 5.30 ¥ g Morgenmagazin 9.00 g heute Xpress 9.05 g Volle Kanne U.a.: Richtig reklamieren 10.30 ¥ g Die Rosenheim-Cops 11.15 ¥ g SOKO Stuttgart 12.00 g heute 12.10 g drehscheibe 13.00 ¥ g Mittagsmagazin 14.00 g heute – in Deutschland 14.15 Die Küchenschlacht 15.00 ¥ g heute Xpress 15.05 ¥ g Bares für Rares 16.00 ¥ g heute – in Europa 16.10 ¥ SOKO Wien Krimi-Serie 17.00 ¥ g heute 17.10 ¥ g hallo deutschland 17.45 ¥ g Leute heute Neues von Barbara Schöneberger 18.05 SOKO Wismar Krimi-Serie 18.54 Lotto am Mittwoch 19.00 ¥ g heute/Wetter 19.25 ¥ g Küstenwache KrimiSerie. Pias Albtraum 20.15 ¥ g Aktenzeichen XY... ungelöst – Spezial Wo ist mein Kind? / Der Fall Annika Seidel. Mod.: Rudi Cerne 21.45 ¥ g heute-journal Wetter 22.15 g auslandsjournal U.a.: Brexit-Hochburg Boston – Splendid isolation an Englands Küste / Die Konfliktlinien des Brexit – Alt gegen Jung, Reich gegen Arm 22.45 ¥ g Das Geschäft mit der Krankheit Wie wir zu Patienten gemacht werden 23.15 ¥ Markus Lanz Talkshow 0.30 g heute+ 0.45 g Verschwörung oder Wahrheit MH17 – Abschuss über der Ukraine 1.30 ¥ g Aktenzeichen XY... ungelöst – Spezial (Wh.) 3.00 ¥ g SOKO Wismar Krimi-Serie (Wh.) 3.45 g auslandsjournal (Wh.) 5.15 g Der Blaulicht-Report 6.00 g Guten Morgen Deutschland Magazin. Moderation: Wolfram Kons, Susanna Schumacher 8.30 g Gute Zeiten, schlechte Zeiten 9.00 g Unter uns 9.30 g Der Blaulicht-Report 11.00 g Die Trovatos – Detektive decken auf Doku-Soap 12.00 g Punkt 12 Das RTL-Mittagsjournal 14.00 g Der Blaulicht-Report Doku-Soap 16.00 g Verdachtsfälle Doku-Soap 17.00 g Betrugsfälle Doku-Soap 17.30 g Unter uns Soap 18.00 g Explosiv – Das Magazin 18.30 Exclusiv: Das Star-Magazin 18.45 g RTL aktuell 19.05 g Alles was zählt Soap 19.40 g Gute Zeiten, schlechte Zeiten Soap 20.15 g Die 10 (4/5) Modedesigner Karl Lagerfeld liebt seine Katze / Linda Ducharme liebt Riesenrad Bruce / Von der Herzspende zur Liebe 21.15 I Like the 90’s (4/5) Show 22.15 g „Stern”-TV U.a.: Alptraum Einbruch: So jagt die Polizei organisierte Diebesbanden in Deutschland / Fünf Jahre im Wachkoma: „Ich wusste nicht, dass ich eine Tochter bekommen hatte” / Zwei weiße Löwenbabys verzaubern Magdeburg 0.00 Nachtjournal Nachrichten 0.30 g Die 10 (Wh.) 1.20 g Rach, der Restauranttester Doku-Soap „Hexenhäuschen” in Lengerich / „Fellini al teatro” in Ludwigshafen Mit Christian Rach 3.10 g Nachtjournal (Wh.) 5.30 g Sat.1-Frühstücksfernsehen Katja Kessler: Der UntenrumBurnout. Moderation: Daniel Boschmann, Marlene Lufen 10.00 g Auf Streife – Die Spezialisten Reportagereihe 11.00 Richterin Barbara Salesch Show 12.00 g Richter Alexander Hold Show 14.00 Auf Streife Reportagereihe 15.00 g Auf Streife – Die Spezialisten Reportagereihe 16.00 Auf Streife Reportagereihe 17.00 Mein dunkles Geheimnis Brigitte Jonas 17.30 g Schicksale - und plötzlich ist alles anders Liebe per Kurier 18.00 g Auf Streife – Die Spezialisten Reportagereihe 19.00 g Fahndung Deutschland Mag. Mod.: Karen Heinrichs 19.55 g Sat.1 Nachrichten 20.15 15 Dinge, die Sie über Sex wissen müssen Doku-Film (D 2016) Mit Paula Lambert, Matthias Killing u.a. In der Show geht es u.a. um die Frage, wieviel Sex normal ist und ab wann die Lust zu einer Krankheit wird. 22.30 g Körperkult – Wo ist die Grenze? Dokumentarfilm (D 2015) Die Reporter treffen Menschen, die einen extremen Körperkult leben und zeigen, welche Geschichten dahinterstecken. 0.40 g News & Stories Der mit den Bildern tanzt 1.25 g So gesehen 1.30 Auf Streife Reportagereihe (Wh.) 2.20 Im Namen der Gerechtigkeit: Wir kämpfen für Sie! Doku-Soap 3.50 Auf Streife (Wh.) 5.05 g Mike & Molly 5.25 g How I Met Your Mother 6.05 Two and a Half Men 8.00 g 2 Broke Girls 8.50 g The Big Bang Theory 10.40 Mike & Molly Comedy-Serie 11.35 g How I Met Your Mother Comedy-Serie 12.30 g Two and a Half Men Comedy-Serie 14.20 g 2 Broke Girls ComedySerie. Mit Kat Dennings 15.15 g The Big Bang Theory Comedy-Serie 17.00 g taff Model Debut Cheyenne Ochsenknecht / Bonnie in L. A. (2) / Lascana Bikini 18.00 g Newstime 18.10 Die Simpsons ZeichentrickSerie. Schall und Rauch / Die Sünden der Väter 19.05 g Galileo Galileo fährt hin: Lopifit-Fahrrad 20.15 H g Man of Steel Actionfilm (USA/CDN/GB 2013) Mit Henry Cavill, Amy Adams, Michael Shannon Regie: Zack Snyder 23.00 H g Superman Returns Actionfilm (USA 2006) Mit Brandon Routh, Kate Bosworth, Kevin Spacey Regie: Bryan Singer Superman hat fünf Jahre im Weltall verbracht. Als er auf die Erde zurückkehrt, muss er erneut gegen seinen Erzfeind Luthor kämpfen. 1.55 g Spätnachrichten 2.00 g Fringe – Grenzfälle des FBI Mystery-Serie Die Bürde. Mit Anna Torv 2.50 Scrubs Comedy-Serie Meine Beförderung (Wh.) 3.15 Malcolm mittendrin (Wh.) 3.35 g Watch Me – das Kinomagazin 5.15 g CSI: NY Krimi-Serie 6.00 g CSI: NY Krimi-Serie 6.50 g Verklag mich doch! Doku-Soap 10.50 g vox nachrichten 11.00 Mein himmlisches Hotel 12.00 g Shopping Queen 13.00 g 4 Hochzeiten und eine Traumreise 14.00 g Mein Kind, dein Kind Markus vs. Ramona 15.00 g Shopping Queen 16.00 g 4 Hochzeiten und eine Traumreise Doku-Soap Tag 3: Uwe, Goslar 17.00 Mein himmlisches Hotel Doku-Soap. Tag 3: Märchenpension Rotkäppchen und der Wolf, Sachsen 18.00 mieten, kaufen, wohnen Doku-Soap 19.00 g Das perfekte Dinner Doku-Soap. Tag 3: Gisela, Frankfurt am Main 20.00 g Prominent! 20.15 ¥ g Rizzoli & Isles KrimiSerie. Tod im Park. Ein neuer Mordfall gibt Rizzoli und Co. Rätsel auf. Es ist einfach kein Motiv oder Hinweis auf den Täter erkennbar. 21.15 ¥ g Rizzoli & Isles KrimiSerie. Das Jüngste Gericht 22.10 ¥ g Revenge DramaSerie. Hinterhalt. Nachdem Viktoria erneut alles dafür tut, Emily in ein schlechtes Licht zu rücken, offenbart sie sich ihrem Vater. 23.05 ¥ g Revenge Drama-Serie. Kontakt 0.00 ¥ g Rizzoli & Isles (Wh.) 0.55 g vox nachrichten 1.15 ¥ g Rizzoli & Isles (Wh.) 2.00 Medical Detectives Dokureihe. Tod aus dem Nichts / Zerstörerische Gewalt / Die bessere Hälfte / Abgründe KABEL 1 TIPPS DES TAGES 8.35 g Navy CIS 9.30 g The Mentalist 10.25 g Castle 11.20 g Without a Trace 12.15 Numb3rs 13.05 Cold Case 14.00 g Navy CIS 14.55 g The Mentalist 15.50 g News 16.00 g Castle 16.50 g Abenteuer Leben täglich 17.55 g Mein Lokal, dein Lokal – Wo schmeckt’s am besten? 18.55 g Achtung Kontrolle! 20.15 H Die rechte und die linke Hand des Teufels Westernkomödie (I 1970) 22.30 H Vier Fäuste für ein Halleluja Westernkomödie (I 1971) 1.05 H Zwei außer Rand und Band Gaunerkomödie (I 1977) Besondere Schwere der Schuld Man of Steel ARD | 20.15 Nach 30 Haft will der wegen Mordes verurteilte Joseph Komalschek (Götz George) im großen Stil auspacken. Das macht einige Leute sehr nervös. Pro 7 | 20.15 Der kleine Kal-El kommt vom Krypton auf die Erde, wo ihn die Kents unter dem Namen Clark (Cooper Timberline) großziehen. Allmählich erkennen sie seine enormen Kräfte. ARTE ZDF NEO RTL 2 12.35 g Das Glück liegt auf dem Teller 13.20 ARTE Journal 13.55 H g Der Rebell Abenteuerfilm (USA 1950) 15.25 g Kulinarische Reise durch Brasilien 15.50 g Wie das Land, so der Mensch 16.20 g Wildes Berlin 17.00 g X:enius (Wh.) 17.30 g Das Geheimnis von Phaistos 18.25 g Italien, meine Liebe 19.10 ARTE Journal 19.30 g Italien, meine Liebe 20.15 H g Ein perfektes Leben Drama (F/CH/E 2002) 22.20 g Kinogeschichten 23.15 H g Hinter dem Berg Drama (TRK/GR 2012) 0.45 g Die Erbschaft 5.05 ¥ g Terra X 7.15 Lanz kocht 8.20 Lafer! Lichter! Lecker! 9.05 g Bares für Rares 10.40 ¥ Die Rettungsflieger 12.05 Küstenwache 13.35 g Ein Fall für zwei 15.35 ¥ Die Rettungsflieger 17.00 g Columbo: Alter schützt vor Torheit nicht TV-Krimi (USA 1972) 18.35 g Bares für Rares 20.15 Einsatz in Hamburg: Tödliches Spiel TV-Krimi (D 2008) 21.46 g Wilsberg: Das Jubiläum TV-Krimi (D 2008) 23.10 Kommissar Beck: Das tote Mädchen TV-Krimi (S 2006) 0.40 ¥ g Aktenzeichen XY... ungelöst – Spezial 5.10 g Privatdetektive im Einsatz 8.55 g Frauentausch 10.55 g Family Stories 11.55 g Dein neuer Style – Entdecke deine Schönheit! 12.55 g Köln 50667 13.55 g Berlin – Tag & Nacht 14.55 g Hilf mir! 16.00 g All About Love 17.00 Die Straßencops West – Jugend im Visier. Neue Folgen 18.00 g Köln 50667 19.00 g Berlin – Tag & Nacht 20.00 g News 20.15 g TeenieMütter – Wenn Kinder Kinder kriegen Doku-Soap 22.25 g BABYs! Das erste Jahr (3) DokuSoap 0.20 Autopsie Dokureihe MDR TELE5 3 SAT 14.00 ¥ g MDR um zwei 15.00 ¥ g Prinzessin Maleen Märchenfilm (D 2015) 16.00 ¥ g MDR um vier 17.45 ¥ g MDR aktuell/Wetter 18.10 ¥ g Brisant 18.54 ¥ Unser Sandmännchen 19.00 MDR Regional 19.30 ¥ g MDR aktuell 19.50 ¥ g Tierisch, tierisch 20.15 ¥ g Exakt 20.45 ¥ g Einmal noch ein spätes Glück? 21.15 ¥ g Die Spur der Ahnen 21.45 ¥ g MDR aktuell 22.05 ¥ g Polizeiruf 110: Zwischen den Welten TV-Krimi (D 2013) 23.35 g Kanzleramt Pforte D – Spezial 0.20 g unicato 1.25 ¥ g Lindenstraße 6.24 Dauerwerbesendung7.25 g Joyce Meyer 7.54 Dauerwerbesendung 14.05 Star Trek – Deep Space Nine 15.05 g Star Trek – Das nächste Jahrhundert 16.05 Star Trek – Raumschiff Voyager 18.05 Star Trek – Deep Space Nine 19.00 g Star Trek – Das nächste Jahrhundert 20.05 g Höggschde Konzentration 20.15 g Population 436 Thriller (CDN/ USA 2006) Mit Jeremy Sisto 22.05 H Two Eyes Staring – Der Tod ist kein Kinderspiel Horrorfilm (B/NL 2010) 0.20 g Population 436 Thriller (CDN/USA 2006) (Wh.) 12.30 g Schweizweit 13.00 ¥ g ZIB 13.20 g Aga-Kröten – Die Eroberung Australiens 14.05 g Grüne Ameisen – Freund oder Feind? 14.50 g Der Garten Erde 17.00 g Spaniens Burgen und Städte 17.45 g Spaniens Küsten und Strände 18.30 g nano 19.00 ¥ heute 19.20 g Kulturzeit 20.00 ¥ g Tagesschau 20.15 H õ g Darf ich bitten? Komödie (USA 2004) 21.55 g Kom(m)ödchenEnsemble: Deutschland gucken 22.45 ¥ g Kalahari Gemsen (3) 23.10 H g Stay Kriminalfilm (USA 2005) 0.45 g Der Bestatter 5.15 g Countdown zur Katastrophe Stansted Airport 12.45 Börse am Mittag 13.00 N24 Nachrichten auch um 14, 15, 18, 19 und 20 Uhr 13.05 g Die Transporter 14.05 g Top Gear USA 15.30 N24 Cassini 16.05 g Der ICE – Highspeed auf Schienen Doku 17.05 Auftrag Schwertransport 18.15 Börse am Abend 18.25 N24 Cassini 19.10 g Welt der Wunder U.a.: Welche Qualität hat deutscher Kaffee? WDR NDR RBB BR SWR HR 20.15 Vorsicht, Verbraucherfalle! 21.00 ¥ Die ErnährungsDocs (3) 21.45 ¥ WDR aktuell 22.10 ¥ Kochende Geschäfte 22.55 ¥ Weltweit 23.20 ¥ Ausgebremst Dok.Film (AUS/GB/USA/NZ/I/F 2014) 20.15 ¥ Expeditionen ins Tierreich 21.00 ¥ Der XXL-Ostfriese 21.45 NDR//aktuell 22.00 ¥ Großstadtrevier 22.50 ¥ Neues aus Büttenwarder 23.15 Tatort: Mord hinterm Deich TV-Krimi (D 1997) 19.30 Abendschau20.00 ¥ Tagesschau 20.15 Das ist Spitze! Show 21.45 aktuell 22.15 Klartext 22.45 H Solo für Klarinette Kriminalfilm (D 1998) 0.15 H Die Herbstzeitlosen Komödie (CH 2006) (Wh.) 20.00 ¥ Tagesschau 20.15 Münchner Runde 21.00 ¥ Kontrovers 21.45 ¥ Rundschau 22.00 ¥ Akte D 22.45 Südlicht 23.15 kinokino 23.30 H ¥ Frantic Thriller (USA/F 1988) 1.25 Rundschau 20.00 ¥ g Tagesschau 20.15 ¥ g betrifft ... 21.00 ¥ g Durchgeknallt 21.45 ¥ Landesschau aktuell 22.00 ¥ g Tatort: Scheinwelten TV-Krimi (D 2013) 23.30 g Gelber Drache, roter Wein 20.15 Mex 21.00 10 verblüffende Medizinerkenntnisse 21.45 Klinik-Check Hessen (3/3) 22.30 hessenschau kompakt 22.45 7 Tage ... 23.30 H My Blueberry Nights Liebesfilm (HK/CHN/F 2007) 20.05 g The World Wars Dokumentationsreihe. Der Große Krieg / Fataler Frieden / Diktatoren und Demokraten / Der Blitzkrieg / Globaler Krieg / Sieger und Besiegte 1.25 g Raketenwerfer und Haubitzen – Die Artillerie der Bundeswehr Doku 19.10 Kaffee ist eines der beliebtesten Getränke der Deutschen PHOENIX 8.15 Brexit – Fakten und Hintergründe 8.30 Vor Ort 9.10 Bon(n) jour 9.30 Thema 12.00 Vor Ort 13.00 Thema 14.15 Vor Ort 16.00 Mission Mali 16.45 Die Flüchtlingskanzlerin 17.15 Brexit – Fakten und Hintergründe (Wh.) 17.30 Vor Ort 18.00 Nur eine falsche Bewegung (Wh.) 18.30 Feuerberge – Oasen im Ozean (Wh.) 19.15 Risiko Vulkan (Wh.) 20.00 ¥ Tagesschau 20.15 Der Spreewald Dokumentation 21.00 Der Brocken 21.45 ¥ heute journal 22.15 Phoenix-Runde 23.00 Der Tag 0.00 Phoenix-Runde (Wh.) ANZEIGE Heute ab 20.05 Uhr DAS DOKU-DRAMA-EVENT © A&E Television Networks/ N24 © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung WELT KOMPAKT -2016-06-29-sil-16 5692aa55e384977d8b6d5a97812bb0ed MENSCHEN & MEDIEN 31 MITTWOCH, 29. JUNI 2016 Zippert zappt ... und jetzt alle! GETTY IMAGES D Happy Birthday, Mr. President: Marilyn Monroe singt die wohl bekannteste Version des Liedes zum 45. Geburtstag von John F. Kennedy Das Geburtstagslied „Happy Birthday“ ist weltbekannt. Aber wem gehören die Rechte? Der Musikverlag Warner beansprucht diese für sich. Ein Richter entschied jetzt dagegen E s war ein ungewöhnlicher Auftritt vor dem Bundesgericht in der Innenstadt von Los Angeles: Mit Gitarre, bunten Luftballons und einem „Happy Birthday“-Ständchen feierten knapp ein Dutzend Anwälte und Kläger laut singend vor dem Gebäude ihren Sieg in einem jahrelangen Gerichtsstreit. Schließlich ging es um eines der bekanntesten Lieder der Welt und um sehr viel Geld. Das „Happy Birthday“-Lied ist nun rechtefrei und damit Allgemeingut. Ein Richter in Los Angeles segnete am Montag eine vor Monaten ausgehandelte Einigung zwischen dem Musikgiganten Warner und den Klägern ab. „Es ist nun offiziell! Singt laut, singt mit Stolz, und singt zum Nulltarif, denn nun kann keiner mehr Lizenzgebühren verlangen“, hieß es in einer Mitteilung der Anwaltskanzlei Donahue Fitzgerald. Dies sei ein „großer Sieg“ für die Öffentlichkeit und für Künstler, die das Lied in ihren Werken verwenden wollten, jubelte der Klägeranwalt Daniel Schacht. Er gehört zum Team der US-Sängerin Rupa Marya, die zusammen mit einer Dokumentarfilmerin und anderen Künstlern gegen den Musikkonzern Warner mit einer Sammelklage vor Gericht gezogen war. Seit Jahrzehnten beanspruchten Musikverlage die Rechte an dem Song. Bei der Geburtstagsfeier zu Hause darf das Lied jeder kostenlos singen, aber bei einer kommerziellen Nutzung, etwa in Filmen, Videos, Alben oder auf elektronischen Grußkarten, floss bei Warner/Chappell Music Geld in die Kassen. Schätzungen zufolge soll das Unternehmen rund zwei Millionen Dollar (etwa 1,8 Millionen Euro) Lizenzgebühren pro Jahr verdient haben. Auch Marya hatte 2013 für „Happy Birthday“ zahlen müssen, als sie das Lied an ihrem Geburtstag bei einem Konzert für eine Live-Aufnahme sang. Sie sei über die Rechnung von 455 Dollar empört gewesen, sagte die Sängerin in mehreren Interviews. Die Filmemacherin Jennifer Nelson, die einen Dokumentarfilm über die Her- kunft von „Happy Birthday to You“ drehen wollte, sollte sogar 1500 Dollar für die Nutzerlizenz begleichen. Nun wird Warner für Millionenbeträge zur Kasse gebeten. Schon im vorigen September hatte der zuständige Richter in Los Angeles das Urheberrecht des Musikriesen für das lukrati- ,, Singt laut, singt mit Stolz, und singt zum Nulltarif, denn nun kann keiner mehr Lizenzgebühren verlangen Donahue Fitzgerald, Anwaltskanzlei ve Lied gekippt. Vergeblich argumentierte der Konzern, er habe 1988 mit dem Kauf einer anderen Firma die Lizenzrechte für das Lied erworben. Erst im Jahr 2030 sollten diese ursprünglich auslaufen. Nach einem monatelangen Hin und Her einigten sich die Streitparteien im Februar auf einen Vergleich. Warner willigte ein, seine Rechte an dem Song aufzugeben und die Betroffenen mit 14 Millionen Dollar (etwa 12,7 Millionen Euro) zu entschädigen. Die Erfinderinnen des weit über hundert Jahre alten Liedes konnten seine spätere Berühmtheit wohl kaum vorhersehen. Komponiert wurde es 1893 von Mildred Hill aus Kentucky und ihrer Schwester Patty, einer Kindergärtnerin. Es war ein Kinderlied und hieß ursprünglich „Good Morning to You“ („Ich wünsche dir einen Guten Morgen“). Mit seiner einfachen Melodie sollte es im Unterricht als Lernmittel genutzt werden. Erst später wurde es auf „Happy Birthday“ umgeschrieben und damit zum Welterfolg. ie Engländer haben sich wirklich ganz schlecht benommen, sie haben uns tief enttäuscht. Und das nach allem, was wir für sie getan haben. Seit Jahren beschäftigen wir uns nur mit dem narzisstisch gestörten David Cameron, der die ganze Aufmerksamkeit des Erziehungspersonals für sich beansprucht hat und nun natürlich erst recht im Mittelpunkt steht. So mancher fragt sich, ob ein paar gezielte Ohrfeigen nicht Wunder gewirkt hätten, aber Gewalt sollte in der Erziehung grundsätzlich ausgeschlossen sein, es sei denn, sie geschieht einvernehmlich. Man muss jetzt positiv denken, also keine Herabstufungen, Abwertungen, Beschimpfungen, Schuldzuweisungen oder Liebesentzug. Das würde nur weitere Trotzreaktionen hervorrufen. Manche fangen dann an, heimlich zu rauchen, andere werden kriminell oder magersüchtig oder alles zusammen. Was sollte man noch tun? Familienstellen, Klangschalentherapie oder ein paar gezielte kneippsche Güsse sind immer hilfreich. Man könnte den Briten auch das Fußballspielen verbieten, aber am wirkungsvollsten wird es sein, sie ohne Nachtisch ins Bett zu schicken. LEUTE VON WELT AFP/ ZOOM DOSSO DIE WELT KOMPAKT Let Girls Learn Michelle Obama (52) hat sich in Marokko für die Bildung von Mädchen stark gemacht. Bei der Veranstaltung „Let Girls Learn“ wurde die First Lady unter anderem von ihren Töchtern Sasha (15) und Malia (17) begleitet. Geplant war ein Gespräch, bei dem es um Hindernisse beim Zugang von Mädchen zu einer vollständigen Bildung geht. Im Königreich Marokko gehen nur 36 Prozent der Mädchen nach der Grundschule weiter zum Unterricht. IMPRESSUM Verleger Axel Springer (1985 †) Herausgeber und Chefredakteur: Stefan Aust Stellvertreter des Chefredakteurs: Dr. Ulf Poschardt, Arne Teetz Stellvertretende Chefredakteure: Beat Balzli, Oliver Michalsky, Dr. Marius Schneider (Geschäftsführender Redakteur) Leitender Redakteur: Matthias Leonhard Stellv.: Henning Kruse; Christian Gaertner, Philip Jürgens, Lars Winckler Redaktionsleiter Digital: Stefan Frommann Politik: Marcus Heithecker, Dr. Jacques Schuster, Lars Schroeder Stv. Claudia Kade Deutschland Hintergrund: Wolfgang Büscher, Claus Christian Malzahn Außenpolitik: Dr. Sascha Lehnartz, Stv. Silke Mülherr Wirtschaft: Thomas Exner, Olaf Gersemann Kultur, Magazin: Philipp Haibach Sport: Stefan Frommann Menschen & Medien/Leben/Wissen: Wolfgang Scheida, Heike Vowinkel Regionalredaktion Hamburg: Jörn Lauterbach Layout und Produktion: Ronny Wahliß, Gesa Vollborn Foto: Stefan A. 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Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit liege der Osten der Stadt, in dem ein Mitglied der Hells Angels auf Mitglieder der United Tribuns schoss. Dabei wurde ein Mann getötet und zwei weitere schwer verletzt. ÄGYPTEN Flugschreiber-Daten wiederhergestellt Avocados sind so begehrt, dass die Anbieter kaum hinterherkommen. In Neuseeland, wo sich rund 1600 Bauern auf die Frucht spezialisiert haben, geht sogar der große Avocado-Klau um. Im Schaufenster eines Supermarkts sah man gar ein Schild mit dem Hinweis: „Über Nacht werden hier weder Bargeld noch Avocados aufbewahrt.“ Die meisten in Deutschland verkauften Früchte stammen allerdings aus Peru, den Niederlanden und Spanien. DPA/ DANIEL KARMANN Lebensecht aussehende Kinderpuppen, Prinzessinnenkleider, Fesselwerkzeug und ein Teddy mit Kameraaugen: Im Haus des mutmaßlichen Kindermörders Silvio S. hat die Polizei nach seiner Festnahme bizarre Entdeckungen gemacht. Am Montag soll der Prozess um den Tod der Jungen Elias (6) und Mohamed (4) weitergehen. Ein Urteil wird Ende Juli erwartet. Eine ungewöhnliche Erziehung Ein 16-Jähriger klaut seiner Schwester das iPad. Seine Strafe: Vier Wochen im Zelt leben W ie sollten Eltern ihren 16-jährigen Sohn bestrafen, der seiner Schwester das iPad weggenommen hatte? Jacob und Angela Boggus aus Belen im amerikanischen New Mexico hatten eine ausgefallene Idee: Sie verbannten ihren Sohn Adam in ein Zelt im Garten. VON MICHAEL REMKE Experten haben eine erste Flugschreiber-Speicherkarte der ins Mittelmeer gestürzten EgyptAir-Maschine repariert und die Daten sichern können. Nun versuchen die Experten, auch die Speicherkarte des Stimmrekorders wiederherzustellen, der alle Gespräche im Cockpit aufzeichnet. Von der Auswertung der Flugschreiber erhoffen sich die Ermittler Hinweise auf die Absturzursache. Wie die Eltern berichten, hat Adam, seitdem er im Kindergarten ist, immer wieder Dinge unerlaubt an sich genommen. Die Eltern hätten mit ihm darüber gesprochen. Sie hätten ihn auch unter Hausarrest gestellt. Doch nichts habe geholfen. „Wir wussten einfach nicht mehr weiter“, sagt der Vater. Die Zeltstrafe, die am 23. Mai begonnen hatte, sei so etwas wie der letzte Versuch gewesen, den Sohn wieder auf den rechten Weg zu bringen. Mindestens einen Monat lang soll Adam in dem dafür extra neu gekauften Drei-Mann-Zelt in der Verbannung im Garten bleiben – zumindest tagsüber. Die Nächte darf er im Haus verbringen, ab 21 Uhr geht er in seinem eigenen Bett schlafen. Auch Essen bekommt er im Haus. Nur das Wasser muss er sich aus dem Gartenschlauch holen. Den kann er auch zum Abkühlen benützen. In Belen liegen die Temperaturen jetzt im Sommer oft bei über 35 Grad Celsius. „Ich würde natürlich lieber im klimatisierten Haus meiner Eltern leben“, sagt Adam in einem Interview mit dem “People“-Magazin. „Doch ich habe einen Fehler gemacht und muss dafür büßen.“ Seinen Eltern mache er keinen Vorwurf. Er wisse, dass sie ihn lieben und ihm helfen wollten. „Ich muss lernen, was falsch und was richtig ist.“ Die ungewöhnliche Erziehungsmethode der Familie Boggus hat mittlerweile auch die sozialen Medien erreicht und auf Facebook eine Debatte weit über die Grenzen von New Mexico hinaus über Erziehung von Kindern ausgelöst. „Das ist eine schlimme Strafe“, beschwert ANZEIGE DEUTSCHLAND HEUTE Bremen Emden 21 14 Rostock 22 25 14 23 14 Frankfurt Saarbrücken 24 14 25 16 Nürnberg 25 Friedrichshafen 26 16 25 15 Dresden 22 13 15 21 Süden 13 23 4 Freitag Norden 14 22 Mitte 14 22 14 26 Süden Samstag Stuttgart 14 25 17 3 Mitte Berlin Düsseldorf Leipzig 24 14 Kassel 22 15 21 Hamburg 15 Hannover 21 21 14 14 Münster Köln 13 4 21 14 21 14 München 26 17 Norden Adam Boggus, Bestrafter Junge Oslo 10 20 Mitte 11 19 Süden 12 23 17 Dublin Gerade zu Besuch bei mir selbst. * Ausgewählte Flüge, Buchung LH.com, Reisen: 16.10.2016 bis 31.03.2017, begrenztes Sitzplatzangebot. Norden 19 Kiel 19 Ich muss lernen, was falsch und was richtig ist 12 Donnerstag 5 ,, Reykjavik Teils freundlich, teils Schauer Über den Norden und Osten sowie die Mittelgebirge ziehen die meisten Wolken, zum Teil mit Schauern und Gewittern. Im Süden scheint die Sonne etwas häufiger, es kann aber ebenfalls Regengüsse mit Blitz und Donner geben. -9 bis -5 sich ein Nachbar über die Eltern. Einige besorgte Mitbürger haben in den vergangenen Tagen immer wieder bei der Polizei angerufen und sich darüber beschwert, dass ein Junge bei dieser Hitze nicht in einem Zelt eine Strafe absitzen sollte. Dreimal sind die alarmierten Beamten bisher bei Familie Boggus vorbeigekommen, doch einen Verstoß gegen Gesetze sahen sie nicht. Laut dem örtlichen Polizeichef bestehe keine Gefahr für Leib und Leben des Jungen: „Es geht ihm gut.“ Auf der Facebook-Seite der TV-Station KRQE News, die über den Fall als Erste berichtet hatte, scheinen das die meisten Zuschauer ähnlich zu sehen wie der Lokalpolizist. „Wenn mehr Eltern sich so um ihren Sohn kümmern würden, hätten wir weniger Verbrecher auf den Straßen“, schreibt da eine. 19 Hin & Zurück ab 499€ Lissabon 26 * 33 21 Zürich 26 24 Bordeaux Nizza 33 25 Madrid Barcelona 30 Rom Palma 23 30 Malaga 40 26 T Riga Moskau 28 24 Warschau Kiew 27 29 Budapest Zagreb 27 25 22 33 Hoch/Tief Warmfront Kaltfront 24 26 Tunis Okklusion Istanbul 28 32 Athen Algier Las Palmas H 25 St. Petersburg 19 20 Berlin 18 Brüssel Paris 20 Wien 30 19 Peking Helsinki 20 Stockholm Kopenhagen 20 London Warmluft Kaltluft WELTWETTER -4 bis 0 1 bis 5 6 bis 10 11 bis 15 16 bis 20 21 bis 25 26 bis 30 31 bis 35 über 35 Amsterdam Antalya Barcelona Buenos Aires Djerba Genf Hongkong Innsbruck 19° Schauer 30° Schauer 30° wolkig 18° heiter 33° sonnig 28° wolkig 32° Gewitter 27° Schauer © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung Kairo Kapstadt Kreta Los Angeles Mailand Malta Miami New York 39° sonnig 15° sonnig 29° heiter 25° wolkig 29° Schauer 31° sonnig 32° Gewitter 30° heiter Palermo 28° sonnig Peking 35° wolkig Prag 26° wolkig Rio de Janeiro 25° wolkig Salzburg 26° wolkig Sydney 16° sonnig Tel Aviv 34° sonnig Tokio 23° Schauer WELT KOMPAKT -2016-06-29-sil-16 5692aa55e384977d8b6d5a97812bb0ed
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